98 IV 73
14. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 15. Mai 1972 i.S. Stierli gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau.
Regeste (de):
- Art. 41 Ziff. 3 Abs. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: a eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder b eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann. 2 Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen. 3 Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36). - 1. Der Grundsatz der Nichtrückwirkung des Strafgesetzes gilt nicht für Verfahrens- und Gerichtsstandsbestimmungen.
- 2. Ausnahmen von dieser Regel.
Regeste (fr):
- Art. 41 ch. 3 al. 3 CP; Compétence pour prononcer la révocation du sursis.
- 1. Le principe de la non-rétroactivité de la loi pénale ne vaut pas en matière de procédure ni de for.
- 2. Exceptions à cette règle.
Regesto (it):
- Art. 41 num. 3 cpv. 3 CP; competenza per pronunciare la revoca della sospensione condizionale della pena.
- 1. Il principio della non retroattività della legge penale non è applicabile in materia di procedura o di foro.
- 2. Eccezioni a questa regola.
Sachverhalt ab Seite 73
BGE 98 IV 73 S. 73
A.- Am 17. August 1967 verurteilte das Bezirksgericht Bremgarten Oskar und Roman Stierli wegen Nötigung und Nötigung zu unzüchtigen Handlungen zu je drei Monaten Gefängnis. Es gewährte den Verurteilten den bedingten Strafvollzug und setzte ihnen eine Probezeit von drei Jahren an. Das Urteil wurde aufgrund einer Bewährungsmeldung am 4. Februar 1971 im Strafregister gelöscht. Zuvor, am 26. Februar 1970, hatten indessen Oskar und Roman Stierli vor Verwaltungsgericht des Kantons Aargau falsches Zeugnis abgelegt, wofür sie am 16. Juni 1971 vom Bezirksgericht Aarau mit je zwei Monaten Gefängnis, bedingt aufgeschoben auf 3 Jahre, bestraft wurden.
B.- Am 11. November 1971 widerrief das Bezirksgericht Bremgarten den den Verurteilten am 17. August 1967 gewährten
BGE 98 IV 73 S. 74
bedingten Strafvollzug und ordnete die Aufhebung der Löschung des Urteils im Strafregister an. Die von beiden Betroffenen beim Obergericht des Kantons Aargau hiegegen eingereichte Berufung wurde von diesem mit Urteil vom 18. Februar 1972 abgewiesen.
C.- Oskar und Roman Stierli führen in getrennten Eingaben Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, der Entscheid des Bezirksgerichtes Bremgarten vom 11. November 1971 sei aufzuheben, die seinerzeit bedingt aufgeschobene Strafe sei nicht mehr zu vollziehen und die Löschung des Strafurteils im Strafregister sei nicht aufzuheben. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau hat sich mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerden vernehmen lassen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. ...
2. Nach der am 1. Juli 1971 in Kraft getretenen neuen Fassung des Art. 41 Ziff. 3 Abs. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
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1 | Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
a | eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder |
b | eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann. |
2 | Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen. |
3 | Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36). |
BGE 98 IV 73 S. 75
Bezirksgericht Aarau hätte befinden müssen. Es hat dabei richtig erkannt, dass das Prinzip der Nichtrückwirkung des Strafgesetzes für Verfahrens- und Gerichtsstandsbestimmungen nicht gilt (BGE 68 IV 62,BGE 69 IV 138,BGE 70 IV 88), diese vielmehr grundsätzlich mit dem Tage ihres Inkrafttretens sofort und in vollem Umfang anwendbar werden (s. GERMANN, Textausgabe, S. 8; SCHULTZ, Dreissig Jahre schweizer. StGB, in ZStR 1972, S. 15). Auch hat es nicht übersehen, dass diese Regel nicht uneingeschränkt gilt und Ausnahmen denkbar sind. Eine solche wird von SCHWANDER bezüglich Verfahrensvorschriften angenommen, die bloss im Hinblick auf Bestimmungen des neuen Rechts erlassen worden sind und die naturgemäss die Anwendung des Bundesstrafrechts, auf das sie Bezug haben, voraussetzen. Der genannte Autor zitiert als Beispiel hiefür die Zuständigkeit des Richters zum Widerruf des bedingten Strafvollzuges nach Art. 41 Ziff. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
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1 | Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
a | eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder |
b | eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann. |
2 | Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen. |
3 | Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36). |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
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1 | Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
a | eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder |
b | eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann. |
2 | Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen. |
3 | Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36). |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
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1 | Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
a | eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder |
b | eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann. |
2 | Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen. |
3 | Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36). |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
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1 | Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
a | eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder |
b | eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann. |
2 | Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen. |
3 | Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36). |
BGE 98 IV 73 S. 76
abgeschlossen, und es konnte die durch das neue Recht angestrebte Prozessökonomie, nämlich die unmittelbare Folge von Strafurteil und Widerruf nicht mehr erreicht werden, was die ausnahmsweise Anwendung des alten Rechtes begründete (SCHULTZ, op.cit. S. 15 Anm. 44 a; BJM 1971, S. 288). Nach diesem aber war das Bezirksgericht Bremgarten zuständig zum Widerruf des bedingten Strafvollzuges. Da indessen das Obergericht trotz dem ihm in der Zuständigkeitsfrage unterlaufenen Irrtum von einer Aufhebung des Entscheides des Bezirksgerichtes Bremgarten aus Gründen der Zweckmässigkeit abgesehen und darauf abgestellt hat, kann es beim angefochtenen Urteil sein Bewenden haben, und es ist die Beschwerde, mit welcher die Unzuständigkeit des genannten Bezirksgerichtes gerügt wird, insoweit als unbegründet abzuweisen.