99 IV 253
60. Urteil des Kassationshofes vom 24. Oktober 1973 i.S. Schneider gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg
Regeste (de):
- 1. Art. 125 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 125 - 1 Wer fahrlässig einen Menschen am Körper oder an der Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe182 bestraft.
1 Wer fahrlässig einen Menschen am Körper oder an der Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe182 bestraft. 2 Ist die Schädigung schwer, so wird der Täter von Amtes wegen verfolgt. SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 126 - 1 Wer gegen jemanden Tätlichkeiten verübt, die keine Schädigung des Körpers oder der Gesundheit zur Folge haben, wird, auf Antrag, mit Busse bestraft.
1 Wer gegen jemanden Tätlichkeiten verübt, die keine Schädigung des Körpers oder der Gesundheit zur Folge haben, wird, auf Antrag, mit Busse bestraft. 2 Der Täter wird von Amtes wegen verfolgt, wenn er die Tat wiederholt begeht: a an einer Person, die unter seiner Obhut steht oder für die er zu sorgen hat, namentlich an einem Kind; b an seinem Ehegatten während der Ehe oder bis zu einem Jahr nach der Scheidung; oder bbis an seiner eingetragenen Partnerin oder seinem eingetragenen Partner während der Dauer der eingetragenen Partnerschaft oder bis zu einem Jahr nach deren Auflösung; oder c an seinem hetero- oder homosexuellen Lebenspartner, sofern sie auf unbestimmte Zeit einen gemeinsamen Haushalt führen und die Tat während dieser Zeit oder bis zu einem Jahr nach der Trennung begangen wurde.184 - 2. Art. 32
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 32 - Stellt eine antragsberechtigte Person gegen einen an der Tat Beteiligten Strafantrag, so sind alle Beteiligten zu verfolgen.
Regeste (fr):
- 1. Art. 125 al. 1 et 126 CP. Une éraflure causée par un coup de feu peut, si elle est bénigne, constituer une voie de fait (consid. 1).
- 2. Art. 32 CP. Usage illicite d'une arme à feu par la police. Démesure de l'intervention (consid. 2).
Regesto (it):
- 1. Art. 125 cpv. 1 e 126 CP. Una tenue ferita causata dallo striscio di un colpo da fuoco può costituire vie di fatto (consid. 1).
- 2. Art. 32 CP. Uso illecito di arma da fuoco da parte della polizia. Sproporzionalità dell'intervento (consid. 2).
Sachverhalt ab Seite 253
BGE 99 IV 253 S. 253
A.- Am frühen Morgen des 28. März 1970 wilderten Charles Delabays und Emil Ropraz in der Gegend von Ins. Auf eine Meldung des Wildhüters fuhr Polizist Adolf Schneider in Zivilkleidung in einem VW-Personenwagen in das fragliche Gebiet und nahm dort die Verfolgung der Wilderer auf, die sich in einem Dreiradauto auf der Strasse Ins-Murten davonmachten. Ein erstes Mal wurden sie ausgangs Ins durch Schneider angehalten, der dabei seine Dienstpistole zog und sich durch Vorzeigen der Dienstmarke als Polizist auswies. Die Wilderer ergriffen jedoch die Flucht und versuchten durch Zick-Zack-Fahren den
BGE 99 IV 253 S. 254
nachfolgenden Polizisten am Überholen zu hindern. Kurz nach der Kreuzung Sugiez-Murten gelang es Schneider, das Dreiradauto an den rechten Strassenrand abzudrängen und zum Anhalten zu zwingen. Als er ausstieg, gelang es Delabays, sein Fahrzeug wieder in Gang zu setzen und den Polizisten links zu umfahren, wobei dieser einen Sprung zur Seite machen musste, um vom Fahrzeug nicht erfasst zu werden. Schneider gab hierauf aus seiner Pistole drei Schüsse auf das rechte Hinterrad des Fluchtwagens ab. Ein Geschoss blieb im rechten Hinterrad und ein zweites in der rechten Wagentüre stecken, während das dritte Ropraz unter der rechten Achselhöhle verletzte. Die beiden Wilderer konnten wenig später gestellt werden.
