98 IV 147
28. Entscheid der Anklagekammer vom 27. Juni 1972 i.S. Verhöramt des Kantons Glarus gegen Richteramt Balsthal.
Regeste (de):
- Art. 346 und 349
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 349
- 1. Der Hehler hat sich an dem durch seine eigene Tat begründeten Gerichtsstand zu verantworten (Erw. 1).
- 2. Anders verhält es sich nur, wenn er an einer mit schwererer Strafe bedrohten Vortat als Anstifter, Gehilfe oder Mittäter teilgenommen hat (Erw. 2-5).
Regeste (fr):
- Art. 346 et 349 CP.
- 1. Le receleur doit être poursuivi et jugé au for désigné par sa propre action (consid. 1).
- 2. Il n'en va autrement que s'il a participé à un "premier délit", réprimé par une peine plus lourde, au titre d'instigateur, de complice ou de coauteur (consid. 2-5).
Regesto (it):
- Art. 346 e 349 CP.
- 1. Il ricettatore deve rispondere davanti al foro determinato dalla sua azione delittuosa (consid. 1).
- 2. La soluzione è diversa solo se egli ha partecipato a reati preliminari puniti con pene più gravi, a titolo di istigatore, di complice o di coautore (consid. 2-5).
Sachverhalt ab Seite 147
BGE 98 IV 147 S. 147
A.- Der Untersuchungsrichter von Balsthal eröffnete am 1. März 1971 gegen Walter Bracher eine Voruntersuchung wegen fortgesetzter Veruntreuung von Fleisch, die der Beschuldigte vom Frühling 1968 bis im Februar 1971 zum Nachteil seiner Arbeitgeberin, der Hermann Grieder AG in Balsthal, begangen haben soll. Am 6. März 1971 dehnte er das Verfahren auf Roland Eggenschwiler und Eugen Ackermann aus, denen
BGE 98 IV 147 S. 148
er ebenfalls in mehreren Fällen Veruntreuung von Fleisch zum Nachteil ihrer Arbeitgeber vorwirft. Am 11. März 1971 wurde ferner Werner Friedli, der in Hägendorf wohnt, als Hehler in das Verfahren embezogen. Am 9. Juni 1971 liess die Hermann Grieder AG durch einen Anwalt beim Kantonsgericht von Glarus gegen den in Diesbach (Glarus) niedergelassenen Metzger und Fleischgrosshändler Albert Eicher eine Strafanzeige einreichen mit dem Vorwurf, er habe Bracher von der veruntreuten Ware abgekauft im Bewusstsein, dass sie unrechtmässig erworben worden sei.
B.- Am 27. Dezember 1971 ersuchte das Verhöramt des Kantons Glarus den Untersuchungsrichter von Balsthal, die Strafuntersuchung gegen Eicher zu übernehmen. Der Untersuchungsrichter von Balsthal lehnte dies am 14. Juni 1971 mit der Begründung ab, die Strafanzeige gegen Eicher betreffe den Vorwurf der Hehlerei und es beständen keinerlei Anhaltspunkte für eine Gehilfenschaft des Beschuldigten bei den Veruntreuungen.
C.- Mit Eingabe vom 19./23. Juni 1972 beantragt das Verhöramt des Kantons Glarus der Anklagekammer des Bundesgerichtes, für die Verfolgung und Beurteilung Eichers das Richteramt Balsthal zuständig zu erklären.
