99 Ib 250
31. Urteil der I. Zivilabteilung vom 10. Juli 1973 i.S. Scherico Ltd. gegen Eidgenössisches Amt für geistiges Eigentum.
Regeste (de):
- Patentgesetz.
- Art. 2 Ziff. 2
PatG. Ausschluss von der Patentierung eines Herstellungsverfahrens für Arzneimittel, das aus einer chemischen und einer davon unabhängigen nichtchemischen Stufe besteht.
Regeste (fr):
- Loi fédérale sur les brevets d'invention.
- Art. 2 ch. 2 LBI. Exclusion de la brevetabilité d'un procédé pour la fabrication de remèdes consistant en une phase chimique et une phase non chimique indépendante.
Regesto (it):
- Legge federale sui brevetti d'invenzione.
- Art. 2 n. 2 LBI. Esclusione della brevettabilità d'un procedimento per la fabbricazione di rimedi farmaceutici, consistente in una fase chimica e in una fase non chimica, indipendente dalla prima.
Sachverhalt ab Seite 250
BGE 99 Ib 250 S. 250
A.- Die Scherico Ltd. unterbreitete dem Eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum am 27. Januar 1970 das Patentgesuch Nr. 1182/70 mit dem Erfindungstitel "Substituierte Anilide". Es betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines Arzneimittels und umfasste ursprünglich 50 Patentansprüche. Auf eine erste Beanstandung des Amtes hin fasste die Gesuchstellerin am 9. Juli 1970 die Ansprüche neu, gliederte sie in die Hauptansprüche I und II sowie in 24 Unteransprüche. Mit einer zweiten Beanstandung verlangte das Amt u.a. die Streichung mehrerer Unteransprüche. Die Gesuchstellerin antwortete in ihrer Stellungnahme vom 31. Dezember 1970 mit dem Begehren, auf die Streichungsanforderung zurückzukommen oder einen neuen Patentanspruch I anzunehmen. Beides lehnte das Amt in einer dritten Beanstandung unter Hinweis auf Art. 2 Ziff. 2

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Wiederherstellung, die das Amt gewährte, und legte eine Neufassung des Patentanspruches I vor, welche die Synthese der Verbindungen der chemischen Formel und die Mischung dieser Verbindungen mit einem pharmazeutisch annehmbaren Trägerstoff zu einem formulierten Arzneimittel umschrieb. Zugleich passte sie die weiteren Ansprüche an, die aus Patentanspruch II betreffend Verwendung des nach dem Verfahren gemäss Anspruch I erhaltenen Mittels und aus 14 Unteransprüchen bestehen. Das Amt erliess eine vierte Beanstandung, mit der es u.a. die Streichung des Mischverfahrens aus dem Patentanspruch I forderte und darauf hinwies, dass von der Herstellung eines Arzneimittels auf chemischem Wege im Sinne des Patentgesetzes nur die Rede sein könne, wenn das erfinderische Element des Verfahrens im chemischen und/oder im physikalischen Teil liege, sofern dieser mit dem chemischen Teil direkt kausal verbunden sei, was vorliegend nicht zutreffe; ferner dass nach Art. 8

B.- Hiegegen richtet sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Gesuchstellerin mit den Begehren, die angefochtene Verfügung aufzuheben, die Sache zu neuer Behandlung an das Amt
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zurückzuweisen und dieses zu verpflichten, auf Grund des Gesuches Nr. 1182/70 ein Patent mit den Ansprüchen I und II sowie 14 Unteransprüchen in den Fassungen vom 22. Juni 1972 zu erteilen. Die Gesuchstellerin rügt die unrichtige Anwendung von Art. 2 Ziff. 2

Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 2 Ziff. 2


2. Die Beschwerdeführerin trägt vor, "die therapeutisch aktive Verbindung sei noch kein Heilmittel; sie könne nicht als solche, sondern erst dann als Arzneimittel verwendet werden, wenn sie "in der Dosierung mit einem pharmazeutisch annehmbaren Trägerstoff gemischt" sei. Sie kann daraus nichts für sich ableiten. a) Nach dem Patentanspruch sind die beiden Verfahrensstufen nach Ablauf und Funktion klar getrennt. Der synthetischen Gewinnung des Wirkstoffes in der ersten Stufe folgt dessen rein physikalische Vermischung mit einem Trägerstoff in der zweiten. Selbst bei einschränkender Auslegung des Art. 2 Ziff. 2

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nicht nur Zubereitungen, sondern auch und vorab Substanzen oder Substanzgemische, wie sie hier aus der ersten Verfahrensstufe hervorgehen, zu verstehen (Botschaft, BBl 1950 I S. 1004; BLUM/PEDRAZZINI, Das Schweizerische Patentrecht I S. 207 ff. Anm. 9 zu Art. 2





BGE 99 Ib 250 S. 254
darstellenden Arzneimitteln (Vitamine, Hormone usw.) immer grössere Bedeutung zukomme und dass z.B. der Preis für Penizillin in den Jahren 1946 bis 1948 nicht um annähernd 90% gesunken wäre, wenn dieser Stoff hätte patentiert werden können (Botschaft, a.a.O. S. 1004/5). Wollte der Gesetzgeber den physikalisch-analytischen Verfahren zur Isolierung hochempfindlicher Naturstoffe den Patentschutz versagen, so erst recht auch den nachgehenden Verfahren zur Überführung von Arzneistoffen in Arzneimittelzubereitungen oder Anwendungsformen. Es ist denn auch nicht einzusehen, weshalb solche Herstellungsverfahren für synthetisch erzeugte Wirkstoffe verschieden behandelt werden sollten. Das Amt betrachtet es mit Recht als selbstverständlich, einen Wirkstoff, der nicht als Arzneimittel (so wie er in der Apotheke erhältlich ist) verwendet werden kann, mit einem "pharmazeutisch annehmbaren Trägerstoff" zu vermischen. d) Das Amt bezeichnet die Überführung eines Arzneistoffes in eine Arzneimittelzubereitung dann als Herstellung auf chemischem Wege, "wenn dabei ein chemischer Vorgang eine wesentliche Rolle spielt". Es wirft im weiteren die Frage auf, ob ein Patentanspruch, der die Zusammenlegung der Synthese eines Wirkstoffes mit dessen Verarbeitung zu einer Arzneimittelzubereitung zum Gegenstand hat, dann mit Art. 2 Ziff. 2

3. Die Beschwerdeführerin hält dafür, das beanspruchte Verfahren dürfe aus schwerwiegenden praktischen Gründen nicht auseinandergerissen werden. Sie verkennt nach dem Gesagten, dass das Verfahren nicht bloss theoretisch getrennt werden kann. Zudem lässt sich aus den Erwägungen in BGE 79 II 232 /33 zu Art. 2 Ziff. 4 a

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eine "Strukturänderung in chemischem Sinne" bewirkt, während in der zweiten Stufe des streitigen Verfahrens nichts dergleichen geschieht. Daher sind hier produtionstechnische und betriebswissenschaftliche Erfordernisse, wie sie nach BGE 79 II 232 /3 für die Schutzfähigkeit des Formalisierungsverfah rens vorausgesetzt werden, nicht zu berücksichtigen. Abgesehen davon, legt die Beschwerdeführerin nicht dar, inwiefern produktionstechnisch und betriebswirtschaftlich die Verbindung der beiden Verfahrensstufen von Vorteil sein soll.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.