VPB 58.47
(Auszug aus einem Entscheid des Bundesrates vom 12. Mai 1993)
Apothekerprüfungen.
Art. 3 und Art. 14 Abs. 1 V über die Apotherkerprüfungen. Art. 14 Abs. 2 und Art. 18 Abs. 1 V über Einzelheiten des Verfahrens bei den Medizinalprüfungen.
Während des praktischen Teils der Assistentenprüfung ist es zulässig, dass die Examinatoren ein Kolloquium durchführen und zeitweise abwesend sind.
Examens de pharmacien.
Art. 3 et art. 14 al. 1 O sur les examens de pharmacien. Art. 14 al. 2 et art. 18 al. 1 O sur les modalités du procédé des examens fédéraux des professions médicales.
Pendant l'examen pratique d'assistant-pharmacien, il est admissible que les examinateurs tiennent un colloque et s'absentent temporairement.
Esami di farmacista.
Art. 3 e art. 14 cpv. 1 O concernente gli esami dei farmacisti. Art. 14 cpv. 2 e art. 18 cpv. 1 O che regola le particolarità della procedura degli esami federali per le professioni mediche.
Durante la parte pratica dell'esame di assistente farmacista, è ammesso che gli esaminatori interroghino oralmente e si assentino temporaneamente.
Zusammenfassung des Sachverhalts
Die Beschwerdeführerin bestand zum dritten Mal die Assistentenprüfung für Apotheker nicht, weil sie mehr als eine Hauptnote unter 4 aufwies und auch den Notendurchschnitt 4 nicht erreichte. Gegen die entsprechende Verfügung führt die Beschwerdeführerin letztinstanzlich Beschwerde beim Bundesrat und lässt beantragen, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und ihr Gelegenheit zur Wiederholung der beiden nicht bestandenen Teilprüfungen für Apotheker (Herstellung eines Arzneipräparates und Identitätsnachweis von Arzneistoffen) oder allenfalls der ganzen praktischen Assistentenprüfung an einem anderen Ort einzuräumen.
Bei beiden Prüfungen gemeinsam rügt die Beschwerdeführerin, unter anderem, die Examinatoren seien während der Prüfungen zeitweise abwesend gewesen und hätten ein Kolloquium durchgeführt, was gegen die Vorschriften verstosse.
Der Bundesrat weist die Beschwerde ab.
Aus den Erwägungen
3.3. Die Beschwerdeführerin wendet ... ein, nach Art. 14 der Verordnung vom 16. April 1980 über die Apothekerprüfungen (SR 811.112.5) sei ein Kolloquium während der fraglichen praktischen Prüfungen nicht vorgesehen und deshalb zu Unrecht durchgeführt worden. Das Eidg. Departement des Innern (EDI) führt dazu aus, die Richtlinien des Schweizerischen Apothekervereins vom Dezember 1986 für eine koordinierte Durchführung der pharmazeutischen Assistentenprüfung sähen solche Kolloquien vor.
Zunächst ist festzuhalten, dass das Bundesrecht solche Richtlinien nirgends erwähnt und diese die Prüfungsbehörden rechtlich nicht binden. Doch können sie als Auslegungshilfe und für eine einheitliche behördliche Praxis bedeutsam sein, müssen sich aber im Rahmen des geltenden Rechts halten (Imboden Max / Rhinow René A. / Krähenmann Beat, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Bd. I, Basel 1976, Nr. 5 B/IIIb). Der von der Beschwerdeführerin angeführte Art. 14 Abs. 1 der Verordnung über die Apothekerprüfungen erwähnt das Kolloquium tatsächlich nicht. Es fragt sich jedoch, ob sich daraus ableiten lässt, dass ein Kolloquium unzulässig ist. Nach Art. 4 der Verordnung gelten nämlich für die pharmazeutischen Prüfungen die allgemeinen Bestimmungen über die eidgenössischen Medizinalprüfungen, soweit nachstehend (d.h. in Art. 5 ff. der Verordnung) keine Abweichungen vorgesehen sind. Daher ist zu prüfen, was die allgemeinen Bestimmungen dazu sagen und ob die Verordnung über die Apothekerprüfungen davon abweicht.
