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Auszug aus dem Urteil der Abteilung II
i.S. A. gegen
Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation
B 2869/2014 vom 25. Februar 2015

Internationale Diplomanerkennung: Anerkennung eines deutschen Meisterprüfungszeugnisses im Augenoptiker-Handwerk. Anwendbare Bestimmungen.

Art. 7 FHSG. Art. 4
IR 0.111 Wiener Übereinkommen vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge (mit Anhang)
VRK Art. 4 Nichtrückwirkung dieses Übereinkommens - Unbeschadet der Anwendung der in diesem Übereinkommen niedergelegten Regeln, denen Verträge unabhängig von dem Übereinkommen auf Grund des Völkerrechts unterworfen wären, findet das Übereinkommen nur auf Verträge Anwendung, die von Staaten geschlossen werden, nachdem das Übereinkommen für sie in Kraft getreten ist.
, Art. 26
IR 0.111 Wiener Übereinkommen vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge (mit Anhang)
VRK Art. 26 - Ist ein Vertrag in Kraft, so bindet er die Vertragsparteien und ist von ihnen nach Treu und Glauben zu erfüllen.
und Art. 27
IR 0.111 Wiener Übereinkommen vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge (mit Anhang)
VRK Art. 27 Innerstaatliches Recht und Einhaltung von Verträgen - Eine Vertragspartei kann sich nicht auf ihr innerstaatliches Recht berufen, um die Nichterfüllung eines Vertrags zu rechtfertigen. Diese Bestimmung lässt Artikel 46 unberührt.
VRK. Art. 1 Bst. a
IR 0.142.112.681 Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (mit Anhängen, Prot. und Schlussakte)
FZA Art. 1 Ziel - Ziel dieses Abkommens zu Gunsten der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und der Schweiz ist Folgendes:
a  Einräumung eines Rechts auf Einreise, Aufenthalt, Zugang zu einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit und Niederlassung als Selbstständiger sowie des Rechts auf Verbleib im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien;
b  Erleichterung der Erbringung von Dienstleistungen im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien, insbesondere Liberalisierung kurzzeitiger Dienstleistungen;
c  Einräumung eines Rechts auf Einreise und Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien für Personen, die im Aufnahmestaat keine Erwerbstätigkeit ausüben;
d  Einräumung der gleichen Lebens-, Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen wie für Inländer.
, Art. 2
IR 0.142.112.681 Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (mit Anhängen, Prot. und Schlussakte)
FZA Art. 2 Nichtdiskriminierung - Die Staatsangehörigen einer Vertragspartei, die sich rechtmässig im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei aufhalten, werden bei der Anwendung dieses Abkommens gemäss den Anhängen I, II und III nicht auf Grund ihrer Staatsangehörigkeit diskriminiert.
und Art. 9
IR 0.142.112.681 Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (mit Anhängen, Prot. und Schlussakte)
FZA Art. 9 Diplome, Zeugnisse und sonstige Befähigungsnachweise - Um den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und der Schweiz den Zugang zu unselbstständigen und selbstständigen Erwerbstätigkeiten und deren Ausübung sowie die Erbringung von Dienstleistungen zu erleichtern, treffen die Vertragsparteien gemäss Anhang III die erforderlichen Massnahmen zur gegenseitigen Anerkennung der Diplome, Zeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise und zur Koordinierung ihrer Rechts- und Verwaltungsvorschriften über den Zugang zu unselbstständigen und selbstständigen Erwerbstätigkeiten und deren Ausübung sowie die Erbringung von Dienstleistungen.
FZA. Anhang III FZA. Vereinbarung vom 1. Dezember 1937 zwischen der Schweiz und dem Deutschen Reich. Art. 3 Abs. 1 Bst. a, Art. 10 ff., Art. 16 ff. und Art. 21 ff. der Richtlinie 2005/36/EG.

1. Zielsetzung und Tragweite des FZA und dessen Anhangs III, welche Bestimmungen indessen subsidiärer Natur sind (E. 3.1).

