VPB 59.103

(Auszug aus dem Beschwerdeentscheid der Rekurskommission EVD vom 30. August 1994 in Sachen O. gegen Zentralschweizerischen Milchverband [MVL] und Regionale Rekurskommission Nr. 10; 93/8B-001)

Erhöhung des Einzelkontingents bei Wegfall der Milchlieferung an ein Altersheim; Gesetzeslücke; Lückenfüllung.

Art. 1 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 1 - 1 Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
1    Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
2    Kann dem Gesetz keine Vorschrift entnommen werden, so soll das Gericht4 nach Gewohnheitsrecht und, wo auch ein solches fehlt, nach der Regel entscheiden, die es als Gesetzgeber aufstellen würde.
3    Es folgt dabei bewährter Lehre und Überlieferung.
ZGB: Ausfüllung einer echten Gesetzeslücke.

- Unterscheidung zwischen echter und unechter Lücke; Abgrenzung zum qualifizierten Schweigen. Für den speziellen Fall, dass ein Anstaltsbetrieb nicht mehr an das zugehörige Heim liefern kann, findet sich in der MKTV 89 keine Regelung; es liegt eine echte Lücke vor; das Kontingent des Bewirtschafters ist nach Wegfall der Milchlieferung grundsätzlich zu erhöhen (E. 4.1).

- Lückenfüllung durch den Richter in analoger Anwendung von Art. 1 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 1 - 1 Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
1    Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
2    Kann dem Gesetz keine Vorschrift entnommen werden, so soll das Gericht4 nach Gewohnheitsrecht und, wo auch ein solches fehlt, nach der Regel entscheiden, die es als Gesetzgeber aufstellen würde.
3    Es folgt dabei bewährter Lehre und Überlieferung.
ZGB (E. 4.2).

- Bei der Ausfüllung der festgestellten Verordnungslücke können die Erhöhungskriterien bei Stallsanierung und Bewirtschafterwechsel nicht sinngemäss beigezogen werden (E. 4.4).

- Abzustellen ist grundsätzlich - analog zur Bemessung der Grundkontingente bei Einführung der Milchkontingentierung - auf die Milchlieferungen an das Altersheim in den Basisjahren. Fehlen aktenkundige Hinweise über die seinerzeitigen Einlieferungen, ist für die Bemessung des Kontingents auf die in jüngerer Vergangenheit erfolgten Heimeinlieferungen abzustellen (E. 4.5).

- Im Sinne der Rechtsgleichheit ist es angebracht, die generelle Kontingentskürzung auf der neu hinzukommenden Milchmenge rechnerisch vorzunehmen (E. 4.7).

Majoration du contingent en cas de cessation de la livraison de lait à une maison de retraite; lacune de la loi; comblement des lacunes.

Art. 1 al. 2 CC: comblement d'une lacune proprement dite.

- Distinction entre lacune proprement dite et improprement dite, délimitation du silence qualifié. Le cas particulier d'une exploitation ne pouvant plus livrer de lait à l'établissement auquel elle est attachée ne fait l'objet d'aucune réglementation dans l'OCLP 89; il y a dès lors une lacune proprement dite; après la cessation de la livraison de lait, le contingent de l'exploitant doit en principe être majoré (consid. 4.1).

- Par analogie avec l'art. 1 al. 2 CC, le juge administratif peut combler une lacune (consid. 4.2).

- Les motifs de majoration pour modernisation et changement d'exploitant ne peuvent être utilisés sans autre pour combler la lacune de l'ordonnance (consid. 4.4).

- Afin de calculer le contingent à attribuer, il convient de se fonder sur les livraisons de lait effectuées auprès de la maison de retraite aux cours des années de référence, comme cela a été fait pour déterminer les contingents de base lors de l'introduction du contingentement laitier. Si des renseignements relatifs aux livraisons faites à l'époque n'ont pas été enregistrés, il faut prendre en considération les livraisons ayant eu lieu durant ces dernières années (consid. 4.5).

