TPF 2011 170
TPF 2011 170, p.170
39. Auszug aus dem Beschluss der I. Beschwerdekammer in Sachen Kanton Zürich gegen Bundesanwaltschaft vom 12. Oktober 2011 (BG.2011.27)
Sachliche Zuständigkeit.
Art. 28

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 28 Konflikte - Konflikte zwischen der Staatsanwaltschaft des Bundes und kantonalen Strafbehörden entscheidet das Bundesstrafgericht. |
Das vermehrte Auftreten von Phishing-Fällen in der Schweiz erfordert eine pragmatische Lösung. Die Verfolgung der wohl überwiegend im Ausland ansässigen Hintermänner bedarf aufgrund der Komplexität des Verfahrens, insbesondere durch den internationalen Konnex und der technischen Schwierigkeiten einer einheitlichen, koordinierten Durchführung, weswegen sich diesbezüglich die Zuständigkeit des Bundes rechtfertigt. Hingegen kann für die meist im Inland tätigen Finanzmanager keine Bundeszuständigkeit begründet werden (E. 2).
Compétence matérielle.
Art. 28 CPP
La recrudescence des cas de "phishing" en Suisse requiert une solution pragmatique. En raison de la complexité de la procédure, en particulier au vu de la connexité internationale et des difficultés techniques, la poursuite des acteurs responsables, le plus souvent résidant à l'étranger nécessite une exécution uniforme et coordonnée, si bien que la compétence de la Confédération se justifie en l'espèce. En revanche, une compétence de la Confédération ne peut être justifiée en ce qui concerne les gestionnaires financiers le plus souvent actifs sur le plan national (consid. 2).
TPF 2011 170, p.171
Competenza materiale.
Art. 28 CPP
La trattazione dei sempre più numerosi casi di « Phishing » in Svizzera richiede una soluzione pragmatica. Il perseguimento dei mandanti - residenti in stragrande maggioranza all'estero - necessita, per la complessità della procedura, e in particolare per le ramificazioni internazionali e la complessità tecnica, una conduzione unitaria e coordinata delle procedure, ciò che giustifica l'attribuzione della competenza alle autorità federali. Per i manager finanziari agenti perlopiù in Svizzera non è invece fondata una competenza federale (consid. 2).
Zusammenfassung des Sachverhalts:
Im Zusammenhang mit sogenannten Phishing-Fällen wurden in mehreren Kantonen Strafanzeigen unter anderem gegen Unbekannt eingereicht. Der Kanton Zürich gelangte mit dem Gesuch um Klärung des Gerichtsstandes an die I. Beschwerdekammer.
Die I. Beschwerdekammer befand bei Phishing-Fällen die kantonalen Strafbehörden für die Verfolgung und Beurteilung der in der Schweiz handelnden Finanzmanger, und die Strafbehörden des Bundes für die übrigen am Phishing beteiligten Personen als verpflichtet und berechtigt.
Aus den Erwägungen:
2.
2.1 Die Erfüllung der Prozessvoraussetzungen und das Fehlen von Prozesshindernissen sind zwingendes Erfordernis für die Anhandnahme und Durchführung des Verfahrens. Sachliche, örtliche und funktionelle Zuständigkeit sind so genannte positive Prozessvoraussetzungen (HAUSER/SCHWERI/HARTMANN, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Aufl., Basel 2005, S. 179 N. 13 f.). Sie sind von Amtes wegen zu prüfen und in jedem Stadium des Verfahrens zu berücksichtigen (KIPFER, Basler Kommentar, Basel 2011, Vor Art. 2228 StPO N. 5). Die sachliche Zuständigkeit befasst sich mit der materiellen Kompetenz der einzelnen Behörde. Die Zuständigkeit der Bundesbehörden im Verhältnis zu den Kantonen wird in Art. 2228 StPO geregelt. Demnach sind die kantonalen Strafbehörden zur Verfolgung und Beurteilung von Straftaten zuständig, soweit keine gesetzliche Ausnahme vorliegt (Art. 22

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 22 Kantonale Gerichtsbarkeit - Die kantonalen Strafbehörden verfolgen und beurteilen die Straftaten des Bundesrechts; vorbehalten bleiben die gesetzlichen Ausnahmen. |

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 123 Strafrecht - 1 Die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Strafrechts und des Strafprozessrechts ist Sache des Bundes. |
|
a | für die Errichtung von Anstalten; |
b | für Verbesserungen im Straf- und Massnahmenvollzug; |
c | an Einrichtungen, die erzieherische Massnahmen an Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen vollziehen.95 |

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 23 Bundesgerichtsbarkeit im Allgemeinen - 1 Der Bundesgerichtsbarkeit unterstehen folgende Straftaten des StGB6: |

