TPF 2020 30, p.30

8. Auszug aus dem Entscheid der Beschwerdekammer in Sachen A. gegen Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich vom 19. Februar 2020 (RR.2019.279)
Internationale Rechtshilfe in Strafsachen; doppelte Strafbarkeit; Rassendiskriminierung Art. 5 Abs. 1 lit. a
IR 0.351.1 Europäisches Übereinkommen vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen
EUeR Art. 5 - 1. Jede Vertragspartei kann sich bei der Unterzeichnung dieses Übereinkommens oder der Hinterlegung ihrer Ratifikations- oder Beitrittsurkunde durch eine an den Generalsekretär des Europarates gerichtete Erklärung das Recht vorbehalten, die Erledigung von Rechtshilfeersuchen um Durchsuchung oder Beschlagnahme von Gegenständen einer oder mehreren der folgenden Bedingungen zu unterwerfen:
1    Jede Vertragspartei kann sich bei der Unterzeichnung dieses Übereinkommens oder der Hinterlegung ihrer Ratifikations- oder Beitrittsurkunde durch eine an den Generalsekretär des Europarates gerichtete Erklärung das Recht vorbehalten, die Erledigung von Rechtshilfeersuchen um Durchsuchung oder Beschlagnahme von Gegenständen einer oder mehreren der folgenden Bedingungen zu unterwerfen:
a  Die dem Rechtshilfeersuchen zugrunde liegende strafbare Handlung muss sowohl nach dem Recht des ersuchenden Staates als auch nach dem des ersuchten Staates strafbar sein.
b  Die dem Rechtshilfeersuchen zugrunde liegende strafbare Handlung muss im ersuchten Staat auslieferungsfähig sein.
c  Die Erledigung des Rechtshilfeersuchens muss mit dem Recht des ersuchten Staates vereinbar sein.
2    Hat eine Vertragspartei eine Erklärung gemäss Ziffer 1 abgegeben, so kann jede andere Vertragspartei den Grundsatz der Gegenseitigkeit anwenden.
EUeR, Art. 261bis Abs. 4
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 261bis - Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung zu Hass oder zu Diskriminierung aufruft,
StGB Der Versand von verbotenem Material im Sinne von Art. 261bis Abs. 4
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 261bis - Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung zu Hass oder zu Diskriminierung aufruft,
StGB per Post mit der Absicht, dass der Inhalt des Materials öffentlich bekannt gemacht werde, erfüllt den Tatbestand des Art. 261bis
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 261bis - Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung zu Hass oder zu Diskriminierung aufruft,
StGB; doppelte Strafbarkeit in casu bejaht (E. 4).
Entraide judiciaire internationale en matière pénale; double incrimination; discrimination raciale Art. 5 par. 1 let. a CEEJ, art. 261bis al. 4 CP L'envoi de matériel interdit au sens de l'art. 261bis al. 4 CP par voie postale avec l'intention de diffuser publiquement le contenu du matériel réalise l'infraction de discrimination raciale; double incrimination admise in casu (consid. 4).
Assistenza giudiziaria internazionale in materia penale; doppia punibilità; discriminazione razziale Art. 5 par. 1 lett. a CEAG, art. 261bis cpv. 4 CP L'invio postale di materiale vietato ai sensi dell'art. 261bis cpv. 4 CP con l'intenzione di diffonderne pubblicamente il contenuto integra la fattispecie dell'art. 261bis CP; doppia punibilità ammessa nel caso concreto (consid. 4).
Zusammenfassung des Sachverhalts:

Die Strafverfolgungsbehörden von Deutschland führten gegen A. ein Strafverfahren wegen Verstosses gegen das Jugendmedienschutzgesetz und wegen Volksverhetzung. In diesem Zusammenhang haben die deutschen Behörden mit Rechtshilfeersuchen vom 9. Januar und 14. Februar 2019 die Schweiz um Durchsuchung der Wohnung von A. in Anwesenheit zweier deutscher Beamter ersucht. Anlässlich der am 10. April 2019 am Wohnort von A. durch die Kantonspolizei Zürich in Anwesenheit der deutschen Polizeibeamten durchgeführten Hausdurchsuchung wurden unter anderem verschiedene Datenträger, Kontoauszüge und ein Mobiltelefon sichergestellt. Am 9. September 2019 erliess die Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich die Schlussverfügung und bewilligte die Herausgabe diverser anlässlich der Hausdurchsuchung vom 10. April 2019 sichergestellten und beschlagnahmten Dokumente und Gegenstände. Dagegen erhob A. Beschwerde bei der Beschwerdekammer.
