Urteilskopf

2007/35

Auszug aus dem Urteil der Abteilung II i. S. Lindt & Sprüngli AG gegen Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum (IGE)
B-7422/2006 vom 3. Mai 2007


Regeste Deutsch

Markenschutz. Absolute Ausschlussgründe. Formmarken. Wiedergabe der Marke.
Art. 2 Bst. a
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz
MSchG Art. 2 Absolute Ausschlussgründe - Vom Markenschutz ausgeschlossen sind:
a  Zeichen, die Gemeingut sind, es sei denn, dass sie sich als Marke für die Waren oder Dienstleistungen durchgesetzt haben, für die sie beansprucht werden;
b  Formen, die das Wesen der Ware ausmachen, und Formen der Ware oder Verpackung, die technisch notwendig sind;
c  irreführende Zeichen;
d  Zeichen, die gegen die öffentliche Ordnung, die guten Sitten oder geltendes Recht verstossen.
MSchG.
1. Überblick über die Rechtsprechung zur Frage, wann technisch oder kulturell beeinflusste Formen und Merkmale über die technischen Gestaltungsvorgaben hinausgehen und grundsätzlich markenfähig sind (E. 2-3).
2. Die angemeldete Form weist einzelne auffällige zwei-, wie auch dreidimensionale Elemente auf (E. 4).
3. Die Kombination der auffälligen Elemente schafft im Gesamteindruck einen erkennbaren Bezug zur betrieblichen Herkunft der Ware (E. 5).
4. Da die Registerbehörde alle Anmelder anhält, Marken in einem Quadrat von 8 Zentimetern Seitenlänge abzubilden, muss das identische Seitenbild einer 3D Marke nicht von beiden Seiten abgebildet werden. Fragt sie diesbezüglich beim Anmelder nicht zurück, darf sie nicht von dem für ihn ungünstigeren Sachverhalt ausgehen (E. 8).


Regeste en français

Protection des marques. Motifs absolus d'exclusion. Marques de forme. Reproduction de la marque.
Art. 2 let. a LPM.
1. Aperçu de la jurisprudence relative à la question de savoir à partir de quand des formes et des éléments caractéristiques influencés par la technique ou la culture vont au-delà des prescriptions techniques en matière de conception et peuvent en principe constituer une marque (consid. 2-3).
2. La forme revendiquée présente plusieurs éléments frappants tant bidimensionnels que tridimensionnels (consid. 4).
3. La combinaison des éléments frappants crée dans l'impression d'ensemble une référence reconnaissable de la provenance commerciale du produit (consid. 5).
4. Comme l'autorité d'enregistrement demande à tous les requérants de reproduire les marques dans un carré de 8 centimètres de côté, la vue latérale identique d'une marque tridimensionnelle ne doit pas être reproduite sur les deux faces. Sans aucune autre demande au requérant à ce sujet, l'autorité ne peut pas se baser sur un état de fait qui lui serait défavorable (consid. 8).


Regesto in italiano

Protezione dei marchi. Motivi assoluti d'esclusione. Marchi di forma. Riproduzione del marchio.
Art. 2 lett. a LPM.
1. Riassunto della giurisprudenza sulla questione di sapere a partire da quando determinate forme e caratteristiche, influenzate dalla tecnica o dalla cultura, vanno oltre le prescrizioni tecniche previste per la loro realizzazione e possono costituire un marchio (consid. 2 e 3).
2. La forma di cui è richiesta la registrazione mostra singoli elementi appariscenti sia bidiensionali che tridimensionali (consid. 4).
3. La combinazione degli elementi appariscenti crea in modo riconoscibile nell'impressione generale il riferimento alla provenienza aziendale dei prodotti (consid. 5).
4. Poiché l'autorità del registro sollecita ogni richiedente a riprodurre il marchio in un quadrato di 8X8 centimetri, la vista laterale identica di un marchio tridimensionale non deve essere riprodotta da ambo i lati. Senza alcun'altra domanda al riguardo al richiedente, l'autorità non potrà basarsi su uno stato di fatto svantaggioso a quest'ultimo (consid. 8).


Sachverhalt

A. Am 24. Juni 2004 hinterlegte die Lindt & Sprüngli AG (Beschwerdeführerin) die nachstehende dreidimensionale Marke für «Schokolade, Schokoladewaren » in Klasse 30 beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE):

B. Das IGE beanstandete die Anmeldung mit Schreiben vom 8. November 2004, da die Marke nicht unterscheidungskräftig sei.

C. Mit Schreiben vom 10. Januar 2005 begründete die Beschwerdeführerin ihren abweichenden Rechtsstandpunkt in Bezug auf die Unterscheidungskraft der Marke.

