92 II 15
3. Urteil der I. Zivilabteilung vom 1. Februar 1966 i.S. Doris X. und A. X. gegen Nervensanatorium Z.
Regeste (de):
- Haftung für Hilfspersonen, Art. 101
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 101 - 1 Wer die Erfüllung einer Schuldpflicht oder die Ausübung eines Rechtes aus einem Schuldverhältnis, wenn auch befugterweise, durch eine Hilfsperson, wie Hausgenossen oder Arbeitnehmer vornehmen lässt, hat dem andern den Schaden zu ersetzen, den die Hilfsperson in Ausübung ihrer Verrichtungen verursacht.46
1 Wer die Erfüllung einer Schuldpflicht oder die Ausübung eines Rechtes aus einem Schuldverhältnis, wenn auch befugterweise, durch eine Hilfsperson, wie Hausgenossen oder Arbeitnehmer vornehmen lässt, hat dem andern den Schaden zu ersetzen, den die Hilfsperson in Ausübung ihrer Verrichtungen verursacht.46 2 Diese Haftung kann durch eine zum voraus getroffene Verabredung beschränkt oder aufgehoben werden. 3 Steht aber der Verzichtende im Dienst des andern oder folgt die Verantwortlichkeit aus dem Betriebe eines obrigkeitlich konzessionierten Gewerbes, so darf die Haftung höchstens für leichtes Verschulden wegbedungen werden. - Berufung, Anforderungen an den Berufungsantrag (Erw. 1).
- Begriff des Handelns der Hilfsperson in Ausübung ihrer Verrichtungen (Erw. 2-5).
Regeste (fr):
- Responsabilité pour des auxiliaires, art. 101 CO.
- Recours en réforme, exigences quant aux conclusions (consid. 1).
- Accomplissement de son travail par l'auxiliaire (consid. 2 à 5).
Regesto (it):
- Responsabilità per persone ausiliarie, art. 101 CO.
- Ricorso per riforma, requisiti relativi alle conclusioni (consid. 1).
- Adempimento delle proprie incombenze da parte della persona ausiliaria (consid. 2-5).
Sachverhalt ab Seite 15
BGE 92 II 15 S. 15
A.- Im Jahre 1956 wurde die damals 17jährige Doris X. von ihrem Vater wegen schwerer psychischer Störungen im Zusammenhang mit der Pubertät in einem privaten Nervensanatorium untergebracht. Sie befand sich dort vom 2. Juni bis zum 18. August 1956 und wurde vom Assistenzarzt Dr. Y., Spezialarzt FMH für Psychiatrie, behandelt. Zwischen dem 33jährigen, verheirateten Arzt und der Patientin entspann sich ein Liebesverhältnis. Die beiden umarmten und küssten einander im Sprechzimmer des Arztes wie auch auf Ausflügen, die sie gemeinsam im Auto des Arztes unternahmen. Im Sprechzimmer wies der Arzt die Patientin an, auf einer Couch abzuliegen, und legte sich auf sie. Zum Geschlechtsverkehr kam es jedoch während des Sanatoriumsaufenthaltes der Patientin noch nicht. Dagegen fassten die beiden den Plan, miteinander eine Ferienreise zu machen. Nachher sollte Doris X. zur ambulanten Behandlung in das Sanatorium zurückkehren und sich von dort aus zur Arztgehilfin ausbilden lassen. Am 18. August 1956 wurde Doris X. aus dem Sanatorium nach Hause entlassen, da sich ihr Gesundheitszustand gebessert habe. Auf Empfehlung des behandelnden Arztes hatte sich Vater X. damit einverstanden erklärt, seine Tochter allein eine Ferienreise nach Italien machen zu lassen. In Wirklichkeit trafen sich Doris X. und der Arzt am 23. August 1956 abredegemäss in Arth-Goldau und unternahmen im Auto des Arztes eine dreiwöchige Reise nach Italien und Südfrankreich, auf der sie jeweils im Zelt übernachteten und öfters miteinander geschlechtlich verkehrten. Die intimen Beziehungen wurden auch nach der
BGE 92 II 15 S. 16