2. Nach dem hier anwendbaren schweizerisch-deutschen Staatsvertrag von 1937 werden deutsche Meisterprüfungszeugnisse oder Meisterbriefe « automatisch » (d.h. nach einer formellen Prüfung, aber ohne inhaltlich-materielle Prüfung) als gleichwertig mit den entsprechenden schweizerischen Diplomen oder Fachausweisen der Tertiärstufe anerkannt (E. 3.2.1).

3. Nach Art. 26
IR 0.111 Wiener Übereinkommen vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge (mit Anhang)
VRK Art. 26 - Ist ein Vertrag in Kraft, so bindet er die Vertragsparteien und ist von ihnen nach Treu und Glauben zu erfüllen.
und Art. 27
IR 0.111 Wiener Übereinkommen vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge (mit Anhang)
VRK Art. 27 Innerstaatliches Recht und Einhaltung von Verträgen - Eine Vertragspartei kann sich nicht auf ihr innerstaatliches Recht berufen, um die Nichterfüllung eines Vertrags zu rechtfertigen. Diese Bestimmung lässt Artikel 46 unberührt.
VRK binden geltende völkerrechtliche Verträge die Vertragsstaaten und ihre Behörden und sind nach Treu und Glauben zu erfüllen. Eine Partei kann sich nicht auf ihr innerstaatliches Recht berufen, um die Nichterfüllung eines Vertrags zu rechtfertigen. Vorrang der Grundsätze der Vertragstreue und des Handelns nach Treu und Glauben als Völkergewohnheitsrecht (E. 3.2.3).

4. Die zwischenzeitliche innerstaatliche Änderung der Diplomanerkennungserfordernisse (Anhebung auf Fachhochschulstufe) vermag den Staatsvertrag von 1937 nicht zu derogieren (E. 3.2.2 3.2.4).

Reconnaissance internationale des diplômes: reconnaissance d'un certificat d'examen allemand de maître opticien. Dispositions applicables.

Art. 7 LHES. Art. 4, art. 26 et art. 27 CV. Art. 1 let. a, art. 2 et art. 9 ALCP. Annexe III ALCP. Convention du 1er décembre 1937 entre la Suisse et l'Empire allemand. Art. 3 al. 1 let. a, art. 10ss, art. 16ss et art. 21ss directive 2005/36/CE.

1. But et portée de l'ALCP et de son annexe III (consid. 3.1), dispositions de nature subsidiaire.

2. Conformément au traité helvético-allemand de 1937 applicable en l'espèce, les certificats d'examen de maîtrise ou les brevets de maîtrise allemands sont « automatiquement » (c.-à-d. après un examen formel, mais sans examen matériel quant à leur contenu) reconnus comme équivalents aux diplômes ou brevets du niveau tertiaire suisses correspondants (consid. 3.2.1).

3. Selon les art. 26 et art. 27 CV, les traités lient les Etats contractants et leurs autorités et doivent être exécutés de bonne foi. Une partie ne peut invoquer les dispositions de son droit interne pour justifier la non-exécution d'un traité. Primauté des principes du respect des contrats et des règles de la bonne foi relevant du droit international coutumier (consid. 3.2.3).

4. La modification, intervenue entre-temps au niveau suisse, des exigences pour la reconnaissance des diplômes (élévation au niveau de la haute école) ne permet pas de déroger au traité international de 1937 (consid. 3.2.2 3.2.4).

Riconoscimento internazionale di diplomi: riconoscimento di un attestato d'esame professionale tedesco di ottico (« Meisterprüfung »). Disposizioni applicabili.

Art. 7 LSUP. Art. 4, art. 26 e art. 27 CV. Art. 1 lett. a, art. 2 e art. 9 dell'ALC. Allegato III ALC. Convenzione del 1o dicembre 1937 tra la Confederazione Svizzera e il Reich tedesco. Art. 3 cpv. 1 lett. a, art. 10segg., art. 16segg. e art. 21segg. direttiva 2005/36/CE.

