97 II 234
34. Urteil der I. Zivilabteilung vom 26. Oktober 1971 i.S. Intershop Holding AG gegen Interstop AG.
Regeste (de):
- Art. 951 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 951 - Die Firma einer Handelsgesellschaft oder einer Genossenschaft muss sich von allen in der Schweiz bereits eingetragenen Firmen von Handelsgesellschaften und Genossenschaften deutlich unterscheiden.
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 956 - 1 Die im Handelsregister eingetragene und im Schweizerischen Handelsamtsblatt veröffentlichte Firma eines einzelnen Geschäftsinhabers oder einer Handelsgesellschaft oder Genossenschaft steht dem Berechtigten zu ausschliesslichem Gebrauche zu.
1 Die im Handelsregister eingetragene und im Schweizerischen Handelsamtsblatt veröffentlichte Firma eines einzelnen Geschäftsinhabers oder einer Handelsgesellschaft oder Genossenschaft steht dem Berechtigten zu ausschliesslichem Gebrauche zu. 2 Wer durch den unbefugten Gebrauch einer Firma beeinträchtigt wird, kann auf Unterlassung der weitern Führung der Firma und bei Verschulden auf Schadenersatz klagen. - Anforderungen an die Unterscheidung von Gesellschaftsfirmen (Bestätigung der Rechtsprechung).
Regeste (fr):
- Art. 951 al. 2 et 956 al. 2 CO.
- Exigences touchant la différenciation des raisons sociales (confirmation de la jurisprudence).
Regesto (it):
- Art. 951 cpv. 2 e 956 cpv. 2 CO.
- Requisiti relativi alla differenziazione delle ditte commerciali (conferma della giurisprudenza).
Sachverhalt ab Seite 234
BGE 97 II 234 S. 234
A.- Die Intershop Holding AG, Zürich, wurde am 1. Juni 1962 gegründet und am folgenden Tag im Handelsregister eingetragen. Ihr Zweck besteht hauptsächlich in der Beteiligung an in- und ausländischen Unternehmen, insbesondere an solchen, die sich der Erschliessung und Finanzierung von Konsumgütermärkten widmen. Die Interstop AG besteht seit dem 6. Oktober 1966. Sie hatte ihren Sitz zunächst ebenfalls in Zürich. Am 28. Juni 1968 beschloss sie, ihn nach Zug zu verlegen. Sie bezweckt nach den Statuten den Erwerb, den Verkauf und die Verwaltung von Werten aller Art, insbesondere von Schutzrechten auf dem Gebiete des geistigen und gewerblichen Eigentums, sowie die Verwertung solcher Rechte; sie kann zudem Liegenschaften erwerben, verwalten und veräussern und sich an anderen Unternehmen mit ähnlicher Zwecksetzung beteiligen. Am 8. November 1966 machte die Intershop Holding AG die Interstop AG auf die Verwechslungsgefahr aufmerksam, welche sie durch die Wahl des Firmanamens geschaffen habe. Ihre Bemühungen, die Interstop AG zu einer Änderung des Namens zu bewegen, blieben jedoch ohne Erfolg.
B.- Im März 1969 klagte die Intershop Holding AG gegen die Interstop AG mit den Begehren, der Beklagten die Führung
BGE 97 II 234 S. 235
ihres Firmanamens zu verbieten und dessen Löschung im Handelsregister gerichtlich anzuordnen. Durch Urteil vom 23. September 1970 verbot das Kantonsgericht Zug der Beklagten, das Wort "Interstop" als Firma oder Bestandteil einer solchen zu verwenden; es verpflichtete sie ferner, das Handelsregisteramt innert dreissig Tagen um Entfernung des Wortes "Interstop" aus ihrer Firma zu ersuchen. Die Beklagte appellierte an das Obergericht des Kantons Zug, das die Klage am 6. April 1971 abwies.