- Il résulte du principe de l'égalité de traitement que la réduction générale du contingent doit être calculée sur la nouvelle quantité de lait qui va être attribuée (consid. 4.7).

Aumento del contingente in caso di cessazione della fornitura di latte a un casa di riposo per anziani; lacuna della legge; rimedio ad una lacuna.

Art. 1 cpv. 2 CC: rimedio ad una lacuna propriamente detta.

- Distinzione fra lacuna propriamente detta e quella impropriamente detta; delimitazione del silenzio qualificato. Il caso particolare di un'azienda che non può più fornire latte alla casa di riposo alla quale è assegnata non costituisce l'oggetto di alcuna regolamentazione speciale nell'OCLP 89; esiste pertanto una lacuna propriamente detta; dopo la cessazione della fornitura di latte, il contingente del gestore deve per principio essere aumentato (consid. 4.1).

- Per analogia con l'art. 1 cpv. 2 CC, il giudice amministrativo può colmare una lacuna (consid. 4.2).

- I criteri di aumento in seguito ad ammodernamento e mutamento di gestore non possono essere utilizzati per analogia per colmare la lacuna dell'ordinanza (consid. 4.4).

- Al fine di calcolare il contingente da attribuire, occorre fondarsi sulle forniture di latte effettuate presso la casa di riposo durante gli anni di riferimento, come è stato fatto per la determinazione dei contingenti di base al momento dell'introduzione del contingentamento lattiero. Se non sono state registrate indicazioni relative alle forniture di latte fatte all'epoca, occorre prendere in considerazione le forniture effettuate durante gli ultimi anni (consid. 4.5).

- Dal principio dell'uguaglianza di trattamento risulta che la riduzione generale del contingente deve essere calcolata sulla nuova quantità di latte che verrà attribuita (consid. 4.7).

Aus dem Sachverhalt:

Als Kompensation für den Wegfall der Milchlieferung an ein Altersheim stellte O. am 12. Dezember 1991 beim Zentralschweizerischen Milchverband (MVL) ein Gesuch um Erhöhung seines Milchkontingentes um ... kg. Gleichzeitig meldete er eine Flächenreduktion. Am 7. September 1992 erliess der Milchverband zwei Verfügungen. In der ersten Verfügung kürzte er das Kontingent des O. infolge der Landabgabe. In der zweiten Verfügung erhöhte er das Kontingent um ... kg.

Gegen letzteren Entscheid erhob O. am 26. September 1992 Beschwerde bei der Regionalen Rekurskommission Nr. 10, welche diese mit Entscheid vom 19. November 1992 teilweise guthiess.

Mit Verwaltungsbeschwerde vom 15. April 1993 ficht O. diesen Entscheid bei der Oberrekurskommission i. S. Milchkontingentierung an und beantragt eine weitere Kontingentserhöhung.

Die Rekurskommission EVD übernahm das Verfahren am 9. Februar 1994 als zuständige Behörde.

Aus den Erwägungen:

1. (Zuständigkeit)

2. (Beschwerdelegitimation; Eintreten auf die Beschwerde, soweit es das Feststellungsinteresse des Beschwerdeführers betrifft; vgl. REKO/EVD 93/8B-004 E. 2, veröffentlicht in: VPB 59.90[16])

3. (Gesetzliche Grundlagen, anwendbares Recht; vgl. REKO/EVD 93/8B-004 E. 3, veröffentlicht in: VPB 59.90[17])

