97 II 297
40. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 11. November 1971 i.S. Vissers gegen Bänninger.
Regeste (de):
- Vaterschaftsklage; Beweis der Vaterschaft bzw. Nichtvaterschaft.
- Die von den Klägern zum Beweis der Vaterschaft des Beklagten beantragte anthropologisch-erbbiologische Begutachtung darf erst angeordnet werden, wenn alle andern Beweise, welche die Parteien zur Klärung der Frage der Abstammung des Kindes angeboten haben, erhoben worden sind und nicht zu einem schlüssigen Ergebnis geführt haben. Zur Blutuntersuchung gehört die statistische Auswertung des Blutbefundes. Aus der Weigerung des Beklagten, sich der vor Ausschöpfung aller andern Beweismöglichkeinten angeordneten anthropologisch-erbbiologischen Untersuchung zu unterziehen, dürfen keine für ihn nachteiligen Schlüsse gezogen werden.
Regeste (fr):
- Action en paternité; preuve de la paternité, respectivement de la nonpaternité.
- L'expertise hérédo-anthropobiologique requise par les demandeurs comme preuve de la paternité du défendeur ne peut être ordonnée que si les autres preuves que les parties ont offertes pour élucider la question de l'origine de l'enfant ont été administrées et n'ont conduit à aucun résultat déterminant. L'examen statistique du sang fait partie des expertises du sang. Le refus du défendeur de se soumettre à une expertise hérédo-anthropobiologique ordonnée avant l'épuisement de toutes les autres possibilités de preuve ne saurait lui porter préjudice.
Regesto (it):
- Azione di paternità; prova della paternità, rispettivamente della non paternità.
- La perizia eredo-antropobiologica chiesta dagli attori quale prova della paternità del convenuto non può essere ordinata che se le altre prove offerte dalle parti per chiarire l'origine del bambino sono state assunte e non hanno condotto ad alcun risultato determinante. L'esame statistico del sangue fa parte delle perizie del sangue. Il rifiuto del convenuto di sottoporsi a una perizia eredo-antropobiologica ordinata prima dell'esaurimento di tutte le altre possibilità di prova non potrebbe arrecargli pregiudizio.
Sachverhalt ab Seite 297
BGE 97 II 297 S. 297
Aus dem Tatbestand:
Die ledige Schweizerin Bänninger und das von ihr am 16. Februar 1965 geborene Kind leiteten gegen den in Belgien
BGE 97 II 297 S. 298
wohnhaften Belgier Vissers in Basel, wo sie zur Zeit der Geburt des Kindes Wohnsitz hatten (Art. 312 SGB), eine Vaterschaftsklage auf Vermögensleistungen ein. Durch die von ihnen angerufenen Zeugen konnte nicht bewiesen werden, dass der Beklagte der Mutter in der kritischen Zeit (22. April bis 20. August 1964) beigewohnt hatte. Anderseits ergab sich, dass die Mutter zu Beginn dieser Zeit mit einem Dritten geschlechtlich verkehrt hatte. Der anthropologisch-erbbiologischen Begutachtung, welche die Kläger zum Beweis der Vaterschaft des Beklagten beantragt hatten, entzog sich der Beklagte, obwohl ihm die Kosten der Reise zum Experten nach Basel vergütet worden wären. In Würdigung dieser Weigerung des Beklagten und weiterer Umstände erachtete das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt die Vaterschaft des Beklagten als erwiesen und hiess die Klage gut. Auf Berufung des Beklagten hin weist das Bundesgericht die Sache an die Vorinstanz zurück.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
9. Die Anordnung eines AEG zum positiven Beweis der Vaterschaft setzt die Erschöpfung aller andern Beweismöglichkeiten voraus (vgl. namentlich BGE 90 II 273 Erw. 3 und - für den negativen Abstammungsbeweis, der in dieser Hinsicht dem positiven gleichsteht - BGE 90 II 225 Erw. 5; ferner BGE 96 II 324 Erw. 6, wo der Grundsatz, dass vor Einholung eines AEG alle andern Beweismittel erschöpft sein müssen, allgemein ausgesprochen wird). Das Bundesgericht hat diese Regel bei der ihm zustehenden Prüfung der Frage aufgestellt, in welchen Fällen von Bundesrechts wegen ein Anspruch auf Einholung eines naturwissenschaftlichen Gutachtens besteht sowie ob und unter welchen Voraussetzungen eine bestimmte Untersuchungsmethode grundsätzlich zum Beweis der Abstammung oder Nichtabstammung taugt. (Zur Kognition des Bundesgerichts auf diesem Gebiete vgl. HEGNAUER, N. 101 zu Art. 314