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 24 - 1 Der Bundesgerichtsbarkeit unterstehen zudem die Straftaten nach den Artikeln 260ter, 260quinquies, 260sexies, 305bis, 305ter und 322ter-322septies StGB12 sowie die Verbrechen, die von einer kriminellen oder terroristischen Organisation im Sinne von Artikel 260ter StGB ausgehen, wenn die Straftaten:13 |
TPF 2011 170, p.172
2.2 Gemäss Art. 24 Abs. 1

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 24 - 1 Der Bundesgerichtsbarkeit unterstehen zudem die Straftaten nach den Artikeln 260ter, 260quinquies, 260sexies, 305bis, 305ter und 322ter-322septies StGB12 sowie die Verbrechen, die von einer kriminellen oder terroristischen Organisation im Sinne von Artikel 260ter StGB ausgehen, wenn die Straftaten:13 |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 260ter - 1 Mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer: |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 305bis - 1. Wer eine Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Ermittlung der Herkunft, die Auffindung oder die Einziehung von Vermögenswerten zu vereiteln, die, wie er weiss oder annehmen muss, aus einem Verbrechen oder aus einem qualifizierten Steuervergehen herrühren, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.423 |

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 24 - 1 Der Bundesgerichtsbarkeit unterstehen zudem die Straftaten nach den Artikeln 260ter, 260quinquies, 260sexies, 305bis, 305ter und 322ter-322septies StGB12 sowie die Verbrechen, die von einer kriminellen oder terroristischen Organisation im Sinne von Artikel 260ter StGB ausgehen, wenn die Straftaten:13 |

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 24 - 1 Der Bundesgerichtsbarkeit unterstehen zudem die Straftaten nach den Artikeln 260ter, 260quinquies, 260sexies, 305bis, 305ter und 322ter-322septies StGB12 sowie die Verbrechen, die von einer kriminellen oder terroristischen Organisation im Sinne von Artikel 260ter StGB ausgehen, wenn die Straftaten:13 |

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 24 - 1 Der Bundesgerichtsbarkeit unterstehen zudem die Straftaten nach den Artikeln 260ter, 260quinquies, 260sexies, 305bis, 305ter und 322ter-322septies StGB12 sowie die Verbrechen, die von einer kriminellen oder terroristischen Organisation im Sinne von Artikel 260ter StGB ausgehen, wenn die Straftaten:13 |
2.3 Die vorliegende Konstellation, welche sich wie aus den Akten hervorgeht immer wieder in ähnlicher Art und Weise beim Auftauchen von neuen Trojanern und damit verbundenen Phishing-Fällen in der Schweiz stellen wird, bedarf einer pragmatischen Lösung. Ausser Frage stehen dürfte, dass sich die Auftraggeber die Hintermänner, welche vorwiegend im Ausland ansässig sind wegen dem Tatbestand der Geldwäscherei zu verantworten haben, welcher zu einem wesentlichen Teil im Ausland begangen wurde. Die Gesuchsgegnerin führt in ihrem Schreiben ,,Phishing-Fälle: Information an die kantonalen Strafverfolgungsbehörden betreffend Gerichtsstandsfragen" vom 9. Februar 2009 selbst aus: ,,Die Bundesanwaltschaft konzentriert sich auf die grössten Fälle von Wirtschaftskriminalität, um die Effizienz in der Strafverfolgung gemäss den ihr übertragenen Kompetenzen zu steigern und dabei zugleich die
TPF 2011 170, p.173
kantonalen Strafverfolgungsbehörden zu entlasten. Der Bund soll zudem diejenigen komplexen Verfahren an die Hand nehmen, bei denen namentlich internationale Kontakte, die für aufwändige Verfahren notwendigen Ressourcen und besonderes Fachwissen oder Sprachkenntnisse unabdingbar sind." Dieser Feststellung ist vollumfänglich beizupflichten. Die Verfolgung der wohl überwiegend im Ausland ansässigen Auftraggeber bedarf aufgrund der Komplexität des Verfahrens, insbesondere durch den internationalen Konnex, und der technischen Schwierigkeiten einer einheitlichen, koordinierten Durchführung. Nachdem für die Verfolgung und Beurteilung der Hintermänner der Phishing-Fälle die zwingende Bundeszuständigkeit bereits gestützt auf Art. 24 Abs. 1 lit. a