D. Das IGE hielt mit Schreiben vom 9. März 2005 an seiner Einschätzung der Rechtslage fest, da die Form nur unwesentlich von der banalen Darstellung eines Hirschs oder Rentiers abweiche.

E. Am 1. Juli 2005 ersetzte die Beschwerdeführerin die Abbildung der Marke durch eine neue Abbildung, worauf die Marke auf ihrer linken Seite den Schriftzug « Lindt » trägt:

F. Am 5. September 2005 verneinte die Vorinstanz die Unterscheidungskraft der Marke auch in der neuen Darstellung.

G. Mit Schreiben vom 7. November 2005 und 10. Januar 2006 hielten beide Seiten an ihren bereits geäusserten Auffassungen fest.

H. Am 9. März 2006 reichte die Beschwerdeführerin erneut eine geänderte Abbildung der Marke ein und erklärte dazu, dass der Schriftzug « Lindt » nun auf beiden Seiten der Marke verwendet werde. Die Marke wurde nun wie folgt dargestellt:

I. Mit Schreiben vom 1. Juni 2006 verfügte das IGE die Verschiebung des Hinterlegungsdatums der Marke auf den 9. März 2006. Es verneinte ihre Unterscheidungskraft dennoch, da die beidseitige Verwendung des Schriftzuges « Lindt » in der Abbildung nicht deutlich zum Ausdruck komme und zudem nicht genügen würde, um die Marke in ihrem Gesamteindruck zu « umfassen ».

J. Mit Schreiben vom 23. August 2006 ersuchte die Beschwerdeführerin um Erlass einer beschwerdefähigen Verfügung.

K. Am 13. Oktober 2006 verfügte das IGE die Zurückweisung des Markeneintragungsgesuchs.

L. Hiegegen erhob die Beschwerdeführerin am 14. November 2006 Beschwerde an die Eidgenössische Rekurskommission für geistiges Eigentum (RKGE) und stellte die Rechtsbegehren:

1. Die Verfügung des Beschwerdegegners vom 13. Oktober 2006 sei aufzuheben.

2. Die unter der Gesuchs-Nr. 57447/2004 hinterlegte Marke « Gold Reindeer » (3D) sei ohne Einschränkung für « Schokolade und Schokoladenwaren » (Klasse 30) in das Markenregister einzutragen.

3. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Beschwerdegegners.

M. Mit Verfügung vom 16. November 2006 wurde das Verfahren per 1. Januar 2007 an das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) überwiesen.

N. Mit Vernehmlassung vom 17. Januar 2007 beantragte das IGE, die Beschwerde unter Kostenfolge abzuweisen.

O. Auf die Durchführung einer mündlichen und öffentlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 2. Februar 2007 verzichtet.

P. Mit Schreiben vom 23. März 2007 beantragte das IGE, das Verfahren aus Rücksicht auf ein hängiges Parallelverfahren vor dem Bundesgericht (BGer) zu sistieren. Die Beschwerdeführerin erklärte mit Schreiben vom 19. April 2007, sie sähe keinen Grund dem Sistierungsgesuch zuzustimmen.

Q. Mit Verfügung vom 26. April 2007 wies das BVGer das Sistierungsgesuch des IGE ab.
Das BVGer heisst die Beschwerde gut und weist das IGE an, die Marke im schweizerischen Markenregister einzutragen.


Aus den Erwägungen:

