Urteilskopf

96 V 32

8. Auszug aus dem Urteil vom 11. Februar 1970 i.S. Bundesamt für Sozialversicherung gegen Stamm und Verwaltungsgericht des Kantons Bern
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Erwägungen ab Seite 32

BGE 96 V 32 S. 32

Aus den Erwägungen:

2. Gemäss Art. 16 Abs. 1
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 16 Erstmalige berufliche Ausbildung - 1 Versicherte, die ihre Berufswahl getroffen haben, die noch nicht erwerbstätig waren und denen infolge Invalidität bei der erstmaligen beruflichen Ausbildung in wesentlichem Umfang zusätzliche Kosten entstehen, haben Anspruch auf Ersatz dieser Kosten, sofern die Ausbildung ihren Fähigkeiten entspricht.
1    Versicherte, die ihre Berufswahl getroffen haben, die noch nicht erwerbstätig waren und denen infolge Invalidität bei der erstmaligen beruflichen Ausbildung in wesentlichem Umfang zusätzliche Kosten entstehen, haben Anspruch auf Ersatz dieser Kosten, sofern die Ausbildung ihren Fähigkeiten entspricht.
2    Die erstmalige berufliche Ausbildung soll sich nach Möglichkeit an der beruflichen Eingliederung im ersten Arbeitsmarkt orientieren und bereits dort erfolgen.
3    Der erstmaligen beruflichen Ausbildung gleichgestellt sind:
a  die berufliche Neuausbildung invalider Versicherter, die nach dem Eintritt der Invalidität eine ungeeignete und auf die Dauer unzumutbare Erwerbstätigkeit aufgenommen haben;
b  die berufliche Weiterausbildung im bisherigen oder in einem anderen Berufsfeld, sofern sie geeignet und angemessen ist und dadurch die Erwerbsfähigkeit voraussichtlich erhalten oder verbessert werden kann, ausgenommen sind Weiterausbildungen, die von Organisationen nach Artikel 74 angeboten werden; in begründeten, vom BSV umschriebenen Fällen kann von dieser Ausnahme abgewichen werden;
c  die Vorbereitung auf eine Hilfsarbeit oder auf eine Tätigkeit in einer geschützten Werkstätte.
4    Der Bundesrat kann die Voraussetzungen für die Zusprache der Massnahmen nach Absatz 3 Buchstabe c hinsichtlich Art, Dauer und Umfang festlegen.
IVG, welcher dem früheren Art. 16 entspricht und von der Gesetzesrevision nicht betroffen worden ist, haben Versicherte, die noch nicht erwerbstätig waren und denen infolge Invalidität bei der erstmaligen beruflichen Ausbildung in wesentlichem Umfang zusätzliche Kosten entstehen, Anspruch auf deren Ersatz, sofern die Ausbildung den Fähigkeiten des Versicherten entspricht. Durch den seit dem 1. Januar 1968 geltenden Art. 16 Abs. 2 lit. c, auf welchen sich der Versicherte heute beruft, wird "die berufliche Weiterausbildung, sofern dadurch die Erwerbsfähigkeit wesentlich verbessert werden kann", der erstmaligen beruflichen Ausbildung im Sinn des Absatzes 1 gleichgestellt. Es fragt sich heute erneut, was unter Weiterausbildung im Sinn des Art. 16 Abs. 2 lit. c grundsätzlich zu verstehen ist, ob lediglich die Erweiterung bereits erworbener Kenntnisse innerhalb ein und derselben Berufsart oder aber auch eine zweite Berufsausbildung mit wesentlich anderem Ziel, der sich ein Versicherter unterzieht, nachdem er die erste Ausbildung abgeschlossen und sogar während Jahren mit normaler Entlöhnung verwertet hat (vgl. das nicht publizierte Urteil vom 25. Februar 1969 i.S. Wyss, in welchem diese Frage erstmals aufgeworfen, jedoch offengelassen wurde). - In diesem Zusammenhang sind auch der französische und der italienische
