91 IV 177
47. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 25 Oktober 1965 i.S. Jugendamt des Kantons Zürich gegen S.
Regeste (de):
- Art. 91 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 91 - 1 Gegen Gefangene und Eingewiesene, welche in schuldhafter Weise gegen Strafvollzugsvorschriften oder den Vollzugsplan verstossen, können Disziplinarsanktionen verhängt werden.
1 Gegen Gefangene und Eingewiesene, welche in schuldhafter Weise gegen Strafvollzugsvorschriften oder den Vollzugsplan verstossen, können Disziplinarsanktionen verhängt werden. 2 Disziplinarsanktionen sind: a der Verweis; b der zeitweise Entzug oder die Beschränkung der Verfügung über Geldmittel, der Freizeitbeschäftigung oder der Aussenkontakte; c die Busse; sowie d der Arrest als eine zusätzliche Freiheitsbeschränkung. 3 Die Kantone erlassen für den Straf- und Massnahmenvollzug ein Disziplinarrecht. Dieses umschreibt die Disziplinartatbestände, bestimmt die Sanktionen und deren Zumessung und regelt das Verfahren. - Vollzugsschwierigkeiten sind kein Grund, die angeordnete, aber durch Flucht des Zöglings vereitelte Anstaltseinweisung aufzuheben (Erw. 2).
- Hinweis auf Hilfs- oder Ersatzmassnahmen, die in einem solchen Falle in Betracht kommen (Erw. 4).
Regeste (fr):
- Art. 91 ch. 1 CP.
- Des difficultés d'exécution ne sont pas un motif de lever une mesure de renvoi dans un établissement à laquelle l'adolescent s'est soustrait en prenant la fuite (consid. 2).
- Indication des autres mesures qui pourraient être prises en pareil cas (consid. 4).
Regesto (it):
- Art. 91 num. 1 CP.
- Difficoltà d'esecuzione non costituiscono motivo per levare una misura di collocamento in una casa d'educazione, alla quale l'adolescente si è sottratto con la fuga (consid. 2).
- Indicazione di provvedimenti ausiliari o sostitutivi che potrebbero essere presi in un simile caso (consid. 4).
Sachverhalt ab Seite 177
BGE 91 IV 177 S. 177
Aus dem Tatbestand:
S. ist der uneheliche Sohn der in Zürich wohnhaften Schweizerbürgerin G. S. und des in Köln ansässigen deutschen Staatsangehörigen R. Unter Vormundschaft gestellt wuchs S. in fremden Familien und Heimen auf. Seine Erziehung bereitete Schwierigkeiten. Wegen wiederholter Entwendung von Motorfahrzeugen zum Gebrauch, Fahrens ohne Führerausweis und eines Diebstahls ordnete das Jugendgericht des Bezirkes Zürich am 22. März 1962 gegen den damals 17-jährigen S. gestützt auf Art. 91 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 91 - 1 Gegen Gefangene und Eingewiesene, welche in schuldhafter Weise gegen Strafvollzugsvorschriften oder den Vollzugsplan verstossen, können Disziplinarsanktionen verhängt werden. |
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1 | Gegen Gefangene und Eingewiesene, welche in schuldhafter Weise gegen Strafvollzugsvorschriften oder den Vollzugsplan verstossen, können Disziplinarsanktionen verhängt werden. |
2 | Disziplinarsanktionen sind: |
a | der Verweis; |
b | der zeitweise Entzug oder die Beschränkung der Verfügung über Geldmittel, der Freizeitbeschäftigung oder der Aussenkontakte; |
