Urteilskopf

95 IV 32

9. Entscheid der Anklagekammer vom 2. April 1969 i.S. Generalprokurator des Kantons Bern gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 33

BGE 95 IV 32 S. 33

A.- Der Gerichtspräsident von Aarberg erliess am 17. Dezember 1968 gegen W. in Ortschwaben ein auf Fr. 200.-- Busse lautendes Strafmandat mit dem Vorwurf, W. habe sich anfangs Dezember 1968 anlässlich des Vollzuges eines Arrestes durch das Betreibungsamt Aarberg im Sinne von Art. 323 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 323 - Mit Busse wird bestraft:
1    der Schuldner, der einer Pfändung oder der Aufnahme eines Güter-verzeichnisses, die ihm gemäss Gesetz angekündigt worden sind, weder selbst beiwohnt noch sich dabei vertreten lässt (Art. 91 Abs. 1 Ziff. 1, 163 Abs. 2 und 341 Abs. 1 SchKG458);459
2    der Schuldner, der seine Vermögensgegenstände, auch wenn sie sich nicht in seinem Gewahrsam befinden, sowie seine Forderungen und Rechte gegenüber Dritten nicht so weit angibt, als dies zu einer genügenden Pfändung oder zum Vollzug eines Arrestes nötig ist (Art. 91 Abs. 1 Ziff. 2 und 275 SchKG);
3    der Schuldner, der seine Vermögensgegenstände, auch wenn sie sich nicht in seinem Gewahrsam befinden, sowie seine Forderungen und Rechte gegenüber Dritten bei Aufnahme eines Güterverzeichnisses nicht vollständig angibt (Art. 163 Abs. 2, 341 Abs. 1 SchKG);460
4    der Schuldner, der dem Konkursamt nicht alle seine Vermögensgegenstände angibt und zur Verfügung stellt (Art. 222 Abs. 1 SchKG);
5    der Schuldner, der während des Konkursverfahrens nicht zur Verfügung der Konkursverwaltung steht, wenn er dieser Pflicht nicht durch besondere Erlaubnis enthoben wurde (Art. 229 Abs. 1 SchKG).
StGB des Ungehorsams schuldig gemacht. W. erhob Einspruch, worauf der Gerichtspräsident ihn am 21. Januar 1969 einvernahm und am folgenden Tage die Bezirksanwaltschaft Zürich bat, sich zur Gerichtsstandsfrage zu äussern, da W. dort wegen Verlassens einer Geschwängerten (Art. 218
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 218
StGB) angezeigt sei. Die Bezirksanwaltschaft Zürich antwortete am 28. Januar 1969, es treffe zu, dass bei ihr gegen W. eine Untersuchung wegen Verlassens einer Geschwängerten hängig sei. In Aarberg werde ihm jedoch nur eine Übertretung vorgeworfen, und zur Verfolgung solcher seien im Kanton Zürich die Statthalterämter und Gemeinderäte zuständig, wenn sie nicht im Sinne des § 94 a Abs. 2 des zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) mit Verbrechen oder Vergehen zusammenhingen, was hier nicht der Fall sei. Wenn die Bezirksanwaltschaft den Gerichtsstand Zürich für die Übertretung bejahen würde, müsste sie daher die Akten dem Polizeirichteramt der Stadt Zürich überweisen, besonders dann, wenn sie, was zu vermuten sei, die Untersuchung wegen Verlassens einer Geschwängerten einstellen würde. Sie ersuche daher den Gerichtspräsidenten von Aarberg, das Verfahren wegen des Ungehorsams weiterzuführen. Der Gerichtspräsident von Aarberg überwies hierauf die Sache dem Generalprokurator des Kantons Bern, und dieser antwortete der Bezirksanwaltschaft Zürich am 30. Januar 1969, er könne ihre Auffassung nicht teilen, da nach Art. 350 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.
StGB die Behörden des Kantons Zürich, wo die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat verübt wurde, auch bezüglich des Berner Falles zuständig seien.
BGE 95 IV 32 S. 34