Rückkehr aus den Ferien in der Privatwohnung des Arztes während der Ferienabwesenheit seiner Ehefrau fortgesetzt. Mit Schreiben vom 16. September 1956, von dem weder die Anstaltsleitung noch der Chefarzt Kenntnis erhielten, teilte Dr. Y. dem Vater X. mit, seine Tochter habe sich aus den Ferien bei ihm zurückgemeldet; sie sei in sehr gutem Zustand und scheine die Ferien gut benutzt zu haben. Er schlug vor, die Tochter als Arztgehilfin ausbilden zu lassen, und anerbot sich, sie weiterhin ärztlich zu betreuen. Der Chefarzt des Sanatoriums erhielt am Tage der Rückkehr des Assistenzarztes aus den Ferien Kenntnis vom wahren Sachverhalt. Er kündigte dem Assistenten unverzüglich und lehnte es ab, Doris X. wieder in das Sanatorium aufzunehmen. Dr. Y. verliess im November 1956 mit seiner Familie die Schweiz und liess sich in Italien nieder. Doris X. hatte vergeblich versucht, ihn zurückzuhalten und zu überreden, sich scheiden zu lassen und sie zu heiraten. Sie verfiel deshalb von neuem in nervöse Depressionen und musste in der Zeit von Anfang Dezember 1956 bis Ende April 1957 wiederholt in verschiedenen Nervenheilanstalten zur Behandlung untergebracht werden. Am 13. März 1957 gestand sie ihrem Vater, mit Dr. Y. ein Liebesverhältnis mit intimen Beziehungen gehabt zu haben. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass ihre ursprünglich vorgesehene Ausbildung als Lehrerin nicht mehr in Betracht komme, machte sie 1958 eine Postlehre. Hierauf war sie zunächst vollamtlich als Postgehilfin und dann vom Frühjahr 1963 bis zu ihrer Verheiratung im Frühjahr 1964 halbtägig als Privatangestellte des Posthalters auf einem Postamt tätig. Dr. Y. wurde vom Obergericht des Kantons Bern mit Urteil vom 18. März 1960 wegen Unzucht mit einem Anstaltspflegling im Sinne von Art. 193 Abs. 2
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 193 - Wer eine Person veranlasst, eine sexuelle Handlung vorzunehmen oder zu dulden, indem er eine Notlage oder eine durch ein Arbeitsverhältnis oder eine in anderer Weise begründete Abhängigkeit ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
B.- Mit Klage vom 26. September 1963 belangten Doris X. und ihr Vater das Nervensanatorium gestützt auf Art. 101
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 101 - 1 Wer die Erfüllung einer Schuldpflicht oder die Ausübung eines Rechtes aus einem Schuldverhältnis, wenn auch befugterweise, durch eine Hilfsperson, wie Hausgenossen oder Arbeitnehmer vornehmen lässt, hat dem andern den Schaden zu ersetzen, den die Hilfsperson in Ausübung ihrer Verrichtungen verursacht.46 |
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1 | Wer die Erfüllung einer Schuldpflicht oder die Ausübung eines Rechtes aus einem Schuldverhältnis, wenn auch befugterweise, durch eine Hilfsperson, wie Hausgenossen oder Arbeitnehmer vornehmen lässt, hat dem andern den Schaden zu ersetzen, den die Hilfsperson in Ausübung ihrer Verrichtungen verursacht.46 |
2 | Diese Haftung kann durch eine zum voraus getroffene Verabredung beschränkt oder aufgehoben werden. |
3 | Steht aber der Verzichtende im Dienst des andern oder folgt die Verantwortlichkeit aus dem Betriebe eines obrigkeitlich konzessionierten Gewerbes, so darf die Haftung höchstens für leichtes Verschulden wegbedungen werden. |
BGE 92 II 15 S. 17
OR seien nicht erfüllt, und erhob verschiedene weitere Bestreitungen und Einreden (Fehlen eines Kausalzusammenhanges zwischem dem Verhalten des behandelnden Arztes und dem geltend gemachten Schaden, Nichtlegitimation des Vaters X., Verjährung).
C.- Der Appellationshof des Kantons Bern beschränkte das Verfahren auf die Frage der grundsätzlichen Haftung der Beklagten. Er kam zum Schlusse, der von der Beklagten als Hilfsperson beigezogene Arzt habe die Handlungen, aus denen die Kläger ihre Ansprüche ableiten, nicht in Ausübung, sondern nur bei Gelegenheit seiner Verrichtungen begangen, weshalb die Beklagte für den dadurch den Klägern allenfalls verursachten Schaden nicht einzustehen habe. Der Appellationshof wies demgemäss die Klage mit Urteil vom 2. Dezember 1964 ohne Prüfung aller weiteren Fragen ab.
