99 II 9
2. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 15. Februar 1973 i.S. M. F. und G. F. gegen H. F.
Regeste (de):
- Ehevertrag; Rechtsmissbrauch.
- Gütergemeinschaft. Ehevertragliche Zuweisung des ganzen Gesamtgutes an den überlebenden Ehegatten (Art. 226 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 226 - Alle Vermögenswerte gelten als Gesamtgut, solange nicht bewiesen ist, dass sie Eigengut eines Ehegatten sind.
- Ein solcher Ehevertrag ist nicht schon dann rechtsmissbräuchlich, wenn er erst im Hinblick auf das unmittelbar bevorstehende Ableben des einen Ehegatten abgeschlossen wurde, sondern nur dann, wenn er lediglich die Interessen anderer Erben, vor allem der Kinder aus erster Ehe, in krasser Weise zu verletzen bestimmt ist (Erw. 4 c).
Regeste (fr):
- Contrat de mariage; abus de droit.
- Communauté de biens. Attribution par contrat de mariage de la totalité de la communauté au conjoint survivant (art. 226 al. 1 CC).
- Un tel contrat de mariage ne constitue pas un abus de droit s'il n'a été conclu qu'en considération du décès imminent de l'un des conjoints; il n'y a abus de droit que lorsque le contrat tend uniquement à violer grossièrement les intérêts d'autres héritiers, avant tout ceux des enfants d'un premier mariage (consid. 4 c).
Regesto (it):
- Convenzione matrimoniale; abuso di diritto.
- Comunione dei beni. Attribuzione convenzionale della totalità dei beni della comunione al coniuge superstite (art. 226 cpv. 1 CC).
- Una siffatta convenzione matrimoniale non costituisce abuso di diritto in quanto conclusa in vista dell'imminente decesso di un coniuge; vi è abuso di diritto solo quando la convenzione è esclusivamente intesa a violare grossolanamente gli interessi di altri eredi, segnatamente dei figli da un matrimonio precedente (consid. 4 c).
Sachverhalt ab Seite 9
BGE 99 II 9 S. 9
Aus dem Tatbestand:
A.- P. F. (geb. 1924) heiratete am 21. März 1960 die ebenfalls 1924 geborene H. S., nachdem er sich von seiner ersten Ehefrau hatte scheiden lassen. Weder aus der ersten noch aus der zweiten Ehe sind Kinder hervorgegangen. Die Eheleute F., die beide nur wenig in die Ehe eingebracht hatten, betrieben gemeinsam ein Motel, das im Verlauf der Ehe ins Eigentum von P. F. überging und den Hauptbestandteil des ehelichen Vermögens bildete. Die Ehefrau trug durch ihre tatkräftige Mitarbeit wesentlich zum Erfolg des Geschäftes bei; sie erwies sich als die treibende Kraft.
Im Sommer 1967 erkrankte P. F. Er musste ins Spital eingeliefert werden, wo er am 22. September 1967 operiert wurde. Die behandelnden Ärzte waren sich indessen von Anfang an bewusst,
BGE 99 II 9 S. 10
dass er nicht mehr gerettet werden konnte. Sie teilten dies der Ehefrau und dem Bruder des Erkrankten mit, nicht jedoch diesem selbst. P. F. wusste nicht, dass seine Krankheit unheilbar war. Am 17. November 1967 schlossen die Eheleute F. im Spital einen Ehevertrag ab, der in der Folge von der Vormundschaftsbehörde genehmigt wurde. Der Vertrag hat folgenden Wortlaut: "I. Als Güterstand wählen die Vertragsparteien mit Wirkung ab Datum dieses Ehevertrages die allgemeine Gütergemeinschaft im Sinne von Art. 215 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 215 - 1 Jedem Ehegatten oder seinen Erben steht die Hälfte des Vorschlages des andern zu. |
|
1 | Jedem Ehegatten oder seinen Erben steht die Hälfte des Vorschlages des andern zu. |
2 | Die Forderungen werden verrechnet. |
B.- Am 25. März 1969 erhoben die Mutter und der Bruder des Erblassers Klage gegen die Witwe F. Sie beantragten unter anderem, es sei gerichtlich zu erkennen, dass der Ehevertrag vom 17. November 1967 vollumfänglich nichtig sei. Das Bezirksgericht erklärte den Ehevertrag als ungültig, soweit darin die gesetzlichen Pflichtteilsrechte umgangen würden, mit der Begründung, mit dem im Hinblick auf den unmittelbar bevorstehenden Tod des Ehemannes abgeschlossenen Vertrag hätten die Eheleute F. keine Wirkungen unter Lebenden, sondern erbrechtliche Folgen beabsichtigt, nämlich die Beseitigung der Ansprüche der Pflichtteilserben. Dies sei rechtsmissbräuchlich. Das Kantonsgericht, an welches beide Parteien appellierten, hob mit Urteil vom 30. August 1971 den Entscheid des Bezirksgerichts auf und wies die Klage ab. Es hielt die Einrede des Rechtsmissbrauchs für unbegründet.