Mit Schreiben vom 10. Februar 1969 teilte die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich die Auffassung der Bezirksanwaltschaft. Sie fügte bei, das Polizeirichteramt der Stadt Zürich oder das Statthalteramt Zürich, denen die Akten überwiesen werden müssten, würden ihre Zuständigkeit voraussichtlich nicht anerkennen. Die Übernahme der Verfolgung wegen des Ungehorsams sei auch deshalb nicht am Platze, weil in Aarberg schon ein Strafmandat erlassen worden sei. Es sei am zweckmässigsten, wenn die bernischen Behörden über den Einspruch des W. weiter befänden, zumal alle Beteiligten im Kanton Bern wohnten und die Untersuchung wegen Verlassens einer Geschwängerten voraussichtlich eingestellt werde.
B.- Mit Eingabe vom 26./28. März 1969 ersucht der Generalprokurator des Kantons Bern die Anklagekammer des Bundesgerichtes, in der Strafsache gegen W. die Behörden des Kantons Zürich zur Verfolgung und Beurteilung zuständig zu erklären.
Erwägungen

Die Anklagekammer zieht in Erwägung:

1. Das Verlassen einer Geschwängerten ist mit Gefängnis bedroht (Art. 218
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 218
StGB), der Ungehorsam des Schuldners beim Vollzug eines Arrestes dagegen nur mit Haft bis zu vierzehn Tagen oder mit Busse (Art. 323 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 323 - Mit Busse wird bestraft:
1    der Schuldner, der einer Pfändung oder der Aufnahme eines Güter-verzeichnisses, die ihm gemäss Gesetz angekündigt worden sind, weder selbst beiwohnt noch sich dabei vertreten lässt (Art. 91 Abs. 1 Ziff. 1, 163 Abs. 2 und 341 Abs. 1 SchKG458);459
2    der Schuldner, der seine Vermögensgegenstände, auch wenn sie sich nicht in seinem Gewahrsam befinden, sowie seine Forderungen und Rechte gegenüber Dritten nicht so weit angibt, als dies zu einer genügenden Pfändung oder zum Vollzug eines Arrestes nötig ist (Art. 91 Abs. 1 Ziff. 2 und 275 SchKG);
3    der Schuldner, der seine Vermögensgegenstände, auch wenn sie sich nicht in seinem Gewahrsam befinden, sowie seine Forderungen und Rechte gegenüber Dritten bei Aufnahme eines Güterverzeichnisses nicht vollständig angibt (Art. 163 Abs. 2, 341 Abs. 1 SchKG);460
4    der Schuldner, der dem Konkursamt nicht alle seine Vermögensgegenstände angibt und zur Verfügung stellt (Art. 222 Abs. 1 SchKG);
5    der Schuldner, der während des Konkursverfahrens nicht zur Verfügung der Konkursverwaltung steht, wenn er dieser Pflicht nicht durch besondere Erlaubnis enthoben wurde (Art. 229 Abs. 1 SchKG).
StGB). Gemäss Art. 350 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.