4. Den Akten ist zu entnehmen, dass der Vater des Beschwerdeführers den Betrieb E. von der Bürgergemeinde M. seit 1972 gepachtet hatte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Bürgergemeinde den Betrieb zusammen mit dem Altersheim E. bewirtschaftet. Im Pachtvertrag verpflichtete sich der Vater des Beschwerdeführers zur Lieferung der «notwendigen Hausmilch» an das Heim E. Bei Einführung der einzelbetrieblichen Milchkontingentierung wurde die an das Altersheim gelieferte Milch von der Kontingentierung ausgenommen. Im Jahre 1985 wurde der Pachtvertrag auf den Rekurrenten O. übertragen und per 1. Mai 1992 dahingehend angepasst, dass die Milchlieferungen an das Altersheim eingestellt werden sollten. Der Milchverband und die Rekurskommission Nr. 10 erhöhten mit jeweils verschiedener Berechnungsweise das bisherige Milchkontingent des Rekurrenten. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen den Entscheid der Rekurskommission Nr. 10. Der Rekurrent beantragt eine weitergehende Erhöhung seines Milchkontingents.

4.1. Es stellt sich die Frage, wie ein Betrieb, der ursprünglich mit einem Heim verbunden war und anschliessend als selbständige Existenz verpachtet wurde, kontingentsrechtlich zu behandeln ist, wenn die Möglichkeit entfällt, Milch an das Heim zu liefern.

Wie die Vorinstanzen zu Recht davon ausgehen, findet sich für den vorliegenden Sachverhalt in der Verordnung vom 20. Dezember 1989 über die Milchkontingentierung in der Talzone, in der voralpinen Hügelzone und in der Zone I des Berggebietes (Milchkontingentierung-Talverordnung 89 [MKTV 89], AS 1990 286 1059, 1991 1125, 1992 946 2049) keine anwendbare Bestimmung. Es ist deshalb vorab zu prüfen, wie das Fehlen einer Antwort in der Verordnung rechtlich zu qualifizieren ist, das heisst, ob ein sogenanntes qualifiziertes Schweigen oder allenfalls eine Gesetzeslücke vorliegt.

Dem Begriff nach besteht eine Lücke, wenn eine Rechtsfrage, die der Einzelfall aufgibt, gesetzlich nicht geregelt, das Gesetz also unvollständig ist (BGE 103 Ia 502 ff.). Unterschieden wird zwischen echten und unechten Lücken. Eine echte Lücke liegt vor, wenn ein Gesetz für eine Frage, ohne deren Beantwortung die Rechtsanwendung nicht möglich ist, keine Regelung enthält. Es liegt demnach eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes vor. Eine unechte Lücke liegt vor, wenn dem Gesetz eine Regel zu entnehmen ist, diese aber trotz Auslegung zu einem Ergebnis führt, das sachlich nicht befriedigt. Bevor eine ausfüllungsbedürftige Lücke angenommen werden darf, ist jedoch durch Auslegung zu ermitteln, ob das Fehlen einer ausdrücklichen Anordnung nicht eine bewusste negative Antwort des Gesetzgebers bedeutet und damit ein qualifiziertes Schweigen vorliegt. Diesfalls wäre für Analogie und richterliche Lückenfüllung kein Platz. Ein solches Schweigen ist gegeben, wenn die Auslegung des Gesetzes ergibt, dass der Gesetzgeber eine Rechtsfrage nicht bewusst oder unbewusst offengelassen hat, sondern sie durch bewusstes Schweigen in negativem Sinne entscheiden wollte (vgl. BGE 115 II 99). Ein solcher Fall liegt - wie die nachfolgenden
Erwägungen aufzeigen - nicht vor.