C.- Gegen dieses Urteil erheben die Kläger Berufung ans Bundesgericht mit dem Antrag, der Ehevertrag sei nichtig zu erklären.
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Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4. a) Ist unter dem System der allgemeinen Gütergemeinschaft das Gesamtgut wegen Todes des einen Ehegatten aufzulösen, so fällt nach Art. 225 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 225 - 1 Eigengut entsteht durch Ehevertrag, durch Zuwendung Dritter oder von Gesetzes wegen. |
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1 | Eigengut entsteht durch Ehevertrag, durch Zuwendung Dritter oder von Gesetzes wegen. |
2 | Von Gesetzes wegen umfasst das Eigengut jedes Ehegatten die Gegenstände, die ihm ausschliesslich zum persönlichen Gebrauch dienen, sowie die Genugtuungsansprüche. |
3 | Was ein Ehegatte als Pflichtteil zu beanspruchen hat, kann ihm von seinen Verwandten nicht als Eigengut zugewendet werden, sofern der Ehevertrag vorsieht, dass diese Vermögenswerte Gesamtgut sind. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 225 - 1 Eigengut entsteht durch Ehevertrag, durch Zuwendung Dritter oder von Gesetzes wegen. |
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1 | Eigengut entsteht durch Ehevertrag, durch Zuwendung Dritter oder von Gesetzes wegen. |
2 | Von Gesetzes wegen umfasst das Eigengut jedes Ehegatten die Gegenstände, die ihm ausschliesslich zum persönlichen Gebrauch dienen, sowie die Genugtuungsansprüche. |
3 | Was ein Ehegatte als Pflichtteil zu beanspruchen hat, kann ihm von seinen Verwandten nicht als Eigengut zugewendet werden, sofern der Ehevertrag vorsieht, dass diese Vermögenswerte Gesamtgut sind. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 226 - Alle Vermögenswerte gelten als Gesamtgut, solange nicht bewiesen ist, dass sie Eigengut eines Ehegatten sind. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 226 - Alle Vermögenswerte gelten als Gesamtgut, solange nicht bewiesen ist, dass sie Eigengut eines Ehegatten sind. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 226 - Alle Vermögenswerte gelten als Gesamtgut, solange nicht bewiesen ist, dass sie Eigengut eines Ehegatten sind. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 226 - Alle Vermögenswerte gelten als Gesamtgut, solange nicht bewiesen ist, dass sie Eigengut eines Ehegatten sind. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 462 - Überlebende Ehegatten und überlebende eingetragene Partnerinnen oder Partner erhalten: |
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1 | wenn sie mit Nachkommen zu teilen haben, die Hälfte der Erbschaft; |
2 | wenn sie mit Erben des elterlichen Stammes zu teilen haben, drei Viertel der Erbschaft; |
3 | wenn auch keine Erben des elterlichen Stammes vorhanden sind, die ganze Erbschaft. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 527 - Der Herabsetzung unterliegen wie die Verfügungen von Todes wegen: |
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1 | die Zuwendungen auf Anrechnung an den Erbteil, als Heiratsgut, Ausstattung oder Vermögensabtretung, wenn sie nicht der Ausgleichung unterworfen sind; |
2 | die Erbabfindungen und Auskaufsbeträge; |
3 | die Schenkungen, die der Erblasser frei widerrufen konnte, oder die er während der letzten fünf Jahre vor seinem Tode ausgerichtet hat, mit Ausnahme der üblichen Gelegenheitsgeschenke; |
4 | die Entäusserung von Vermögenswerten, die der Erblasser offenbar zum Zwecke der Umgehung der Verfügungsbeschränkung vorgenommen hat. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
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1 | Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
2 | Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz. |
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Frage kommt, einen andern Güterstand vereinbaren, nur um dadurch dem überlebenden Ehegatten auf Kosten der Pflichtteilserben des dem Tode nahen Kontrahenten mehr zuzuhalten, als das Gesetz auf dem normalen Wege der Verfügung von Todes wegen erlaubt. In BGE 81 II 423 präzisierte es, für die Anwendung von Art. 2 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
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1 | Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
2 | Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
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1 | Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
2 | Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 226 - Alle Vermögenswerte gelten als Gesamtgut, solange nicht bewiesen ist, dass sie Eigengut eines Ehegatten sind. |
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der Fall ist, lässt sich nur auf Grund einer umfassenden Würdigung aller Umstände ermitteln (EGGER, a.a.O. S. 179 ff; KLAUS, a.a.O.; vgl. auch BGE 82 II 491, wo das Bundesgericht bei der Prüfung der Frage, ob eine rechtsmissbräuchliche Vereinbarung über die Teilung des Vorschlags bei der Güterverbindung vorliege, unter anderem in Betracht zog, dass das eheliche Vermögen nicht nur aus Vorschlag bestand, dass die Ehefrau zur Erzielung des Vorschlags beigetragen hatte, dass keine Benachteiligung der Kinder aus erster Ehe beabsichtigt war und dass sich die Ehefrau durch Geduld und Verständnis für den oft schwierigen Ehemann ausgezeichnet hatte).