1. Obiettivo e portata dell'ALC e del suo allegato III. Carattere sussidiario di tali disposizioni (consid. 3.1).

2. In virtù della Convenzione svizzero-tedesca del 1937, applicabile nella fattispecie, l'equipollenza degli attestati professionali e dei diplomi di maestria tedeschi con i corrispondenti attestati e diplomi svizzeri di livello terziario viene riconosciuta « automaticamente » (ossia dopo un esame formale, ma senza un controllo materiale del contenuto) (consid. 3.2.1).

3. In virtù degli art. 26 e art. 27 della CV, i trattati internazionali in vigore vincolano gli Stati firmatari e le loro autorità e devono essere eseguiti in buona fede. Una parte non può invocare le disposizioni della propria legislazione interna per giustificare la mancata esecuzione di un trattato. Preminenza del principio del rispetto dei contratti e delle regole della buona fede derivanti dal diritto internazionale consuetudinario (consid. 3.2.3).

4. La modifica della legislazione interna relativa alle esigenze per il riconoscimento dei diplomi intervenuta nel frattempo (elevazione a livello di scuola universitaria professionale) non consente di derogare alla Convenzione del 1937 (consid. 3.2.2 3.2.4).


Mit (Formular-)Eingabe vom 2. August 2013 ersuchte A. (nachfolgend: Beschwerdeführerin) das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (nachfolgend: Vorinstanz) um Anerkennung ihres Meisterprüfungszeugnisses im Augenoptiker-Handwerk der Handelskammer Kassel/D.

Mit Verfügung vom 20. März 2014 beschied ihr die Vorinstanz, zur Ausübung der beruflichen Tätigkeit als diplomierte Optometristin sei in der Schweiz ein Bachelordiplom im Sinne von Art. 7 des Fachhochschulgesetzes vom 6. Oktober 1995 (FHSG, AS 2005 4635; aufgehoben durch das Bundesgesetz über die Förderung der Hochschulen und die Koordination im schweizerischen Hochschulbereich vom 30. September 2011 [Hochschulförderungs- und -koordinationsgesetz, HFKG, SR 414.20; teilweise in Kraft seit dem 1. Januar 2015) erforderlich. Die Anerkennung der Gleichwertigkeit ihres Diploms könne nur unter der Bedingung erfolgen, dass Ausgleichsmassnahmen erfolgreich absolviert würden. Zur Begründung führte sie aus, vorliegend handle es sich um eine in der Schweiz reglementierte Tätigkeit, sodass Art. 3 Abs. 1 Bst. a der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. L 255/22 vom 30. September 2005, nachfolgend: Richtlinie 2005/36/EG) anwendbar sei.

Das Bundesverwaltungsgericht heisst die hiergegen mit Eingabe vom 26. Mai 2014 erhobene Beschwerde gut.


Aus den Erwägungen:

2.

2.1 Die Beschwerdeführerin besitzt das Meisterprüfungszeugnis im Augenoptiker-Handwerk vom (...) der Handelskammer Kassel/D und hat seit dessen Erwerb ununterbrochen als Augenoptiker-Meisterin in Deutschland gearbeitet (...). Sie möchte diesen Beruf, der reglementiert ist (E. 3.1.5; vgl. hierzu statt vieler: Urteil des BVGer B 2168/2006 vom 3. Mai 2007 E. 3), selbstständig in der Schweiz ausüben, wozu eine Anerkennung der Gleichwertigkeit erforderlich ist. In ihren Eingaben in diesem Verfahren weist sie auf die bisherige, konstante Praxis der Schweizer Behörden hin, wonach eine Anerkennung der Gleichwertigkeit des deutschen Meisterprüfungszeugnisses im Augenoptiker-Handwerk mit dem schweizerischen Titel « diplomierte Augenoptikerin » gestützt auf die Vereinbarung vom 1. Dezember 1937 zwischen der Schweiz und dem Deutschen Reich (auszugsweise publiziert in BBl 1937 III 491, nachfolgend: Staatsvertrag 1937) « automatisch » erfolge, das heisst lediglich aufgrund einer formellen und nicht auch einer inhaltlichen Prüfung. Sie macht im Hauptstandpunkt geltend, so sei auch im vorliegenden Streit zu verfahren, weshalb ihr keine Ausgleichsmassnahmen auferlegt werden dürfen.