Wie das Bundesamt für Landwirtschaft (hiernach: Bundesamt) ausführt, wurde bei Einführung der Milchkontingentierung entschieden, dass Anstaltsbetriebe, die Milch an ein angegliedertes Heim liefern, für diese Milch nicht der Kontingentierung zu unterstellen seien. Es stand also den betreffenden Produzenten nicht frei, ob sie sich der Kontingentierung unterstellen lassen wollten oder nicht. Da bei der Einführung der einzelbetrieblichen Milchkontingentierung für die Berechnung der Grundkontingente auf die Einlieferungen an die örtliche Genossenschaft in den Milchjahren 1974/75 und 1975/76 abgestellt wurde (Art. 3 i.V.m. Art. 20 der Verordnung vom 28. Februar 1979 über die Milchkontingentierung im Talgebiet, in der voralpinen Hügelzone und in der Zone I des Berggebietes; Milchkontingentierung-Talverordnung 79 [MKTV 79], AS 1979 270, 546, 1980 359, 878, 2089), bedeutete dies für Betriebe wie denjenigen des Rekurrenten, dass die bis anhin an das Heim gelieferte Milch nicht in die Berechnung des Kontingents einbezogen wurde und ihnen deshalb ein entsprechend geringeres beziehungsweise gar kein Grundkontingent zugeteilt wurde. Hätte der Betrieb O. in den Basisjahren auch die Milch, die er an das Heim lieferte, in die örtliche
Genossenschaft eingeliefert, wäre ihm ein höheres Grundkontingent zugeteilt worden. Den speziellen Fall, dass ein derartiger Anstaltsbetrieb nicht mehr an das zugehörige Heim liefern kann, hat der Verordnungsgeber offenbar nicht bedacht und daher die Frage unbewusst offengelassen. Diese Auslegung drängt sich besonders auf, wenn man berücksichtigt, dass es mitunter Sinn und Zweck der Milchkontingentierung ist, den Bauern, die mit Ausnahme der Fleisch- und Milchproduktion keine wetterunabhängigen Produktionskonstanten kennen, mit der Milchpreisgarantie und der Annahmepflicht der Milch eine zuverlässige Einkommensquelle zu verschaffen (vgl. Spörri Philipp, Milchkontingentierung, Freiburg 1992, S. 111 ff.). Es wäre nun stossend, einen Produzenten, dem die Möglichkeit entfällt, Milch an ein Heim zu liefern, nicht im entsprechenden Umfang der Milchkontingentierung zu unterstellen. Nach Wegfall der Lieferungen an das Heim ist der betroffene Produzent ebenso auf die betriebswirtschaftliche Konstante der Kontingentierung angewiesen wie die übrigen Produzenten. In diesem Sinn äussert sich auch das Bundesamt in seiner Stellungnahme, indem es ausführt, ein derartiger Betrieb solle nach Wegfall der Lieferungen an das Heim etwa gleich
viel Milch in Verkehr bringen können wie vorher.

Aus dem Gesagten folgt, dass vorliegend kein qualifiziertes Schweigen des Verordnungsgebers, sondern eine planwidrige Unvollständigkeit der Verordnung und damit eine echte Lücke vorliegt und somit das Kontingent des Rekurrenten grundsätzlich zu erhöhen ist.

4.2. Die festgestellte Gesetzeslücke ist nach Art. 1 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 1 - 1 Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
1    Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
2    Kann dem Gesetz keine Vorschrift entnommen werden, so soll das Gericht4 nach Gewohnheitsrecht und, wo auch ein solches fehlt, nach der Regel entscheiden, die es als Gesetzgeber aufstellen würde.
3    Es folgt dabei bewährter Lehre und Überlieferung.
des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB, SR 210), der auch im Verwaltungsrecht in analoger Weise zur Anwendung kommt, durch den Richter zu schliessen. Der Richter hat nach objektiven Kriterien eine generelle, abstrakte Regel aufzustellen, wie er es als Gesetzgeber tun würde. Dabei hat sich der Richter soweit als möglich an das bestehende, objektive Recht anzulehnen, denn er schafft kein neues Gesetz, sondern vervollständigt es nur (vgl. VPB 48.70).

Unvollständigkeiten des Gesetzes werden vorwiegend durch Analogie behoben, also auf die Weise, dass für vergleichbare Sachverhalte auf geltende Vorschriften zurückgegriffen und diese sinngemäss, also unter Berücksichtigung der Besonderheiten der verwaltungsrechtlichen Sachlage angewendet werden (Gygi Fritz, Verwaltungsrecht, Bern 1986, S. 84).