StGB sind daher die Behörden des Kantons Zürich zur Verfolgung und Beurteilung beider dem W. zur Last gelegten strafbaren Handlungen zuständig. Dass das zürcherische Recht mangels eines Zusammenhanges zwischen beiden Handlungen die eine nicht von vornherein durch die gleiche Behörde verfolgen lässt, ändert nichts. Kantonale Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit vermögen die bundesrechtlichen Bestimmungen über die interkantonale Zuständigkeit nicht unwirksam zu machen, da Bundesrecht dem kantonalen Recht vorgeht (Art. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 2 Zweck - 1 Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes.
1    Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes.
2    Sie fördert die gemeinsame Wohlfahrt, die nachhaltige Entwicklung, den inneren Zusammenhalt und die kulturelle Vielfalt des Landes.
3    Sie sorgt für eine möglichst grosse Chancengleichheit unter den Bürgerinnen und Bürgern.
4    Sie setzt sich ein für die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und für eine friedliche und gerechte internationale Ordnung.
UeBest BV).
2. Die Anklagekammer des Bundesgerichtes kann die Zuständigkeit beim Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen anders als in Art. 350
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.
StGB bestimmen (Art. 263
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.
BStP). Sie braucht dabei die Einheit des Gerichtsstandes nicht zu wahren, sondern kann die zusammentreffenden Handlungen verschiedenen Kantonen zur Verfolgung und Beurteilung zuweisen (BGE 68 IV 124ff.,BGE 69 IV 47Erw. 3). Art 68
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 68 - 1 Ist die Veröffentlichung eines Strafurteils im öffentlichen Interesse, im Interesse des Verletzten oder des Antragsberechtigten geboten, so ordnet sie das Gericht auf Kosten des Verurteilten an.
1    Ist die Veröffentlichung eines Strafurteils im öffentlichen Interesse, im Interesse des Verletzten oder des Antragsberechtigten geboten, so ordnet sie das Gericht auf Kosten des Verurteilten an.
2    Ist die Veröffentlichung eines freisprechenden Urteils oder einer Einstellungsverfügung der Strafverfolgungsbehörde im öffentlichen Interesse, im Interesse des Freigesprochenen oder Entlasteten geboten, so ordnet sie das Gericht auf Staatskosten oder auf Kosten des Anzeigers an.
3    Die Veröffentlichung im Interesse des Verletzten, Antragsberechtigten, Freigesprochenen oder Entlasteten erfolgt nur auf deren Antrag.
4    Das Gericht bestimmt Art und Umfang der Veröffentlichung.
StGB gibt dem Beschuldigten nicht Anspruch, für alle Handlungen
BGE 95 IV 32 S. 35