1. Das BVGer ist zur Beurteilung von Beschwerden gegen Eintragungsverfügungen des IGE in Markensachen zuständig (Art. 31
SR 173.32 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG) - Verwaltungsgerichtsgesetz
VGG Art. 31 Grundsatz - Das Bundesverwaltungsgericht beurteilt Beschwerden gegen Verfügungen nach Artikel 5 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 196819 über das Verwaltungsverfahren (VwVG).
des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [VGG, SR 173.32]). Es hat das vorliegende Verfahren am 1. Januar 2007 von der RKGE übernommen (Art. 53 Abs. 2
SR 173.32 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG) - Verwaltungsgerichtsgesetz
VGG Art. 53 Übergangsbestimmungen
1    Das Beschwerdeverfahren gegen Entscheide, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen sind und bisher beim Bundesgericht oder beim Bundesrat anfechtbar waren, richtet sich nach dem bisherigen Recht.
2    Das Bundesverwaltungsgericht übernimmt, sofern es zuständig ist, die Beurteilung der beim Inkrafttreten dieses Gesetzes bei Eidgenössischen Rekurs- oder Schiedskommissionen oder bei Beschwerdediensten der Departemente hängigen Rechtsmittel. Die Beurteilung erfolgt nach neuem Verfahrensrecht.
VGG). Die Beschwerde wurde in der gesetzlichen Frist von Art. 50
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 50
1    Die Beschwerde ist innerhalb von 30 Tagen nach Eröffnung der Verfügung einzureichen.
2    Gegen das unrechtmässige Verweigern oder Verzögern einer Verfügung kann jederzeit Beschwerde geführt werden.
des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021) am 10. Juli 2006 eingereicht und der verlangte Kostenvorschuss rechtzeitig geleistet. Als Markenanmelderin ist die Beschwerdeführerin zur Beschwerde legitimiert (Art. 48
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 48
1    Zur Beschwerde ist berechtigt, wer:
a  vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat;
b  durch die angefochtene Verfügung besonders berührt ist; und
c  ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat.
2    Zur Beschwerde berechtigt sind ferner Personen, Organisationen und Behörden, denen ein anderes Bundesgesetz dieses Recht einräumt.
VwVG). Auf die Beschwerde ist daher einzutreten.

2. Vom Markenschutz ausgeschlossen sind nach Art. 2 Bst. a
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz
MSchG Art. 2 Absolute Ausschlussgründe - Vom Markenschutz ausgeschlossen sind:
a  Zeichen, die Gemeingut sind, es sei denn, dass sie sich als Marke für die Waren oder Dienstleistungen durchgesetzt haben, für die sie beansprucht werden;
b  Formen, die das Wesen der Ware ausmachen, und Formen der Ware oder Verpackung, die technisch notwendig sind;
c  irreführende Zeichen;
d  Zeichen, die gegen die öffentliche Ordnung, die guten Sitten oder geltendes Recht verstossen.
des Markenschutzgesetzes vom 28. August 1992 (MSchG, SR 232.11) Zeichen, die Gemeingut sind, da ihnen die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt oder an ihnen ein Freihaltebedürfnis besteht. Dies gilt auch für dreidimensionale Marken, die in der Form der gekennzeichneten Ware selbst bestehen können (« Formmarken »), sowie für Kombinationen solcher Formen mit zweidimensionalen Bestandteilen. Ob in ihrem Zusammenspiel der unterscheidungskräftige Teil dominiert, hängt nach einer Formulierung des BGer davon ab, ob die angemeldete Form durch ihre Eigenheiten auffällt, vom Gewohnten und Erwarteten abweicht und so im Gedächtnis der Abnehmer haften bleibt (BGE 120 II 310 E. 3b « The Original », BGE 129 III 525 E. 4.1 « Lego »). Eine nur individuelle und erinnerbare aber im Sinne dieser Formel nicht auffällige, ungewohnte oder unerwartete Form wird das Publikum in der Regel nicht als Hinweis auf eine betriebliche Herkunft der entsprechenden Ware oder Dienstleistung ansehen, da Waren und Dienstleistungen stets durch Leistung geformter Gegenstände geliefert oder erbracht werden (vgl. Peter Heinrich/Angelika Ruf, Markenschutz für Produktformen-, sic! Zeitschrift für
Immaterialgüter-, Informations- und Wettbewerbsrecht 2003 402; MAGDA STREULI-YOUSSEF, Zur Schutzfähigkeit von Formmarken, sic! 2002 796; BGE 130 III 334 E. 3.5 « Swatch »).