4.3. Sowohl der Milchverband als auch die Rekurskommission Nr. 10 haben eine Erhöhung des Kontingentes des Rekurrenten verfügt. In Anlehnung an eine beim Bundesamt eingeholte Stellungnahme hat der Milchverband Anhang 1a und 1b der Milchkontingentierung-Talverordnung 89 analog zur Berechnung des Kontingents herangezogen. Die Vorinstanz hingegen hat, ohne Bezug auf eine analoge Bestimmung in der geltenden Verordnung, auf die durchschnittlichen Milcheinlieferungen an das Altersheim E. in den Milchjahren 1985/86 bis 1991/92 abgestellt und diese Menge zum Basiskontingent per 1. Mai 1991 addiert. Sodann nahm sie auf dem daraus resultierenden Kontingent Kürzungen vor, auf die im Verlaufe dieser Erwägungen noch einzugehen sein wird.

4.4. Es ist zu prüfen, ob sich in der hier anwendbaren Verordnung eine analoge Bestimmung findet, die einen vergleichbaren Sachverhalt wie den vorliegenden regelt. In diesem Sinne hat der Milchverband Anhang 1a und 1b der Milchkontingentierung-Talverordnung 89 für die Berechnung der Erhöhung herangezogen. In Anhang 1a und 1b ist die Berechnung des höchstzulässigen Einzelkontingents sowie des maximalen Zuschlages bei Sanierungen und Bewirtschafterwechsel nach Art. 11 Abs. 3 beziehungsweise 4 und Art. 12 Abs. 2 beziehungsweise 3 der Milchkontingentierung-Talverordnung 89 geregelt. Voraussetzung für eine analoge Anwendung dieser beiden Anhänge wäre, dass die beiden Erhöhungskriterien der Sanierung oder des Bewirtschafterwechsels mit dem hier zur Beurteilung stehenden Sachverhalt vergleichbar wären.

Mit der Sanierung als Kriterium der Kontingentserhöhung wird dem Milchproduzenten eine Einkommenserhöhung für den Fall zugesichert, dass er die geplante Änderung des Stalls vornimmt. Geprüft werden dabei die fehlenden Produktionsalternativen und die Verschuldungsabsicht. Zweck der Kontingentserhöhung infolge Bewirtschafterwechsels ist es, dem Bauern, der einen verkehrsmilchproduzierenden Betrieb übernimmt, die Weiterführung und den Wiederaufbau eines heruntergewirtschafteten Betriebes zu ermöglichen (vgl. Spörri, a. a. O., S. 168). In beiden Fällen wird also dem betreffenden Produzenten ermöglicht, mehr Verkehrsmilch zu produzieren als bisher. In diesem Zusammenhang ist es sinnvoll, dass der Verordnungsgeber in Anhang 1a und 1b ein höchstzulässiges Kontingent und einen maximalen Zuschlag festgesetzt hat.

Im Unterschied zu den Erhöhungskriterien gemäss Anhang 1a und 1b der Milchkontingentierung-Talverordnung 89 hat vorliegend die Erhöhung des Kontingents des Beschwerdeführers keine Mehrproduktion an Verkehrsmilch zur Folge, sondern es erfolgt lediglich ein Wechsel auf seiten des Milchabnehmers. Mit der Kontingentserhöhung wird dem Rekurrenten ermöglicht, die bisher an das Altersheim gelieferte Verkehrsmilch in die Milchsammelstelle einzuliefern. Da die gesamthaft im Betrieb produzierte Menge mit der Kontingentserhöhung nicht zunimmt, ist es auch entbehrlich, ein maximales Kontingent beziehungsweise einen maximalen Zuschlag festzusetzen.

Aus dem Gesagten folgt, dass die beiden Erhöhungskriterien der Stallsanierung und des Bewirtschafterwechsels nicht einen ähnlich gelagerten Sachverhalt regeln wie den vorliegenden und es daher verfehlt wäre, die entsprechenden Berechnungsformeln in Anhang 1a und 1b der Milchkontingentierung-Talverordnung 89 für die Festsetzung des Kontingents des Rekurrenten heranzuziehen. In der Milchkontingentierung-Talverordnung 89 findet sich aber auch keine andere Bestimmung, die analog auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar wäre.

