TPF 2009 176, p.176

40. Auszug aus dem Entscheid der I. Beschwerdekammer in Sachen Eidgenössisches Finanzdepartement gegen A. AG vom 3. November 2009 (BE.2009.19)

Durchsuchung von Papieren; Geschäftsgeheimnis; Verhältnismässigkeit.
Art. 50 Abs. 1
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 50 - 1 Papiere sind mit grösster Schonung der Privatgeheimnisse zu durchsuchen; insbesondere sollen Papiere nur dann durchsucht werden, wenn anzunehmen ist, dass sich Schriften darunter befinden, die für die Untersuchung von Bedeutung sind.
1    Papiere sind mit grösster Schonung der Privatgeheimnisse zu durchsuchen; insbesondere sollen Papiere nur dann durchsucht werden, wenn anzunehmen ist, dass sich Schriften darunter befinden, die für die Untersuchung von Bedeutung sind.
2    Bei der Durchsuchung sind das Amtsgeheimnis sowie Geheimnisse, die Geistlichen, Rechtsanwälten, Notaren, Ärzten, Apothekern, Hebammen und ihren beruflichen Gehilfen in ihrem Amte oder Beruf anvertraut wurden, zu wahren.
3    Dem Inhaber der Papiere ist wenn immer möglich Gelegenheit zu geben, sich vor der Durchsuchung über ihren Inhalt auszusprechen. Erhebt er gegen die Durchsuchung Einsprache, so werden die Papiere versiegelt und verwahrt, und es entscheidet die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts über die Zulässigkeit der Durchsuchung (Art. 25 Abs. 1).
VStrR

Papiere sind mit grösstmöglicher Schonung der Privatgeheimnisse zu durchsuchen. Im Falle der Durchsuchung von sich auf einem elektronischen Datenträger befindenden Protokollen der Geschäftsleitung und des Verwaltungsrates einer börsenkotierten Unternehmung ist dem Aspekt der Datensicherheit in besonderem Masse Rechnung zu tragen (E. 4.1 und 4.2).

Perquisition de papiers; secret commercial; proportionnalité.
Art. 50 al. 1 DPA

La perquisition visant des papiers doit être opérée avec les plus grands égards pour les secrets privés. Lors d'une perquisition de procès-verbaux de la direction et du conseil d'administration d'une entreprise cotée en bourse, consignés sur des supports de données électroniques, il convient de tenir compte tout particulièrement de l'aspect de la sécurité des données (consid. 4.1 et 4.2).

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Perquisizione di carte; segreto professionale; proporzionalità.
Art. 50 cpv. 1 DPA

La perquisizione di carte dev'essere fatta col maggior riguardo possibile dei segreti privati. In caso di perquisizione di verbali, salvati su un supporto dati elettronico, della direzione e del consiglio d'amministrazione di un'impresa quotata in borsa deve essere prestata particolare attenzione all'aspetto della sicurezza dei dati (consid. 4.1 e 4.2).

Zusammenfassung des Sachverhalts:

Im Zusammenhang mit dem Beteiligungsaufbau an der A. AG durch die B. GmbH bzw. durch deren wirtschaftlich Berechtigte eröffnete der Strafrechtsdienst des Eidgenössischen Finanzdepartements (nachfolgend ,,Strafrechtsdienst") ein Verwaltungsstrafverfahren gegen C., D. und E. wegen des Verdachts der Widerhandlung gegen Art. 20 Abs. 1
SR 954.1 Bundesgesetz vom 15. Juni 2018 über die Finanzinstitute (Finanzinstitutsgesetz, FINIG) - Börsengesetz
FINIG Art. 20 Qualifizierte Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer - 1 Die Geschäftsführung eines Vermögensverwalters oder Trustees muss aus mindestens zwei qualifizierten Personen bestehen.
1    Die Geschäftsführung eines Vermögensverwalters oder Trustees muss aus mindestens zwei qualifizierten Personen bestehen.
2    Die Geschäftsführung kann aus nur einer qualifizierten Person bestehen, wenn nachgewiesen wird, dass die ordnungsgemässe Fortführung des Geschäftsbetriebs gewährleistet ist.
3    Eine Person ist für die Geschäftsführung qualifiziert, wenn sie über eine der Tätigkeit des Vermögensverwalters oder Trustees angemessene Ausbildung und im Zeitpunkt der Übernahme der Geschäftsführung über eine genügende Berufserfahrung in der Vermögensverwaltung für Dritte oder im Rahmen von Trusts verfügt. Der Bundesrat regelt die Einzelheiten.
BEHG bzw. Art. 20 Abs. 3
SR 954.1 Bundesgesetz vom 15. Juni 2018 über die Finanzinstitute (Finanzinstitutsgesetz, FINIG) - Börsengesetz
FINIG Art. 20 Qualifizierte Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer - 1 Die Geschäftsführung eines Vermögensverwalters oder Trustees muss aus mindestens zwei qualifizierten Personen bestehen.
1    Die Geschäftsführung eines Vermögensverwalters oder Trustees muss aus mindestens zwei qualifizierten Personen bestehen.
2    Die Geschäftsführung kann aus nur einer qualifizierten Person bestehen, wenn nachgewiesen wird, dass die ordnungsgemässe Fortführung des Geschäftsbetriebs gewährleistet ist.
3    Eine Person ist für die Geschäftsführung qualifiziert, wenn sie über eine der Tätigkeit des Vermögensverwalters oder Trustees angemessene Ausbildung und im Zeitpunkt der Übernahme der Geschäftsführung über eine genügende Berufserfahrung in der Vermögensverwaltung für Dritte oder im Rahmen von Trusts verfügt. Der Bundesrat regelt die Einzelheiten.
BEHG. Ersten Ermittlungsergebnissen des Strafrechtsdienstes zufolge habe der ehemalige CEO und ehemalige Verwaltungsratspräsident der A. AG, F., zumindest während Januar bis Mai 2007 mit diversen Parteien im Austausch betreffend den fraglichen Beteiligungsaufbau gestanden. Mit Verfügung vom 6. August 2009 wies der Strafrechtsdienst die A. AG an, ihm sämtliche Sitzungsprotokolle des Verwaltungsrates sowie sämtliche Sitzungsprotokolle der Konzernleitung jeweils für den Zeitraum vom 1. Oktober 2006 bis 30. April 2007 zuzustellen. Die A. AG reichte daraufhin dem Strafrechtsdienst die in der Editionsverfügung genannten Dokumente in elektronischer Form und versiegelt ein und erhob Einsprache gegen deren Durchsuchung. Der Strafrechtsdienst gelangte daraufhin an die I. Beschwerdekammer und verlangte die Entsiegelung des eingereichten Datenträgers.
Die I. Beschwerdekammer hiess das Gesuch gut und ermächtigte den Strafrechtsdienst, den versiegelten Datenträger im Beisein zumindest eines Vertreters der A. AG zu entsiegeln und zu durchsuchen.

Aus den Erwägungen:

4.
4.1 Gemäss Art. 45 Abs. 1
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 45 - 1 Bei einer Beschlagnahme, Durchsuchung, vorläufigen Festnahme oder Verhaftung ist mit der dem Betroffenen und seinem Eigentum gebührenden Schonung zu verfahren.
1    Bei einer Beschlagnahme, Durchsuchung, vorläufigen Festnahme oder Verhaftung ist mit der dem Betroffenen und seinem Eigentum gebührenden Schonung zu verfahren.
2    Im Falle einer Ordnungswidrigkeit sind Zwangsmassnahmen nicht zulässig.
VStrR ist bei einer Durchsuchung mit der dem Betroffenen und seinem Eigentum gegenüber gebührenden Schonung zu