2.2 Demgegenüber weist die Vorinstanz auf das zwischenzeitlich geänderte innerstaatliche Recht hin, wonach der Titel « diplomierte Augenoptikerin » gemäss Art. 23 des Reglements vom 12. Juni 1991 über die Durchführung der höheren Fachprüfung im Augenoptikerberuf nach der Aufhebung dieses Reglements am 31. Dezember 2012 in der Schweiz nicht mehr erworben werden könne. Vielmehr sei heute ein auf (Fach-)Hochschulstufe angesiedelter Bachelorabschluss beziehungsweise ein Bachelordiplom als Optometristin im Sinne des Art. 7 FHSG erforderlich (...). Dieser werde vom erwähnten Staatsvertrag 1937, welcher sich auf Abschlüsse der höheren Berufsbildung beziehe, nicht erfasst, sodass der Anerkennungsmechanismus nach dem Freizügigkeitsabkommen (FZA, SR 0.142.112.681) und der Richtlinie 2005/36/EG (...) greife. Aufgrund des Niveauunterschieds und wesentlicher Unterschiede in der Ausbildung erwiesen sich somit Ausgleichsmassnahmen als unumgänglich.

2.3 Es stellt sich im Folgenden zunächst die Frage, nach welchen Rechtsnormen die vorliegende Angelegenheit zu beurteilen ist.

3.

3.1 Die Vorinstanz vertritt die Ansicht, auf die Frage der Anerkennung des deutschen Meisterprüfungszeugnisses der Beschwerdeführerin in der Schweiz sei das am 1. Februar 2002 in Kraft getretene FZA anwendbar. Es sind daher im Folgenden kurz Zielsetzung und Tragweite des FZA in Bezug auf den vorliegenden Fall darzustellen.