4.5. Ein Anhaltspunkt für eine Lückenfüllung findet sich hingegen in der Einführungsverordnung zur einzelbetrieblichen Milchkontingentierung. Gemäss der Milchkontingentierung-Talverordnung 79 wurde für die Bemessung der Grundkontingente der einzelnen Produzenten auf die bisherigen Einlieferungen (in den Milchjahren 1974/75 und 1975/76) an die Genossenschaft abgestellt (Art. 3 i.V.m. Art. 20 MKTV 79). Eine Ähnlichkeit der damaligen Situation der Milchproduzenten zum vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt liegt insofern vor, als es schon bei Einführung der einzelbetrieblichen Milchkontingentierung darum ging, den einzelnen Milchproduzenten ein Kontingent zuzuteilen, das in etwa ihren bisherigen Produktionsmöglichkeiten entsprach. Deshalb wurde auf die Milcheinlieferungen an die Genossenschaft in den Milchjahren 1974/75 und 1975/76 abgestellt.

Da davon auszugehen ist, dass die in den Basisjahren der Milchkontingentierung an das Altersheim gelieferte Milch auch in die Berechnung des Grundkontingents einbezogen worden wäre, wenn sie statt dessen der Genossenschaft eingeliefert worden wäre, könnte vorliegend grundsätzlich auf die damals an das Heim gelieferte Milch abgestellt werden. Der Rekurrent hat die Menge der in den Basisjahren an das Heim gelieferten Milch in seinem Gesuch an den Milchverband aufgeführt. Diese Angaben wurden am 12. Dezember 1991 nicht von der Gemeinde M. als Verpächterin und damaliger Abnehmerin der Milch, sondern vom Präsidenten der Käsereigenossenschaft M.-D. bestätigt. Die Vorinstanz hat beim Rekurrenten eine Aufstellung der Einlieferungen an das Altersheim in den Milchjahren 1985/86 bis 1991/92 einverlangt. Diese Zahlen wurden von der Gemeinde M. als Verpächterin unterschriftlich bestätigt. Es erscheint sinnvoll, gemäss dem System bei der Einführung der einzelbetrieblichen Milchkontingentierung auf die bisherigen Einlieferungen abzustellen, jedoch für die Bemessung des Kontingents die in der jüngeren Vergangenheit erfolgten Einlieferungen heranzuziehen. Einerseits sind diese Angaben von der Abnehmerin der Milch bestätigt worden,
anderseits zeigen die entsprechenden Angaben, welche tatsächliche Absatzeinbusse der Rekurrent mit dem ersatzlosen Wegfall der Möglichkeit, Milch an das Heim zu liefern, erleiden würde. Zudem zeigt ein Vergleich der vom Rekurrenten für die Basisjahre der Milchkontingentierung ausgewiesenen Einlieferungen mit denjenigen in den Milchjahren 1985/86 bis 1991/92, dass diese etwa im gleichen Umfang erfolgt sind. So wurden in den Jahren 1975 und 1976 durchschnittlich ... kg eingeliefert, in den Milchjahren 1985/86 bis 1991/92 waren es durchschnittlich ... kg.

4.6. Das Bundesamt vertritt in seiner Stellungnahme als Fachinstanz die Auffassung, dass im vorliegend angefochtenen Entscheid nicht berücksichtigt worden sei, dass das Kontingent des Betriebes O. im Jahre 1979 auf Gesuch hin um 12 000 kg erhöht worden sei. Es sei davon auszugehen, dass das Kontingent «um weniger als 12 000 kg oder überhaupt nicht erhöht worden wäre, wenn damals die selbstausgemessene Milch von rund ... kg im Grundkontingent enthalten gewesen wäre».