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verfahren. Papiere sind mit grösstmöglicher Schonung der Privatgeheimnisse zu durchsuchen (Art. 50 Abs. 1
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 50 - 1 Papiere sind mit grösster Schonung der Privatgeheimnisse zu durchsuchen; insbesondere sollen Papiere nur dann durchsucht werden, wenn anzunehmen ist, dass sich Schriften darunter befinden, die für die Untersuchung von Bedeutung sind.
1    Papiere sind mit grösster Schonung der Privatgeheimnisse zu durchsuchen; insbesondere sollen Papiere nur dann durchsucht werden, wenn anzunehmen ist, dass sich Schriften darunter befinden, die für die Untersuchung von Bedeutung sind.
2    Bei der Durchsuchung sind das Amtsgeheimnis sowie Geheimnisse, die Geistlichen, Rechtsanwälten, Notaren, Ärzten, Apothekern, Hebammen und ihren beruflichen Gehilfen in ihrem Amte oder Beruf anvertraut wurden, zu wahren.
3    Dem Inhaber der Papiere ist wenn immer möglich Gelegenheit zu geben, sich vor der Durchsuchung über ihren Inhalt auszusprechen. Erhebt er gegen die Durchsuchung Einsprache, so werden die Papiere versiegelt und verwahrt, und es entscheidet die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts über die Zulässigkeit der Durchsuchung (Art. 25 Abs. 1).
VStrR). Diese Bestimmungen legen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit fest (HAURI, Verwaltungsstrafrecht, Bern 1998, S. 109). Das bedeutet, dass die Durchsuchung notwendig und geeignet sein muss, das Untersuchungsziel zu erreichen. Es darf insbesondere keine milderen Massnahmen geben und bei der Durchsuchung muss zwischen dem angestrebten Ziel und dem vom Betroffenen zu duldenden Eingriff ein vernünftiges Verhältnis bestehen (SCHMID, Strafprozessrecht, 4. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2004, N. 686).
4.2 (...) Im Hauptpunkt wendet die Gesuchsgegnerin jedoch ein, dass eine Durchsuchung der auf dem Datenträger vorhandenen Dokumente ihre Persönlichkeitsschutzinteressen sowie vor allem ihre Geschäftsgeheimnisse verletze. Bei den geltend gemachten Geschäftsgeheimnissen handelt es sich nicht um solche, welche gemäss Art. 50 Abs. 2
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 50 - 1 Papiere sind mit grösster Schonung der Privatgeheimnisse zu durchsuchen; insbesondere sollen Papiere nur dann durchsucht werden, wenn anzunehmen ist, dass sich Schriften darunter befinden, die für die Untersuchung von Bedeutung sind.
1    Papiere sind mit grösster Schonung der Privatgeheimnisse zu durchsuchen; insbesondere sollen Papiere nur dann durchsucht werden, wenn anzunehmen ist, dass sich Schriften darunter befinden, die für die Untersuchung von Bedeutung sind.
2    Bei der Durchsuchung sind das Amtsgeheimnis sowie Geheimnisse, die Geistlichen, Rechtsanwälten, Notaren, Ärzten, Apothekern, Hebammen und ihren beruflichen Gehilfen in ihrem Amte oder Beruf anvertraut wurden, zu wahren.
3    Dem Inhaber der Papiere ist wenn immer möglich Gelegenheit zu geben, sich vor der Durchsuchung über ihren Inhalt auszusprechen. Erhebt er gegen die Durchsuchung Einsprache, so werden die Papiere versiegelt und verwahrt, und es entscheidet die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts über die Zulässigkeit der Durchsuchung (Art. 25 Abs. 1).
VStrR in jedem Fall dem Zugriff der bzw. der Kenntnisnahme durch die Strafverfolgungsbehörden vorzuenthalten sind und im Rahmen eines Entsiegelungsverfahrens eine Triage durch die I. Beschwerdekammer erforderlich machen. Das Gesuch ist dementsprechend dem Grundsatz nach gutzuheissen.
Angesichts der auf dem Datenträger mit grosser Wahrscheinlichkeit enthaltenen Informationen von weit reichender Bedeutung und der damit auf dem Spiel stehenden Interessen hat der Gesuchsteller jedoch bei der durch ihn vorzunehmenden Durchsuchung die grösste Sorgfalt darauf zu verwenden, dass die Geschäftsgeheimnisse der Gesuchsgegnerin gewahrt werden. Gerade bei elektronischen Daten ist dem Aspekt der Datensicherheit in besonderem Masse Rechnung zu tragen; so wäre beispielsweise das Kopieren der auf dem eingereichten Datenträger enthaltenen Informationen auf das Computer-Netzwerk des Gesuchstellers, auf welches eine Vielzahl von Nutzern Zugriff haben, mit dieser Sorgfalt nicht vereinbar. Die Entsiegelung des eingereichten Datenträgers und dessen Durchsuchung hat deshalb im Beisein zumindest eines Vertreters der Gesuchsgegnerin und mittels eines vom übrigen Netzwerk getrennten Computers zu erfolgen. Falls aufgrund der Informatik-Infrastruktur des Gesuchstellers eine grösstmögliche Sicherheit der fraglichen Informationen nicht gewährleistet werden kann, so ist allenfalls die Durchsuchung mit Hilfe eines von der Gesuchsgegnerin temporär zur Verfügung gestellten Laptops oder aber die Durchführung der Durchsuchung am Sitz der Gesuchsgegnerin entsprechend dem von ihr formulierten Eventualantrag in Betracht zu ziehen.

TPF 2009 176, p.179
Decision information   •   DEFRITEN
Document : TPF 2009 176
Date : 03. November 2009
Published : 30. November 2009
Source : Bundesstrafgericht
Status : TPF 2009 176
Subject area : Art. 50 Abs. 1 VStrR Papiere sind mit grösstmöglicher Schonung der Privatgeheimnisse zu durchsuchen. Im Falle...
Subject : Durchsuchung von Papieren; Geschäftsgeheimnis; Verhältnismässigkeit.


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