B.- Auf Strafanzeige von Ropraz wurde gegen Schneider eine Strafuntersuchung wegen fahrlässiger Körperverletzung, eventuell einfacher Körperverletzung durchgeführt. Am 9. Februar 1973 sprach das Zuchtgericht des Seebezirks den Beschuldigten von der Anklage frei. Auf Kassationsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hob der Strafkassationshof des Kantons Freiburg das freisprechende Urteil auf. Er erklärte Schneider der fahrlässigen Körperverletzung nach Art. 125 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 125 - 1 Wer fahrlässig einen Menschen am Körper oder an der Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe182 bestraft. |
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1 | Wer fahrlässig einen Menschen am Körper oder an der Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe182 bestraft. |
2 | Ist die Schädigung schwer, so wird der Täter von Amtes wegen verfolgt. |
C.- Schneider führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Kassationshofes sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg beantragt Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Der Beschwerdeführer wendet gegen seine Verurteilung ein, sein Verhalten erfülle objektiv nicht den Tatbestand der einfachen Körperverletzung im Sinne von Art. 125
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 125 - 1 Wer fahrlässig einen Menschen am Körper oder an der Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe182 bestraft. |
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1 | Wer fahrlässig einen Menschen am Körper oder an der Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe182 bestraft. |
2 | Ist die Schädigung schwer, so wird der Täter von Amtes wegen verfolgt. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 126 - 1 Wer gegen jemanden Tätlichkeiten verübt, die keine Schädigung des Körpers oder der Gesundheit zur Folge haben, wird, auf Antrag, mit Busse bestraft. |
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1 | Wer gegen jemanden Tätlichkeiten verübt, die keine Schädigung des Körpers oder der Gesundheit zur Folge haben, wird, auf Antrag, mit Busse bestraft. |
2 | Der Täter wird von Amtes wegen verfolgt, wenn er die Tat wiederholt begeht: |
a | an einer Person, die unter seiner Obhut steht oder für die er zu sorgen hat, namentlich an einem Kind; |
b | an seinem Ehegatten während der Ehe oder bis zu einem Jahr nach der Scheidung; oder |
bbis | an seiner eingetragenen Partnerin oder seinem eingetragenen Partner während der Dauer der eingetragenen Partnerschaft oder bis zu einem Jahr nach deren Auflösung; oder |
c | an seinem hetero- oder homosexuellen Lebenspartner, sofern sie auf unbestimmte Zeit einen gemeinsamen Haushalt führen und die Tat während dieser Zeit oder bis zu einem Jahr nach der Trennung begangen wurde.184 |
BGE 99 IV 253 S. 255
Beschwerdeführer habe zudem die Verletzung nicht vorsätzlich zugefügt. Es sei daher Art. 125 Abs. 1, nicht Absatz 2, anzuwenden. Im Arztzeugnis von Dr. Flury wird erklärt, es handle sich bei der Schädigung um eine oberflächliche, leichte Verletzung, die keine Arbeitsunfähigkeit zur Folge gehabt habe. Anschliessend wird festgestellt: "La balle a été extraite par le médecin de la région où l'accident était arrivé." Musste tatsächlich ein Steckschuss operativ entfernt werden, so liegt offensichtlich eine Körperverletzung im Sinne von Art. 125 vor, nicht bloss eine Tätlichkeit. Dem widerspricht aber das Zeugnis von Dr. Schmid, der Ropraz unmittelbar nach dem Vorfall untersucht hatte. Dieser Arzt bescheinigt, dass mit der Sonde kein Schusskanal zu finden gewesen sei und dass auch die Durchleuchtung völlig normale Verhältnisse ergeben habe, weshalb ein Steckschuss mit Sicherheit auszuschliessen sei. Nach dem weitern Befund dieses Arztes war die unterhalb der rechten Achselhöhle festgestellte Hautschwellung in der Grösse eines Zweifrankenstückes, deren Zentrum eine 4 x 4 mm messende Erosion aufwies, die Folge eines oberflächlichen Streifschusses, durch den lediglich die oberste Hautschicht angeritzt worden sei. Ist auf diese Darstellung abzustellen, muss die geschilderte Ritzung und Schwellung der Haut, auch wenn sie anfänglich etwelche Schmerzen verursachte, nach ihrer Art und Grösse mit einer geringfügigen Schürfwunde verglichen und damit lediglich als Tätlichkeit bewertet werden. Auf Grund der vorinstanzlichen Erwägungen, die sich mit dem zum Teil widersprüchlichen Inhalt der Arztzeugnisse nicht befassen und sich zur Art und Tragweite der Körperverletzung nicht näher aussprechen, kann somit die Rechtsanwendung nicht überprüft werden. Das angefochtene Urteil ist daher gemäss Art. 277