Diese Annahme wird in der Stellungnahme nicht näher erörtert. Aber auch der betreffenden Verfügung des Milchverbandes vom 25. Oktober 1979 ist nichts zu entnehmen, was diese Vermutung stützen könnte. Als Grund für die Erhöhung um 11 920 kg wird dort einerseits ein Härtefall, anderseits eine Stallsanierung erwähnt. Gemäss der Milchkontingentierung-Talverordnung 79, auf die sich die damalige Verfügung des Milchverbandes stützte, konnte dem Produzenten das Einzelkontingent auf Gesuch hin angemessen erhöht werden, wenn Ereignisse, für die der Produzent nicht verantwortlich war, in den Milchjahren 1974/75 und 1975/76 derart auf seine Milchproduktion eingewirkt hatten, dass die Berechnung des Einzelkontingents zu einem unzumutbaren Härtefall führte (Art. 10 MKTV 79). Eine Erhöhung erfolgte jedoch nur, wenn das Einzelkontingent je Hektare massgebliche Nutzfläche zufolge des Ereignisses unter dem entsprechenden Durchschnitt der örtlichen Genossenschaft lag (Art. 10 Abs. 2 MKTV 79).

Während aufgrund der Akten nicht festgestellt werden kann, welches konkrete Ereignis während der Basisjahre den Milchverband das Vorliegen eines Härtefalls bejahen liess, steht hingegen fest, dass der Hektarendurchschnitt des Betriebes O. damals deutlich unter dem massgeblichen Durchschnitt der Genossenschaft lag. Der Genossenschaftsdurchschnitt betrug im Jahre 1979 4343 kg/ha, während sich der Hektarendurchschnitt des Betriebes O. vor der damaligen Kontingentserhöhung bei einem Einzelkontingent von ... kg und einer massgeblichen Nutzfläche von ... ha auf 2845 kg/ha belief. Und sogar unter Einbezug der in den Basisjahren an das Altersheim gelieferten Milch (... kg + ... kg) resultiert mit 3546 kg/ha ein Hektarendurchschnitt, der immer noch wesentlich unter dem damaligen Genossenschaftsdurchschnitt von 4343 kg liegt. Dies spricht gegen die vom Bundesamt getroffene Annahme, wonach das Kontingent des Betriebes O. im Jahre 1979 nicht erhöht worden wäre, wenn die damals an das Heim gelieferte Milch im Grundkontingent enthalten gewesen wäre.

Da die Annahme des Bundesamtes weder aus der Verfügung des Milchverbandes aus dem Jahre 1979 noch aus den gesamten Umständen schlüssig abgeleitet werden kann und die vorstehende Berechnung zeigt, dass der damalige Hektarendurchschnitt des Betriebes O. selbst unter Einbezug der an das Heim gelieferten Milch deutlich tiefer gewesen wäre als der damalige Genossenschaftsdurchschnitt, erweist sie sich als unbegründet und kann im folgenden nicht berücksichtigt werden.

4.7. Der Rekurrent bringt vor, die von der Rekurskommission Nr. 10 vorgenommenen «zweimaligen generellen Kontingentskürzungen von 1%» seien nicht gerechtfertigt, da sie auf seinem bisherigen Milchkontingent bereits vorgenommen worden seien.

Dazu gilt es zu bemerken, dass der Bundesrat seit Einführung der Milchkontingentierung erst eine generelle Kürzung verordnet hat. Dies geschah per 1. Juli 1986 (Art. 3 Abs. 1bis der Verordnung vom 13. April 1983 über die Milchkontingentierung im Talgebiet, in der voralpinen Hügelzone und in der Zone I des Berggebietes; Milchkontingentierung-Talverordnung 83 [MKTV 83], AS 1983 393, 1986 1084) und erfolgte - je nach Höhe des Kontingents im Milchjahr 1985/86 - um 1 bis 3%. Bei einem Kontingent zwischen 70 000 und 150 000 kg erfolgte eine Kürzung um 2% (Art. 3 Abs. 1bis Bst. a MKTV 83). Es trifft zu, dass diese Kürzung auf dem bisherigen Kontingent des Rekurrenten nicht erneut vorzunehmen ist. Hingegen ist es im Sinne der Rechtsgleichheit angebracht, die generelle Kürzung auf der neu hinzukommenden Menge rechnerisch noch vorzunehmen. Andernfalls würde der Rekurrent gegenüber den übrigen Produzenten, die bei Einführung der Einzelkontingentierung das volle Kontingent zugeteilt erhielten, ungerechtfertigterweise bevorzugt, da diesen das Kontingent per 1. Juli 1986 generell gekürzt wurde.