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
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1 | Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
2 | Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern. |
3 | Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest. |

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 315 - 1 Die Kindesschutzmassnahmen werden von der Kindesschutzbehörde am Wohnsitz des Kindes angeordnet.450 |
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1 | Die Kindesschutzmassnahmen werden von der Kindesschutzbehörde am Wohnsitz des Kindes angeordnet.450 |
2 | Lebt das Kind bei Pflegeeltern oder sonst ausserhalb der häuslichen Gemeinschaft der Eltern oder liegt Gefahr im Verzug, so sind auch die Behörden am Ort zuständig, wo sich das Kind aufhält. |
3 | Trifft die Behörde am Aufenthaltsort eine Kindesschutzmassnahme, so benachrichtigt sie die Wohnsitzbehörde. |

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 315 - 1 Die Kindesschutzmassnahmen werden von der Kindesschutzbehörde am Wohnsitz des Kindes angeordnet.450 |
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1 | Die Kindesschutzmassnahmen werden von der Kindesschutzbehörde am Wohnsitz des Kindes angeordnet.450 |
2 | Lebt das Kind bei Pflegeeltern oder sonst ausserhalb der häuslichen Gemeinschaft der Eltern oder liegt Gefahr im Verzug, so sind auch die Behörden am Ort zuständig, wo sich das Kind aufhält. |
3 | Trifft die Behörde am Aufenthaltsort eine Kindesschutzmassnahme, so benachrichtigt sie die Wohnsitzbehörde. |
BGE 97 II 297 S. 299
und "überhaupt sämtliche zur Zeit der Urteilsfindung aner kannten Gutachten über die mangelnde Vaterschaft" beantragt. Eingeholt wurde auf seinen Antrag hin jedoch nur ein Blutgruppengutachten (serologisches Gutachten). Dass der Beklagte auf die Begutachtungen, die er über das Blutgruppengutachten und das von ihm später abgelehnte AEG hinaus beantragt hatte, später verzichtet habe, ist nicht festgestellt. Den Akten ist denn auch nicht zu entnehmen, dass er einen solchen Verzicht ausgesprochen hätte. Vielmehr ist anzunehmen, infolge der Diskussion über das AEG sei in Vergessenheit geraten, dass sein Beweisantrag über die Anordnung eines Blutgruppengutachtens und eines AEG hinausging. Bei Erlass des Urteils der letzten kantonalen Instanz (30. September 1970) war der Entscheid BGE 96 II 314 ff. (vom 17. Dezember 1970), in welchem sich das Bundesgericht erstmals eingehend mit der statistischen Auswertung serologischer Befunde auseinandersetzte, noch nicht ergangen, doch hatte diese Methode damals im Schrifttum und in Entscheidungen deutscher Gerichte bereits grundsätzliche Anerkennung gefunden (HEGNAUER, N. 156-160 zu Art. 314

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
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1 | Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
2 | Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern. |
3 | Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest. |