3. Als gewohnt und erwartet - und damit als nicht unterscheidungskräftig im Sinne der vorstehenden Ausführungen - hat die Rechtsprechung einerseits technisch beeinflusste Formen und Merkmale bezeichnet, deren Originalität nicht genügend über die technischen Gestaltungsvorgaben hinausgeht (BGE 129 III 519 E. 2.4.3 und 2.4.4 « Lego », BGE 131 III 129 E. 4.3 « Smarties »). Andererseits wurden Gewohnheiten und Erwartungen der Formgestalt auch mit Gebrauchskonventionen der gekennzeichneten Ware begründet (BGE 131 III 130 E. 4.4 « Smarties »; Entscheide der RKGE in sic! 2004 675 E. 5 « Eiform », sic! 2003 499 E. 9 « Weissblaue Seifenform », sic! 2003 805 E. 5 « Zahnpastastränge », sic! 2001 129 E. 7 « Baumkuchen »). Solche Gebrauchskonventionen können sich unter anderem aus kulturellen Zusammenhängen ergeben. Die Gewohnheiten und Erwartungen sind in einem repräsentativen Branchenquerschnitt abstrakt zu ermitteln, ohne dass die angemeldete Form mit einzelnen Konkurrenzprodukten verglichen wird (BGE 131 III 134 E. 7.2 « Smarties »,Entscheide der RKGE in sic! 2005 472 E. 8 « Wabenstruktur », sic! 2000 299 E. 4 « Fünfeckige Tablette »), und die ästhetischen Merkmale der Form sind in ihrem Zusammenspiel im Gesamteindruck zu würdigen
(Entscheid des BGer in sic! 2000 286 E. 3b « Runde Tablette », BGE 120 II 149 E. 3b/aa « The Original »; Entscheide der RKGE in sic! 2006 265 E. 7 f. « Tetrapack », sic! 2000 702 E. 4 « Tablettenform »). An das Mass des Herkunftsbezugs sind dabei keine übertriebenen Anforderungen zu stellen. Vielmehr kann sich dieser auch aus einer Kombination an sich gemeinfreier Elemente ergeben (vgl. Martin Luchsinger, Dreidimensionale Marken, Formmarken und Gemeingut, in: sic! 1999 196; Christoph Willi, Markenschutzgesetz, Zürich 2002, N. 124 zu Art. 2
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz
MSchG Art. 2 Absolute Ausschlussgründe - Vom Markenschutz ausgeschlossen sind:
a  Zeichen, die Gemeingut sind, es sei denn, dass sie sich als Marke für die Waren oder Dienstleistungen durchgesetzt haben, für die sie beansprucht werden;
b  Formen, die das Wesen der Ware ausmachen, und Formen der Ware oder Verpackung, die technisch notwendig sind;
c  irreführende Zeichen;
d  Zeichen, die gegen die öffentliche Ordnung, die guten Sitten oder geltendes Recht verstossen.
MSchG; Entscheid der RKGE in: sic! 2004 502 « Eistorte »). In einzelnen Produktgattungen mag sich das Publikum stärker an die Unterscheidung herkunftsbestimmender Produktformen gewöhnt haben (Streuli-Youssef, a.a.O, S. 797). Einfache und banale Formen sind dem Verkehr aber grundsätzlich freizuhalten (HEINRICH/RUF, a.a.O, S. 401 mit weiteren Hinweisen; BGE 131 III 130 E. 4.4 « Smarties »). Auch besteht ein absolutes Freihaltebedürfnis bei Formen, die das Wesen der Ware ausmachen oder die technisch notwendig sind (BGE 129 III 518 E. 2.4.1 und 2.4.2 « Lego »; Art. 2 Bst. b
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz
MSchG Art. 2 Absolute Ausschlussgründe - Vom Markenschutz ausgeschlossen sind:
a  Zeichen, die Gemeingut sind, es sei denn, dass sie sich als Marke für die Waren oder Dienstleistungen durchgesetzt haben, für die sie beansprucht werden;
b  Formen, die das Wesen der Ware ausmachen, und Formen der Ware oder Verpackung, die technisch notwendig sind;
c  irreführende Zeichen;
d  Zeichen, die gegen die öffentliche Ordnung, die guten Sitten oder geltendes Recht verstossen.
MSchG).

4. Schokolade in farbig bedruckter Folie und in Form stilisierter Tiere wird, wie das IGE zurecht feststellt, in der Schweiz häufig verkauft. Die angemeldete Form ist ohne Zuhilfenahme der Fantasie als Spielart dieser Gruppe von Schokoladeprodukten erkennbar, auch wenn man nicht von allen Seiten sieht, dass sie ein Rentier darstellt. Gewisse Formelemente wie die braune Zeichnung der Beine, der Hufe und des Gesichts auf der Folie werden durch diese Tierfigur mitthematisiert und erscheinen darum, wenn man davon absieht, dass die Darstellung eines Rentiers im Unterschied zu derjenigen hier heimischer Tierarten allenfalls von kulturell bedingten Gebrauchskonventionen abweicht, wenig ungewöhnlich. Angemeldet und vorliegend zu beurteilen ist jedoch nicht die abstrakte Idee, ein Rentier aus Schokolade anzubieten. Gegenstand des vorliegenden Falles ist die angemeldete individuelle Form. Auffällig und für eine solche Tierdarstellung untypisch sind die hochgezogene, dreieckige Kopfform mit dem nur von vorne ganz sichtbaren, aufgemalten Geweih, das rote Band mit der Glocke, die goldene Farbe des Tieres und der auf beiden Seiten angebrachte Schriftzug « Lindt » mit einem Firmensignet.