D.- Gegen das ihnen am 7. August 1965 zugestellte Urteil des Appellationshofes haben die Kläger die Berufung an das Bundesgericht ergriffen. Sie beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben, die Beklagte zur Bezahlung einer Genugtuungssumme von Fr. 10'000.-- an die Erstklägerin und von Schadenersatz- und Genugtuungsleistungen von Fr. 8'214.95 an den Zweitkläger, je nebst Zinsen, zu verurteilen und die Sache zur Festsetzung der Höhe der Schadenersatzansprüche der Erstklägerin an die Vorinstanz zurückzuweisen; eventuell beantragen sie die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Festsetzung der Höhe sämtlicher Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche beider Kläger. Die Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Gemäss Art. 55 Abs. 1 lit. b
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 101 - 1 Wer die Erfüllung einer Schuldpflicht oder die Ausübung eines Rechtes aus einem Schuldverhältnis, wenn auch befugterweise, durch eine Hilfsperson, wie Hausgenossen oder Arbeitnehmer vornehmen lässt, hat dem andern den Schaden zu ersetzen, den die Hilfsperson in Ausübung ihrer Verrichtungen verursacht.46 |
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1 | Wer die Erfüllung einer Schuldpflicht oder die Ausübung eines Rechtes aus einem Schuldverhältnis, wenn auch befugterweise, durch eine Hilfsperson, wie Hausgenossen oder Arbeitnehmer vornehmen lässt, hat dem andern den Schaden zu ersetzen, den die Hilfsperson in Ausübung ihrer Verrichtungen verursacht.46 |
2 | Diese Haftung kann durch eine zum voraus getroffene Verabredung beschränkt oder aufgehoben werden. |
3 | Steht aber der Verzichtende im Dienst des andern oder folgt die Verantwortlichkeit aus dem Betriebe eines obrigkeitlich konzessionierten Gewerbes, so darf die Haftung höchstens für leichtes Verschulden wegbedungen werden. |
BGE 92 II 15 S. 18
Ein materieller Berufungsantrag dieser Art fehlt im vorliegenden Falle hinsichtlich des von der Erstklägerin erhobenen Schadenersatzanspruchs; der in Bezug hierauf allein gestellte Rückweisungsantrag ist prozessualer Natur. Über den Mangel eines materiellen Berufungsantrages kann jedoch hinweggesehen werden; denn selbst wenn das Bundesgericht die Haftbarkeit der Beklagten grundsätzlich bejahen würde, könnte es kein abschliessendes Urteil fällen, sondern es müsste die Sache zur Ermittlung der Höhe der Schadenersatzanspruches der Erstklägerin an die Vorinstanz zurückweisen. Bei solcher Sachlage lässt aber die Rechtsprechung den bloss prozessualen Antrag auf Rückweisung genügen (BGE 91 II 283 und dortige Hinweise). Auf die Berufung ist daher auch bezüglich der Schadenersatzforderung der Erstklägerin einzutreten.
2. Die Parteien sind darüber einig, dass die Beklagte den bei ihr angestellten Assistenzarzt Dr. Y. als Hilfsperson im Sinne von Art. 101
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 101 - 1 Wer die Erfüllung einer Schuldpflicht oder die Ausübung eines Rechtes aus einem Schuldverhältnis, wenn auch befugterweise, durch eine Hilfsperson, wie Hausgenossen oder Arbeitnehmer vornehmen lässt, hat dem andern den Schaden zu ersetzen, den die Hilfsperson in Ausübung ihrer Verrichtungen verursacht.46 |
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1 | Wer die Erfüllung einer Schuldpflicht oder die Ausübung eines Rechtes aus einem Schuldverhältnis, wenn auch befugterweise, durch eine Hilfsperson, wie Hausgenossen oder Arbeitnehmer vornehmen lässt, hat dem andern den Schaden zu ersetzen, den die Hilfsperson in Ausübung ihrer Verrichtungen verursacht.46 |
2 | Diese Haftung kann durch eine zum voraus getroffene Verabredung beschränkt oder aufgehoben werden. |
3 | Steht aber der Verzichtende im Dienst des andern oder folgt die Verantwortlichkeit aus dem Betriebe eines obrigkeitlich konzessionierten Gewerbes, so darf die Haftung höchstens für leichtes Verschulden wegbedungen werden. |
