99 Ib 283
35. Auszug aus dem Urteil vom 21. September 1973 i.S. Schweizer Verlagshaus AG gegen Generaldirektion PTT
Regeste (de):
- Postverkehrsgesetz: Beförderung von Zeitschriften, rechtsgleiche Behandlung.
- - Die Beförderung zur Zeitungstaxe ist ausgeschlossen, wenn eine der in Art. 20 Abs. 2
PVG verlangten Voraussetzungen nicht erfüllt ist (Erw. 2).
- - Kann, wer gesetzmässig, nämlich zur Drucksachentaxe veranlagt worden ist, verlangen, gleich, d.h. gesetzwidrig behandelt zu werden wie derjenige, dessen Zeitschriften zur Zeitungstaxe befördert werden, obwohl hiefür die Voraussetzungen fehlen? (Erw. 3).
Regeste (fr):
- Loi sur le service des postes: transport de journaux, égalité de traitement.
- - Le transport d'imprimés à la taxe des journaux est exclu lorsque l'une des conditions de l'art. 20 al. 2 LSP n'est pas remplie (consid. 2).
- - Celui qui est astreint, conformément à la loi, à payer la taxe des imprimés peut-il exiger d'être traité, contrairement à la loi, de la même manière qu'un tiers, auquel le bénéfice de la taxe des journaux est accordé alors même que les conditions légales ne sont pas remplies (consid. 3)?
Regesto (it):
- Legge sul servizio delle poste: invio di giornali, uguaglianza di trattamento.
- - L'invio di stampe alla tariffa dei giornali è escluso ove non sia adempiuto uno dei presupposti di cui all'art. 20 cpv. 2 LSP (consid. 2).
- - Può chi è legittimamente tenuto a corrispondere la tassa delle stampe pretendere d'essere trattato nella stessa guisa, ossia in modo contrario alla legge, del terzo ammesso a beneficiare della tassa dei giornali benchè non siano adempiuti i relativi presupposti? (consid. 3).
Sachverhalt ab Seite 284
BGE 99 Ib 283 S. 284
Die neue Schweizer Bibliothek (NSB), eine Abteilung der Schweizer Verlagshaus AG, Zürich, Beschwerdeführerin, gibt seit dem Jahr 1968 das Mitteilungsblatt "NSB-Revue" heraus. Am 3. Juli 1968 stellte sie bei der Kreispostdirektion das Gesuch um Zubilligung der Zeitungstaxe für die Beförderung der NSB-Revue. Das Begehren wurde abgelehnt. Die gegen die ablehnende Verfügung gerichtete Beschwerde hiess der Direktor der Postdienste am 22. Juli 1970 gut und hob den angefochtenen Entscheid auf. In der Begründung führte er an, die von der Kreispostdirektion Zürich vorgenommene Taxierung sei an sich materiell nicht zu beanstanden; die neue Praxis müsse jedoch bei allen Buchgemeinschaften in zeitlich einheitlicher Durchführung vorgenommen werden. Im Anschluss an diesen Entscheid verfügte die Postbetriebsabteilung der Generaldirektion PTT (GD-PTT) am 8. September 1970, dass die NSB-Revue nicht mehr zur Zeitungstaxe, sondern zur gewöhnlichen Drucksachentaxe zu befördern sei. Analoge Verfügungen wurden gegenüber fünf andern Buchgemeinschaften erlassen. Die NSB hat diese Verfügung bei der GD-PTT angefochten, welche die Beschwerde abwies. Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde, mit der verlangt wird, es sei festzustellen, dass die NSB-Revue zu den Zeitungstaxen gemäss Art. 20
![](media/link.gif)
BGE 99 Ib 283 S. 285
verlangt werde, wurde auch dem SDV als Beteiligten im Sinne von Art. 110
![](media/link.gif)
Das Bundesgericht hat die Beschwerde gutgeheissen und den angefochtenen Entscheid im Sinne der Erwägungen aufgehoben.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Zur Begründung ihres Eventualantrages, es sei festzustellen, dass die NSB-Revue zur Zeitungstaxe (Art. 20
![](media/link.gif)
a) Nach Art. 58 Abs. 1
![](media/link.gif)
BGE 99 Ib 283 S. 286
Daran hat sich bis heute offenbar nichts geändert. Wenn auch nicht zu bestreiten ist, dass die Kosten der Herausgabe der Mitteilungsblätter auf den Kunden überwälzt werden und die Bezüger von Büchern der NSB somit indirekt das Mitteilungsblatt finanzieren - eine Art der "Reklamefinanzierung", wie sie allgemein die Regel ist - kann doch ernstlich von einem Abonnement im Sinne von Art. 58 Abs. 1 lit. a
![](media/link.gif)
![](media/link.gif)
![](media/link.gif)
![](media/link.gif)
![](media/link.gif)
BGE 99 Ib 283 S. 287