3.1.1 Nach Art. 1 Bst. a
IR 0.142.112.681 Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (mit Anhängen, Prot. und Schlussakte)
FZA Art. 1 Ziel - Ziel dieses Abkommens zu Gunsten der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und der Schweiz ist Folgendes:
a  Einräumung eines Rechts auf Einreise, Aufenthalt, Zugang zu einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit und Niederlassung als Selbstständiger sowie des Rechts auf Verbleib im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien;
b  Erleichterung der Erbringung von Dienstleistungen im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien, insbesondere Liberalisierung kurzzeitiger Dienstleistungen;
c  Einräumung eines Rechts auf Einreise und Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien für Personen, die im Aufnahmestaat keine Erwerbstätigkeit ausüben;
d  Einräumung der gleichen Lebens-, Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen wie für Inländer.
FZA hat dieses Abkommen zum Ziel, den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) und der Schweiz unter anderem ein Recht auf Zugang zu einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit und Niederlassung als Selbstständige im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien einzuräumen. Der Grundsatz der Nichtdiskriminierung (Art. 2
IR 0.142.112.681 Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (mit Anhängen, Prot. und Schlussakte)
FZA Art. 2 Nichtdiskriminierung - Die Staatsangehörigen einer Vertragspartei, die sich rechtmässig im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei aufhalten, werden bei der Anwendung dieses Abkommens gemäss den Anhängen I, II und III nicht auf Grund ihrer Staatsangehörigkeit diskriminiert.
FZA) gewährleistet den Staatsangehörigen in der Schweiz und Mitgliedstaaten der EU das Recht, bei der Anwendung des Abkommens nicht schlechter gestellt zu werden als die Angehörigen des Staates, in dem das Abkommen gehandhabt wird (vgl. hierzu und zum Folgenden statt vieler: Urteile des BVGer B 6452/2013 vom 4. Dezember 2014 E. 2; B 2183/2006 vom 28. August 2007 E. 3.1ff.; Breitenmoser/Weyeneth, Europarecht, 2. Aufl. 2014, S. 253ff., insb. 258; Nina Gammenthaler, Diplomanerkennung und Freizügigkeit, 2010, S. 269 ff.; Yvo Hangartner, Der Grundsatz der Nichtdiskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit im Freizügigkeitsabkommen der Schweiz mit der Europäischen Gemeinschaft, AJP 2003 S. 257ff., insb. 260). In diesem Zusammenhang bestimmt Art. 9
IR 0.142.112.681 Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (mit Anhängen, Prot. und Schlussakte)
FZA Art. 9 Diplome, Zeugnisse und sonstige Befähigungsnachweise - Um den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und der Schweiz den Zugang zu unselbstständigen und selbstständigen Erwerbstätigkeiten und deren Ausübung sowie die Erbringung von Dienstleistungen zu erleichtern, treffen die Vertragsparteien gemäss Anhang III die erforderlichen Massnahmen zur gegenseitigen Anerkennung der Diplome, Zeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise und zur Koordinierung ihrer Rechts- und Verwaltungsvorschriften über den Zugang zu unselbstständigen und selbstständigen Erwerbstätigkeiten und deren Ausübung sowie die Erbringung von Dienstleistungen.
FZA, dass die Vertragsparteien gemäss Anhang III die erforderlichen Massnahmen
treffen, um den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der EU und der Schweiz den Zugang zu unselbstständigen und selbstständigen Erwerbstätigkeiten und deren Ausübung sowie die Erbringung von Dienstleistungen zu erleichtern.

3.1.2 Anhang III FZA trägt die Bezeichnung « Gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen (Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstiger Befähigungsnachweise) ». Nach dessen Bestimmungen wenden die Vertragspartner im Bereich der gegenseitigen Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise untereinander die gemeinschaftlichen Rechtsakte, auf die Bezug genommen wird, in der zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Abkommens geltenden Fassung einschliesslich der in Abschn. A dieses Anhangs genannten Änderungen oder gleichwertige Vorschriften an. Dies bedeutet, dass die Schweiz und die EU in diesem Bereich der gegenseitigen Diplomanerkennung eine ganze Reihe von Rechtsakten (europäische Richtlinien) anwenden, die in der EU selbst schon in Kraft sind (vgl. Botschaft vom 23. Juni 1999 zur Genehmigung der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EG, BBl 1999 6128, insb. 6155 und 6347 ff. sowie die vorstehend zitierten Urteile, je m.w.H.).

3.1.3 Hinsichtlich der Anerkennung der beruflichen Qualifikationen erfasst das FZA nur die im Aufnahmestaat reglementierten beruflichen Tätigkeiten. Alle nicht reglementierten Berufe stehen der freien Ausübung offen. Als reglementiert gilt eine berufliche Tätigkeit, bei der die Aufnahme, Ausübung oder eine der Arten der Ausübung in einem Mitgliedstaat direkt oder indirekt durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften an den Besitz eines Ausbildungs- oder Befähigungsnachweises beziehungsweise Diploms gebunden ist. Dazu gehört insbesondere die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit in Verbindung mit der Führung eines Titels, der nur von Personen geführt werden darf, die einen Ausbildungs- oder Befähigungsnachweis beziehungsweise ein Diplom besitzen, welche in einschlägigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften festgelegt sind (Art. 3 Abs. 1 Bst. a der Richtlinie 2005/36/EG; zitierte Urteile des BVGer).