c | die Busse; sowie |
d | der Arrest als eine zusätzliche Freiheitsbeschränkung. |
3 | Die Kantone erlassen für den Straf- und Massnahmenvollzug ein Disziplinarrecht. Dieses umschreibt die Disziplinartatbestände, bestimmt die Sanktionen und deren Zumessung und regelt das Verfahren. |
BGE 91 IV 177 S. 178
er sich vorher in Deutschland und Frankreich herumgetrieben hatte, in der Unterwelt Zürichs gefasst und in die Anstalt zurückgeführt werden. Bereits einen Monat später entwich er aus dieser ein zweites Mal, um vorerst seinen Vater in Köln aufzusuchen und dann bald in Zürich bald in Paris aufzutauchen. Wovon er lebte, blieb ungeklärt. Er wurde vielfach in Begleitung eines Mädchens beobachtet, das sich als Animierdame und Stripteasetänzerin betätigte. Am 13. Mai 1965 hob das Jugendgericht des Bezirkes Zürich auf Antrag der Jugendanwaltschaft die im März 1962 verfügte Anstaltseinweisung auf, weil jede Weiterführung der genannten Massnahme sinnlos geworden sei. Den gegen diesen Entscheid erhobenen Rekurs des Jugendamtes wies das Obergericht am 6. August 1965 ab. Hiegegen führt das Jugendamt des Kantons Zürich Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, die Verfügung der Anstaltseinweisung aufrecht zu erhalten und vollziehen zu lassen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Nach Art. 91 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 91 - 1 Gegen Gefangene und Eingewiesene, welche in schuldhafter Weise gegen Strafvollzugsvorschriften oder den Vollzugsplan verstossen, können Disziplinarsanktionen verhängt werden. |
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1 | Gegen Gefangene und Eingewiesene, welche in schuldhafter Weise gegen Strafvollzugsvorschriften oder den Vollzugsplan verstossen, können Disziplinarsanktionen verhängt werden. |
2 | Disziplinarsanktionen sind: |
a | der Verweis; |
b | der zeitweise Entzug oder die Beschränkung der Verfügung über Geldmittel, der Freizeitbeschäftigung oder der Aussenkontakte; |
c | die Busse; sowie |
d | der Arrest als eine zusätzliche Freiheitsbeschränkung. |
3 | Die Kantone erlassen für den Straf- und Massnahmenvollzug ein Disziplinarrecht. Dieses umschreibt die Disziplinartatbestände, bestimmt die Sanktionen und deren Zumessung und regelt das Verfahren. |
BGE 91 IV 177 S. 179
werden, wenn infolge seines Alters für den dortigen Aufenthalt nur noch weniger als ein Jahr zur Verfügung steht. Umsomehr muss auch die Rückversetzung möglich sein. Die Schwierigkeiten, die sich im Hinblick auf den Auslandsaufenthalt des S. für den Vollzug ergeben, entheben den Richter nicht von seiner Verantwortung. Abgesehen davon, dass die Annahme der Landesabwesenheit nach den Feststellungen der Jugendanwaltschaft nicht mehr sicher zutreffen soll, sind solche Schwierigkeiten kein Grund, nicht zu tun, was nach dem Gesetz getan werden muss. Anders entscheiden hiesse diejenigen bevorzugen, die es verstehen, durch Ausreissen und Flucht ins Ausland der Anstaltseinweisung zu entgehen.