Heranzuziehen ist zunächst Art. 14 Abs. 2 der Verordnung des EDI vom 30. Juni 1983 über Einzelheiten des Verfahrens bei den eidgenössischen Medizinalprüfungen (SR 811.112.18, im folgenden: Verordnung über Einzelheiten des Verfahrens; vgl. auch Art. 32 und 33 Abs. 1 Bst. b der Allgemeinen Medizinalprüfungsverordnung [AMV] vom 19. November 1980, SR 811.112.1). Die Bestimmung hält fest, das bei praktischen Prüfungen gleichzeitig eine mündliche und eine schriftliche Berichterstattung verlangt werden können. Art. 18 Abs. 1 legt zusätzlich und spezifisch für die Apotheker fest, dass die mündliche Befragung bei praktischen Prüfungen höchstens 20 Minuten dauert. Und in der Sache gleich, wenn auch mit etwas anderen Worten, bestimmt Art. 3 der Verordnung über die Apothekerprüfungen, dass die Prüfungen aus einem praktischen und einem mündlichen Teil bestehen und beim praktischen Teil die Befragung zur praktischen Arbeit während der Prüfung 20 Minuten nicht übersteigen darf.
Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass bei praktischen Prüfungen eine mündliche Berichterstattung verlangt beziehungsweise Fragen gestellt werden können. Das Kolloquium, wie es in den erwähnten Richtlinien des Schweizerischen Apothekervereins vorgesehen ist, lässt sich zwangslos darunter subsumieren; es soll nach diesen Richtlinien Gelegenheit bieten, die Herstellung des Arzneipräparates und die einschlägigen allgemeinen Bestimmungen sowie allgemeinen Monographien der Pharmakopöe zu besprechen. Beim Identitätsnachweis von Arzneistoffen sollen anhand der zu prüfenden Arzneistoffe die in den «Weisungen des Schweizerischen Apothekervereins für das Praktikum» ausgeführten Prüfungsmethoden diskutiert werden (Verständnis der Methoden und Reaktionen).
Zu prüfen bleibt die Frage, ob Art. 14 Abs. 1 der Verordnung über die Apothekerprüfungen von den allgemeinen Bestimmungen über die Medizinalprüfungen abweicht.
Nach Bst. a dieser Bestimmung umfasst der praktische Teil der Assistentenprüfung die «Herstellung eines Arzneipräparates, mit schriftlichem Bericht, wobei sich die Prüfungsdauer nach der auszuführenden Arbeit richtet und vom Examinator zu Beginn der Prüfung festgelegt wird». Zum schriftlichen Bericht lässt sich der Bestimmung entnehmen, dass er verlangt werden muss. Insoweit unterscheidet sich die Bestimmung von Art. 14 Abs. 2 der Verordnung über Einzelheiten des Verfahrens, der lediglich vorsieht, dass ein schriftlicher Bericht verlangt werden kann. Dies erklärt, warum der schriftliche Bericht in Art. 14 Abs. 1 Bst. a der Verordnung über die Apothekerprüfungen erscheint. Nicht erwähnt ist dagegen das Kolloquium. Dies legt die Annahme nahe, dass für das Kolloquium Art. 3 derselben Verordnung beziehungsweise - ergänzend - die allgemeinen Vorschriften über die Medizinalprüfungen (Art. 14 Abs. 2 und Art. 18 Abs. 1 der Verordnung über Einzelheiten des Verfahrens) gelten, die in Art. 4 der Verordnung über die Apothekerprüfungen vorbehalten werden. Für diese Auslegung sprechen auch die Gründe, welche das EDI zugunsten des Kolloquiums anführt und die durchaus stichhaltig sind; ein solches Kolloquium ist sinnvoll, weil
allfällige Fragen bei der Herstellung von Präparaten mündlich diskutiert werden können. Dasselbe gilt auch für den Identitätsnachweis von Arzneistoffen: Art. 14 Abs. 1 Bst. d der Verordnung über die Apothekerprüfungen erwähnt weder den schriftlichen Bericht noch die Befragung, weshalb dafür die allgemeinen Vorschriften gelten. Dies bedeutet, dass bei beiden Prüfungen ein Kolloquium im Sinne der mündlichen Berichterstattung beziehungsweise Befragung gemäss Art. 14 Abs. 2 und Art. 18 Abs. 1 der Verordnung über Einzelheiten des Verfahrens sowie Art. 3 der Verordnung über die Apothekerprüfungen durchgeführt werden kann. Die Rüge, das Kolloquium verstosse gegen Bundesrecht, ist daher unbegründet.