durch ein und denselben Richter und in einem einzigen Verfahren beurteilt zu werden (BGE 84 IV 11, BGE 91 IV 59). Auch Art. 350 Ziff. 1
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StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.
StGB verlangt die Vereinigung der Verfahren nicht; diese Bestimmung regelt nur die örtliche Zuständigkeit. 3. - Von Art. 350 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.
StGB wurde in der Praxis abgewichen, wenn sich durch die Bestimmung eines einheitlichen Gerichtsstandes die gleichzeitige Beurteilung des Beschuldigten durch ein und denselben Richter ohnehin nicht hätte verwirklichen lassen (BGE 68 IV 124f.). Denn das kantonale Prozessrecht bestimmt, unter welchen Voraussetzungen die Behandlung durch ein und dieselbe Behörde möglich ist, und wenn es die Vereinigung der Verfahren nicht zulässt, kann der einheitliche örtliche Gerichtsstand sinnlos werden.
Unter diesem Gesichtspunkt lässt sich im vorliegenden Falle die Zuweisung der Gerichtsbarkeit an den Kanton Bern für die Verfolgung und Beurteilung des Ungehorsams im Arrestverfahren nicht ohne weiteres rechtfertigen. Gewiss sind im Kanton Zürich Übertretungen grundsätzlich durch die Statthalterämter und die Gemeinderäte - in der Stadt Zürich durch das Polizeirichteramt - zu verfolgen und erklärt § 94 a Abs. 2 GVG die Untersuchungs-, Anklage- oder Gerichtsbehörden, die ein Verbrechen oder Vergehen untersuchen und beurteilen, nur dann zur Mitverfolgung von Übertretungen zuständig, wenn diese mit dem Verbrechen oder Vergehen zusammenhangen. Es gibt aber noch andere Fälle, in denen die Zuständigkeit der Statthalterämter und der Gemeinderäte auf Grund des in § 94 a Abs. 1 GVG enthaltenen Vorbehaltes gesetzlicher Ausnahmen entfällt. So weist § 335 StPO das Statthalteramt an, die Akten zur Durchführung der Untersuchung und zur Erledigung der Bezirksanwaltschaft zu überweisen, wenn es eine Haftstrafe für angemessen hält. Da Art. 323
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 323 - Mit Busse wird bestraft:
1    der Schuldner, der einer Pfändung oder der Aufnahme eines Güter-verzeichnisses, die ihm gemäss Gesetz angekündigt worden sind, weder selbst beiwohnt noch sich dabei vertreten lässt (Art. 91 Abs. 1 Ziff. 1, 163 Abs. 2 und 341 Abs. 1 SchKG458);459
2    der Schuldner, der seine Vermögensgegenstände, auch wenn sie sich nicht in seinem Gewahrsam befinden, sowie seine Forderungen und Rechte gegenüber Dritten nicht so weit angibt, als dies zu einer genügenden Pfändung oder zum Vollzug eines Arrestes nötig ist (Art. 91 Abs. 1 Ziff. 2 und 275 SchKG);
3    der Schuldner, der seine Vermögensgegenstände, auch wenn sie sich nicht in seinem Gewahrsam befinden, sowie seine Forderungen und Rechte gegenüber Dritten bei Aufnahme eines Güterverzeichnisses nicht vollständig angibt (Art. 163 Abs. 2, 341 Abs. 1 SchKG);460
4    der Schuldner, der dem Konkursamt nicht alle seine Vermögensgegenstände angibt und zur Verfügung stellt (Art. 222 Abs. 1 SchKG);
5    der Schuldner, der während des Konkursverfahrens nicht zur Verfügung der Konkursverwaltung steht, wenn er dieser Pflicht nicht durch besondere Erlaubnis enthoben wurde (Art. 229 Abs. 1 SchKG).
StGB nicht nur Busse, sondern wahlweise auch Haft bis zu vierzehn Tagen androht, wäre daher im vorliegenden Falle nicht ausgeschlossen, dass das Statthalteramt die Sache der Bezirksanwaltschaft überweisen würde. Zudem kann der Beschuldigte, wenn er durch die Strafverfügung der Verwaltungsbehörde zu Busse verurteilt worden ist, gerichtliche Beurteilung verlangen (§ 346 StPO), was zur Überweisung an den Einzelrichter oder das Bezirksgericht führt, wenn die Verwaltungsbehörde die Strafverfügung aufrecht hält und der Beschuldigte auf seinem Begehren beharrt (§ 347 StPO). Da W. gegen das Strafmandat des Gerichtspräsidenten
BGE 95 IV 32 S. 36