3. Dafür, dass die Aufhebung der Massnahme aus sachlichen Gründen sinn- und zwecklos geworden wäre, liegt nichts vor. Zwar schliesst die Vorinstanz aus den bei den Akten liegenden Briefen des Vaters an die Jugendanwaltschaft auf eine intensive Anteilnahme am Schicksal seines Sohnes, worin eine gewisse Gewähr dafür erblickt werden dürfe, S. könnte sich zukünftig auch in Freiheit halten. Indessen deutet nichts darauf hin, dass sich die angegebene Anteilnahme tatsächlich günstig auszuwirken begonnen habe. Aus den Aufzeichnungen der Jugendanwaltschaft ergibt sich gegenteils, dass S. am 14. August 1965, also kurz nach dem vorinstanzlichen Urteil, mit seiner Freundin von Paris herkommend wieder in die Schweiz einreiste, in Dirnenlokalen und auf Strichplätzen Zürichs verkehrte und sich wahrscheinlich von seiner Weggefährtin aushalten liess. Diese Hinweise sind allerdings, weil neu, nach Art. 273 Abs. 1 lit. b
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 91 - 1 Gegen Gefangene und Eingewiesene, welche in schuldhafter Weise gegen Strafvollzugsvorschriften oder den Vollzugsplan verstossen, können Disziplinarsanktionen verhängt werden. |
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1 | Gegen Gefangene und Eingewiesene, welche in schuldhafter Weise gegen Strafvollzugsvorschriften oder den Vollzugsplan verstossen, können Disziplinarsanktionen verhängt werden. |
2 | Disziplinarsanktionen sind: |
a | der Verweis; |
b | der zeitweise Entzug oder die Beschränkung der Verfügung über Geldmittel, der Freizeitbeschäftigung oder der Aussenkontakte; |
c | die Busse; sowie |
d | der Arrest als eine zusätzliche Freiheitsbeschränkung. |
3 | Die Kantone erlassen für den Straf- und Massnahmenvollzug ein Disziplinarrecht. Dieses umschreibt die Disziplinartatbestände, bestimmt die Sanktionen und deren Zumessung und regelt das Verfahren. |
4. Die Vorinstanz wird daher, wenn ihr nicht schon die angeführten neuen Beobachtungen der Jugendanwaltschaft als genügend erscheinen, zunächst durch weitere Erhebungen, nötigenfalls auf dem Rechtshilfeweg, zu klären haben, wie es mit dem jungen Manne steht. Ergibt es sich, dass die sittliche
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Gefährdung oder Verwahrlosung andauert, so wird zu entscheiden sein, was mit ihm zu geschehen habe. Dabei kämen folgende Massnahmen in Betracht: a) Die einfache Rückversetzung in die Anstalt, die nach den wiederholten Entweichungen allerdings kaum zum Ziele führen dürfte; b) die Rückversetzung mit Trennung von den übrigen Eingewiesenen gemäss Art. 91 Ziff. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 91 - 1 Gegen Gefangene und Eingewiesene, welche in schuldhafter Weise gegen Strafvollzugsvorschriften oder den Vollzugsplan verstossen, können Disziplinarsanktionen verhängt werden. |
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1 | Gegen Gefangene und Eingewiesene, welche in schuldhafter Weise gegen Strafvollzugsvorschriften oder den Vollzugsplan verstossen, können Disziplinarsanktionen verhängt werden. |
2 | Disziplinarsanktionen sind: |
a | der Verweis; |
b | der zeitweise Entzug oder die Beschränkung der Verfügung über Geldmittel, der Freizeitbeschäftigung oder der Aussenkontakte; |
c | die Busse; sowie |
d | der Arrest als eine zusätzliche Freiheitsbeschränkung. |
3 | Die Kantone erlassen für den Straf- und Massnahmenvollzug ein Disziplinarrecht. Dieses umschreibt die Disziplinartatbestände, bestimmt die Sanktionen und deren Zumessung und regelt das Verfahren. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 92 - Der Vollzug von Strafen und Massnahmen darf aus wichtigen Gründen unterbrochen werden. |
d) die Versetzung in eine Strafanstalt gemäss Art. 93 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 93 - 1 Mit der Bewährungshilfe sollen die betreuten Personen vor Rückfälligkeit bewahrt und sozial integriert werden. Die für die Bewährungshilfe zuständige Behörde leistet und vermittelt die hierfür erforderliche Sozial- und Fachhilfe. |
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1 | Mit der Bewährungshilfe sollen die betreuten Personen vor Rückfälligkeit bewahrt und sozial integriert werden. Die für die Bewährungshilfe zuständige Behörde leistet und vermittelt die hierfür erforderliche Sozial- und Fachhilfe. |
2 | Personen, die in der Bewährungshilfe tätig sind, haben über ihre Wahrnehmungen zu schweigen. Sie dürfen Auskünfte über die persönlichen Verhältnisse der betreuten Person Dritten nur geben, wenn die betreute Person oder die für die Bewährungshilfe zuständige Person schriftlich zustimmt. |
3 | Die Behörden der Strafrechtspflege können bei der für die Bewährungshilfe zuständigen Behörde einen Bericht über die betreute Person einholen. |
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.