Erwägungen
Die Anklagekammer zieht in Erwägung:
1. Wer eine Sache erwirbt, von der er weiss oder annehmen muss, dass sie durch eine strafbare Handlung erlangt worden ist, macht sich der Hehlerei schuldig (Art. 144
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 144 - 1 Wer eine Sache, an der ein fremdes Eigentums-, Gebrauchs- oder Nutzniessungsrecht besteht, beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer eine Sache, an der ein fremdes Eigentums-, Gebrauchs- oder Nutzniessungsrecht besteht, beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Hat der Täter die Sachbeschädigung aus Anlass einer öffentlichen Zusammenrottung begangen, so wird er von Amtes wegen verfolgt. |
3 | Hat der Täter einen grossen Schaden verursacht, so wird er mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. Die Tat wird von Amtes wegen verfolgt.202 |
2. Der Hehler kann zur Vortat angestiftet haben und ist dann ausser wegen Hehlerei auch wegen dieser Anstiftung zu
BGE 98 IV 147 S. 149
verfolgen und zu bestrafen, z.B. wegen Anstiftung zu Veruntreuung (BGE 70 IV 69Erw. 4,BGE 73 IV 21ff.). In der Strafanzeige vom 9. Juni 1971 wird die Auffassung vertreten, Eicher sei "wegen Hehlerei, ev. sogar wegen Anstiftung oder anderer Mittäterschaft" zu verfolgen. Die Anzeige sagt jedoch mit keinem Wort, worin die allfällige Anstiftungshandlung bestanden hätte. Auch aus den Akten ergibt sich nicht, dass Eicher im Sinne des Art. 24
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 24 - 1 Wer jemanden vorsätzlich zu dem von diesem verübten Verbrechen oder Vergehen bestimmt hat, wird nach der Strafandrohung, die auf den Täter Anwendung findet, bestraft. |
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1 | Wer jemanden vorsätzlich zu dem von diesem verübten Verbrechen oder Vergehen bestimmt hat, wird nach der Strafandrohung, die auf den Täter Anwendung findet, bestraft. |
2 | Wer jemanden zu einem Verbrechen zu bestimmen versucht, wird wegen Versuchs dieses Verbrechens bestraft. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 349 |
3. Der Hehler kann im Sinne des Art. 25
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 25 - Wer zu einem Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich Hilfe leistet, wird milder bestraft. |
BGE 98 IV 147 S. 150
sie gefördert, erleichtert und entscheidend beeinflusst, denn für die Veruntreuung grosser Mengen Fleisch sei wegen der Verderblichkeit der Ware ein sicherer Abnehmer nötig. So allgemeine Verdächtigungen genügen nicht, in Eicher einen mutmasslichen Gehilfen zu sehen und ihn statt am Orte seiner Hehlerei am Gerichtsstand der Vortäter zu verfolgen, umso weniger, als das gesuchstellende Verhöramt sich nicht einmal bemüht hat, Eicher einzuvernehmen, um Abklärung zu schaffen. Auch die Strafanzeige vom 9. Juni 1971 substanziert den Verdacht des Verhöramtes nicht. Sie verwendet zwar den Ausdruck "Mittäterschaft" neben jenem der Hehlerei, wirft aber Eicher nur vor, Bracher veruntreute Ware abgekauft zu haben, und stellt die Indizien zusammen, die angeblich für das Wissen Eichers um ihre Erlangung durch strafbare Handlung sprechen. Die durch einen Anwalt beratene Anzeigerin ging übrigens vom Gerichtsstand Glarus aus, weshalb sie die Anzeige in diesem Kanton, nicht in Balsthal einreichte.
4. Eine Veruntreuung kann nur begehen, wer das ihm geschenkte Vertrauen missbraucht, indem er sich eine ihm anvertraute fremde Sache aneignet oder anvertrautes Gut unrechtmässig verwendet (Art. 140
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 140 - 1. Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.199 |
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1 | Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.199 |
2 | Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr200 bestraft, wenn er zum Zweck des Raubes eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt. |
3 | Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft, |
4 | Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, wenn der Täter das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere Körperverletzung zufügt oder es grausam behandelt. |
BGE 98 IV 147 S. 151
genügt nicht, denn indem das Gesetz solches Verhalten als Hehlerei bestraft wissen will, schliesst es aus, es auch noch als Mittäterschaft bei Begehung der Vortat zu sühnen. Die Mittäterschaft müsste in einem anderen, nicht schon von Art. 144
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 144 - 1 Wer eine Sache, an der ein fremdes Eigentums-, Gebrauchs- oder Nutzniessungsrecht besteht, beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer eine Sache, an der ein fremdes Eigentums-, Gebrauchs- oder Nutzniessungsrecht besteht, beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Hat der Täter die Sachbeschädigung aus Anlass einer öffentlichen Zusammenrottung begangen, so wird er von Amtes wegen verfolgt. |
3 | Hat der Täter einen grossen Schaden verursacht, so wird er mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. Die Tat wird von Amtes wegen verfolgt.202 |
5. Hehlerei ist mit schwererer Strafe bedroht als Veruntreuung, Anstiftung oder Gehilfenschaft hiezu. Könnte man Eicher Anstiftung oder Gehilfenschaft zu Veruntreuung oder Mittäterschaft vorwerfen, so wäre er deshalb gemäss Art. 350 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr. |
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1 | Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr. |
2 | Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 349 |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 349 |
Dispositiv
Demnach erkennt die Anklagekammer:
Das Gesuch wird abgewiesen, und die Behörden des Kantons Glarus werden zuständig erklärt, Albert Eicher für die ihm zur Last gelegten strafbaren Handlungen zu verfolgen und zu beurteilen.