3. Damit angenommen werden kann, die Hilfsperson habe in Ausübung ihrer Verrichtungen gehandelt, genügt nach Lehre und Rechtsprechung nicht jeder zeitliche oder räumliche Zusammenhang zwischen der Verrichtung und der Schädigung des Vertragspartners des Geschäftsherrn, sondern es bedarf weiter eines funktionellen Zusammenhanges in dem Sinne, dass die schädigende Handlung zugleich eine Nichterfüllung oder schlechte Erfüllung der Schuldpflicht des Geschäftsherrn aus seinem Vertrag mit dem Geschädigten darstellt (BGE 90 II 17, BGE 85 II 270). Die Haftungsbestimmung des Art. 101
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 101 - 1 Wer die Erfüllung einer Schuldpflicht oder die Ausübung eines Rechtes aus einem Schuldverhältnis, wenn auch befugterweise, durch eine Hilfsperson, wie Hausgenossen oder Arbeitnehmer vornehmen lässt, hat dem andern den Schaden zu ersetzen, den die Hilfsperson in Ausübung ihrer Verrichtungen verursacht.46 |
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1 | Wer die Erfüllung einer Schuldpflicht oder die Ausübung eines Rechtes aus einem Schuldverhältnis, wenn auch befugterweise, durch eine Hilfsperson, wie Hausgenossen oder Arbeitnehmer vornehmen lässt, hat dem andern den Schaden zu ersetzen, den die Hilfsperson in Ausübung ihrer Verrichtungen verursacht.46 |
2 | Diese Haftung kann durch eine zum voraus getroffene Verabredung beschränkt oder aufgehoben werden. |
3 | Steht aber der Verzichtende im Dienst des andern oder folgt die Verantwortlichkeit aus dem Betriebe eines obrigkeitlich konzessionierten Gewerbes, so darf die Haftung höchstens für leichtes Verschulden wegbedungen werden. |
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 101 - 1 Wer die Erfüllung einer Schuldpflicht oder die Ausübung eines Rechtes aus einem Schuldverhältnis, wenn auch befugterweise, durch eine Hilfsperson, wie Hausgenossen oder Arbeitnehmer vornehmen lässt, hat dem andern den Schaden zu ersetzen, den die Hilfsperson in Ausübung ihrer Verrichtungen verursacht.46 |
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1 | Wer die Erfüllung einer Schuldpflicht oder die Ausübung eines Rechtes aus einem Schuldverhältnis, wenn auch befugterweise, durch eine Hilfsperson, wie Hausgenossen oder Arbeitnehmer vornehmen lässt, hat dem andern den Schaden zu ersetzen, den die Hilfsperson in Ausübung ihrer Verrichtungen verursacht.46 |
2 | Diese Haftung kann durch eine zum voraus getroffene Verabredung beschränkt oder aufgehoben werden. |
3 | Steht aber der Verzichtende im Dienst des andern oder folgt die Verantwortlichkeit aus dem Betriebe eines obrigkeitlich konzessionierten Gewerbes, so darf die Haftung höchstens für leichtes Verschulden wegbedungen werden. |
BGE 92 II 15 S. 19
2. Aufl., II/1 S. 111). Trifft dies zu, so hat er auch für das Verhalten der Hilfsperson einzustehen, die für ihn, an seiner Stelle, tätig geworden ist, und kann sich von der Schadenersatzpflicht nur durch den Nachweis befreien, dass auch ihm selber, wenn er gleich gehandelt hätte wie die Hilfsperson, kein Verschulden vorgeworfen werden könnte (BECKER, Art. 101
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 101 - 1 Wer die Erfüllung einer Schuldpflicht oder die Ausübung eines Rechtes aus einem Schuldverhältnis, wenn auch befugterweise, durch eine Hilfsperson, wie Hausgenossen oder Arbeitnehmer vornehmen lässt, hat dem andern den Schaden zu ersetzen, den die Hilfsperson in Ausübung ihrer Verrichtungen verursacht.46 |
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1 | Wer die Erfüllung einer Schuldpflicht oder die Ausübung eines Rechtes aus einem Schuldverhältnis, wenn auch befugterweise, durch eine Hilfsperson, wie Hausgenossen oder Arbeitnehmer vornehmen lässt, hat dem andern den Schaden zu ersetzen, den die Hilfsperson in Ausübung ihrer Verrichtungen verursacht.46 |
2 | Diese Haftung kann durch eine zum voraus getroffene Verabredung beschränkt oder aufgehoben werden. |