Der Zweck der NSB als Abteilung der Beschwerdeführerin liegt im Verkauf von Büchern. Diesen Verkauf zu fördern, dient das Mitteilungsblatt, die NSB-Revue, wenn vielleicht auch nicht ausschliesslich, so doch in erster Linie. Die Vorinstanz hebt diesbezüglich zutreffend hervor, dass bereits der Gesamteindruck, den die Aufmachung der NSB-Revue dem Betrachter hinterlässt, den Geschäfts- oder Reklamecharakter bestätigt. Vorherrschend sind in der Tat Büchervorstellungen; doch selbst im sog. redaktionellen Teil finden sich - namentlich wenn ein Schriftsteller bzw. sein Werk vorgestellt werden - Hinweise auf Bücher des NSB-Katalogs. Zwar enthält das Mitteilungsblatt, vornehmlich in neueren Nummern auch Beiträge, die keinen direkten Zusammenhang mit dem NSB-Büchersortiment aufweisen. Das ist indes - wie die Vorinstanz zu Recht argumentiert - deshalb nicht von Belang, weil der Geschäfts- und Reklamecharakter nicht ausschliesslich sein muss; es genügt, um die Anwendung der Zeitungstaxe auszuschliessen, dass dieser überwiegt. Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, schlägt nicht durch. Unbehelflich ist das Argument, die NSB sei kein Geschäft, sondern eine Gemeinschaft von Mitgliedern, welche - wenn auch nicht mitgliedschaftsrechtlich im Sinne des ZGB oder OR organisiert - mittels ihrem stetigen Erwerb von Büchern der NSB erlaube, die Bücher billiger abzugeben. Die NSB verfolge mithin sowohl einen sozialen als auch einen bildenden Zweck, indem sie gute Bücher zu "billigen Preisen" anbiete. Unverkennbar ist nämlich, dass die NSB als Abteilung eines kommerziellen Unternehmens in erster Linie den Verkauf ihrer Bücher bezweckt. Dass dabei auch ein sozialer und bildender Zweck angestrebt werden kann, ist unbestritten. Auch wird nicht in Abrede gestellt, dass der NSB-Revue Orientierungscharakter zukommt. Der von der Beschwerdeführerin behauptete und dem Reklamecharakter entgegengestellte Orientierungszweck des Mitteilungsblattes schliesst aber deshalb das Überwiegen des Geschäfts- oder Reklamecharakters des Mitteilungsblattes nicht aus, weil die Orientierung im wesentlichen dem Bücherverkauf dient, d.h. dem durch die NSB als Abteilung der Beschwerdeführerin verfolgten kommerziellen Zweck des Unternehmens.
Der angefochtene Entscheid verletzt somit Art. 20 Abs. 2 lit. c
![](media/link.gif)
![](media/link.gif)
BGE 99 Ib 283 S. 288
heute in Kraft stehenden Art. 20 Abs. 2 lit. d
![](media/link.gif)
3. Die Beschwerdeführerin beklagt sich über rechtsungleiche Behandlung, weil die Kundenzeitschrift PRO von der PTT zur Zeitungstaxe befördert werde. Sie verlangt, dass, solange beim PRO das abonnementsähnliche Verhältnis bejaht und diese Zeitschrift nicht auch als Geschäfts- oder Reklameblatt bezeichnet werde, auch die NSB-Revue zur Zeitungstaxe zu befördern sei. Nachdem die vorangehenden Erwägungen ergaben, dass die Beschwerdeführerin nach Massgabe der einschlägigen Vorschriften keinen Anspruch auf Beförderung der NSB-Revue zur Zeitungstaxe hat und somit gesetzmässig behandelt worden ist, fragt sich, ob die Rüge der unterschiedlichen Behandlung im vorliegenden Fall zu hören ist. Dabei ist vorab im Lichte von Art. 20
![](media/link.gif)
![](media/link.gif)
BGE 99 Ib 283 S. 289
Hefte einlöst, wird ihm die Zeitschrift zugestellt, und es erhält sie auch, wer in der deutschen Schweiz nicht Kunde des selbständigen Detailhandels ist. Anderseits mag der Kunde aus der Westschweiz und aus dem Tessin PRO-Rabattmarkenhefte einlösen, er wird die Kundenzeitschrift trotzdem nicht erhalten, weil er nicht in der deutschen Schweiz wohnsässig ist. Ein Abonnementsvertrag im Sinne von Art. 58 Abs. 1 lit. a
![](media/link.gif)
![](media/link.gif)
![](media/link.gif)
BGE 99 Ib 283 S. 290