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Wortlaut des Art. 16 Abs. 2 lit. c zu beachten. Diese sprechen von "perfectionnement professionnel" bzw. "perfezionamento professionale". Die hier verwendeten Ausdrücke deuten darauf hin, dass unter Weiterausbildung jene Berufsbildung zu verstehen ist, welche die im wesentlichen bereits erworbenen Kenntnisse eines Berufes im Hinblick auf ein Ziel innerhalb derselben Berufsart weiter ausbaut. In die gleiche Richtung weisen die Ausführungen des Bundesrates in seiner Botschaft vom 27. Februar 1967 zu der am 1. Januar 1968 in Kraft getretenen Gesetzesnovelle, wenn zu Art. 16 Abs. 2 lit. c erklärt wird: "In Berufen, die mehrere in sich abgeschlossene Ausbildungsetappen voraussetzen (wie beispielsweise akademische Berufe), kann das endgültige Berufsziel nicht immer bereits zu Beginn der erstmaligen beruflichen Ausbildung festgelegt werden. Zum Teil - namentlich bei höheren technischen Berufen - sind die einzelnen Ausbildungsetappen sogar durch Erwerbstätigkeiten unterbrochen." (Botschaft S. 21.) Diese Ausführungen lassen erkennen, dass die zitierte Bestimmung sich lediglich auf die Mehrkosten fortschreitender, ähnlich gearteter Ausbildungsetappen im Hinblick auf das im Rahmen dieser Etappen liegende Endziel bezieht. Es wäre nicht einzusehen, wie sich die in Art. 17
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 17 Umschulung - 1 Der Versicherte hat Anspruch auf Umschulung auf eine neue Erwerbstätigkeit, wenn die Umschulung infolge Invalidität notwendig ist und dadurch die Erwerbsfähigkeit voraussichtlich erhalten oder verbessert werden kann.134
1    Der Versicherte hat Anspruch auf Umschulung auf eine neue Erwerbstätigkeit, wenn die Umschulung infolge Invalidität notwendig ist und dadurch die Erwerbsfähigkeit voraussichtlich erhalten oder verbessert werden kann.134
2    Der Umschulung auf eine neue Erwerbstätigkeit ist die Wiedereinschulung in den bisherigen Beruf gleichgestellt.
IVG normierte "Umschulung auf eine neue Erwerbstätigkeit" von der "Weiterausbildung" gemäss Art. 16 Abs. 2 lit. c abgrenzen liesse, wenn unter Weiterausbildung eine Berufsschulung verstanden werden müsste, die auf ein wesentlich anderes berufliches Endziel als die ursprüngliche Ausbildung gerichtet ist. Eine zweite Berufsbildung mit wesentlich anderem Ziel ist nur im Rahmen des Art. 17
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 17 Umschulung - 1 Der Versicherte hat Anspruch auf Umschulung auf eine neue Erwerbstätigkeit, wenn die Umschulung infolge Invalidität notwendig ist und dadurch die Erwerbsfähigkeit voraussichtlich erhalten oder verbessert werden kann.134
1    Der Versicherte hat Anspruch auf Umschulung auf eine neue Erwerbstätigkeit, wenn die Umschulung infolge Invalidität notwendig ist und dadurch die Erwerbsfähigkeit voraussichtlich erhalten oder verbessert werden kann.134
2    Der Umschulung auf eine neue Erwerbstätigkeit ist die Wiedereinschulung in den bisherigen Beruf gleichgestellt.
IVG gesetzmässig. Bei der Weiterausbildung im Sinn des Art. 16 Abs. 2 lit. c hingegen muss es sich um die Fortsetzung oder Vervollkommnung einer erstmaligen Berufsbildung handeln.
3. Martin Stamm hat den Beruf eines kaufmännischen Angestellten erlernt und diesen während mehrerer Jahre mit Erfolg ausgeübt. Die Regionalstelle Zürich hat ihn am 31. Mai 1966 als vollwertigen kaufmännischen Angestellten qualifiziert. Der Versicherte möchte sich heute auf Kosten der Invalidenversicherung für die Sozialarbeit ausbilden lassen. Damit verfolgt er ein wesentlich neues, gegenüber dem kaufmännischen Beruf völlig anders geartetes Berufsziel. Dies ergibt sich auch daraus, dass die kaufmännische Lehre keineswegs Grundvoraussetzung