3.1.4 Mit dem FZA und seinem Anhang III sowie mit der Richtlinie 2005/36/EG hat die Schweiz somit den Anerkennungsmechanismus der Berufsbildungen der EU übernommen. Dabei enthält die genannte Richtlinie 2005/36/EG einerseits allgemeine Anerkennungsregeln, wonach
die jeweiligen beruflichen Ausbildungen und Ausbildungsabschlüsse (Art. 10ff.) sowie gegebenenfalls die erworbenen Berufserfahrungen (Art. 16ff.) gestützt auf eine materielle Prüfung miteinander verglichen werden. Darüber hinaus enthält sie in Art. 21ff. auch Grundsätze für eine automatische Anerkennung ohne materielle Prüfung, welche sich auf eine Koordination der Mindestanforderungen für die Ausbildung abstützt,
und worunter im heutigen Zeitpunkt gemäss Anhang V der Richtlinie 2005/36/EG sechs Medizinalberufe und der Architektenberuf fallen (vgl. etwa die Urteile des BVGer B 4857/2012 vom 5. Dezember 2013 E. 3 4.1.2; A 6542/2012 vom 22. April 2013 E. 3.3).

3.1.5 Da es sich, wie eingangs ausgeführt (vgl. E. 2.1), beim Optikergewerbe um einen in der Schweiz reglementierten Beruf handelt und die Beschwerdeführerin als Angehörige eines EU-Staates ihr in ihrem Herkunftsstaat erworbenes Meisterzeugnis in der Schweiz zur Anerkennung vorlegt, sind nach dem Gesagten im vorliegenden Fall grundsätzlich das FZA und die dort genannte Richtlinie 2005/36/EG anwendbar. Weil der genannte Beruf zudem nicht unter diejenigen Berufe fällt, welche nach diesem Regelwerk automatisch anerkannt werden, ist wie die Vorinstanz ausführt grundsätzlich nach dem allgemeinen Anerkennungsmechanismus beziehungsweise aufgrund einer materiellen Prüfung darüber zu befinden, ob und gegebenenfalls mit welchen Auflagen eine Anerkennung des deutschen Titels in der Schweiz möglich ist.

3.1.6 Indessen weist die Beschwerdeführerin darauf hin, dass sie eine Anerkennung ihres deutschen Meisterprüfungszeugnisses im Hinblick auf eine selbstständige Ausübung ihres Optiker-Berufs in der Schweiz (und insb. im Kanton Bern) beantragt habe, wie dies Gegenstand des im Jahr 1937 zwischen der Schweiz und dem Deutschen Reich abgeschlossenen Vertrags sei, und welche Anerkennung zufolge dieses Vertrags automatisch zu erfolgen habe. Dieser Vertrag gehe als lex specialis dem FZA vor, und seine für sie günstigeren Bestimmungen hätten daher Anwendung finden müssen. Dies sei die bisherige langjährige Praxis gewesen. Insofern verletze der angefochtene Entscheid diesen Vertrag, der nicht von der Vorinstanz einseitig abgeändert werden könne.

Es ist daher im Folgenden die Zielsetzung und Tragweite des erwähnten Vertrags in Bezug auf den vorliegenden Fall und sein Verhältnis zum FZA zu untersuchen.

3.2

3.2.1 Es trifft zu, dass das Bundesverwaltungsgericht sich in letzter Zeit verschiedentlich zur Tragweite des von der Beschwerdeführerin angerufenen schweizerisch-deutschen Staatsvertrags von 1937 geäussert hat (vgl. statt vieler das bereits erwähnte Urteil B 2183/2006 E. 3.1ff., insb. 5ff.). Danach werden deutsche Meisterprüfungszeugnisse oder Meisterbriefe « automatisch » (d.h. nach einer formellen Prüfung bspw. hinsichtlich der ausstellenden Behörde, aber ohne inhaltlich-materielle Prüfung) als gleichwertig mit den entsprechenden schweizerischen Diplomen oder Fachausweisen der Tertiärstufe anerkannt, und ein Vergleich der Ausbildung und Berufserfahrung im Herkunftsstaat und im Aufnahmestaat findet nicht statt. Gemäss Art. 23 des (aufgehobenen) Reglements vom 12. Juni 1991 über die Durchführung der höheren Fachprüfung im Augenoptikerberuf (vgl. E. 2.2) lautete der hier interessierende Schweizer Titel « diplomierter Augenoptiker ». Diese Rechtsprechung stiess in der Lehre auf Zustimmung (vgl. die Besprechung des vorerwähnten Urteils B 2183/2006 durch Ivo Hangartner, AJP 2008 S. 492ff.). Sie führte dazu, dass die Vorinstanz ihre abweichende frühere Praxis änderte. Inhabern eines
solchen Meisterprüfungszeugnisses oder Meisterbriefs steht daher die selbstständige Ausübung eines reglementierten Berufs wie des Optikers oder des Hörgeräteakustikers auch in der Schweiz offen. An dieser Rechtsprechung ist grundsätzlich festzuhalten.