von Aarberg Einspruch erhoben hat, ist vorauszusehen, dass er auch in Zürich die Strafverfügung der Verwaltungsbehörde nicht hinnehmen würde. Es kann indessen offen bleiben, ob im vorliegenden Falle im Kanton Zürich ein und derselbe Richter gleichzeitig über den Ungehorsam und über das Verlassen einer Geschwängerten urteilen könnte. Im Kanton Bern ist gegen W. wegen des Ungehorsams bereits ein Strafmandat ergangen. Dieses hat die Bedeutung eines Urteils, obwohl es zufolge des Einspruchs nicht rechtskräftig geworden ist (vgl. Art. 224 bern. StrV). Die Anklagekammer pflegt von der Möglichkeit der Trennung des interkantonalen Gerichtsstandes namentlich dann Gebrauch zu machen, wenn in einem Kanton bereits ein noch nicht rechtskräftiges Urteil ergangen ist (Entscheide vom 5. Januar 1944 i.S. Helwig und vom 6. März 1944 i.S. Frey). Allerdings erfordert ein Strafmandat keinen grossen prozessualen Aufwand. Auch nach dem Einspruch des W. geschah nichts Weiteres, als dass der Gerichtspräsident den Beschuldigten einvernahm. Hauptverhandlung ist noch keine durchgeführt worden. Dennoch rechtfertigt es sich nicht, wegen des Übertretungstatbestandes in Zürich ein neues Verfahren einzuleiten. Wie sich aus einer Verfügung des Gerichtspräsidenten von Aarberg vom 21. Januar 1969 ergibt, erfordert die Beurteilung die Einvernahme zweier Zeugen aus Ortschwaben und Schüpfen. Diese müssten also entweder nach Zürich vorgeladen oder auf dem Wege der Rechtshilfe einvernommen werden. Es ist einfacher, das begonnene Verfahren in Aarberg zu beenden. Dem Beschuldigten wird daraus kein Nachteil entstehen. Sollte der Gerichtspräsident von Aarberg, wie er es im Strafmandat vorgesehen hatte, bei einer Busse bewenden lassen, in Zürich dagegen für den Tatbestand des Verlassens einer Geschwängerten eine Gefängnisstrafe ausgesprochen werden, so liesse sich das unter dem Gesichtspunkt von Art. 68 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 68 - 1 Ist die Veröffentlichung eines Strafurteils im öffentlichen Interesse, im Interesse des Verletzten oder des Antragsberechtigten geboten, so ordnet sie das Gericht auf Kosten des Verurteilten an.
1    Ist die Veröffentlichung eines Strafurteils im öffentlichen Interesse, im Interesse des Verletzten oder des Antragsberechtigten geboten, so ordnet sie das Gericht auf Kosten des Verurteilten an.
2    Ist die Veröffentlichung eines freisprechenden Urteils oder einer Einstellungsverfügung der Strafverfolgungsbehörde im öffentlichen Interesse, im Interesse des Freigesprochenen oder Entlasteten geboten, so ordnet sie das Gericht auf Staatskosten oder auf Kosten des Anzeigers an.
3    Die Veröffentlichung im Interesse des Verletzten, Antragsberechtigten, Freigesprochenen oder Entlasteten erfolgt nur auf deren Antrag.
4    Das Gericht bestimmt Art und Umfang der Veröffentlichung.
StGB nicht beanstanden, denn wenn der Schuldige nach einer Strafbestimmung Busse und nach einer anderen Freiheitsstrafe verwirkt hat, sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts beide Strafen zu verhängen (BGE 75 IV 2, BGE 86 IV 233). Würde der Gerichtspräsident von Aarberg dagegen Haft als angemessen erachten - was nach Art. 225 Abs. 3 bern. StrV nicht ausgeschlossen wäre -, so hätte entweder er oder der zürcherische Richter dem Art. 68 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 68 - 1 Ist die Veröffentlichung eines Strafurteils im öffentlichen Interesse, im Interesse des Verletzten oder des Antragsberechtigten geboten, so ordnet sie das Gericht auf Kosten des Verurteilten an.
1    Ist die Veröffentlichung eines Strafurteils im öffentlichen Interesse, im Interesse des Verletzten oder des Antragsberechtigten geboten, so ordnet sie das Gericht auf Kosten des Verurteilten an.
2    Ist die Veröffentlichung eines freisprechenden Urteils oder einer Einstellungsverfügung der Strafverfolgungsbehörde im öffentlichen Interesse, im Interesse des Freigesprochenen oder Entlasteten geboten, so ordnet sie das Gericht auf Staatskosten oder auf Kosten des Anzeigers an.
3    Die Veröffentlichung im Interesse des Verletzten, Antragsberechtigten, Freigesprochenen oder Entlasteten erfolgt nur auf deren Antrag.
4    Das Gericht bestimmt Art und Umfang der Veröffentlichung.
StGB über die Ausfällung
BGE 95 IV 32 S. 37