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für die Ausbildung zum Sozialarbeiter ist. Wie die Regionalstelle selber ausführt, wird eine "kaufmännische oder Verwaltungslehre als zweckmässige Vorbereitung unter anderen Möglichkeiten" von den Schulen für Sozialarbeit "bejaht". Die kaufmännische Lehre ist für den Sozialarbeiter aber keine unerlässliche Ausbildungsetappe. Von einer Weiterausbildung im Sinn des Art. 16 Abs. 2 lit. c
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 16 Erstmalige berufliche Ausbildung - 1 Versicherte, die ihre Berufswahl getroffen haben, die noch nicht erwerbstätig waren und denen infolge Invalidität bei der erstmaligen beruflichen Ausbildung in wesentlichem Umfang zusätzliche Kosten entstehen, haben Anspruch auf Ersatz dieser Kosten, sofern die Ausbildung ihren Fähigkeiten entspricht.
1    Versicherte, die ihre Berufswahl getroffen haben, die noch nicht erwerbstätig waren und denen infolge Invalidität bei der erstmaligen beruflichen Ausbildung in wesentlichem Umfang zusätzliche Kosten entstehen, haben Anspruch auf Ersatz dieser Kosten, sofern die Ausbildung ihren Fähigkeiten entspricht.
2    Die erstmalige berufliche Ausbildung soll sich nach Möglichkeit an der beruflichen Eingliederung im ersten Arbeitsmarkt orientieren und bereits dort erfolgen.
3    Der erstmaligen beruflichen Ausbildung gleichgestellt sind:
a  die berufliche Neuausbildung invalider Versicherter, die nach dem Eintritt der Invalidität eine ungeeignete und auf die Dauer unzumutbare Erwerbstätigkeit aufgenommen haben;
b  die berufliche Weiterausbildung im bisherigen oder in einem anderen Berufsfeld, sofern sie geeignet und angemessen ist und dadurch die Erwerbsfähigkeit voraussichtlich erhalten oder verbessert werden kann, ausgenommen sind Weiterausbildungen, die von Organisationen nach Artikel 74 angeboten werden; in begründeten, vom BSV umschriebenen Fällen kann von dieser Ausnahme abgewichen werden;
c  die Vorbereitung auf eine Hilfsarbeit oder auf eine Tätigkeit in einer geschützten Werkstätte.
4    Der Bundesrat kann die Voraussetzungen für die Zusprache der Massnahmen nach Absatz 3 Buchstabe c hinsichtlich Art, Dauer und Umfang festlegen.
IVG kann im vorliegenden Fall nicht die Rede sein. Daher vermag der Versicherte aus dieser Bestimmung keine Ansprüche abzuleiten. Schliesslich ist auch auf den dem Art. 16
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 16 Erstmalige berufliche Ausbildung - 1 Versicherte, die ihre Berufswahl getroffen haben, die noch nicht erwerbstätig waren und denen infolge Invalidität bei der erstmaligen beruflichen Ausbildung in wesentlichem Umfang zusätzliche Kosten entstehen, haben Anspruch auf Ersatz dieser Kosten, sofern die Ausbildung ihren Fähigkeiten entspricht.
1    Versicherte, die ihre Berufswahl getroffen haben, die noch nicht erwerbstätig waren und denen infolge Invalidität bei der erstmaligen beruflichen Ausbildung in wesentlichem Umfang zusätzliche Kosten entstehen, haben Anspruch auf Ersatz dieser Kosten, sofern die Ausbildung ihren Fähigkeiten entspricht.
2    Die erstmalige berufliche Ausbildung soll sich nach Möglichkeit an der beruflichen Eingliederung im ersten Arbeitsmarkt orientieren und bereits dort erfolgen.
3    Der erstmaligen beruflichen Ausbildung gleichgestellt sind:
a  die berufliche Neuausbildung invalider Versicherter, die nach dem Eintritt der Invalidität eine ungeeignete und auf die Dauer unzumutbare Erwerbstätigkeit aufgenommen haben;