5. Es ist zu prüfen, ob der « unterscheidungskräftige Teil dominiert » (BGE 120 II 310 E. 3b « The Original »), also ob diese auffälligen Bestandteile im Verhältnis zu den gewöhnlichen Elementen der Tierdarstellung überwiegen und im Gesamteindruck der angemeldeten Form auf ihre betriebliche Herkunft hinweisen. Das ist der Fall. Zwar fügen sich auch die eigentümliche Kopfform und Geweihbemalung in den Kontext der Tierdarstellung ein, so dass keines der dreidimensionalen Merkmale der Marke für sich allein unterscheidungskräftig wäre. Doch führt die Kombination der Elemente im Zusammenspiel dank der überlegten Farb- und Stilwahl und in Verbindung mit dem deutlich sichtbaren Schriftzug « Lindt » über das Thema eines blossen Schokoladetiers hinaus. Im Gesamteindruck der Marke wird so ein erkennbarer Bezug zur betrieblichen Herkunft der Ware geschaffen, und wirkt die Marke unterscheidungskräftig.

6. Das IGE hat am 1. Juli 2005 seine Prüfungspraxis bei Formmarken in Bezug auf zweidimensionale Bestandteile auf Formen verschärft. Seither bestimmt es in internen Prüfungsrichtlinien, dass ein unterscheidungskräftiger Schriftzug den banalen Charakter einer angemeldeten, banalen Form nicht wesentlich beeinflusse, solange er nur auf einer Seite derselben angebracht sei (IGE-Richtlinien in Markensachen, http://www.ige.ch/D/juinfo/documents/10102d.pdf, Ziff. 4.10.3.1, besucht am 03. Mai 2007). Als Begründung erwähnt das IGE in publizierten « Erläuterungen betreffend die neuen Richtlinien im Markenbereich » vom 22. Juni 2005, mit dieser Praxisänderung solle sichergestellt werden, dass Inhaber von Formmarken nicht andere Marktteilnehmer durch eine « faktische Sperrwirkung » der Marke am Gebrauch banaler Formen hinderten. Gestützt auf diese Regel urteilte die Vorinstanz im vorliegenden Fall, dass der Schriftzug « Lindt » den Gesamteindruck der Marke nicht wesentlich beeinflusse.

7. Die Sorge des IGE ist in diesem Fall jedoch unbegründet, da es sich um keine banale, freihaltebedürftige Form handelt, sondern um das Zusammenspiel von Gestaltungselementen, die zum Teil ungewöhnlich sind und in der oberen Mitte der Längsseiten durch den bekannten Schriftzug « Lindt » ergänzt werden, wo er am leichtesten ins Auge sticht. Verwendet ein anderer Marktteilnehmer zufällig dieselben Konturen, Proportionen oder die goldene Farbe dieser Marke, wird er ihrem Gesamteindruck dadurch nicht nahekommen. Eine « faktische Sperrwirkung » ist nicht ersichtlich: Von dieser Mitverwendung wird er gestützt auf die Marke nicht abgehalten werden können. Ahmt er dagegen die Farbkombination, Zeichnung und den Schriftzug nach, soll sich die Beschwerdeführerin mit Fug dagegen wehren können. Für die Annahme eines Freihaltebeürfnisses am Zusammenspiel dieser Elemente besteht kein Anlass.