3.2.2 Die Vorinstanz macht jedoch geltend, das innerstaatliche Recht sei auf den 1. Januar 2013 dahin geändert worden, dass im Bereich der Optometrie auf der Tertiärstufe einzig der Erwerb eines Bachelordiploms der Fachhochschule Nordwestschweiz möglich sei. Die Gleichwertigkeit etwa der deutschen Meisterprüfungszeugnisse mit den früheren, nun aber nicht mehr erhältlichen schweizerischen Fähigkeitszeugnissen oder Diplomen der Tertiärstufe im Bereich Optometrie würde daher nicht mehr Gegenstand ihrer Prüftätigkeit bilden, sondern sie prüfe im gegenwärtigen Zeitpunkt ausschliesslich die Gleichwertigkeit der genannten deutschen Abschlüsse mit dem aktuellen schweizerischen Bachelorabschluss. Da der Bachelortitel indessen nicht Gegenstand des Staatsvertrags von 1937 bilde, sei der Staatsvertrag vorliegend nicht anwendbar.

Die Vorinstanz beruft sich damit auf geändertes innerstaatliches Recht, welches der bisher geübten Umsetzung der staatsvertraglichen Bestimmungen entgegenstehe beziehungsweise die Schweizer Behörden von deren Anwendung befreie.

3.2.3 Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Nach Art. 26
IR 0.111 Wiener Übereinkommen vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge (mit Anhang)
VRK Art. 26 - Ist ein Vertrag in Kraft, so bindet er die Vertragsparteien und ist von ihnen nach Treu und Glauben zu erfüllen.
und 27
IR 0.111 Wiener Übereinkommen vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge (mit Anhang)
VRK Art. 27 Innerstaatliches Recht und Einhaltung von Verträgen - Eine Vertragspartei kann sich nicht auf ihr innerstaatliches Recht berufen, um die Nichterfüllung eines Vertrags zu rechtfertigen. Diese Bestimmung lässt Artikel 46 unberührt.
des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge (VRK, SR 0.111) binden geltende völkerrechtliche Verträge die Vertragsstaaten und ihre Behörden und sind nach Treu und Glauben zu erfüllen. Insbesondere kann eine Partei sich nicht auf ihr innerstaatliches Recht berufen, um die Nichterfüllung eines Vertrags zu rechtfertigen (vgl. hierzu statt vieler: Samantha Besson et al., Völkerrecht, 2. Aufl. 2013, S. 60; Anne Peters, Völkerrecht, Allgemeiner Teil, 3. Aufl. 2012, S. 103; Matthias Herdegen, Völkerrecht, 13. Aufl., München 2014, S. 167f. Rz. 3f.). Zwar ist die VRK für die Schweiz erst am 6. Juni 1990 in Kraft getreten und gilt nach deren Art. 4 der Grundsatz der Nichtrückwirkung, sodass die darin festgeschriebenen Grundsätze der Vertragstreue und des Handelns nach Treu und Glauben auf das vorliegende Rechtsverhältnis nicht unmittelbar aus diesen Bestimmungen Wirkung entfalten. Indessen verhält es sich so, dass sie als Völkergewohnheitsrecht und bereits vor Inkrafttreten der VRK für die Schweiz galten (vgl. Botschaft vom 17. Mai 1989 betreffend den Beitritt der Schweiz zur Wiener Konvention von
1969, BBl 1989 II 757 ff., insb. 759, 773; Herdegen, a.a.O., S. 117 Rz. 4; Wolfgang Graf Vitzthum, Begriff, Geschichte und Rechtsquellen des Völkerrechts, in: Völkerrecht, 6. Aufl., Berlin/Boston 2013, S. 54 Rz. 142; Andreas R. Ziegler, Einführung in das Völkerrecht, 2. Aufl. 2011, Rz. 126; Ian Sinclair, The Vienna Convention on the Law of Treaties, 2. Aufl., Manchester 1984, S. 83 ff.; Mark E. Villiger, Customary International Law and Treaties, Dordrecht 1985, Rz. 370f. und 411). Das Gebot von Treu und Glauben und das ihm innewohnende Verbot des widersprüchlichen Verhaltens bildet zudem festen Bestandteil unseres innerstaatlichen Rechts und ist von der Behörde bei ihrem Handeln im Verhältnis zum Bürger zwingend zu beachten (vgl. Christoph Rohner, in: Die schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, 3. Aufl. 2014, Art. 9 Rz. 36ff. insb. 38 m.H. auf die Urteile des BVGer A 737/2012 vom 5. April 2012 E. 4 sowie B 2700/2013 vom 2. Juli 2013 E. 2).