b  die berufliche Weiterausbildung im bisherigen oder in einem anderen Berufsfeld, sofern sie geeignet und angemessen ist und dadurch die Erwerbsfähigkeit voraussichtlich erhalten oder verbessert werden kann, ausgenommen sind Weiterausbildungen, die von Organisationen nach Artikel 74 angeboten werden; in begründeten, vom BSV umschriebenen Fällen kann von dieser Ausnahme abgewichen werden;
c  die Vorbereitung auf eine Hilfsarbeit oder auf eine Tätigkeit in einer geschützten Werkstätte.
4    Der Bundesrat kann die Voraussetzungen für die Zusprache der Massnahmen nach Absatz 3 Buchstabe c hinsichtlich Art, Dauer und Umfang festlegen.
IVG übergeordneten, in Art. 8 Abs. 1
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 8 Grundsatz - 1 Invalide oder von einer Invalidität (Art. 8 ATSG79) bedrohte Versicherte haben Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen, soweit:
1    Invalide oder von einer Invalidität (Art. 8 ATSG79) bedrohte Versicherte haben Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen, soweit:
a  diese notwendig und geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit oder die Fähigkeit, sich im Aufgabenbereich zu betätigen, wieder herzustellen, zu erhalten oder zu verbessern; und
b  die Voraussetzungen für den Anspruch auf die einzelnen Massnahmen erfüllt sind.80
1bis    Der Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen besteht unabhängig von der Ausübung einer Erwerbstätigkeit vor Eintritt der Invalidität. Bei der Festlegung der Massnahmen sind insbesondere zu berücksichtigen:
a  das Alter;
b  der Entwicklungsstand;
c  die Fähigkeiten der versicherten Person; und
d  die zu erwartende Dauer des Erwerbslebens.81
1ter    Bei Abbruch einer Eingliederungsmassnahme wird nach Massgabe der Absätze 1 und 1bis eine wiederholte Zusprache derselben oder einer anderen Eingliederungsmassnahme geprüft.82
2    Nach Massgabe der Artikel 13 und 21 besteht der Anspruch auf Leistungen unabhängig von der Möglichkeit einer Eingliederung ins Erwerbsleben oder in den Aufgabenbereich.83
2bis    Nach Massgabe von Artikel 16 Absatz 3 Buchstabe b besteht der Anspruch auf Leistungen unabhängig davon, ob die Eingliederungsmassnahmen notwendig sind oder nicht, um die Erwerbsfähigkeit oder die Fähigkeit, sich im Aufgabenbereich zu betätigen, zu erhalten oder zu verbessern.84
3    Die Eingliederungsmassnahmen bestehen in:
a  medizinischen Massnahmen;
abis  Beratung und Begleitung;
ater  Integrationsmassnahmen zur Vorbereitung auf die berufliche Eingliederung;
b  Massnahmen beruflicher Art;
c  ...88
d  der Abgabe von Hilfsmitteln;
e  ...89
4    ...90
IVG verankerten Grundsatz hinzuweisen, wonach invalide oder von Invalidität unmittelbar bedrohte Versicherte nur so weit Eingliederungsmassnahmen beanspruchen können, als diese für die Wiederherstellung oder Verbesserung der Erwerbsfähigkeit notwendig sind. Eine derartige invaliditätsbedingte Notwendigkeit zu weiterer Ausbildung besteht im vorliegenden Fall nicht, denn der Beschwerdegegner ist schon als qualifizierter kaufmännischer Angestellter hinlänglich ins Erwerbsleben eingegliedert gewesen...
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 96 V 32
Date : 11. Februar 1970
Published : 31. Dezember 1970
Source : Bundesgericht
Status : 96 V 32
Subject area : BGE - Sozialversicherungsrecht (bis 2006: EVG)
Subject : Art. 16 Abs. 2 lit. c IVG: Erstmalige berufliche Ausbildung. Über den Begriff der Weiterausbildung.


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