Die Beschwerdekammer wies die Beschwerde ab.

Aus den Erwägungen:

4.
4.1 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Prinzips der doppelten Strafbarkeit, da weder der Tatbestand der Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 4
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 261bis - Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung zu Hass oder zu Diskriminierung aufruft,
StGB noch derjenige der Drohung gemäss Art. 180
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 180 - 1 Wer jemanden durch schwere Drohung in Schrecken oder Angst versetzt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer jemanden durch schwere Drohung in Schrecken oder Angst versetzt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Der Täter wird von Amtes wegen verfolgt, wenn er:
a  der Ehegatte des Opfers ist und die Drohung während der Ehe oder bis zu einem Jahr nach der Scheidung begangen wurde; oder
abis  die eingetragene Partnerin oder der eingetragene Partner des Opfers ist und die Drohung während der eingetragenen Partnerschaft oder bis zu einem Jahr nach deren Auflösung begangen wurde; oder
b  der hetero- oder homosexuelle Lebenspartner des Opfers ist, sofern sie auf unbestimmte Zeit einen gemeinsamen Haushalt führen und die Drohung während dieser Zeit oder bis zu einem Jahr nach der Trennung begangen wurde.252
StGB erfüllt seien. Insbesondere fehle es am Tatbestandsmerkmal der Öffentlichkeit bei der Rassendiskriminierung. Der Paketversand sei auf Bestellung des Adressaten C. erfolgt, der wie der Beschwerdeführer ein Sammler sei. Das Ganze habe sich daher im privaten Rahmen abgespielt.
4.2 Gemäss Art. 14
IR 0.351.1 Europäisches Übereinkommen vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen
EUeR Art. 14 - 1. Die Rechtshilfeersuchen müssen folgende Angaben enthalten:
1    Die Rechtshilfeersuchen müssen folgende Angaben enthalten:
a  die Behörde, von der das Ersuchen ausgeht,
b  den Gegenstand und den Grund des Ersuchens,
c  soweit möglich, die Identität und die Staatsangehörigkeit der Person, gegen die sich das Verfahren richtet, und,
d  soweit erforderlich, den Namen und die Anschrift des Zustellungsempfängers.
2    Die in den Artikeln 3, 4 und 5 erwähnten Rechtshilfeersuchen haben ausserdem die strafbare Handlung zu bezeichnen und eine kurze Darstellung des Sachverhalts zu enthalten.
des Europäischen Übereinkommens vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen (EUeR; SR 0.351.1) müssen die Rechtshilfeersuchen insbesondere Angaben über den Gegenstand und den Grund des Ersuchens enthalten (Abs. 1 lit. b). Ausserdem müssen sie in Fällen wie vorliegend die strafbare Handlung bezeichnen und eine kurze Darstellung des Sachverhalts enthalten (Abs. 2). Art. 28 Abs. 2
SR 351.1 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG) - Rechtshilfegesetz
IRSG Art. 28 Form und Inhalt von Ersuchen - 1 Ersuchen bedürfen der Schriftform.
1    Ersuchen bedürfen der Schriftform.
2    In einem Ersuchen sind aufzuführen:
a  die Stelle, von der es ausgeht, und gegebenenfalls die für das Strafverfahren zuständige Behörde;
b  der Gegenstand und der Grund des Ersuchens;
c  die rechtliche Bezeichnung der Tat;
d  möglichst genaue und vollständige Angaben über die Person, gegen die sich das Strafverfahren richtet.
3    Für die rechtliche Beurteilung der Tat sind beizufügen:
a  eine kurze Darstellung des wesentlichen Sachverhalts, ausgenommen bei Zustellungsersuchen;
b  der Wortlaut der am Tatort anwendbaren Vorschriften, ausgenommen bei Rechtshilfeersuchen nach dem dritten Teil dieses Gesetzes.
4    Amtliche Schriftstücke eines andern Staates bedürfen keiner Legalisierung.
5    Ausländische Ersuchen und ihre Unterlagen sind in deutscher, französischer oder italienischer Sprache oder mit Übersetzung in eine dieser Sprachen einzureichen. Übersetzungen müssen amtlich als richtig bescheinigt sein.