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 315 - 1 Die Kindesschutzmassnahmen werden von der Kindesschutzbehörde am Wohnsitz des Kindes angeordnet.450 |
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1 | Die Kindesschutzmassnahmen werden von der Kindesschutzbehörde am Wohnsitz des Kindes angeordnet.450 |
2 | Lebt das Kind bei Pflegeeltern oder sonst ausserhalb der häuslichen Gemeinschaft der Eltern oder liegt Gefahr im Verzug, so sind auch die Behörden am Ort zuständig, wo sich das Kind aufhält. |
3 | Trifft die Behörde am Aufenthaltsort eine Kindesschutzmassnahme, so benachrichtigt sie die Wohnsitzbehörde. |
BGE 97 II 297 S. 300
werden kann, sondern entsprechend dem zum Beleg angeführten Zitat aus dem Lehrbuch von PONSOLD der Grad der Zuverlässigkeit eines Vaterschaftsausschlusses zu verstehen ist; BGE 96 II 323 lit. c: "serostatistischer Ausschlussbefund", und lit. d, wo ebenfalls auf die Möglichkeit eines serostatistischen Vaterschaftsausschlusses Bezug genommen wird; vgl. ferner HUMMEL, Die medizinische Vaterschaftsbegutachtung mit biostatistischem Beweis, 1961, S. 8 Mitte, 15, 18, 20 Ziff. 2 Abs. 1, 35 Ziff. 3 Abs. 3; HUMMEL in PONSOLD, Lehrbuch der Gerichtlichen Medizin, 1967, S. 552 links unten und 555-557; BEITZKE im selben Lehrbuch S. 582 rechts oben und 583 rechts oben; HEGNAUER, N. 156 zu Art. 314

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
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1 | Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
2 | Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern. |
3 | Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest. |

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1 | Die Kindesschutzmassnahmen werden von der Kindesschutzbehörde am Wohnsitz des Kindes angeordnet.450 |
2 | Lebt das Kind bei Pflegeeltern oder sonst ausserhalb der häuslichen Gemeinschaft der Eltern oder liegt Gefahr im Verzug, so sind auch die Behörden am Ort zuständig, wo sich das Kind aufhält. |
3 | Trifft die Behörde am Aufenthaltsort eine Kindesschutzmassnahme, so benachrichtigt sie die Wohnsitzbehörde. |
BGE 97 II 297 S. 301
(Nacht vom 20. auf den 21. Mai 1964), d.h. 272 Tage vor der Geburt, allerdings ohne weiteres möglich. Über den Reifegrad liegen jedoch keine Feststellungen vor, obwohl das Frauenspital Basel, wo die Geburt erfolgt war, die nötigen Angaben zweifellos hätte liefern können. Die Einholung eines Reifegutachtens liess sich daher nicht von vornherein als zwecklos betrachten. Durften die kantonalen Instanzen die anthropologischerbbiologische Begutachtung mangels Ausschöpfung der Beweismöglichkeiten, welche die statistische Auswertung des Blutbefundes und das Reifegutachten boten, bisher noch gar nicht anordnen, so war es ihnen auch nicht gestattet, aus dem Umstand, dass der Beklagte sich weigerte, sich dieser Begutachtung zu unterziehen, dem Beklagten nachteilige Schlüsse zu ziehen. Aus diesem Grunde ist das angefochtene Urteil als bundesrechtswidrig aufzuheben. Die Sache ist zur Durchführung der versäumten Beweiserhebungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sollten diese Erhebungen nicht zu einem schlüssigen Ergebnis führen, so wäre die anthropologischerbbiologische Begutachtung von neuem anzuordnen. Da die bereits erfolgte Anordnung dieser Massnahme gegen eine bundesrechtliche Beweisregel verstiess und folglich unzulässig war, darf aus der Tatsache, dass der Beklagte es abgelehnt hat, sich der angeordneten Untersuchung zu unterziehen, nicht geschlossen werden, die neue Anordnung einer solchen Untersuchung sei zwecklos und habe daher zu unterbleiben. Dass der Beklagte das AEG auch dann vereitelt hätte, wenn vorher das serostatistische Gutachten und das Reifegutachten eingeholt worden wären, steht nicht von vornherein fest, sondern es ist möglich, dass die Ergebnisse dieser Gutachten seine Stellungnahme zum AEG beeinflusst hätten. Aus seinem bisherigen Verhalten darf daher nicht auf sein künftiges Verhalten geschlossen werden. Vielmehr ist er im Falle, dass die erwähnten übrigen Gutachten die streitige Abstammungsfrage nicht klären, anzufragen, ob er nunmehr bereit sei, zu einem AEG Hand zu bieten. Sollte er sich von neuem weigern, so hätte er ernstlich damit zu rechnen, dass er auf Grund dieser Weigerung und der übrigen Umstände des Falles von neuem verurteilt würde, und könnte er kaum hoffen, der Vollstreckung des Urteils in seinem Heimatstaat zu entgehen.