92 II 77
13. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 25. Juni 1966 i.S. A. gegen St., Mutter und Kind.
Regeste (de):
- Vaterschaftsklage. Anthropologisch-erbbiologische Untersuchung in bezug auf einen Dritten. a) Zulässiges Beweisthema; b) Voraussetzungen einer solchen Beweisführung. Art. 8
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet.
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 307 - 1 Ist das Wohl des Kindes gefährdet und sorgen die Eltern nicht von sich aus für Abhilfe oder sind sie dazu ausserstande, so trifft die Kindesschutzbehörde die geeigneten Massnahmen zum Schutz des Kindes.
1 Ist das Wohl des Kindes gefährdet und sorgen die Eltern nicht von sich aus für Abhilfe oder sind sie dazu ausserstande, so trifft die Kindesschutzbehörde die geeigneten Massnahmen zum Schutz des Kindes. 2 Die Kindesschutzbehörde ist dazu auch gegenüber Kindern verpflichtet, die bei Pflegeeltern untergebracht sind oder sonst ausserhalb der häuslichen Gemeinschaft der Eltern leben. 3 Sie kann insbesondere die Eltern, die Pflegeeltern oder das Kind ermahnen, ihnen bestimmte Weisungen für die Pflege, Erziehung oder Ausbildung erteilen und eine geeignete Person oder Stelle bestimmen, der Einblick und Auskunft zu geben ist. SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. 2 Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern. 3 Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest. - Ist es zulässig, einen beliebigen Dritten, der intime Beziehungen mit der Kindesmutter ebenso wie diese selbst verneint, auf Antrag des Beklagten einem positiven Vaterschaftsbeweis durch anthropologisch-erbbiologische Untersuchung zu unterwerfen, ohne dass wenigstens entfernte Anhaltspunkte für solche Beziehungen bestehen? Frage offen gelassen; jedenfalls müsste der Dritte auf Begehren der Klägerschaft vorerst in die serologische Untersuchung einbezogen werden.
- Die vom Beklagten beantragte anthropologisch-erbbiologische Untersuchung in bezug auf den Dritten ist jedenfalls dann abzulehnen, wenn das über den Beklagten selbst eingeholte Gutachten dieser Art die Schlussfolgerung erlaubt, es sei unmöglich, eine allfällige Vaterschaft des Dritten mit genügender Sicherheit nachzuweisen.
Regeste (fr):
- Action en paternité. Expertise anthropobiologique mettant en cause un tiers. a) Objet de la preuve; b) conditions de son administration. Art. 8, 307, 314 CC.
- La seule requête du défendeur, qui tente la preuve positive de la paternité, suffit-elle pour soumettre à une expertise anthropobiologique un tiers quelconque qui, comme la mère, nie avoir entretenu des relations intimes avec celle-ci, sans que du moins des indices lointains existent d'une telle cohabitation? Question laissée indécise; en tout cas, il conviendrait d'abord de soumettre ce tiers à l'expertise sérologique requise par la partie demanderesse.
- En toute hypothèse, il ne faut pas donner suite à la requête du défendeur tendant à l'exécution d'une expertise anthropobiologique sur la personne d'un tiers lorsque, pratiquée sur le défendeur lui-même, cette expertise permet de conclure qu'il est impossible d'établir avec une certitude suffisante la paternité éventuelle du tiers.
Regesto (it):
- Azione di paternità. Perizia antropobiologica nei confronti di un terzo. a) Oggetto della prova; b) presupposti della sua assunzione. Art. 8, 307, 314 CC.
- È ammissibile sottoporre, su richiesta del convenuto, ad una prova positiva della paternità mediante perizia antropobiologica, un terzo qualunque il quale, come la madre, nega di aver intrattenuto rapporti intimi con essa, senza che sussistano almeno lontani indizi di una coabitazione? Questione lasciata indecisa; in ogni caso il terzo dovrebbe dapprima essere sottoposto alla perizia sierologica chiesta dalla parte attrice.
- La perizia antropobiologica chiesta dal convenuto nei confronti di un terzo deve essere in ogni caso respinta quando, praticata sul convenuto medesimo, questa perizia permette di concludere che è impossibile stabilire con una sicurezza sufficiente l'eventuale paternità del terzo.
Sachverhalt ab Seite 78
BGE 92 II 77 S. 78
Aus dem Tatbestand:
A.- R. St. gebar am 24. Mai 1961 ausserehelich die Tochter I. Sie bezeichnete als Vater des Kindes den Beklagten A. und behauptete, sie habe mit ihm am 2. und 7. September 1960. also innerhalb der vom 28. Juli bis 25. November 1960 laufenden kritischen Zeit, geschlechtlich verkehrt. Nach den medizinischen Feststellungen wurde das Kind mit allen Zeichen der Reife geboren (Gewicht 3150 Gramm, Länge 50 cm). Es ist also eine normale Tragzeit anzunehmen, so dass als wahrscheinlichster Empfängnistermin die Zeit von Ende August/Anfang September 1960 in Frage kommt. Nach den Ergebnissen der Blutgruppenuntersuchung kann der Beklagte nicht als Vater ausgeschlossen werden, ebensowenig nach dem vom Obergericht eingeholten anthropologisch-erbbiologischen Gutachten,
BGE 92 II 77 S. 79
das sogar zum Schlusse kommt, seine Vaterschaft sei wahrscheinlich. Obwohl der Beklagte bereit gewesen wäre, der Kindsmutter vor Einleitung des Prozesses eine Abfindung von Fr. 4 000.-- zu bezahlen, bestritt er in erster Linie überhaupt, mit ihr in der kritischen Zeit geschlechtlich verkehrt zu haben. Ausserdem erhob er verschiedene Einreden.