6    Entspricht ein Ersuchen den formellen Anforderungen nicht, so kann verlangt werden, dass es verbessert oder ergänzt wird; die Anordnung vorläufiger Massnahmen wird dadurch nicht berührt.
und 3
SR 351.1 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG) - Rechtshilfegesetz
IRSG Art. 28 Form und Inhalt von Ersuchen - 1 Ersuchen bedürfen der Schriftform.
1    Ersuchen bedürfen der Schriftform.
2    In einem Ersuchen sind aufzuführen:
a  die Stelle, von der es ausgeht, und gegebenenfalls die für das Strafverfahren zuständige Behörde;
b  der Gegenstand und der Grund des Ersuchens;
c  die rechtliche Bezeichnung der Tat;
d  möglichst genaue und vollständige Angaben über die Person, gegen die sich das Strafverfahren richtet.
3    Für die rechtliche Beurteilung der Tat sind beizufügen:
a  eine kurze Darstellung des wesentlichen Sachverhalts, ausgenommen bei Zustellungsersuchen;
b  der Wortlaut der am Tatort anwendbaren Vorschriften, ausgenommen bei Rechtshilfeersuchen nach dem dritten Teil dieses Gesetzes.
4    Amtliche Schriftstücke eines andern Staates bedürfen keiner Legalisierung.
5    Ausländische Ersuchen und ihre Unterlagen sind in deutscher, französischer oder italienischer Sprache oder mit Übersetzung in eine dieser Sprachen einzureichen. Übersetzungen müssen amtlich als richtig bescheinigt sein.
6    Entspricht ein Ersuchen den formellen Anforderungen nicht, so kann verlangt werden, dass es verbessert oder ergänzt wird; die Anordnung vorläufiger Massnahmen wird dadurch nicht berührt.
IRSG und Art. 10 Abs. 2
SR 351.11 Verordnung vom 24. Februar 1982 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfeverordnung, IRSV) - Rechtshilfeverordnung
IRSV Art. 10 Sachverhaltsdarstellung - 1 Die Sachverhaltsdarstellung kann im Ersuchen oder in dessen Beilagen enthalten sein.
1    Die Sachverhaltsdarstellung kann im Ersuchen oder in dessen Beilagen enthalten sein.
2    Sie muss mindestens die Angaben über Ort, Zeit und Art der Begehung der Tat enthalten.
IRSV stellen entsprechende Voraussetzungen an das Rechtshilfeersuchen. Diese Angaben müssen der ersuchten Behörde die Prüfung erlauben, ob die doppelte Strafbarkeit gegeben ist (Art. 5 Abs. 1 lit. a
IR 0.351.1 Europäisches Übereinkommen vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen
EUeR Art. 5 - 1. Jede Vertragspartei kann sich bei der Unterzeichnung dieses Übereinkommens oder der Hinterlegung ihrer Ratifikations- oder Beitrittsurkunde durch eine an den Generalsekretär des Europarates gerichtete Erklärung das Recht vorbehalten, die Erledigung von Rechtshilfeersuchen um Durchsuchung oder Beschlagnahme von Gegenständen einer oder mehreren der folgenden Bedingungen zu unterwerfen:
1    Jede Vertragspartei kann sich bei der Unterzeichnung dieses Übereinkommens oder der Hinterlegung ihrer Ratifikations- oder Beitrittsurkunde durch eine an den Generalsekretär des Europarates gerichtete Erklärung das Recht vorbehalten, die Erledigung von Rechtshilfeersuchen um Durchsuchung oder Beschlagnahme von Gegenständen einer oder mehreren der folgenden Bedingungen zu unterwerfen:
a  Die dem Rechtshilfeersuchen zugrunde liegende strafbare Handlung muss sowohl nach dem Recht des ersuchenden Staates als auch nach dem des ersuchten Staates strafbar sein.
b  Die dem Rechtshilfeersuchen zugrunde liegende strafbare Handlung muss im ersuchten Staat auslieferungsfähig sein.
c  Die Erledigung des Rechtshilfeersuchens muss mit dem Recht des ersuchten Staates vereinbar sein.
2    Hat eine Vertragspartei eine Erklärung gemäss Ziffer 1 abgegeben, so kann jede andere Vertragspartei den Grundsatz der Gegenseitigkeit anwenden.
