Urteilskopf

94 II 59

9. Verfügung des Präsidenten der II. Zivilabteilung vom 24. April 1968 i.S. Koerfer und Kons. gegen Goldschmidt.
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


BGE 94 II 59 S. 59

Nach Feststellung,
- dass die Beklagten und Berufungskläger unterm 29. Januar 1968 das Begehren gestellt haben, den Kläger und Berufungsbeklagten zur Sicherstellung der allfälligen Parteientschädigung an die Beklagten und Berufungskläger zu verhalten, wofür namentlich auf den Wohnsitz des Berufungsbeklagten in New York verwiesen wird; - dass der Berufungsbeklagte diese Sicherstellung in seiner Vernehmlassung vom 9. April 1968 ablehnt;
BGE 94 II 59 S. 60

Erwägungen

und in Erwägung:

1. Gemäss Art. 150 Abs. 1 OG hat in der Regel "wer das Bundesgericht anruft, nach Anordnung des Präsidenten die mutmasslichen Gerichtskosten... sicherzustellen...". In Art. 150 Abs. 2 OG, auf den sich die Gesuchsteller berufen, wird sodann folgendes bestimmt: "Eine Partei kann auf Begehren der Gegenpartei vom Präsidenten oder Instruktionsrichter zur Sicherstellung für eine allfällige Parteientschädigung angehalten werden, wenn sie in der Schweiz keinen festen Wohnsitz hat oder erweislich zahlungsunfähig ist." Abs. 2 des Art. 150 OG vom 16. Dezember 1943 stammt, wie der Berufungsbeklagte zutreffend annimmt, von Art. 213 aoG vom 22. März 1893. Auffällig ist im revidierten Gesetz der Unterschied in der Fassung der Absätze 1 und 2 des Art. 150: "wer das Bundesgericht anruft", hat nach Abs. 1 die Gerichtskosten sicherzustellen, während laut Abs. 2 die Sicherstellung der Parteientschädigung "eine Partei... auf Begehren der Gegenpartei" trifft. Man wäre versucht, hieraus zu schliessen, die Pflicht zur Sicherstellung der Parteikosten könne im Gegensatz zu derjenigen für die Gerichtskosten jede der Berufungsparteien, den Berufungsbeklagten wie den Berufungskläger treffen. Und doch ist das nicht der Fall. Die Bezeichnung des Sicherstellungspflichtigen mit "eine Partei" fand sich schon in Art. 213 aoG, welcher sich sowohl auf die Prozesskosten als die Prozessentschädigung bezog. Sie wurde aber nur gewählt, um deutlich zu machen, dass der Berufungskläger (wie der Anschlussberufungs- und der Nichtigkeitskläger) nicht identisch mit der Klägerpartei des Prozesses zu sein braucht. Mit der allgemeinen Fassung "Partei" sollte also "offenbar nicht gemeint sein, dass der Berufungskläger von der Gegenpartei, wenn sie im Ausland domiziliert ist, Kostenversicherung verlangen kann" (REICHEL zu Art. 213 aoG N. 3; zustimmend WEISS, Berufung S. 150 Ziff. 3). Dem entsprach auch die Gerichtspraxis zu Art. 213 aoG (BGE 65 II 25), worauf der Berufungsbeklagte mit Recht hinweist.
2. Die Revision vom 16. Dezember 1943 hat am früheren Rechtszustand nichts geändert. Die Vorschusspflicht des Abs. 1 von Art. 150 belastet natürlicherweise denjenigen, der vom Rechtsmittel der Berufung (resp. Anschlussberufung)
BGE 94 II 59 S. 61

Gebrauch macht, also den Berufungskläger (vgl. analog Art. 151). Durch die Revision wurde lediglich die Ausdehnung der Pflicht zur Sicherstellung der (allfälligen) Parteientschädigung auf den (in aoG Art. 213 nicht vorgesehenen) Fall erweislicher Zahlungsunfähigkeit bezweckt (hierüber die Botsch. vom 9. Febr. 1942, S. 151 f., bes. Abs. 3). Die Trennung der beiden Fälle im rev. Gesetz (Gerichtskosten einerseits, Parteikosten anderseits) erfolgte lediglich wegen der Umschreibung von speziellen Voraussetzungen (vgl. auch die Botsch. Abs. 4). Dementsprechend findet sich die Auffassung der Berufungskläger nirgends vertreten (vgl. zu Art. 150 OG: GRÜNINGER, N. 2; BIRCHMEIER, N. 2 in fine). Im Gesetz (Art. 150 Abs. 4 OG) wird denn auch (entsprechend aoG Art. 213) weiter bestimmt, dass bei fruchtlosem Ablauf der "für die Sicherstellung (nach Abs. 1 oder 2) gesetzten Frist"... "auf die Rechtsvorkehr nicht eingetreten" wird. Hieraus erhellt wieder, dass die Pflicht zur Sicherstellung der Parteikosten nach Abs. 2 nicht den Berufungsbeklagten treffen kann. Berufungsantwort und besondere Verteidigung des Berufungsbeklagten sind ohnehin fakultativ (Art. 61 Abs. 2 und Art. 62 Abs. 5 OG; vgl. ähnlich schonBGE 36 II 286unten).

3. Für die gesetzliche Regelung bestehen sachliche Gründe. Die Berufung soll Verlusten und dem Hinausschieben der Rechtskraft kantonaler Urteile durch unbegründete Ergreifung von Rechtsmitteln nicht Vorschub leisten können (Botsch. 1.c., Abs. 2).
4. Ist somit das Gesuch der Berufungskläger mangels gesetzlicher Grundlage abzuweisen, so spielt es keine Rolle, dass die Vereinigten Staaten von Nordamerika auch der rev. Haager Übereinkunft betreffend Zivilprozessrecht vom 1. März 1954 nicht beigetreten sind; denn es ist - da vorliegend keine Pflicht zur Sicherstellung besteht - gleichgültig, ob der Berufungsbeklagte von ihr kraft Staatsvertrages befreit wäre oder nicht;
Dispositiv

verfügt der Präsident der II. Zivilabteilung:
Das Begehren der Berufungskläger um Sicherstellung der allfälligen Parteientschädigung wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 94 II 59
Datum : 24. April 1968
Publiziert : 31. Dezember 1969
Quelle : Bundesgericht
Status : 94 II 59
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Art. 150 Abs. 2 OG verpflichtet (ebenso wie Art. 213 aoG) nicht auch die im Ausland wohnhafte berufungsbeklagte Partei zur


Gesetzesregister
OG: 61  62  150  213
BGE Register
65-II-21 • 94-II-59
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
gerichtskosten • beklagter • treffen • bundesgericht • parteientschädigung • entscheid • beschwerdeantwort • anschlussbeschwerde • rechtsvorkehr • bezogener • verhalten • gesuchsteller • konsens • staatsvertrag • rechtsmittel • frist • fester wohnsitz • nordamerika