4.8. Ferner beanstandet der Beschwerdeführer am vorinstanzlichen Entscheid die Reihenfolge der Kontingentsanpassungen. Der Milchverband habe in einem ersten Schritt die Landreduktion und in einem zweiten Schritt die bisherigen Einlieferungen an das Altersheim behandelt. Die Rekurskommission Nr. 10 hingegen habe sich nicht mehr an diese Reihenfolge gehalten.

Die Rüge des Rekurrenten ist insofern berechtigt, als die Vorinstanz die Tatsache nicht beachtet hat, dass die erste der beiden Verfügungen des Milchverbandes vom 7. September 1992, mit der aufgrund des bisherigen Kontingentes die Nutzflächenverminderung berücksichtigt und das Kontingent auf ... kg festgelegt worden war, vom Rekurrenten nicht angefochten wurde und deshalb in Rechtskraft erwachsen ist. Diese Tatsache ist auch für die nachfolgenden Berechnungen relevant. Bei der Berechnung der Kontingentserhöhung infolge Wegfalls der Möglichkeit, Milch an das Altersheim zu liefern, ist vom per 1. Mai 1992 rechtskräftig zugeteilten Kontingent von ... kg auszugehen.

4.9. Zusammenfassend ergibt sich für die nachfolgende Berechnung, dass grundsätzlich in Anlehnung an das System bei der Einführung der einzelbetrieblichen Milchkontingentierung auf die Milchlieferungen an das Altersheim E. in den Basisjahren 1974/75 und 1975/76 abzustellen wäre. Da jedoch der genaue Umfang der damaligen Lieferungen nicht aktenkundig ist, ist gemäss dem von der Vorinstanz gewählten Lösungsansatz auf die amtlich bestätigten, durchschnittlichen Einlieferungen an das Altersheim E. in den Milchjahren 1985/86 bis 1991/92 abzustellen. Auf dem neu hinzukommenden Kontingent ist sodann rechnerisch die vom Bundesrat per 1. Juli 1986 verordnete generelle Kürzung vorzunehmen.

(...)

(Die Rekurskommission EVD heisst die Beschwerde, soweit darauf einzutreten ist, gut)

[16] Vgl. oben S. 756.
[17] Vgl. oben S. 758.

Dokumente der REKO/EVD
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : VPB-59.103
Datum : 30. August 1994
Publiziert : 30. August 1994
Quelle : Vorgängerbehörden des BVGer bis 2006
Status : Publiziert als VPB-59.103
Sachgebiet : Rekurskommission EVD (des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements, REKO/EVD)
Gegenstand : Erhöhung des Einzelkontingents bei Wegfall der Milchlieferung an ein Altersheim; Gesetzeslücke; Lückenfüllung.


Gesetzesregister
ZGB: 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 1 - 1 Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
1    Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
2    Kann dem Gesetz keine Vorschrift entnommen werden, so soll das Gericht4 nach Gewohnheitsrecht und, wo auch ein solches fehlt, nach der Regel entscheiden, die es als Gesetzgeber aufstellen würde.
3    Es folgt dabei bewährter Lehre und Überlieferung.
BGE Register
103-IA-501 • 115-II-97
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AS 1990/286 • AS 1983/1986 • AS 1983/393 • AS 1979/270 • AS 1979/1980 • AS 1979/546
VPB
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