einer Zusatzstrafe Rechnung zu tragen. Übrigens ist nach der Auffassung der zürcherischen Behörden zweifelhaft, ob das Verfahren wegen Verlassens einer Geschwängerten überhaupt zu einem Urteil führen wird.
4. Der Versuch des Generalprokurators des Kantons Bern, das Verfahren wegen Ungehorsams den Zürcher Behörden zuzuschieben, ist angesichts der Umstände nicht recht zu verstehen. Für dieses Mal wird aber noch davon abgesehen, in Abweichung von der Regel des Art. 156 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.
OG die Kosten dem Kanton Bern aufzuerlegen (BGE 86 IV 195 Erw. 3).
Dispositiv

Demnach erkennt die Anklagekammer:
Das Gesuch wird abgewiesen, und die Behörden des Kantons Bern werden zuständig erklärt, W. wegen des Ungehorsams im Arrestverfahren zu verfolgen und zu beurteilen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 95 IV 32
Datum : 02. April 1969
Publiziert : 31. Dezember 1970
Quelle : Bundesgericht
Status : 95 IV 32
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Trennung der Verfahren und des interkantonalen Gerichtsstandes. 1. Die bundesrechtlichen Bestimmungen über die interkantonale


Gesetzesregister
BStP: 263
BV: 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 2 Zweck - 1 Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes.
1    Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes.
2    Sie fördert die gemeinsame Wohlfahrt, die nachhaltige Entwicklung, den inneren Zusammenhalt und die kulturelle Vielfalt des Landes.
3    Sie sorgt für eine möglichst grosse Chancengleichheit unter den Bürgerinnen und Bürgern.
4    Sie setzt sich ein für die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und für eine friedliche und gerechte internationale Ordnung.
OG: 156
StGB: 68 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 68 - 1 Ist die Veröffentlichung eines Strafurteils im öffentlichen Interesse, im Interesse des Verletzten oder des Antragsberechtigten geboten, so ordnet sie das Gericht auf Kosten des Verurteilten an.
1    Ist die Veröffentlichung eines Strafurteils im öffentlichen Interesse, im Interesse des Verletzten oder des Antragsberechtigten geboten, so ordnet sie das Gericht auf Kosten des Verurteilten an.
2    Ist die Veröffentlichung eines freisprechenden Urteils oder einer Einstellungsverfügung der Strafverfolgungsbehörde im öffentlichen Interesse, im Interesse des Freigesprochenen oder Entlasteten geboten, so ordnet sie das Gericht auf Staatskosten oder auf Kosten des Anzeigers an.
3    Die Veröffentlichung im Interesse des Verletzten, Antragsberechtigten, Freigesprochenen oder Entlasteten erfolgt nur auf deren Antrag.
4    Das Gericht bestimmt Art und Umfang der Veröffentlichung.
218 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 218
323 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 323 - Mit Busse wird bestraft:
1    der Schuldner, der einer Pfändung oder der Aufnahme eines Güter-verzeichnisses, die ihm gemäss Gesetz angekündigt worden sind, weder selbst beiwohnt noch sich dabei vertreten lässt (Art. 91 Abs. 1 Ziff. 1, 163 Abs. 2 und 341 Abs. 1 SchKG458);459
2    der Schuldner, der seine Vermögensgegenstände, auch wenn sie sich nicht in seinem Gewahrsam befinden, sowie seine Forderungen und Rechte gegenüber Dritten nicht so weit angibt, als dies zu einer genügenden Pfändung oder zum Vollzug eines Arrestes nötig ist (Art. 91 Abs. 1 Ziff. 2 und 275 SchKG);
3    der Schuldner, der seine Vermögensgegenstände, auch wenn sie sich nicht in seinem Gewahrsam befinden, sowie seine Forderungen und Rechte gegenüber Dritten bei Aufnahme eines Güterverzeichnisses nicht vollständig angibt (Art. 163 Abs. 2, 341 Abs. 1 SchKG);460
4    der Schuldner, der dem Konkursamt nicht alle seine Vermögensgegenstände angibt und zur Verfügung stellt (Art. 222 Abs. 1 SchKG);
5    der Schuldner, der während des Konkursverfahrens nicht zur Verfügung der Konkursverwaltung steht, wenn er dieser Pflicht nicht durch besondere Erlaubnis enthoben wurde (Art. 229 Abs. 1 SchKG).
350
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.
BGE Register
75-IV-1 • 84-IV-11 • 86-IV-195 • 86-IV-226 • 91-IV-57 • 95-IV-32
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beschuldigter • busse • anklagekammer • tag • bundesgericht • sachverhalt • staatsanwalt • sachliche zuständigkeit • strafbare handlung • entscheid • haftstrafe • richterliche behörde • kantonales recht • gesuch an eine behörde • strafbefehl • kosten • rechtshilfegesuch • beginn • trennung von verfahren • judikative
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