3.2.4 Dass die Vorinstanz als zuständige schweizerische Behörde die deutschen Meisterprüfungszeugnisse im Bereich der Optometrie entgegen dem Sinn und Zweck des bilateralen Staatsvertrags nicht mehr automatisch als mit den für einen Marktzugang erforderlichen schweizerischen Diplomen gleichwertig anerkennt, stellt eine Vertragsverletzung dar. Dass sie sich dabei auf geändertes innerstaatliches Recht stützt, vermag ihr Handeln nicht zu rechtfertigen. Vielmehr wäre die Vorinstanz verpflichtet gewesen, die Gleichwertigkeit der deutschen Diplome weiterhin gestützt auf eine formelle Prüfung (« automatisch ») oder zumindest im bisherigen Umfang anzuerkennen, zumal diejenigen Kantone, in denen der fragliche Beruf reglementiert ist, nach übereinstimmender Darstellung der Streitbeteiligten die gewerblichen Zulassungsbewilligungen unverändert gestützt auch auf die altrechtlichen Diplome erteilen. Wie es sich verhielte, wenn die Kantone ihre Praxis dahin änderten, dass sie die Erteilung einer Berufsausübungsbewilligung im Bereich Optometrie ausschliesslich von der Vorlage eines Bachelordiploms abhängig machten, braucht daher an dieser Stelle nicht untersucht zu werden. Massgebend ist, dass das deutsche
Meisterprüfungszeugnis nach unwidersprochener Darstellung der Streitbeteiligten den im Vertrag festgehaltenen Anforderungen entspricht und daher ohne weitergehende materielle Prüfung als mit einem entsprechenden schweizerischen Diplom gleichwertig anzuerkennen ist.

3.2.5 Aus den genannten Gründen ist die Beschwerde gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Gleichwertigkeit des vorgelegten Meisterprüfungszeugnisses mit einem entsprechenden (altrechtlichen) schweizerischen Diplom, wie es von den Kantonen zur Gewährung des Marktzugangs verlangt wird, anzuerkennen.

3.3 Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, den weiteren Vorbringen und Rügen der Beschwerdeführerin nachzugehen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 2015/14
Date : 25. Februar 2015
Published : 26. Oktober 2015
Source : Bundesverwaltungsgericht
Status : 2015/14
Subject area : Abteilung II (Wirtschaft, Wettbewerb, Bildung)
Subject : Anerkennung Abschluss/Ausbildung


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