92 I 317
57. Auszug aus dem Urteil vom 15. Juli 1966 i.S. Emser Werke AG gegen Kleinen Rat des Kantons Graubünden
Regeste (de):
- Einspruch gegen Liegenschaftsverkauf: Fall eines Unternehmens der chemischen Industrie mit ausgedehntem Landbesitz, welches eine landwirtschaftliche Liegenschaft hinzukauft, weil es sie für die Durchführung von Versuchen mit von ihm hergestellten landwirtschaftlichen Hilfsstoffen benötigt. Der Kauf ist kein Güteraufkauf im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. a
EGG (Erw. 3), noch bestehen Einspruchsgründe nach lit. b und c ebenda (Erw. 4, 5).
- Kosten des Verfahrens vor Bundesgericht: Verteilung der Kosten eines vom Gericht eingeholten Gutachtens (Erw. 6).
Regeste (fr):
- Opposition à la vente d'un bien-fonds: Cas d'une entreprise de l'industrie chimique, propriétaire de nombreux terrains, qui achète encore un bien-fonds agricole dont elle a besoin pour procéder aux essais de produits auxiliaires de l'agriculture qu'elle fabrique. Une telle acquisition ne constitue pas un accaparement au sens de l'art. 19 al. 1 lettre a LPR (consid. 3); il n y a pas non plus de motifs d'opposition tirés des lettres b et c de ce même article (consid. 4 et 5).
- Frais de la procédure devant le Tribunal fédéral: répartition des frais d'une expertise ordonnée par le Tribunal fédéral (consid. 6).
Regesto (it):
- Opposizione alla vendita di un bene immobile: Caso di una azienda dell'industria chimica, con estesa proprietà fondiaria, che acquista ancora un terreno agricolo di cui ha bisogno per procedere alle prove di prodotti ausiliari dell'agricoltura da essa fabbricati. Un tale acquisto non costituisce un accaparramento ai sensi dell'art. 19 cpv. 1 lett. a LPF (consid. 3); non sussistono nemmeno motivi d'opposizione guista le lett. b e c di tale articolo (consid. 4 e 5).
- Spese della procedura davanti al Tribunale federale: ripartizione delle spese di una perizia ordinata dal Tribunale federale (consid. 6).
Sachverhalt ab Seite 318
BGE 92 I 317 S. 318
A.- Peter Conradin von Planta ist Eigentümer des im bündnerischen Kreis Domleschg liegenden Hofgutes Stufels, das er durch einen Pächter bewirtschaften lässt. Seit dem Jahre 1960 ist er auch Eigentümer des in der Gemeinde Pratval (Domleschg) gelegenen, 39'346 m2 messenden Grundstücks Auareda, das er anderweitig verpachtet hat. Die Auareda enthält Quellen, deren Wasser in das nahe Schlossgut Fürstenau abgeleitet wird. Dieses Gut hatte früher der Familie von Planta gehört. Seit einiger Zeit steht es im Eigentum der Emser Werke AG in Domat-Ems, welche auch Quellenrechte an der Auareda besitzt. Durch Vertrag vom 2. Juli 1963 hat P. C. von Planta die Auareda den Emser Werken zum Preise von Fr. 110'000.-- verkauft. Die Emser Werke stellen landwirtschaftliche Hilfsstoffe (Dünger, Futtermittel, Pflanzenschutzmittel) her. Sie erklären, sie benötigten für die Entwicklung solcher Produkte einen eigenen landwirtschaftlichen Versuchsbetrieb, wofür von ihrem Grundbesitz in Graubünden einzig das Schlossgut Fürstenau geeignet sei, unter der Voraussetzung, dass es durch Erwerb weiteren Landes in der Umgebung vergrössert werden könne; aus diesem Grunde hätten sie die Auareda gekauft.
B.- Gegen diesen Kauf hat das Departement des Innern und der Volkswirtschaft des Kantons Graubünden gestützt auf das Bundesgesetz vom 12. Juni 1951 über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes (EGG) Einspruch erhoben. Die kantonale Landwirtschaftskommission hat den Einspruch geschützt. Auf Beschwerde der Emser Werke hin hat der Kleine Rat des Kantons Graubünden diesen Entscheid am 8. Februar 1965 bestätigt. Er führt aus, der Einspruch sei nach Art. 19 Abs. 1 lit. a