EUeR), ob die Handlungen, wegen denen um Rechtshilfe ersucht wird, nicht ein politisches oder fiskalisches Delikt darstellen (Art. 2 lit. a
IR 0.351.1 Europäisches Übereinkommen vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen
EUeR Art. 2 - Die Rechtshilfe kann verweigert werden:
a  wenn sich das Ersuchen auf strafbare Handlungen bezieht, die vom ersuchten Staat als politische, als mit solchen zusammenhängende oder als fiskalische strafbare Handlungen angesehen werden;
b  wenn der ersuchte Staat der Ansicht ist, dass die Erledigung des Ersuchens geeignet ist, die Souveränität, die Sicherheit, die öffentliche Ordnung (ordre public) oder andere wesentliche Interessen seines Landes zu beeinträchtigen.
EUeR) und ob der Grundsatz der Verhältnismässigkeit gewahrt wird (BGE 129 II 97 E. 3.1; TPF 2011 194 E. 2.1 S. 195 f.).
Für die Frage der beidseitigen Strafbarkeit nach schweizerischem Recht ist der im Rechtshilfeersuchen dargelegte Sachverhalt so zu subsumieren, wie wenn die Schweiz wegen des analogen Sachverhalts ein Strafverfahren eingeleitet hätte (BGE 132 II 81 E. 2.7.2 S. 90; 129 II 462 E. 4.4). Zu prüfen ist mithin, ob der im Ausland verübte inkriminierte Sachverhalt, sofern er - analog - in der Schweiz begangen worden wäre, die Tatbestandsmerkmale einer schweizerischen Strafnorm erfüllen würde. Die Strafnormen brauchen nach den Rechtssystemen der Schweiz und des ersuchenden Staates nicht identisch zu sein (BGE 132 II 81 E. 2.1 S. 84; 129 II 462 E. 4.6; 124 II 184 E. 4b/cc; TPF 2011 194 E. 2.1 S. 196). Dabei genügt es, wenn der im Rechtshilfeersuchen geschilderte Sachverhalt unter einen einzigen Straftatbestand des schweizerischen Rechts subsumiert werden kann. Es braucht dann nicht weiter geprüft zu werden, ob darüber hinaus auch noch weitere Tatbestände erfüllt sein könnten (BGE 129 II 462 E. 4.6).
4.3 Gemäss Art. 261bis
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 261bis - Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung zu Hass oder zu Diskriminierung aufruft,
StGB wird wegen Rassendiskriminierung unter anderem bestraft, wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion zu Hass oder Diskriminierung aufruft (Abs. 1), wer öffentlich Ideologien verbreitet, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung der Angehörigen einer Rasse, Ethnie oder Religion gerichtet sind (Abs. 2), wer mit dem gleichen Ziel Propagandaaktionen organisiert, fördert oder daran teilnimmt (Abs. 3), wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert (Abs. 4 erste Hälfte) oder aus einem dieser Gründe Völkermord oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost oder zu rechtfertigen sucht (Abs. 4 zweite Hälfte).
Die Strafbarkeit der Tathandlung wird durch das Erfordernis der Öffentlichkeit eingeschränkt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts gelten Tathandlungen als öffentlich, wenn sie an einen grösseren, durch persönliche Beziehungen nicht zusammenhängenden Kreis von Personen gerichtet sind bzw. von diesem wahrgenommen werden könnten. Öffentlichkeit ist nicht abhängig von der konkreten Wahrnehmung durch Dritte, sondern von der Möglichkeit der Wahrnehmung durch einen unbestimmten Personenkreis (BGE 130 IV 111 E. 3.1; 123 IV 202 E. 3d; 111 IV 151 E. 2). Öffentlich sind damit Handlungen, die nicht im privaten Rahmen erfolgen, d.h. nicht im Familienund Freundeskreis oder sonst durch persönliche Beziehungen oder besonderes Vertrauen geprägten Umfeld. Der Entscheid, ob eine Handlung noch im privaten Kreis erfolgt, ist auf Grund der konkreten Umstände zu treffen. Die Zahl der anwesenden Personen kann eine Rolle spielen. Je enger diese miteinander verbunden sind, umso umfangreicher kann der Kreis sein, ohne den privaten Charakter zu verlieren. Mit zunehmender Anzahl von Personen nimmt lediglich die Wahrscheinlichkeit zu, dass die Äusserungen weitergetragen werden bzw. dass ein Vertrauensverhältnis fehlt. Umgekehrt ist etwa ein Gespräch unter vier Augen auf Grund der dadurch geschaffenen Vertraulichkeit auch dann dem privaten Kreis zuzurechnen, wenn sich die involvierten Personen nicht näher kennen. Die Zahl der Adressaten einer Äusserung kann daher den Entscheid über die Privatheit bzw. Öffentlichkeit mitbeeinflussen, ohne aber für sich allein ausschlaggebend zu sein. Massgeblich ist, ob der Täter eine Kontrolle über den Wirkungskreis seiner Handlungen hatte (BGE 130 IV 111 E. 5.2.2; SCHLEIMINGER METTLER, Basler Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 261bis
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 261bis - Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung zu Hass oder zu Diskriminierung aufruft,
StGB N. 22 ff.).