mittelständischer, selbständiger Detaillisten sowie deren schweizerische Berufsverbände und Selbsthilfeorganisationen zu einer schweizerischen Spitzenorganisation zusammenzufassen, bei der Lösung der Aufgaben dieser Organisationen mitzuhelfen, die Leistungs- und Konkurrenzfähigkeit der mittelständischen, selbständigen Detaillisten zu fördern, deren gesellschaftliche und wirtschaftspolitische Standesinteressen zu wahren und die Beziehungen zur Käuferschaft zu pflegen", und dass er selbst keinen Warenhandel betreibt. Das vermag indes nicht über die Tatsache hinwegzutäuschen, dass die von ihm über die eigens hiezu geschaffene Genossenschaft herausgegebene Kundenzeitschrift für den Detaillisten und für die Produkte wirbt, die im selbständigen Detailhandel bezogen werden können. Dies entspricht denn auch wie aus Ziff. 12 von § 2 der Statuten des SDV ersichtlich wird, einem Mittel, um den Zweck des SDV zu erfüllen, nämlich "durch die Kundenpresse und den Einsatz anderer geeigneter Werbemittel die Käuferschaft zugunsten der Privatwirtschaft und insbesondere des mittelständischen, selbständigen Detailhandels" zu beeinflussen. Dass die in den Inseraten des PRO angepriesenen Produkte nicht nur beim selbständigen Detailhandel, sondern auch bei COOP, Denner, Merkur, in Warenhäusern und Discountern erhältlich sind, ist hiebei nicht von Belang. Wesentlich ist, ob mit der Herausgabe der Kundenzeitschrift überwiegend Geschäfts- oder Reklamezwecke verfolgt werden, was angesichts der Zielsetzung des PRO ernstlich nicht bestritten werden kann. Diese Feststellung allein schon schliesst - wie bei der NSB-Revue - die Beförderung zur Zeitungstaxe aus, denn die Voraussetzungen des Art. 20 Abs. 2
![](media/link.gif)
![](media/link.gif)
BGE 99 Ib 283 S. 291
casu auch gesetzwidrig zu behandeln ist. Ja es kann sich fragen, ob die Rüge der unterschiedlichen Behandlung im vorliegenden Fall überhaupt zu hören ist. Das Bundesgericht hat wiederholt ausgeführt, der Grundsatz der Gesetzmässigkeit der Verwaltung gehe in der Regel der Rücksicht aus gleichmässige Rechtsanwendung vor, und der Umstand, dass das Gesetz in andern Fällen nicht oder nicht richtig angewendet worden sei, gebe dem Bürger grundsätzlich keinen Anspruch darauf, ebenfalls abweichend vom Gesetz behandelt zu werden (so BGE 98 Ia 161 f. und dort angeführter Hinweis auf frühere Urteile). Es hat jedoch im erwähnten Urteil einschränkend ausgeführt, dass dies nur gelte, wenn nur in einem einzigen oder in einigen wenigen Fällen eine abweichende Behandlung dargetan sei. Wenn dagegen die Behörden die Aufgabe der in andern Fällen geübten gesetzwidrigen Praxis ablehnten, könne der Bürger verlangen, dass diese widerrechtliche Begünstigung, die dem Dritten zuteil werde, auch ihm gewährt werde. Diese Einschränkung kommt im vorliegenden Fall insoweit zum Zuge, als es um die bis anhin geschuldeten Beförderungstaxen geht. Nachdem die Postverwaltung im bundesgerichtlichen Verfahren die Aufgabe der beim auflagestarken PRO geübten, gesetzwidrigen Praxis in keiner Weise in Aussicht gestellt hat, verlangt der Grundsatz der Rechtsgleichheit im eben aufgezeigten Sinn, dass der Beschwerdeführerin die widerrechtliche Begünstigung zuteil werde, die dem Herausgeber des PRO gewährt worden ist. Anders verhält es sich für die Zukunft. Hier ist zu unterscheiden: Lehnt es die Postverwaltung - vorausgesetzt dass die hier geprüfte Sachlage unverändert andauert - nach wie vor ab, den gesetzlichen Zustand wiederherzustellen, und befördert sie das PRO weiterhin zur Zeitungstaxe, kann die Beschwerdeführerin verlangen, dass die widerrechtliche Begünstigung, die dem PRO zuteil wird, auch ihr für die NSB-Revue gewährt werde. Stellt dagegen die Postverwaltung den gesetzmässigen Zustand wieder her und befördert sie sämtliche sog. Kundenzeitschriften und Mitteilungsblätter zur richtigen, d.h. den gesetzlichen Vorschriften entsprechenden Taxe, so hält das Vorgehen der Postverwaltung vor den Grundsätzen der Gesetzmässigkeit und der Rechtsgleichheit stand. Für die Beschwerdeführerin wird alsdann keine Veranlassung mehr bestehen, sich darüber zu beschweren, dass die NSB-Revue nicht zur Zeitungstaxe befördert wird. Ändern aber die Verhältnisse bezüglich der
BGE 99 Ib 283 S. 292
Beförderungsvoraussetzungen nach Art. 20
![](media/link.gif)