99 IV 227
53. Urteil des Kassationshofes vom 19. Oktober 1973 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau
Regeste (de):
- Art. 32 Abs. 1
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 32 - 1 Die Geschwindigkeit ist stets den Umständen anzupassen, namentlich den Besonderheiten von Fahrzeug und Ladung, sowie den Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen. Wo das Fahrzeug den Verkehr stören könnte, ist langsam zu fahren und nötigenfalls anzuhalten, namentlich vor unübersichtlichen Stellen, vor nicht frei überblickbaren Strassenverzweigungen sowie vor Bahnübergängen.
1 Die Geschwindigkeit ist stets den Umständen anzupassen, namentlich den Besonderheiten von Fahrzeug und Ladung, sowie den Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen. Wo das Fahrzeug den Verkehr stören könnte, ist langsam zu fahren und nötigenfalls anzuhalten, namentlich vor unübersichtlichen Stellen, vor nicht frei überblickbaren Strassenverzweigungen sowie vor Bahnübergängen. 2 Der Bundesrat beschränkt die Geschwindigkeit der Motorfahrzeuge auf allen Strassen.108 3 Die vom Bundesrat festgesetzte Höchstgeschwindigkeit kann für bestimmte Strassenstrecken von der zuständigen Behörde nur auf Grund eines Gutachtens herab- oder heraufgesetzt werden. Der Bundesrat kann Ausnahmen vorsehen.109 4 ...110 5 ...111 - Der Fahrzeugführer genügt dann der Pflicht zur Anpassung der Geschwindigkeit an die gegebenen Strassen- und Verkehrsverhältnisse, wenn er die Geschwindigkeit so bemisst, dass er innerhalb der als frei erkannten Strecke anhalten kann.
Regeste (fr):
- Art. 32 al. 1 LCR, 4 al. 1 OCR.
- Le conducteur d'un véhicule satisfait au devoir d'adapter sa vitesse aux conditions de la route et de la circulation lorsqu'il la règle de façon à pouvoir s'arrêter sur le tronçon de route reconnu libre.
Regesto (it):
- Art. 32 cpv. 1 LCStr, 4 cpv. 1 OCStr.
- Il conducente di un veicolo soddisfa sufficientemente al suo dovere di adattare la velocità alle circostanze stradali e della circolazione,quando la regola in modo da potersi fermare sul tratto di strada risultante libero.
Sachverhalt ab Seite 228
BGE 99 IV 227 S. 228
A.- X. fuhr am 3. Dezember 1971, um 14.20 Uhr, am Steuer seines Personenwagens Alfa Romeo auf der Suhrentalstrasse von Oberentfelden her gegen die Kreuzung mit der Autobahnausfahrt in Kölliken. Als er sich mit 100 km/h der Einmündung der mit dem Signal Nr. 116 (kein Vortritt) gekennzeichneten Autobahnausfahrt näherte, fuhr der von Y. gelenkte Lastwagen Henschel von der Autobahn herkommend gegen die Suhrentalstrasse und bog, nachdem er seine Geschwindigkeit zunächst auf 12 km/h herabgesetzt und den Eindruck erweckt hatte, er werde X. den Vortritt lassen, in diese ein, um nach Oberentfelden zu gelangen. Trotz sofortiger Bremsung prallte X. mit seinem Fahrzeug in die linke Seite des Lastwagens. Er erlitt mittelschwere Verletzungen. An den Fahrzeugen entstand beträchtlicher Sachschaden.
B.- Das Bezirksgericht Zofingen sprach X. am 29. März 1973 schuldig des Nichtanpassens der Geschwindigkeit gemäss Art. 32 Abs. 1
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 32 - 1 Die Geschwindigkeit ist stets den Umständen anzupassen, namentlich den Besonderheiten von Fahrzeug und Ladung, sowie den Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen. Wo das Fahrzeug den Verkehr stören könnte, ist langsam zu fahren und nötigenfalls anzuhalten, namentlich vor unübersichtlichen Stellen, vor nicht frei überblickbaren Strassenverzweigungen sowie vor Bahnübergängen. |
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1 | Die Geschwindigkeit ist stets den Umständen anzupassen, namentlich den Besonderheiten von Fahrzeug und Ladung, sowie den Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen. Wo das Fahrzeug den Verkehr stören könnte, ist langsam zu fahren und nötigenfalls anzuhalten, namentlich vor unübersichtlichen Stellen, vor nicht frei überblickbaren Strassenverzweigungen sowie vor Bahnübergängen. |
2 | Der Bundesrat beschränkt die Geschwindigkeit der Motorfahrzeuge auf allen Strassen.108 |
3 | Die vom Bundesrat festgesetzte Höchstgeschwindigkeit kann für bestimmte Strassenstrecken von der zuständigen Behörde nur auf Grund eines Gutachtens herab- oder heraufgesetzt werden. Der Bundesrat kann Ausnahmen vorsehen.109 |
4 | ...110 |
5 | ...111 |
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 26 - 1 Jedermann muss sich im Verkehr so verhalten, dass er andere in der ordnungsgemässen Benützung der Strasse weder behindert noch gefährdet. |