B.- Die kantonalen Gerichte beider Instanzen schützten die Klage von Mutter und Kind und verurteilten den Beklagten zu den gesetzlichen Vaterschaftsleistungen.
C.- Gegen das obergerichtliche Urteil hat der Beklagte die vorliegende Berufung eingereicht mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Klage abzuweisen, eventuell sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Klägerinnen beantragen die Abweisung der Berufung.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1. Die Feststellung des Obergerichts, der Beklagte habe mit der Kindsmutter am 2. und am 7. September 1960 geschlechtlich verkehrt, beruht aufeinem Beweisergebnis, das vom Bundesgericht nicht nachzuprüfen ist (Art. 63 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
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1 | Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
2 | Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern. |
3 | Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest. |
2. Anderseits ist nach Feststellung des Obergerichts nicht erwiesen, dass die Kindsmutter während der kritischen Zeit mit einem Dritten, X, geschlechtlichen Umgang pflog....
3. Mit der Behauptung, das Obergericht habe seinem Antrag auf Einbeziehung des X. in die erbbiologische Untersuchung zu Unrecht nicht stattgegeben, will der Beklagte offenbar geltend machen, der angefochtene Entscheid verletze Art. 8
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |
BGE 92 II 77 S. 80
zur Feststellung bzw. zum Ausschluss der Abstammung, so gilt auch für das anthropologisch-erbbiologische Gutachten (AEG), dass nicht schon eine mit einiger Wahrscheinlichkeit, sondern nur eine mit voller Sicherheit oder doch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sich ergebende Feststellung als rechtserheblich in Betracht fällt (vgl. BGE 90 II 273 /74, BGE 91 II 164 Mitte). Aber gesetzt auch, der Beklagte wolle den positiven Beweis der Vaterschaft des genannten Dritten auf dem Wege des AEG mit dem erforderlichen Grade der Wahrscheinlichkeit erbringen, so wäre seinem Antrage dennoch nicht zu entsprechen. Das Bundesgericht hat allerdings einen Beklagten, der weder die Vermutung des Art. 314 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
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1 | Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
2 | Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern. |
3 | Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest. |
BGE 92 II 77 S. 81
einem positiven Vaterschaftsbeweis durch AEG zu unterwerfen, ohne dass wenigstens entfernte Anhaltspunkte für solche Beziehungen bestehen. Geht man hievon aus, so wäre im vorliegenden Falle zu prüfen, ob gegenüber X. der Vorfall vom 21. August 1960, so wie er sich nach den vorinstanzlichen Feststellungen abspielte, in Verbindung mit seiner Bekanntschaft mit der Kindsmutter hiefür ausreichen könne. Jedenfalls stünde es der Klägerschaft zu, dem in Frage stehenden Beweisantrag des Beklagten entgegenzuhalten, vorerst müsste der Dritte in die serologische Untersuchung einbezogen werden, da das AEG nur in letzter Linie einzuholen ist (BGE 90 II 225). Wenn der Dritte durch das Ergebnis jener Untersuchung als Vater ausgeschlossen würde, erübrigte sich die erbbiologische Begutachtung auf jeden Fall. Wie es sich nun aber mit dem vom Beklagten in Anspruch genommenen AEG-beweis grundsätzlich auch verhalten mag, stehen seiner Anordnung die Ergebnisse des bereits eingeholten AEG entgegen. Dieses befasst sich zwar nur mit der Frage der Abstammung des Kindes vom Beklagten selbst. Seine Feststellungen erlauben aber die Schlussfolgerung, es sei unmöglich, eine allfällige Vaterschaft des X. mit genügender Sicherheit nachzuweisen. Nach den Darlegungen des Gutachtens weist das Kind überwiegend Merkmale der Mutter auf. In den wenigen Merkmalen, die es nicht von seiner Mutter geerbt haben kann, gleicht es dem Beklagten. Gleichwohl war die Expertin nicht in der Lage, zu erklären, der Beklagte sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Vater, sondern sie musste sich angesichts der Spärlichkeit des Materials mit der Feststellung begnügen, er könne nicht ausgeschlossen werden, seine Vaterschaft sei vielmehr durchaus wahrscheinlich. Diese Ungewissheit ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass der Beklagte in vielen Merkmalen der Kindsmutter sehr ähnlich ist. Wäre nun X. ein ähnlicher Typ, dann könnte die Expertin ebensowenig wie beim Beklagten zu einem sichern positiven Nachweis kommen. Sollte jedoch X. ein Mensch mit ganz andern Merkmalen sein, dann fehlten sie nach den Feststellungen der Expertin dem Kinde. Wie sich aus deren Darlegungen im einzelnen ergibt, weist das Kind keine wesentlichen Merkmale auf, die es nicht entweder von der Mutter oder vom Beklagten geerbt hat. Bei dieser Sachlage wäre der Einbezug des X. in die anthropologisch-erbbiologische
BGE 92 II 77 S. 82
Begutachtung - auch wenn er nach einer vorher durchgeführten Blutgruppenuntersuchung nicht ausgeschlossen werden könnte - zum vornherein nicht dazu geeignet, den sichern Beweis seiner Vaterschaft zu erbringen und dadurch mittelbar den Beklagten als Vater auszuschliessen. Untaugliche Beweismittel dürfen aber ohne Verletzung von Art. 8
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |
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