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 126 - 1 Wer gegen jemanden Tätlichkeiten verübt, die keine Schädigung des Körpers oder der Gesundheit zur Folge haben, wird, auf Antrag, mit Busse bestraft. |
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1 | Wer gegen jemanden Tätlichkeiten verübt, die keine Schädigung des Körpers oder der Gesundheit zur Folge haben, wird, auf Antrag, mit Busse bestraft. |
2 | Der Täter wird von Amtes wegen verfolgt, wenn er die Tat wiederholt begeht: |
a | an einer Person, die unter seiner Obhut steht oder für die er zu sorgen hat, namentlich an einem Kind; |
b | an seinem Ehegatten während der Ehe oder bis zu einem Jahr nach der Scheidung; oder |
bbis | an seiner eingetragenen Partnerin oder seinem eingetragenen Partner während der Dauer der eingetragenen Partnerschaft oder bis zu einem Jahr nach deren Auflösung; oder |
c | an seinem hetero- oder homosexuellen Lebenspartner, sofern sie auf unbestimmte Zeit einen gemeinsamen Haushalt führen und die Tat während dieser Zeit oder bis zu einem Jahr nach der Trennung begangen wurde.184 |
2. Für den Fall, dass eine einfache Körperverletzung nach Art. 125
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 125 - 1 Wer fahrlässig einen Menschen am Körper oder an der Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe182 bestraft. |
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1 | Wer fahrlässig einen Menschen am Körper oder an der Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe182 bestraft. |
2 | Ist die Schädigung schwer, so wird der Täter von Amtes wegen verfolgt. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 32 - Stellt eine antragsberechtigte Person gegen einen an der Tat Beteiligten Strafantrag, so sind alle Beteiligten zu verfolgen. |
BGE 99 IV 253 S. 256
nicht berechtigt gewesen sei. Zur Begründung wird ausgeführt, die beiden Wilderer hätten den Beschwerdeführer weder gefährlich angegriffen noch mit einem gefährlichen Angriff unmittelbar bedroht. Auch habe kein Grund bestanden, die Wilderer durch Waffengebrauch an der Flucht zu hindern, da sie sich keines schweren Delikts schuldig oder verdächtig gemacht hätten, wie in den Dienstvorschriften vorausgesetzt werde. Ausserdem habe der Beschwerdeführer entgegen den Vorschriften unterlassen, die dem Gebrauch der Schusswaffe vorauszugehende Warnung abzugeben, auf die nur im Fall einer unmittelbar drohenden schweren Gefahr verzichtet werden dürfe. Diese Feststellungen beruhen auf der Auslegung und Anwendung kantonalen Verwaltungsrechts und können daher vom Kassationshof auf Nichtigkeitsbeschwerde hin nicht überprüft werden (Art. 269 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 32 - Stellt eine antragsberechtigte Person gegen einen an der Tat Beteiligten Strafantrag, so sind alle Beteiligten zu verfolgen. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 286 - Wer eine Behörde, ein Mitglied einer Behörde oder einen Beamten an einer Handlung hindert, die innerhalb ihrer Amtsbefugnisse liegt, wird mit Geldstrafe bis zu 30 Tagessätzen bestraft. |
BGE 99 IV 253 S. 257
zum Waffengebrauch nur entschlossen habe, weil er beim zweiten Fluchtversuch durch das wegfahrende Fahrzeug der Wilderer gefährdet worden sei. Allein diese Gefährdung, auch wenn sie ernstlich gewesen ist, vermag die dreifache Schussabgabe auf den Wagen der fliehenden Wilderer nicht zu entschuldigen, gleichgültig, ob die Gefährdung vorsätzlich begangen wurde oder nicht. Denn zunächst steht fest, dass der Beschwerdeführer erst zu schiessen begann, als sich das Fahrzeug bereits entfernt hatte; er war also im Zeitpunkt der Schussabgabe keiner Gefahr.mehr ausgesetzt, so dass von einer Notwehrmassnahme (Art. 33
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 33 - 1 Die antragsberechtigte Person kann ihren Strafantrag zurückziehen, solange das Urteil der zweiten kantonalen Instanz noch nicht eröffnet ist. |
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1 | Die antragsberechtigte Person kann ihren Strafantrag zurückziehen, solange das Urteil der zweiten kantonalen Instanz noch nicht eröffnet ist. |
2 | Wer seinen Strafantrag zurückgezogen hat, kann ihn nicht nochmals stellen. |
3 | Zieht die antragsberechtigte Person ihren Strafantrag gegenüber einem Beschuldigten zurück, so gilt der Rückzug für alle Beschuldigten. |
4 | Erhebt ein Beschuldigter gegen den Rückzug des Strafantrages Einspruch, so gilt der Rückzug für ihn nicht. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 32 - Stellt eine antragsberechtigte Person gegen einen an der Tat Beteiligten Strafantrag, so sind alle Beteiligten zu verfolgen. |
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise gutgeheissen, das Urteil des Strafkassationshofes des Kantons Freiburg vom 14. Mai 1973 aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.