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1 | Jedermann muss sich im Verkehr so verhalten, dass er andere in der ordnungsgemässen Benützung der Strasse weder behindert noch gefährdet. |
2 | Besondere Vorsicht ist geboten gegenüber Kindern, Gebrechlichen und alten Leuten, ebenso wenn Anzeichen dafür bestehen, dass sich ein Strassenbenützer nicht richtig verhalten wird. |
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 26 - 1 Jedermann muss sich im Verkehr so verhalten, dass er andere in der ordnungsgemässen Benützung der Strasse weder behindert noch gefährdet. |
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1 | Jedermann muss sich im Verkehr so verhalten, dass er andere in der ordnungsgemässen Benützung der Strasse weder behindert noch gefährdet. |
2 | Besondere Vorsicht ist geboten gegenüber Kindern, Gebrechlichen und alten Leuten, ebenso wenn Anzeichen dafür bestehen, dass sich ein Strassenbenützer nicht richtig verhalten wird. |
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 32 - 1 Die Geschwindigkeit ist stets den Umständen anzupassen, namentlich den Besonderheiten von Fahrzeug und Ladung, sowie den Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen. Wo das Fahrzeug den Verkehr stören könnte, ist langsam zu fahren und nötigenfalls anzuhalten, namentlich vor unübersichtlichen Stellen, vor nicht frei überblickbaren Strassenverzweigungen sowie vor Bahnübergängen. |
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1 | Die Geschwindigkeit ist stets den Umständen anzupassen, namentlich den Besonderheiten von Fahrzeug und Ladung, sowie den Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen. Wo das Fahrzeug den Verkehr stören könnte, ist langsam zu fahren und nötigenfalls anzuhalten, namentlich vor unübersichtlichen Stellen, vor nicht frei überblickbaren Strassenverzweigungen sowie vor Bahnübergängen. |
2 | Der Bundesrat beschränkt die Geschwindigkeit der Motorfahrzeuge auf allen Strassen.108 |
3 | Die vom Bundesrat festgesetzte Höchstgeschwindigkeit kann für bestimmte Strassenstrecken von der zuständigen Behörde nur auf Grund eines Gutachtens herab- oder heraufgesetzt werden. Der Bundesrat kann Ausnahmen vorsehen.109 |
4 | ...110 |
5 | ...111 |
C.- X. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt Freisprechung von Schuld und Strafe.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Die Vorinstanz hat den Beschwerdeführer von der Anschuldigung der Übertretung der Art. 26 Abs. 2
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 26 - 1 Jedermann muss sich im Verkehr so verhalten, dass er andere in der ordnungsgemässen Benützung der Strasse weder behindert noch gefährdet. |
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1 | Jedermann muss sich im Verkehr so verhalten, dass er andere in der ordnungsgemässen Benützung der Strasse weder behindert noch gefährdet. |
2 | Besondere Vorsicht ist geboten gegenüber Kindern, Gebrechlichen und alten Leuten, ebenso wenn Anzeichen dafür bestehen, dass sich ein Strassenbenützer nicht richtig verhalten wird. |
2. Es bleibt somit zu prüfen, ob die vom Beschwerdeführer gefahrene Geschwindigkeit von zirka 100 km/h den Verhältnissen angepasst war. Nach Art. 32 Abs. 1
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 32 - 1 Die Geschwindigkeit ist stets den Umständen anzupassen, namentlich den Besonderheiten von Fahrzeug und Ladung, sowie den Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen. Wo das Fahrzeug den Verkehr stören könnte, ist langsam zu fahren und nötigenfalls anzuhalten, namentlich vor unübersichtlichen Stellen, vor nicht frei überblickbaren Strassenverzweigungen sowie vor Bahnübergängen. |
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1 | Die Geschwindigkeit ist stets den Umständen anzupassen, namentlich den Besonderheiten von Fahrzeug und Ladung, sowie den Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen. Wo das Fahrzeug den Verkehr stören könnte, ist langsam zu fahren und nötigenfalls anzuhalten, namentlich vor unübersichtlichen Stellen, vor nicht frei überblickbaren Strassenverzweigungen sowie vor Bahnübergängen. |
2 | Der Bundesrat beschränkt die Geschwindigkeit der Motorfahrzeuge auf allen Strassen.108 |
3 | Die vom Bundesrat festgesetzte Höchstgeschwindigkeit kann für bestimmte Strassenstrecken von der zuständigen Behörde nur auf Grund eines Gutachtens herab- oder heraufgesetzt werden. Der Bundesrat kann Ausnahmen vorsehen.109 |
4 | ...110 |
5 | ...111 |
BGE 99 IV 227 S. 229