4.4 Die Staatsanwaltschaft Bayreuth führt gegen den Beschwerdeführer ein Strafverfahren wegen Verstosses gegen das Jugendmedienschutzgesetz sowie wegen Volksverhetzung. Dem ergänzenden Rechtshilfeersuchen vom 14. Februar 2019 liegt zusammengefasst folgender Sachverhalt zugrunde: Der Beschwerdeführer soll vor dem 12. Februar 2018 aus der Schweiz eine Paketsendung an C. nach Bayreuth übersandt haben. Diese Sendung soll am 12. Februar 2018 in Bayreuth eingegangen sein und habe diverse CDs mit rechtsextremem Inhalt enthalten. So auch die CD «Planet ZOG-The End», in welcher der Völkermord im Konzentrationslager Auschwitz verherrlicht und propagiert werde, diesen wieder aufleben zu lassen. Dass es sich diesbezüglich um verbotenes Material im Sinne von Art. 261bis Abs. 4
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 261bis - Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung zu Hass oder zu Diskriminierung aufruft,
StGB handelt, ist offensichtlich. Gemäss den deutschen Behörden wusste und wollte der Beschwerdeführer, dass die Liedtexte der CD öffentlich bekannt werden. Zwar gibt es im Rechtshilfeersuchen keine Hinweise über den konkreten modus operandi des Beschwerdeführers, aber es ist gerade die Aufgabe der Untersuchung und des Ersuchens, dies abzuklären. Die Tatbestände des Art. 261bis
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 261bis - Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung zu Hass oder zu Diskriminierung aufruft,
StGB stellen Tätigkeitsdelikte dar. Dementsprechend ist bei diesen Delikten gemäss herrschender Lehre und Rechtsprechung der vollendete Versuch ausgeschlossen und nur der unvollendete Versuch denkbar (NIGGLI, Rassendiskriminierung, Ein Kommentar zu Art. 261bis
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 261bis - Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung zu Hass oder zu Diskriminierung aufruft,
StGB und Art. 171c
SR 321.0 Militärstrafgesetz vom 13. Juni 1927 (MStG)
MStG Art. 171c - 1 Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung zu Hass oder zu Diskriminierung aufruft,
1    Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung zu Hass oder zu Diskriminierung aufruft,
2    In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.
MStG, 2. Aufl. 2007, N. 1730). Im Sinne einer prima-facie-Beurteilung genügt es für die Bejahung der doppelten Strafbarkeit, wenn mindestens ein unvollendeter Versuch der Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 4
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 261bis - Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung zu Hass oder zu Diskriminierung aufruft,
StGB vorliegt.
Unabhängig davon, wie die Rollenverteilung zwischen dem Beschwerdeführer und C. war, ist der Beitrag des Beschwerdeführers eine conditio sine qua non für die öffentliche Verbreitung des Materials. Zumindest der unvollendete Versuch der Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 261bis - Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung zu Hass oder zu Diskriminierung aufruft,
StGB ist daher zu bejahen und damit auch die doppelte Strafbarkeit.
Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, der Versand des Pakets habe sich zwischen zwei privaten Sammlern abgespielt und er sei an einer Bekanntmachung des Inhalts der CD überhaupt nicht interessiert gewesen, ist er damit im Rechtshilfeverfahren nicht zu hören (vgl. BGE 132 II 81 E. 2.1). Allfällige Einwände gegen die Tatbegehung werden im deutschen Strafverfahren zu klären sein.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : TPF 2020 30
Datum : 19. Februar 2020
Publiziert : 01. April 2020
Quelle : Bundesstrafgericht
Status : TPF 2020 30
Sachgebiet : Art. 5 Abs. 1 lit. a EUeR, Art. 261bis Abs. 4 StGB Der Versand von verbotenem Material im Sinne von Art. 261bis Abs....
