VPB 51.6

(Bundesanwaltschaft, 3. April 1987)

Bundesstrafrechtspflege. Anfechtung kantonaler Strafgerichtsentscheide durch die Bundesanwaltschaft und andere Amtsstellen des Bundes beim Bundesgericht.

Procédure pénale fédérale. Recours contre des décisions pénales cantonales interjetés par le Ministère public de la Confédération et d'autres offices fédéraux par-devant le Tribunal fédéral.

Procedura penale federale. Impugnazione di decisioni penali cantonali da parte del Ministero pubblico della Confederazione e di altri Uffici federali presso il Tribunale federale.

Das in VPB 50.61 publizierte Gutachten befasste sich mit der Frage, ob der Bundesrat den Entscheid eines kantonalen Strafgerichts, ein Strafverfahren einzustellen, gestützt auf seine allgemeine Aufsichtskompetenz (Art. 102 Ziff. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 102 * - 1 Der Bund stellt die Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen sicher für den Fall machtpolitischer oder kriegerischer Bedrohungen sowie in schweren Mangellagen, denen die Wirtschaft nicht selbst zu begegnen vermag. Er trifft vorsorgliche Massnahmen.
1    Der Bund stellt die Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen sicher für den Fall machtpolitischer oder kriegerischer Bedrohungen sowie in schweren Mangellagen, denen die Wirtschaft nicht selbst zu begegnen vermag. Er trifft vorsorgliche Massnahmen.
2    Er kann nötigenfalls vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit abweichen.
BV), aufheben könne. Das Bundesamt für Justiz gelangte zum Schluss, die Aufhebung kantonaler Strafgerichtsentscheide stehe ausschliesslich dem Bundesgericht zu. Die Bundesanwaltschaft pflichtet dem bei und äussert sich ergänzend zu ihrer Praxis.

1. In Bundesstrafsachen, die von kantonalen Gerichten zu beurteilen sind, soll die Nichtigkeitsbeschwerde gemäss Art. 268 ff. des BG vom 15. Juni 1934 über die Bundesstrafrechtspflege (BStP, SR 312.0) an den Kassationshof des Bundesgerichts eine einheitliche Rechtsprechung garantieren (BBL 1918 IV 80). Dies setzt eigentlich nicht nur voraus, dass eine eidgenössische Behörde - das Bundesgericht - zuständig ist, die Anwendung des Bundesrechts nachzuprüfen, sondern auch, dass eine zentrale Stelle - die Bundesanwaltschaft - die kantonalen Entscheide wenn nötig an das Bundesgericht weiterziehen kann, um dieses überhaupt in die Lage zu versetzen, zu urteilen.

Der Bundesanwalt ist jedoch lediglich dann zur Nichtigkeitsbeschwerde legitimiert, wenn der Bundesrat den Straffall den kantonalen Behörden zur Beurteilung überwiesen hat oder wenn die Entscheidung nach einem Bundesgesetz oder nach einem Beschluss des Bundesrates gemäss Art. 265 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 102 * - 1 Der Bund stellt die Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen sicher für den Fall machtpolitischer oder kriegerischer Bedrohungen sowie in schweren Mangellagen, denen die Wirtschaft nicht selbst zu begegnen vermag. Er trifft vorsorgliche Massnahmen.
1    Der Bund stellt die Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen sicher für den Fall machtpolitischer oder kriegerischer Bedrohungen sowie in schweren Mangellagen, denen die Wirtschaft nicht selbst zu begegnen vermag. Er trifft vorsorgliche Massnahmen.
2    Er kann nötigenfalls vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit abweichen.
BStP dem Bundesrate mitzuteilen ist (Art. 270 Abs. 6
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BV Art. 102 * - 1 Der Bund stellt die Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen sicher für den Fall machtpolitischer oder kriegerischer Bedrohungen sowie in schweren Mangellagen, denen die Wirtschaft nicht selbst zu begegnen vermag. Er trifft vorsorgliche Massnahmen.
1    Der Bund stellt die Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen sicher für den Fall machtpolitischer oder kriegerischer Bedrohungen sowie in schweren Mangellagen, denen die Wirtschaft nicht selbst zu begegnen vermag. Er trifft vorsorgliche Massnahmen.
2    Er kann nötigenfalls vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit abweichen.
BStP). Die erste Kategorie bilden die sogenannten Delegationsstrafsachen im Sinne von Art. 18
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 102 * - 1 Der Bund stellt die Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen sicher für den Fall machtpolitischer oder kriegerischer Bedrohungen sowie in schweren Mangellagen, denen die Wirtschaft nicht selbst zu begegnen vermag. Er trifft vorsorgliche Massnahmen.
1    Der Bund stellt die Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen sicher für den Fall machtpolitischer oder kriegerischer Bedrohungen sowie in schweren Mangellagen, denen die Wirtschaft nicht selbst zu begegnen vermag. Er trifft vorsorgliche Massnahmen.
2    Er kann nötigenfalls vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit abweichen.
BStP bzw. Art. 344 Ziff. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 102 * - 1 Der Bund stellt die Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen sicher für den Fall machtpolitischer oder kriegerischer Bedrohungen sowie in schweren Mangellagen, denen die Wirtschaft nicht selbst zu begegnen vermag. Er trifft vorsorgliche Massnahmen.
1    Der Bund stellt die Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen sicher für den Fall machtpolitischer oder kriegerischer Bedrohungen sowie in schweren Mangellagen, denen die Wirtschaft nicht selbst zu begegnen vermag. Er trifft vorsorgliche Massnahmen.
2    Er kann nötigenfalls vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit abweichen.
StGB, wenn der kantonalen Gerichtsbarkeit unterstehende strafbare Handlungen hinzutreten. Die zweite Kategorie der mitteilungspflichtigen Entscheide ist wiedergegeben in der Mitteilungsverordnung (SR 312.3), welche alle fünf Jahre revidiert wird und in der Fassung vom 12. November 1984 noch bis zum 31. Dezember 1989 gilt.