...
3.4. Ferner beanstandet die Beschwerdeführerin, bei der Herstellung des Arzneipräparates sei die Examinatorin entgegen den Vorschriften während der Prüfung mehrmals bis zu 30 Minuten, am Schluss der Prüfung sogar eine Stunde (12.20 - 13.15 Uhr) abwesend gewesen. Der Koexaminator sei sogar nur während des Kolloquiums anwesend gewesen. Sie hätten daher die Arbeitsmethodik der Beschwerdeführerin nicht beurteilen können. Beim Identitätsnachweis von Arzneistoffen seien die Examinatoren mit Ausnahme des Beginns und des Kolloquiums ebenfalls abwesend gewesen. Sie hätten daher auch hier die Arbeitsmethodik der Beschwerdeführerin nicht beurteilen und allfällige Fragen nach Material oder Methoden nicht beantworten können. Dass der Examinator seine Suchernummer auf dem Labortisch aufgeschrieben habe, genüge nicht, weil er unter dieser Nummer gar nicht erreichbar gewesen sei.
Das EDI führt dazu in der Vernehmlassung aus, es sei richtig, dass die Examinatoren und Koexaminatoren nicht dauernd anwesend gewesen seien, was indes zulässig sei. Diese hätten auch während solcher Prüfungen die laufenden Arbeiten in der Spital-Apotheke und bei der Betreuung anderer Examens-Kandidaten zu erledigen und könnten diese deshalb nur punktuell beobachten.
Nach Art. 32 Abs. 4 AMV beobachten Examinator und Koexaminator bei praktischen Prüfungen den Kandidaten soweit als möglich bei der Bearbeitung der Aufgaben. Die mündliche Befragung wird nach Art. 14 Abs. 3 der Verordnung über Einzelheiten des Verfahrens in Gegenwart des Koexaminators durchgeführt. Spezifisch für die praktischen Prüfungen der Apotheker bestimmt zudem Art. 18 Abs. 4 derselben Verordnung, dass der Examinator oder ein von ihm bezeichneter Fachmann den Ablauf der Arbeit überwacht und diese nach Bedarf kontrolliert. Die Bestimmungen lassen somit den Examinatoren und Koexaminatoren einen erheblichen Spielraum, was ihre Anwesenheit angeht, und verlangen insbesondere nicht, dass diese einen Kandidaten dauernd beobachten. Es verhält sich insofern anders als bei mündlichen Prüfungen, wo die Anwesenheitspflicht der Examinatoren weiter reicht (Art. 12 Abs. 4 der Verordnung über Einzelheiten des Verfahrens; vgl. VPB 34.93).
Die einlässlichen Stellungnahmen der Examinatorin vom 4. Februar 1991 und des Examinators vom 30. Januar 1991 an den Leitenden Ausschuss belegen, dass diese durchaus in der Lage waren, die Arbeitsmethode der Beschwerdeführerin zu beurteilen. Daraus ist zu schliessen, dass sie die Beschwerdeführerin so weit als nötig beobachtet haben, wie die erwähnten Vorschriften dies verlangen. Zum Vorwurf, er sei nicht erreichbar gewesen, führt der Examinator in der Stellungnahme vom 24. Juni 1991 an das Bundesamt für Gesundheitswesen (BAG) aus, dass am gleichen Tag während der Prüfungszeit ein anderer Kandidat ihn über den Sucher verlangt und problemlos gefunden habe; er könne sich schlecht vorstellen, dass die Sucheranlage ausgerechnet beim Versuch der Beschwerdeführerin nicht funktioniert habe. Abgesehen davon lässt sich nicht beanstanden, dass der Examinator nicht alle Fragen nach Material und Methoden umgehend beantwortet hat; denn von einer angehenden Pharmazie-Assistentin muss verlangt werden, dass sie selbständig arbeiten kann und nicht ständiger Betreuung bedarf. Was die Koexaminatoren betrifft, haben beide unbestrittenermassen am Kolloquium teilgenommen, wie die erwähnten Vorschriften dies verlangen. Im Ergebnis ist somit
festzuhalten, dass im vorliegenden Fall die Vorschriften über die Anwesenheit von Examinatoren und Koexaminatoren nicht verletzt worden sind.
Dokumente des Bundesrates