5. a) Im vorliegenden Fall kann es daher nicht entscheidend sein, dass P. F. im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses unheilbar krank war und rund einen Monat später starb. Im übrigen können die Kläger aus diesem Umstand ohnehin nichts ableiten. Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz wusste P. F. nicht, dass er todkrank war. Er hielt seine Krankheit für heilbar, und die Ärzte liessen ihm die Hoffnung auf Genesung. Am 17. November 1967, als der Vertrag abgeschlossen wurde, ging es ihm verhältnismässig gut. Er konnte aufstehen und Bewegungsübungen machen. P. F. hat den Ehevertrag daher nicht im Hinblick auf seinen unmittelbar bevorstehenden Tod abgeschlossen. Für ihn ging es nicht nur um die Begünstigung seiner Ehefrau im Falle seines Ablebens, sondern auch um die Regelung der güterrechtlichen Verhältnisse unter Lebenden. Der Beklagten war zwar bekannt, dass P. F. nicht mehr gerettet werden konnte. Sie hat aber die Unwissenheit ihres Ehemannes nicht ausgenützt, um ihn zum Abschluss eines Vertrages zu verleiten, den er bei Kenntnis der Sachlage nicht abgeschlossen hätte. Vielmehr hatten die Eheleute F. schon vor der Erkrankung des Erblassers die Absicht, ihre güterrechtlichen Verhältnisse abweichend vom Gesetz zu regeln. Nach den Ausführungen des Kantonsgerichts hat P. F. beim Vertragsabschluss der Urkundsperson ausdrücklich erklärt, er habe dies schon lange machen wollen. Dadurch unterscheidet sich der vorliegende Fall von BGE 53 II 99. In jenem Fall hatten sich die Ehegatten vor Abschluss des Ehevertrages nie veranlasst gesehen, an eine vom gesetzlichen Güterstand abweichende vertragliche Regelung auch nur zu denken. b) Von einer krassen Benachteiligung der Kläger kann zudem keine Rede sein. Wie die Vorinstanz zu Recht ausführt, hätte P. F. die Erbfolge in seinen Nachlass durch letztwillige Verfügung
BGE 99 II 9 S. 14
dem Recht seines Heimatkantons Basel-Stadt unterstellen können (Art. 59 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 226 - Alle Vermögenswerte gelten als Gesamtgut, solange nicht bewiesen ist, dass sie Eigengut eines Ehegatten sind. |
SR 211.435.1 Verordnung vom 8. Dezember 2017 über die Erstellung elektronischer öffentlicher Urkunden und elektronischer Beglaubigungen (EÖBV) EÖBV Art. 22 Anwendbarkeit der Allgemeinen Gebührenverordnung - Soweit diese Verordnung keine besondere Regelung enthält, gelten die Bestimmungen der Allgemeinen Gebührenverordnung vom 8. September 200414. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 471 - Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 472 - 1 Ist beim Tod des Erblassers ein Scheidungsverfahren hängig, so verliert der überlebende Ehegatte seinen Pflichtteilsanspruch, wenn: |
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1 | Ist beim Tod des Erblassers ein Scheidungsverfahren hängig, so verliert der überlebende Ehegatte seinen Pflichtteilsanspruch, wenn: |
1 | das Verfahren auf gemeinsames Begehren eingeleitet oder nach den Vorschriften über die Scheidung auf gemeinsames Begehren fortgesetzt wurde; oder |
2 | die Ehegatten mindestens zwei Jahre getrennt gelebt haben. |
2 | In einem solchen Fall gelten die Pflichtteile, wie wenn der Erblasser nicht verheiratet wäre. |
3 | Die Absätze 1 und 2 gelten bei Verfahren zur Auflösung einer eingetragenen Partnerschaft sinngemäss. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 471 - Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs. |
Unter diesen Umständen lässt sich nicht sagen, die Eheleute F. hätten mit dem Ehevertrag lediglich die Interessen anderer Erben in krasser Weise verletzen wollen. Eine zweckwidrige Verwendung des Instituts des Ehevertrags liegt nicht vor. Die Einrede des Rechtsmissbrauchs ist daher zu verwerfen. Dies führt zur Abweisung der Berufung.