Die Rechtsmittelpraxis der Bundesanwaltschaft ist zurückhaltend im Sinne einer Beschränkung auf Grundsatzfragen (vgl. dazu Peter Markus, Die Bundesanwaltschaft als Staatsanwaltschaft des Bundes, Diss. Zürich 1972, S. 91 und 94).

Art. 270
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 102 * - 1 Der Bund stellt die Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen sicher für den Fall machtpolitischer oder kriegerischer Bedrohungen sowie in schweren Mangellagen, denen die Wirtschaft nicht selbst zu begegnen vermag. Er trifft vorsorgliche Massnahmen.
1    Der Bund stellt die Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen sicher für den Fall machtpolitischer oder kriegerischer Bedrohungen sowie in schweren Mangellagen, denen die Wirtschaft nicht selbst zu begegnen vermag. Er trifft vorsorgliche Massnahmen.
2    Er kann nötigenfalls vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit abweichen.
BStP regelt die Legitimation zur Nichtigkeitsbeschwerde abschliessend, soweit nicht andere gesetzliche Bestimmungen Ausnahmen vorsehen. Diese sind sehr selten. Das Bundesgericht hat in einem älteren Entscheid eine konkurrierende Beschwerdelegitimation mehrerer Bundesstellen zu Recht abgelehnt (BGE 81 IV 204).

2. Grundsätzlich anders verhält es sich in Strafsachen, auf die das BG vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR, SR 313.0) Anwendung findet.

Die Beurteilung obliegt den kantonalen Gerichten, wenn das der beteiligten (Bundes-)Verwaltung übergeordnete Departement die Voraussetzungen einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Massnahme für gegeben hält, oder wenn der von der Strafverfügung der Verwaltung Betroffene die gerichtliche Beurteilung verlangt (Art. 21
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 21 - 1 Für die Beurteilung ist die beteiligte Verwaltung zuständig; hält jedoch das übergeordnete Departement die Voraussetzungen einer Freiheitsstrafe, einer freiheitsentziehenden Massnahme oder einer Landesverweisung nach Artikel 66a oder 66abis des Strafgesetzbuchs17 für gegeben, so ist das Gericht zuständig.18
1    Für die Beurteilung ist die beteiligte Verwaltung zuständig; hält jedoch das übergeordnete Departement die Voraussetzungen einer Freiheitsstrafe, einer freiheitsentziehenden Massnahme oder einer Landesverweisung nach Artikel 66a oder 66abis des Strafgesetzbuchs17 für gegeben, so ist das Gericht zuständig.18
2    Der von der Strafverfügung der Verwaltung Betroffene kann die Beurteilung durch das Gericht verlangen.
3    Dem Bundesrat steht in allen Fällen die Überweisung der Strafsache an das Bundesstrafgericht frei.
4    Die zur Ausfällung der Hauptstrafe zuständige Behörde erkennt auch über Nebenstrafen, Massnahmen und Kosten.
Abs. l und 2 VStrR).