BGE 92 I 317 S. 319
ohne dass sich dies durch einen wichtigen Grund rechtfertigen liesse.
C.- Die Emser Werke AG führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Kleinen Rates und mit ihm der gegen den Kaufvertrag vom 2. Juli 1963 erhobene Einspruch seien aufzuheben. Sie bestreitet, dass die vom Kleinen Rat angeführten Einspruchsgründe gegeben seien.
D.- Der Kleine Rat beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement hat sich zur Sache geäussert, ohne einen Antrag zu stellen.
E.- Im Verfahren vor Bundesgericht ist ein Augenschein durchgeführt und ein Gutachten eingeholt worden. Der bestellte Experte, Ing. Agronom Dr. J. Geering, Sektionschef der Eidg. Landwirtschaftlichen Versuchsanstalt Zürich-OErlikon, hat seinen Bericht am 5. Mai 1966 erstattet.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. (Prozessuales).
2. (Gehört die Liegenschaft Auareda zu einem landwirtschaftlichen Heimwesen im Sinne des Art. 19

3. Nach Art. 19 Abs. 1

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der Kleine Rat behauptet nicht, dass die Beschwerdeführerin Grundstücke, die ihr heute gehören, erst nach dem 15. Mai 1963, auf den der Kanton Graubünden durch Gesetz vom 17. März 1963 das Einspruchsverfahren eingeführt hat, erworben habe. Dagegen ist zu prüfen, ob sich der nunmehr von der Beschwerdeführerin beabsichtigte Erwerb von 39'346 m2 Boden in der Gemeinde Pratval als Güteraufkauf erweise. Wird dabei das ganze Grundeigentum in Betracht gezogen, das die Beschwerdeführerin am Tage des Abschlusses des umstrittenen Kaufvertrages (2. Juli 1963) schon besessen hat, so liegt darin weder eine unzulässige, noch überhaupt eine Rückwirkung des genannten kantonalen Gesetzes. Wäre lediglich auf ein quantitatives Kriterium abzustellen, wie der Kleine Rat es getan hat, so wäre die Antwort kaum zweifelhaft. Zwar ist zu beachten, dass die Beschwerdeführerin als Fabrikareal, für Kraftwerkbauten, für Ersatzaufforstungen sowie für Wohnhäuser ihres Personals bedeutende Bodenflächen benötigt, und ferner, dass ihr Landbesitz, weil stark zersplittert, nicht so gut ausgenützt werden kann, wie wenn er aus lauter zusammenhängenden grossen Flächen bestände. Allein es wäre bei rein quantitativer Betrachtung gleichwohl nicht glaubhaft, dass die Beschwerdeführerin sich auf ihrem ausgedehnten Grundbesitz nicht so einrichten könnte, dass alle echten Bedürfnisse ihres Betriebes befriedigt werden könnten. Nun ist aber auch der von der Beschwerdeführerin hervorgehobene qualitative Gesichtspunkt zu würdigen. Wie die Beschwerdeführerin erklärt und wie sich aus den von ihr vorgelegten Prospekten und Abhandlungen ergibt, entwickelt sie in ihrem Betrieb neue Nahrungsmittel für Milch- und Mastvieh, Silagezusätze und dgl., ferner Dünger in verschiedenen Varianten sowie Pflanzenschutzmittel für Kartoffeln, Getreide und Obst. Zur Erprobung solcher Produkte benötigt sie nach ihren Angaben eigenes Versuchsgelände. Sie behauptet, dass für diesen Zweck nach den massgeblichen Faktoren (Beschaffenheit der Bodensubstanz, Topographie, Klima, Entfernung vom Fabrikareal, Mass der Zerstückelung) einzig ihr Landbesitz in der Gegend von Fürstenau in Betracht komme, unter der Voraussetzung, dass sie ihn noch beträchtlich erweitern könne. Diese Darstellung ist vom beigezogenen Experten sorgfältig geprüft worden. Sein Befund lässt sich wie folgt zusammenfassen:
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Für die Düngmittel und die dem Acker- und Futterbau dienenden Pflanzenschutzmittel ist ein eigener Versuchsbetrieb der Beschwerdeführerin entbehrlich, dagegen nicht für die im Obstbau zu verwendenden Pflanzenschutzmittel und vor allem nicht für die Futtermittel und Futterzusätze. Die Versuche an Milch- und Mastvieh erheischen einen Minimalbestand von 60 Grossvieheinheiten. Für einen Versuchsbetrieb mit vorwiegender Graswirtschaft eignet sich vom Grundbesitz der Beschwerdeführerin, besonders mit Rücksicht auf die Beschaffenheit des Bodens und auf den Grad der Parzellierung, weitaus am besten das Land in der Gegend von Fürstenau. Die Böden in Domat/Ems sind mangels genügender Wasserhaltekraft ungeeignet. Unter den Verhältnissen im Domleschg sind für eine Grossvieheinheit 133 a, für 60 Grossvieheinheiten also rund 80 ha erforderlich. Die Beschwerdeführerin besitzt im Raume von Fürstenau heute 14,76 ha für einen Forschungsbetrieb geeignetes Kulturland. Unter Einbezug der Auareda und der Hoffnungsau (Gegenstand eines Kaufrechts der Beschwerdeführerin) hätte sie für diesen Zweck 21,78 ha zur Verfügung. Sie benötigt also immer noch nahezu 60 weitere ha. Zwar könnte sie, mindestens für den Anfang, einen grossen Teil des als Baulandreserve bezeichneten Areals von 14,06 ha in den Versuchsbetrieb (namentlich für den Obstbau) einbeziehen, doch wäre auch dann noch bei weitem nicht genügend Land verfügbar. Die Auareda eignet sich als Futterbaufläche für die geplanten Versuche. Ein Austausch dieser Parzelle gegen noch besser geeignetes Land fällt ausser Betracht, weil die dortigen Quellen zur Versorgung der Schlossliegenschaft Fürstenau verwendet werden. Pachten kann die Beschwerdeführerin die Auareda nach der kategorischen Auskunft des derzeitigen Eigentümers nicht. Er will das Grundstück, das seinem Betrieb in Stufels nicht dient, abstossen und aus dem Erlös Boden in der Nähe von Stufels kaufen. Der einzige Grundeigentümer, welcher der Beschwerdeführerin die noch erforderliche Bodenfläche in der Umgebung von Fürstenau durch Verkauf, Tausch oder langfristige Pacht zur Verfügung stellen könnte, ist der Kanton Graubünden, dessen Anstalten Beverin und Realta in der Gemeinde Cazis einige hundert ha Kulturland besitzen. Der Kleine Rat lehnt indessen die Abgabe von Land in jeder Form ab. Die eidgenössischen landwirtschaftlichen Versuchsanstalten könnten die Erprobung der Produkte der Beschwerdeführerin nicht übernehmen, weil sie als neutrale Instanzen sich auf die Prüfung marktfertiger neuer Hilfsstoffe zu beschränken haben und daher nicht an den Forschungs- und Entwicklungsarbeiten eines privaten Industrieunternehmens teilnehmen können. Aus diesen Feststellungen des Sachverständigen ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin für die Durchführung ihres (in den grossen Zügen bereits festgelegten) Versuchsprogramms auf den Erwerb der Liegenschaft Auareda (und weiterer Grundstücke in der Umgebung von Fürstenau) angewiesen ist. Unter
BGE 92 I 317 S. 322
diesen Umständen kann aber nicht gesagt werden, dass dem umstrittenen Kaufsgeschäft die Absicht der Beschwerdeführerin zugrunde liegt, über den eigenen Bedarf hinaus möglichst viele Güter zusammenzukaufen. Man hat es daher nicht mit einem Güteraufkauf im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. a

4. Nach Art. 19 Abs. 1 lit. b


BGE 92 I 317 S. 323
insbesondere in bezug auf die Produktivität des Futterbaues und der Tierhaltung, den Bündner Landwirten durch seine Gegenwart im Kantonsgebiet selbst zugute kommen". Damit ist zugleich festgestellt, dass der Erwerb der Auareda durch die Beschwerdeführerin sich auf jeden Fall durch einen wichtigen Grund im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. b

5. Nach Art. 19 Abs. 1 lit. c


6. Die Gerichtskosten trägt in der Regel die unterliegende
BGE 92 I 317 S. 324
Partei; ist es ein Kanton, so dürfen ihm jedoch - wiederum in der Regel - die Kosten nur dann auferlegt werden, wenn es sich um sein Vermögensinteresse handelt (Art. 156 Abs. 1





Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- Die Beschwerde wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und der Einspruch für unbegründet erklärt. 2.- Die Kosten des gerichtlichen Gutachtens werden je zur Hälfte der Beschwerdeführerin und dem Kanton Graubünden auferlegt. Im übrigen werden keine Kosten erhoben.