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 24 - 1 Der Bundesgerichtsbarkeit unterstehen zudem die Straftaten nach den Artikeln 260ter, 260quinquies, 260sexies, 305bis, 305ter und 322ter-322septies StGB12 sowie die Verbrechen, die von einer kriminellen oder terroristischen Organisation im Sinne von Artikel 260ter StGB ausgehen, wenn die Straftaten:13 |
2.4 Was die Strafbarkeit der Finanzmanager (auch Mules oder Finanzagenten genannt) betrifft, gilt es zu beachten, dass diese in den meisten Fällen nur für die Ausführung von wenigen Zahlungsaufträgen eingesetzt werden. Zudem werden die von ihnen mutmasslich verübten Straftaten weder zu einem wesentlichen Teil im Ausland noch in mehreren Kantonen begangen. Die Finanzmanager können überdies nicht unbesehen als Mittäter der aus dem Ausland agierenden Hintermänner qualifiziert werden. Ihrem Tatbeitrag kommt im Hinblick auf den gesamten Tatkomplex eine sehr geringe Bedeutung zu. In den meisten Fällen dürften die Finanzmanager die Zahlungsaufträge ohne das Wissen um die dahinter stehenden Delikte ausführen. Unter diesen Umständen besteht hinsichtlich der Strafbarkeit der in der Schweiz handelnden Finanzmanager kein Raum für die Anwendung von Art. 24 Abs. 1

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 24 - 1 Wer jemanden vorsätzlich zu dem von diesem verübten Verbrechen oder Vergehen bestimmt hat, wird nach der Strafandrohung, die auf den Täter Anwendung findet, bestraft. |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 260ter - 1 Mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer: |
TPF 2011 170, p.174
Kommentar, 2. Aufl., Basel 2007, Art. 260ter

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 260ter - 1 Mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer: |
2.5 Zusammenfassend ergibt sich daraus, dass die kantonalen Strafverfolgungsbehörden für die Verfolgung und Beurteilung der in der Schweiz handelnden Finanzmanager zuständig sind; für die übrigen an den Phishing-Fällen beteiligten Personen hingegen die Zuständigkeit des Bundes gegeben ist. Dieses Ergebnis erscheint auch unter dem Gesichtspunkt als zweckmässig, als dass die Bundesanwaltschaft mehr als die kantonalen Behörden über die notwendigen internationalen Kontakte sowie spezifisches Fachwissen im Bereich der Internetkriminalität verfügt. Im Übrigen entspricht dieses Vorgehen auch der bisherigen Praxis. So ist der Information der Bundesanwaltschaft vom 9. Februar 2009, welche sich an die kantonalen Strafverfolgungsbehörden richtete zu entnehmen, die Finanzmanager seien von den kantonalen Behörden, die übrigen beschuldigten Personen von der Bundesanwaltschaft zu verfolgen. Gründe für ein Abweichen von dieser Praxis, welche auf Anregung der I. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts eingeführt wurde und sich bisher bewährt hat, sind keine ersichtlich.
Gesetzesregister
BV 123
StGB 24
StGB 260 ter
StGB 305 bis
StPO 22
StPO 23
StPO 24
StPO 28
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 123 Strafrecht - 1 Die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Strafrechts und des Strafprozessrechts ist Sache des Bundes. |
|
a | für die Errichtung von Anstalten; |
b | für Verbesserungen im Straf- und Massnahmenvollzug; |
c | an Einrichtungen, die erzieherische Massnahmen an Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen vollziehen.95 |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 24 - 1 Wer jemanden vorsätzlich zu dem von diesem verübten Verbrechen oder Vergehen bestimmt hat, wird nach der Strafandrohung, die auf den Täter Anwendung findet, bestraft. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 260ter - 1 Mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer: |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 305bis - 1. Wer eine Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Ermittlung der Herkunft, die Auffindung oder die Einziehung von Vermögenswerten zu vereiteln, die, wie er weiss oder annehmen muss, aus einem Verbrechen oder aus einem qualifizierten Steuervergehen herrühren, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.423 |
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 22 Kantonale Gerichtsbarkeit - Die kantonalen Strafbehörden verfolgen und beurteilen die Straftaten des Bundesrechts; vorbehalten bleiben die gesetzlichen Ausnahmen. |
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 23 Bundesgerichtsbarkeit im Allgemeinen - 1 Der Bundesgerichtsbarkeit unterstehen folgende Straftaten des StGB6: |
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 24 - 1 Der Bundesgerichtsbarkeit unterstehen zudem die Straftaten nach den Artikeln 260ter, 260quinquies, 260sexies, 305bis, 305ter und 322ter-322septies StGB12 sowie die Verbrechen, die von einer kriminellen oder terroristischen Organisation im Sinne von Artikel 260ter StGB ausgehen, wenn die Straftaten:13 |
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 28 Konflikte - Konflikte zwischen der Staatsanwaltschaft des Bundes und kantonalen Strafbehörden entscheidet das Bundesstrafgericht. |
BGE Register
BstGer Leitentscheide
Entscheide BstGer