Die Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichts soll auch hier eine einheitliche Rechtsprechung gewährleisten (Art. 83 Abs. 1
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 83
VStrR). Dabei bestand während der Vorbereitung der Gesetzesvorlage die Meinung, dass es Sache der Bundesanwaltschaft sei, zentral für alle Bundesämter Rechtsmittel zu ergreifen. Aus diesem Grunde wird in Art. 80 Abs. 2
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 80 - 1 Gegen Entscheide der kantonalen Gerichte können die Rechtsmittel der StPO71 ergriffen werden.
1    Gegen Entscheide der kantonalen Gerichte können die Rechtsmittel der StPO71 ergriffen werden.
2    Auch die Staatsanwaltschaft des Bundes und die beteiligte Verwaltung können diese Rechtsmittel je selbstständig ergreifen.
und 83 Abs. 1
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 83
VStrR nur der Bundesanwalt, nicht aber die beteiligte Bundesverwaltung erwähnt. Das Bundesgericht hat nun jedoch 1979 entschieden, die beteiligte Verwaltung sei selbständig zur Beschwerde legitimiert (BGE 105 IV 287). Seither beschränkt sich die Bundesanwaltschaft in der Regel auf die prozessuale Beratung der Bundesämter, wenn diese erwägen, ein Rechtsmittel einzulegen. Zu beachten ist namentlich, dass die Formerleichterungen von Art. 80 Abs. 2
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 80 - 1 Gegen Entscheide der kantonalen Gerichte können die Rechtsmittel der StPO71 ergriffen werden.
1    Gegen Entscheide der kantonalen Gerichte können die Rechtsmittel der StPO71 ergriffen werden.
2    Auch die Staatsanwaltschaft des Bundes und die beteiligte Verwaltung können diese Rechtsmittel je selbstständig ergreifen.
VStrR für die kantonalen Rechtsmittel und Art. 272 Abs. 5
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 80 - 1 Gegen Entscheide der kantonalen Gerichte können die Rechtsmittel der StPO71 ergriffen werden.
1    Gegen Entscheide der kantonalen Gerichte können die Rechtsmittel der StPO71 ergriffen werden.
2    Auch die Staatsanwaltschaft des Bundes und die beteiligte Verwaltung können diese Rechtsmittel je selbstständig ergreifen.
BStP (über Art. 83
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 83
Abs. l VStrR anwendbar) für die Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichts auf die beteiligte Bundesverwaltung nicht anwendbar sind, weil der Bundesgesetzgeber bei Erlass des Verwaltungsstrafrechts nur mit Rechtsmitteln des Bundesanwalts rechnete.

Dokumente der BA
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : VPB-51.6
Datum : 03. April 1987
Publiziert : 03. April 1987
Quelle : Vorgängerbehörden des BVGer bis 2006
Status : Publiziert als VPB-51.6
Sachgebiet : Schweizerische Bundesanwaltschaft (BA)
Gegenstand : Bundesstrafrechtspflege. Anfechtung kantonaler Strafgerichtsentscheide durch die Bundesanwaltschaft und andere Amtsstellen...


Gesetzesregister
BStP: 18  265  270  272
BV: 102
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 102 * - 1 Der Bund stellt die Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen sicher für den Fall machtpolitischer oder kriegerischer Bedrohungen sowie in schweren Mangellagen, denen die Wirtschaft nicht selbst zu begegnen vermag. Er trifft vorsorgliche Massnahmen.
1    Der Bund stellt die Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen sicher für den Fall machtpolitischer oder kriegerischer Bedrohungen sowie in schweren Mangellagen, denen die Wirtschaft nicht selbst zu begegnen vermag. Er trifft vorsorgliche Massnahmen.
2    Er kann nötigenfalls vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit abweichen.
StGB: 344
VStrR: 21 
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 21 - 1 Für die Beurteilung ist die beteiligte Verwaltung zuständig; hält jedoch das übergeordnete Departement die Voraussetzungen einer Freiheitsstrafe, einer freiheitsentziehenden Massnahme oder einer Landesverweisung nach Artikel 66a oder 66abis des Strafgesetzbuchs17 für gegeben, so ist das Gericht zuständig.18
1    Für die Beurteilung ist die beteiligte Verwaltung zuständig; hält jedoch das übergeordnete Departement die Voraussetzungen einer Freiheitsstrafe, einer freiheitsentziehenden Massnahme oder einer Landesverweisung nach Artikel 66a oder 66abis des Strafgesetzbuchs17 für gegeben, so ist das Gericht zuständig.18
2    Der von der Strafverfügung der Verwaltung Betroffene kann die Beurteilung durch das Gericht verlangen.
3    Dem Bundesrat steht in allen Fällen die Überweisung der Strafsache an das Bundesstrafgericht frei.
4    Die zur Ausfällung der Hauptstrafe zuständige Behörde erkennt auch über Nebenstrafen, Massnahmen und Kosten.
80 
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 80 - 1 Gegen Entscheide der kantonalen Gerichte können die Rechtsmittel der StPO71 ergriffen werden.
1    Gegen Entscheide der kantonalen Gerichte können die Rechtsmittel der StPO71 ergriffen werden.
2    Auch die Staatsanwaltschaft des Bundes und die beteiligte Verwaltung können diese Rechtsmittel je selbstständig ergreifen.
83
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 83
BGE Register
105-IV-286 • 81-IV-204
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
bundesgericht • bundesrat • kassationshof • rechtsmittel • kategorie • verwaltungsstrafrecht • entscheid • kantonales rechtsmittel • freiheitsstrafe • bundesgesetz über das verwaltungsstrafrecht • zahl • gerichts- und verwaltungspraxis • strafsache • beschwerdelegitimation • weiler • strafbare handlung • frage • stelle • kantonale behörde • departement
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