8. Hinzu kommt, dass die Beschwerdeführerin dem IGE gleichzeitig mit ihrer Markenänderung vom 9. März 2006 erklärte, dass sie den Schriftzug « Lindt » auf beiden Seiten des Rentiers verwende. Dadurch wird er bei marktüblicher Aufstellung des Tiers von allen Seiten leicht gesehen. Im angefochtenen Entscheid zweifelt die Vorinstanz zwar daran, ob der Schriftzug auf der rechten Seite nicht doch weggelassen werde, da die neue Abbildung nur die linke zeige. Es wäre jedoch überspitzt, das identische Seitenbild der Form auch von rechts zu verlangen, da die Vorinstanz die Anmelder zugleich verpflichtet, die Form in einem Quadrat von nur 8 Zentimetern Seitenlänge vollständig abzubilden (vgl. das Anmeldeformular der Vorinstanz unter http://www.ige.ch/D/bestell/documents/m530d.pdf, besucht am 03. Mai 2007), was für zweidimensionale Marken genügen mag, für die Darstellung einer dreidimensionalen Marke aber Einschränkungen bedeutet. Dass eine Abbildung des Rentiers von rechts fehlt, lässt darum nicht den Schluss zu, dass der Schriftzug nur auf einer Seite angebracht werden soll. Die Vorinstanz hätte in diesem Punkt nur nach Klärung des Sachverhalts durch Rückfrage von dem für die Beschwerdeführerin ungünstigeren Sachverhalt ausgehen dürfen.
Zusammenfassend ergibt sich, dass der Schriftzug den Gesamteindruck der Marke auf jeden Fall wesentlich prägt, auch wenn er sie nicht als Ganzes umfasst.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 2007/35
Datum : 03. Mai 2007
Publiziert : 01. Januar 2007
Quelle : Bundesverwaltungsgericht
Status : 2007/35
Sachgebiet : Abteilung II (Wirtschaft, Wettbewerb, Bildung)
Gegenstand : Zurückweisung des Markeneintragungsgesuchs Nr. 574...


Gesetzesregister
MSchG: 2
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz
MSchG Art. 2 Absolute Ausschlussgründe - Vom Markenschutz ausgeschlossen sind:
a  Zeichen, die Gemeingut sind, es sei denn, dass sie sich als Marke für die Waren oder Dienstleistungen durchgesetzt haben, für die sie beansprucht werden;
b  Formen, die das Wesen der Ware ausmachen, und Formen der Ware oder Verpackung, die technisch notwendig sind;
c  irreführende Zeichen;
d  Zeichen, die gegen die öffentliche Ordnung, die guten Sitten oder geltendes Recht verstossen.
VGG: 31 
SR 173.32 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG) - Verwaltungsgerichtsgesetz
VGG Art. 31 Grundsatz - Das Bundesverwaltungsgericht beurteilt Beschwerden gegen Verfügungen nach Artikel 5 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 196819 über das Verwaltungsverfahren (VwVG).
53
SR 173.32 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG) - Verwaltungsgerichtsgesetz
VGG Art. 53 Übergangsbestimmungen
1    Das Beschwerdeverfahren gegen Entscheide, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen sind und bisher beim Bundesgericht oder beim Bundesrat anfechtbar waren, richtet sich nach dem bisherigen Recht.
2    Das Bundesverwaltungsgericht übernimmt, sofern es zuständig ist, die Beurteilung der beim Inkrafttreten dieses Gesetzes bei Eidgenössischen Rekurs- oder Schiedskommissionen oder bei Beschwerdediensten der Departemente hängigen Rechtsmittel. Die Beurteilung erfolgt nach neuem Verfahrensrecht.
VwVG: 48 
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 48
1    Zur Beschwerde ist berechtigt, wer:
a  vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat;
b  durch die angefochtene Verfügung besonders berührt ist; und
c  ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat.
2    Zur Beschwerde berechtigt sind ferner Personen, Organisationen und Behörden, denen ein anderes Bundesgesetz dieses Recht einräumt.
50
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 50
1    Die Beschwerde ist innerhalb von 30 Tagen nach Eröffnung der Verfügung einzureichen.
2    Gegen das unrechtmässige Verweigern oder Verzögern einer Verfügung kann jederzeit Beschwerde geführt werden.
BGE Register
120-II-144 • 120-II-307 • 129-III-514 • 130-III-328 • 131-III-121
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
gesamteindruck • formmarke • vorinstanz • schokolade • sachverhalt • original • bestandteil • farbe • gold • eidgenössisches institut für geistiges eigentum • rekurskommission für geistiges eigentum • bundesgesetz über den schutz von marken und herkunftsangaben • beschwerdegegner • markenregister • zeichnung • entscheid • bundesgesetz über das bundesverwaltungsgericht • bundesgericht • bundesverwaltungsgericht • zuschauer
... Alle anzeigen
BVGer
B-7422/2006
sic!
1999 S.196 • 2000 S.286 • 2000 S.299 • 2000 S.702 • 2001 S.129 • 2002 S.796 • 2003 S.499 • 2003 S.805 • 2004 S.502 • 2004 S.675 • 2005 S.472 • 2006 S.265