3 | Steht aber der Verzichtende im Dienst des andern oder folgt die Verantwortlichkeit aus dem Betriebe eines obrigkeitlich konzessionierten Gewerbes, so darf die Haftung höchstens für leichtes Verschulden wegbedungen werden. |
BGE 92 II 15 S. 20
4. Die Vorinstanz verneint eine Haftung der Beklagten, weil das Verhalten des behandelnden Arztes mit anerkannten Grundsätzen einer seriösen medizinischen Behandlung unvereinbar gewesen sei und darum mit dem der Beklagten erteilten Auftrag nichts mehr zu tun gehabt habe; der behandelnde Arzt habe vielmehr gerade das Gegenteil von dem getan, was angezeigt gewesen wäre, und habe in ihm erkennbarer Weise der von der Beklagten übernommenen Schuldpflicht zuwidergehandelt. Damit verkennt die Vorinstanz das Wesen der vom Gesetz vorgesehenen Haftung für Hilfspersonen von Grund auf. Entscheidend ist, wie oben dargelegt wurde, dass der behandelnde Arzt mit seinem Verhalten eine Vertragspflicht der Beklagten verletzte. Dass ihm dies erkennbar war und er damit zugleich eine zivilrechtlich unerlaubte und strafrechtliche verfolgbare Handlung beging, für die er auch persönlich einzustehen hat, befreit die Beklagte nicht von der Verantwortlichkeit für die Folgen der Vertragsverletzung. Die Auffassung der Vorinstanz hätte zur Folge, dass eine Haftung der Vertragspartei um so eher verneint werden müsste, je gröber deren Hilfsperson ihre Pflichten verletzt hätte. Damit würde im Endergebnis der Anwendungsbereich des Art. 101
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 101 - 1 Wer die Erfüllung einer Schuldpflicht oder die Ausübung eines Rechtes aus einem Schuldverhältnis, wenn auch befugterweise, durch eine Hilfsperson, wie Hausgenossen oder Arbeitnehmer vornehmen lässt, hat dem andern den Schaden zu ersetzen, den die Hilfsperson in Ausübung ihrer Verrichtungen verursacht.46 |
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1 | Wer die Erfüllung einer Schuldpflicht oder die Ausübung eines Rechtes aus einem Schuldverhältnis, wenn auch befugterweise, durch eine Hilfsperson, wie Hausgenossen oder Arbeitnehmer vornehmen lässt, hat dem andern den Schaden zu ersetzen, den die Hilfsperson in Ausübung ihrer Verrichtungen verursacht.46 |
2 | Diese Haftung kann durch eine zum voraus getroffene Verabredung beschränkt oder aufgehoben werden. |
3 | Steht aber der Verzichtende im Dienst des andern oder folgt die Verantwortlichkeit aus dem Betriebe eines obrigkeitlich konzessionierten Gewerbes, so darf die Haftung höchstens für leichtes Verschulden wegbedungen werden. |
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 101 - 1 Wer die Erfüllung einer Schuldpflicht oder die Ausübung eines Rechtes aus einem Schuldverhältnis, wenn auch befugterweise, durch eine Hilfsperson, wie Hausgenossen oder Arbeitnehmer vornehmen lässt, hat dem andern den Schaden zu ersetzen, den die Hilfsperson in Ausübung ihrer Verrichtungen verursacht.46 |
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1 | Wer die Erfüllung einer Schuldpflicht oder die Ausübung eines Rechtes aus einem Schuldverhältnis, wenn auch befugterweise, durch eine Hilfsperson, wie Hausgenossen oder Arbeitnehmer vornehmen lässt, hat dem andern den Schaden zu ersetzen, den die Hilfsperson in Ausübung ihrer Verrichtungen verursacht.46 |
2 | Diese Haftung kann durch eine zum voraus getroffene Verabredung beschränkt oder aufgehoben werden. |
3 | Steht aber der Verzichtende im Dienst des andern oder folgt die Verantwortlichkeit aus dem Betriebe eines obrigkeitlich konzessionierten Gewerbes, so darf die Haftung höchstens für leichtes Verschulden wegbedungen werden. |
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 101 - 1 Wer die Erfüllung einer Schuldpflicht oder die Ausübung eines Rechtes aus einem Schuldverhältnis, wenn auch befugterweise, durch eine Hilfsperson, wie Hausgenossen oder Arbeitnehmer vornehmen lässt, hat dem andern den Schaden zu ersetzen, den die Hilfsperson in Ausübung ihrer Verrichtungen verursacht.46 |