C.- Die Klägerin beantragt dem Bundesgericht auf dem Wege der Berufung, dieses Urteil aufzuheben und ihre Klagebegehren gutzuheissen. Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil zu bestätigen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die Firmen der Aktiengesellschaften müssen sich von jeder in der Schweiz bereits eingetragenen Firma deutlich unterscheiden (Art. 951 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 951 - Die Firma einer Handelsgesellschaft oder einer Genossenschaft muss sich von allen in der Schweiz bereits eingetragenen Firmen von Handelsgesellschaften und Genossenschaften deutlich unterscheiden. |
BGE 97 II 234 S. 236
Auch genügt nicht, dass zwei Firmen bei aufmerksamem Vergleich unterscheidbar sind; sie müssen vielmehr in der Erinnerung deutlich auseinander gehalten werden können (BGE 92 II 96 /7, BGE 93 II 44, BGE 94 II 129, BGE 95 II 458 und 569). Trifft dies nicht zu, so kann der Inhaber der älteren Firma vom Richter verlangen, dass dem Inhaber der jüngeren deren weitere Führung verboten wird (Art. 956 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 956 - 1 Die im Handelsregister eingetragene und im Schweizerischen Handelsamtsblatt veröffentlichte Firma eines einzelnen Geschäftsinhabers oder einer Handelsgesellschaft oder Genossenschaft steht dem Berechtigten zu ausschliesslichem Gebrauche zu. |
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1 | Die im Handelsregister eingetragene und im Schweizerischen Handelsamtsblatt veröffentlichte Firma eines einzelnen Geschäftsinhabers oder einer Handelsgesellschaft oder Genossenschaft steht dem Berechtigten zu ausschliesslichem Gebrauche zu. |
2 | Wer durch den unbefugten Gebrauch einer Firma beeinträchtigt wird, kann auf Unterlassung der weitern Führung der Firma und bei Verschulden auf Schadenersatz klagen. |
2. Im vorliegenden Fall bestehen die Firmen der Parteien hauptsächlich aus den Fremdwörtern "Intershop" bzw. "Interstop". Diese Wörter unterscheiden sich bloss durch einen Konsonanten, der ihre Aussprache nur sehr wenig verändert; sie sind deshalb einander nicht bloss im Schriftbild, sondern auch im Wortklang täuschend ähnlich. Beiden Firmen ist ferner die Abkürzung für Aktiengesellschaft (AG) gemeinsam. Dem Wort "Holding" in der Firma der Klägerin kommt keine Unterscheidungskraft zu, da es bloss darauf hinweist, dass die Gesellschaft wirtschaftlich mit anderen verbunden ist. Die Möglichkeit von Verwechslungen und der Irreführung des Publikums ist umso weniger zu unterschätzen, als man allgemein dazu neigt, Firmen durch den blossen Gebrauch ihres charakteristischen Bestandteils abzukürzen. Auch die Firma der Klägerin wird, wie bereits das Kantonsgericht der Beklagten entgegengehalten hat, häufig ohne den Zusatz "Holding" verwendet, namentlich in den täglichen Börsenberichten von Presse und Radio. Die Gefahr von Verwechslungen liegt unter diesen Umständen auf der Hand. Sie lässt sich entgegen den Versuchen der Beklagten im Ernst nicht bestreiten, zumal es nach den Feststellungen der Vorinstanz z.B. bei der Zustellung von Postsendungen und Telegrammen wiederholt zu Verwechslungen gekommen ist. Das Obergericht bejaht die Verwechselbarkeit der streitigen Firmen, hält die Bezeichnung der Beklagten aber gleichwohl für zulässig, weil die Parteien nicht auf dem gleichen oder einem ähnlichen Gebiete tätig seien, von einer Täuschungsgefahr folglich nicht die Rede sein könne. Es beruft sich dabei auf YVES GENRE (Das Branchensystem im Firmenrecht, Diss. Zürich 1970), der das Firmenrecht entgegen der Rechtsprechung nach wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten ausrichten und das gesetzliche Gebot deutlicher Unterscheidbarkeit darauf beschränken möchte, Täuschungen innerhalb ein und derselben Branche zu vermeiden (vgl. insbes. S. 45 ff., 63 ff., 106 und
BGE 97 II 234 S. 237
114/5). Ähnlicher Auffassung ist MARIO M. PEDRAZZINI (Bemerkungen zur neueren firmenrechtlichen Praxis, in "Lebendiges Aktienrecht", Festgabe für Wolfhart Friedrich Bürgi, S. 299 ff.), der die Rechtsprechung des Bundesgerichts ebenfalls für zu streng hält und anregt, sie unter Berücksichtigung wettbewerbsrechtlicher Kriterien und Anwendung einer branchenmässigen Betrachtungsweise zu lockern. Zu dieser Kritik Stellung zu nehmen, erübrigt sich indes im vorliegenden Fall, da die Begehren der Klägerin so oder anders gutgeheissen werden müssen. Dem Obergericht ist vorweg entgegenzuhalten, dass Art. 951 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 951 - Die Firma einer Handelsgesellschaft oder einer Genossenschaft muss sich von allen in der Schweiz bereits eingetragenen Firmen von Handelsgesellschaften und Genossenschaften deutlich unterscheiden. |
BGE 97 II 234 S. 238
Gefahr von Verwechslungen selbst nach wettbewerbsrechtlichen Überlegungen zu bejahen. Die Klägerin kann somit vom Richter verlangen, dass der Beklagten der Gebrauch der Firmenbezeichnung "Interstop" verboten und ihr zudem befohlen wird, die Bezeichnung aus dem Handelsregister entfernen zu lassen. Das Verbot und der Befehl sind von Amtes wegen mit der Androhung zu verbinden, dass Widerhandlungen für die Organe der Beklagten die in Art. 292
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 292 - Wer der von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet, wird mit Busse bestraft. |
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- Die Berufung wird gutgeheissen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug vom 6. April 1971 aufgehoben. 2.- Der Beklagten wird die Führung des Firmanamens "Interstop" verboten und befohlen, das Handelsregisteramt des Kantons Zug binnen dreissig Tagen ab Zustellung dieses Urteils um Entfernung des Wortes "Interstop" aus ihrer Firma zu ersuchen. Verbot und Befehl werden mit der Androhung verbunden, dass im Falle der Widerhandlung die dafür verantwortlichen Organe der Beklagten gemäss Art. 292
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 292 - Wer der von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet, wird mit Busse bestraft. |