Verkehrsverhältnissen anzupassen. Welche Geschwindigkeit jeweils als angemessen zu gelten hat, ist eine Rechtsfrage, die das Bundesgericht frei überprüfen kann. Allerdings hängt die Beantwortung der Frage weitgehend von der Würdigung der örtlichen Verhältnisse ab, die der kantonale Richter im allgemeinen aus eigener Wahrnehmung kennt. Diesem muss ein gewisses Ermessen eingeräumt werden, weil die Angemessenheit einer Fahrweise sich naturgemäss nicht genau feststellen, sondern bloss abschätzen lässt. Der Kassationshof weicht daher von der Ansicht der kantonalen Instanzen über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit einer Geschwindigkeit nur ab, wenn es sich aufdrängt (BGE 91 IV 142 Erw. 1, BGE 89 IV 102 Erw. 2). Sowohl das Bezirksgericht als auch die Vorinstanz gingen nach durchgeführtem Augenschein an der Unfallstelle davon aus, dass der Beschwerdeführer zu schnell gefahren sei. Das Obergericht hält insbesondere dafür, die Geschwindigkeit des X. hätte nicht mehr als 80 km/h betragen dürfen. Es erachtet die vom Beschwerdeführer gefahrene Geschwindigkeit deshalb als übersetzt, weil einerseits die Sicht auf der Anfahrstrecke von Oberentfelden her anfänglich gut sei, sich aber mit zunehmendem Vorrücken gegen die Einmündung hin verschlechtere; anderseits verlange der Bereich der Autobahnausfahrt angesichts der verschiedenen Fahrspuren und Abzweigungen und der Gefahr, dass ein Strassenbenützer unverhofft einen Spurwechsel vornehme, vom Fahrer eine besonders grosse Aufmerksamkeit. Diese Begründung träfe dann zu, wenn im Zeitpunkt des Unfalls dichter Verkehr geherrscht hätte oder ein anderes als das von Y. gelenkte Fahrzeug im Begriff gewesen wäre, die vom Beschwerdeführer benützte Fahrbahn zu überqueren. Der angefochtene Entscheid enthält aber keine derartigen Feststellungen. Die Verhältnisse im vorliegenden Fall unterscheiden sich grundlegend von den in BGE 91 IV 141 ff. beurteilten, wo am Escher Wyss-Platz in Zürich nicht nur fünf grosse Verkehrsadern und zudem mehrere Linien der städtischen Verkehrsbetriebe zusammentreffen, sondern am damaligen Ostermontag um 17.35 Uhr auch sehr starker Verkehr geherrscht hat, die Übersicht über die Strassen- und Verkehrsverhältnisse mithin erschwert war. Das ist hier nicht der Fall. Weder liegt eine Häufung von Verkehrswegen auf gleicher Ebene vor, noch war - ausser den am Unfall beteiligten Fahrzeugen - das Einmündungsgebiet durch weitere Strassenbenützer belastet, auf die besonders Rücksicht zu nehmen
BGE 99 IV 227 S. 230
gewesen wäre. Die von der Vorinstanz erwähnten Gefahren, mit denen sie die besonderen Schwierigkeiten hinsichtlich der Befahrung der fraglichen Stelle darzutun versucht, waren im Zeitpunkt der Kollision somit nicht vorhanden. Nicht Rechnung getragen hat die Vorinstanz sodann der in Art. 4 Abs. 1
SR 741.11 Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV) VRV Art. 4 Angemessene Geschwindigkeit - (Art. 32 Abs. 1 SVG) |
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1 | Der Fahrzeugführer darf nur so schnell fahren, dass er innerhalb der überblickbaren Strecke halten kann; wo das Kreuzen schwierig ist, muss er auf halbe Sichtweite halten können. |
2 | und 3 ...44 |
4 | ...45 |
5 | Der Fahrzeugführer darf ohne zwingende Gründe nicht so langsam fahren, dass er einen gleichmässigen Verkehrsfluss hindert. |
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 32 - 1 Die Geschwindigkeit ist stets den Umständen anzupassen, namentlich den Besonderheiten von Fahrzeug und Ladung, sowie den Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen. Wo das Fahrzeug den Verkehr stören könnte, ist langsam zu fahren und nötigenfalls anzuhalten, namentlich vor unübersichtlichen Stellen, vor nicht frei überblickbaren Strassenverzweigungen sowie vor Bahnübergängen. |
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1 | Die Geschwindigkeit ist stets den Umständen anzupassen, namentlich den Besonderheiten von Fahrzeug und Ladung, sowie den Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen. Wo das Fahrzeug den Verkehr stören könnte, ist langsam zu fahren und nötigenfalls anzuhalten, namentlich vor unübersichtlichen Stellen, vor nicht frei überblickbaren Strassenverzweigungen sowie vor Bahnübergängen. |
2 | Der Bundesrat beschränkt die Geschwindigkeit der Motorfahrzeuge auf allen Strassen.108 |
3 | Die vom Bundesrat festgesetzte Höchstgeschwindigkeit kann für bestimmte Strassenstrecken von der zuständigen Behörde nur auf Grund eines Gutachtens herab- oder heraufgesetzt werden. Der Bundesrat kann Ausnahmen vorsehen.109 |
4 | ...110 |
5 | ...111 |
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers an die Vorinstanz zurückgewiesen.