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1 | Wer die Erfüllung einer Schuldpflicht oder die Ausübung eines Rechtes aus einem Schuldverhältnis, wenn auch befugterweise, durch eine Hilfsperson, wie Hausgenossen oder Arbeitnehmer vornehmen lässt, hat dem andern den Schaden zu ersetzen, den die Hilfsperson in Ausübung ihrer Verrichtungen verursacht.46 |
2 | Diese Haftung kann durch eine zum voraus getroffene Verabredung beschränkt oder aufgehoben werden. |
3 | Steht aber der Verzichtende im Dienst des andern oder folgt die Verantwortlichkeit aus dem Betriebe eines obrigkeitlich konzessionierten Gewerbes, so darf die Haftung höchstens für leichtes Verschulden wegbedungen werden. |
BGE 92 II 15 S. 21
5. Die Beklagte macht geltend, sie könne auf jeden Fall nur für die von ihrem Assistenzarzt während des Sanatoriumsaufenthalts der Erstklägerin begangenen Handlungen verantwortlich gemacht werden. Die Vorgänge, die sich nach dem Austritt der Erstklägerin aus dem Sanatorium, auf der Ferienreise im Ausland ereigneten, besonders also die geschlechtlichen Beziehungen des Arztes mit der Erstklägerin, hätten dagegen ausser Betracht zu bleiben. Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Die ärztliche Behandlung der Erstklägerin war mit ihrer Entlassung aus dem Sanatorium nicht abgeschlossen. Es war vorgesehen, dass die Patientin nach den Ferien wieder dorthin zurückkehre und vom Assistenzarzt auch weiterhin betreut werden sollte. Der Plan, gemeinsame Ferien zu verbringen, wurde während des Sanatoriumsaufenthaltes gefasst und liess sich nur verwirklichen, weil der behandelnde Arzt in einem Bericht und in mündlichen Besprechungen den Eltern der Erstklägerin empfahl, sie allein eine Ferienreise unternehmen zu lassen. Dieser Rat erfolgte also unzweifelhaft im Rahmen der ärztlichen Behandlung. Dabei war sich der Arzt nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz bewusst, dass es während der gemeinsamen Ferien zum Geschlechtsverkehr kommen werde. Auch der Bericht, den der Arzt nach der Rückkehr aus den Ferien am 16. September 1956 dem Vater der Klägerin erstattete und bestimmte therapeutische Massnahmen sowie die weitere ärztliche Betreuung der Klägerin vorschlug, zeigt deutlich, dass die ärztliche Behandlung damals noch nicht abgeschlossen war. Die Beklagte hat deshalb auch für das Verhalten ihres Angestellten während der Ferienreise und nach der Rückkehr von dieser einzustehen.
6. Da die Klage entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht mit der Begründung abgewiesen werden kann, der Arzt habe als Hilfsperson der Beklagten nicht in Ausübung seiner Verrichtungen gehandelt, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen zur Beurteilung aller weiteren Voraussetzungen der von den Klägern erhobenen Schadenersatzansprüche. Sie wird insbesondere zu prüfen haben, ob und inwieweit ein rechtserheblicher Kausalzusammenhang besteht zwischen dem Verhalten des behandelnden Arztes und den von den Klägern behaupteten Schadensfolgen (Notwendigkeit weiterer psychiatrischer Behandlung und
BGE 92 II 15 S. 22
weiterer Anstaltsaufenthalte der Erstklägerin, Beeinträchtigung derselben in ihrer Berufswahl usw.). Ebenso hat die Vorinstanz über die von der Beklagten bestrittene Klagelegitimation des Zweitklägers zu befinden und zu der Verjährungseinrede der Beklagten Stellung zu nehmen. Auch über die Begründetheit der von den Klägern erhobenen Genugtuungsforderungen kann entgegen der Meinung der Berufung ohne Abklärung der weiteren Klagevoraussetzungen nicht entschieden werden.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
In teilweiser Gutheissung der Berufung wird das Urteil des Appellationshofs des Kantons Bern, III. Zivilkammer, vom 2. Dezember 1964 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.