Gegenstand : Internationale Rechtshilfe in Strafsachen; doppelte Strafbarkeit; Rassendiskriminierung


Gesetzesregister
IRSG: 28
SR 351.1 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG) - Rechtshilfegesetz
IRSG Art. 28 Form und Inhalt von Ersuchen - 1 Ersuchen bedürfen der Schriftform.
1    Ersuchen bedürfen der Schriftform.
2    In einem Ersuchen sind aufzuführen:
a  die Stelle, von der es ausgeht, und gegebenenfalls die für das Strafverfahren zuständige Behörde;
b  der Gegenstand und der Grund des Ersuchens;
c  die rechtliche Bezeichnung der Tat;
d  möglichst genaue und vollständige Angaben über die Person, gegen die sich das Strafverfahren richtet.
3    Für die rechtliche Beurteilung der Tat sind beizufügen:
a  eine kurze Darstellung des wesentlichen Sachverhalts, ausgenommen bei Zustellungsersuchen;
b  der Wortlaut der am Tatort anwendbaren Vorschriften, ausgenommen bei Rechtshilfeersuchen nach dem dritten Teil dieses Gesetzes.
4    Amtliche Schriftstücke eines andern Staates bedürfen keiner Legalisierung.
5    Ausländische Ersuchen und ihre Unterlagen sind in deutscher, französischer oder italienischer Sprache oder mit Übersetzung in eine dieser Sprachen einzureichen. Übersetzungen müssen amtlich als richtig bescheinigt sein.
6    Entspricht ein Ersuchen den formellen Anforderungen nicht, so kann verlangt werden, dass es verbessert oder ergänzt wird; die Anordnung vorläufiger Massnahmen wird dadurch nicht berührt.
IRSV: 10
SR 351.11 Verordnung vom 24. Februar 1982 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfeverordnung, IRSV) - Rechtshilfeverordnung
IRSV Art. 10 Sachverhaltsdarstellung - 1 Die Sachverhaltsdarstellung kann im Ersuchen oder in dessen Beilagen enthalten sein.
1    Die Sachverhaltsdarstellung kann im Ersuchen oder in dessen Beilagen enthalten sein.
2    Sie muss mindestens die Angaben über Ort, Zeit und Art der Begehung der Tat enthalten.
MStG: 171c
SR 321.0 Militärstrafgesetz vom 13. Juni 1927 (MStG)
MStG Art. 171c - 1 Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung zu Hass oder zu Diskriminierung aufruft,
1    Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung zu Hass oder zu Diskriminierung aufruft,
2    In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.
SR 0.351.1: 2  5  14
StGB: 180 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 180 - 1 Wer jemanden durch schwere Drohung in Schrecken oder Angst versetzt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer jemanden durch schwere Drohung in Schrecken oder Angst versetzt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Der Täter wird von Amtes wegen verfolgt, wenn er:
a  der Ehegatte des Opfers ist und die Drohung während der Ehe oder bis zu einem Jahr nach der Scheidung begangen wurde; oder
abis  die eingetragene Partnerin oder der eingetragene Partner des Opfers ist und die Drohung während der eingetragenen Partnerschaft oder bis zu einem Jahr nach deren Auflösung begangen wurde; oder
b  der hetero- oder homosexuelle Lebenspartner des Opfers ist, sofern sie auf unbestimmte Zeit einen gemeinsamen Haushalt führen und die Drohung während dieser Zeit oder bis zu einem Jahr nach der Trennung begangen wurde.252
261bis
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 261bis - Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung zu Hass oder zu Diskriminierung aufruft,
BGE Register
111-IV-151 • 123-IV-202 • 124-II-184 • 129-II-462 • 129-II-97 • 130-IV-111 • 132-II-81
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
rassendiskriminierung • sachverhalt • kreis • unvollendeter versuch • ethnie • rasse • zahl • hausdurchsuchung • rechtshilfe in strafsachen • stelle • schweizerisches recht • beschwerdekammer • verbrechen gegen die menschlichkeit • strafbare handlung • sucht • kommunikation • grundsatz der beidseitigen strafbarkeit • übereinkommen über die rechtshilfe in strafsachen • tonbildträger • polizei
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