91 II 260
40. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 30. September 1965 i.S. H.B. gegen Bürgerliches Fürsorgeamt B.
Regeste (de):
- Unterstützungspflicht von Geschwistern. Rückgriff des Gemeinwesens. Art. 328
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 328 - 1 Wer in günstigen Verhältnissen lebt, ist verpflichtet, Verwandte in auf- und absteigender Linie zu unterstützen, die ohne diesen Beistand in Not geraten würden.
1 Wer in günstigen Verhältnissen lebt, ist verpflichtet, Verwandte in auf- und absteigender Linie zu unterstützen, die ohne diesen Beistand in Not geraten würden. 2 Die Unterhaltspflicht der Eltern und des Ehegatten, der eingetragenen Partnerin oder des eingetragenen Partners bleibt vorbehalten.462 SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 329 - 1 Der Anspruch auf Unterstützung ist gegen die Pflichtigen in der Reihenfolge ihrer Erbberechtigung geltend zu machen und geht auf die Leistung, die zum Lebensunterhalt des Bedürftigen erforderlich und den Verhältnissen des Pflichtigen angemessen ist.
1 Der Anspruch auf Unterstützung ist gegen die Pflichtigen in der Reihenfolge ihrer Erbberechtigung geltend zu machen und geht auf die Leistung, die zum Lebensunterhalt des Bedürftigen erforderlich und den Verhältnissen des Pflichtigen angemessen ist. 1bis Kein Anspruch auf Unterstützung kann geltend gemacht werden, wenn die Notlage auf einer Einschränkung der Erwerbstätigkeit zur Betreuung eigener Kinder beruht.464 2 Erscheint die Heranziehung eines Pflichtigen wegen besonderer Umstände als unbillig, so kann das Gericht die Unterstützungspflicht ermässigen oder aufheben.465 3 Die Bestimmungen über die Unterhaltsklage des Kindes und über den Übergang seines Unterhaltsanspruches auf das Gemeinwesen finden entsprechende Anwendung.466 - Verwirkung des Ersatzanspruchs des Gemeinwesens wegen ungebührlichen, einen Rechtsmissbrauch in sich schliessenden Zuwartens mit der Geltendmachung? Das ist zu verneinen, wenn das Gemeinwesen den unterstützungspflichtigen Verwandten tunlich bald ausfindig gemacht und gemahnt hat, auch wenn es erst nach längeren Verhandlungen zur gerichtlichen Klage kam.
Regeste (fr):
- Dette alimentaire des frères et soeurs. Action récursoire de la corporation publique. Art. 328/329 CC.
- Péremption du droit de la collectivité par le motif qu'elle aurait tardé indûment à le faire valoir et commis ainsi un abus de droit? Le droit n'est pas périmé lorsque la corporation publique, aussi rapidement qu'elle l'a pu, a découvert et informé les parents tenus de la dette, même si elle n'a introduit action qu'après de longs pourparlers.
Regesto (it):
- Assistenza tra fratelli e sorelle. Regresso della collettività pubblica. Art. 328/329 CC.
- Perenzione del diritto dell'ente pubblico di esigere il rimborso, per aver tardato indebitamente a far valere tale pretesa, commettendocosì un abuso di diritto? Il diritto non è perento quando la collettività pubblica, con la maggiore solerzia possibile, ha scoperto e avvertito il parente tenuto all'assistenza, anche se essa ha proposto l'azione soltanto dopo lunghe trattative.
Sachverhalt ab Seite 261
BGE 91 II 260 S. 261
Aus dem Tatbestand:
A.- Der Beklagte H. B. ist der in günstigen Verhältnissen lebende Bruder der zu 75% invaliden Ch. B., welche die eidg. Invalidenrente und einen kantonalen Invalidenfürsorgebeitrag bezieht und zusätzlich von der Klägerschaft (Fürsorgeamt B.) mit Fr. 104.-- monatlich unterstützt werden muss. Dieses Amt gelangte im März 1962 brieflich an H. B. mit dem Begehren um Ersatz dieser Beiträge gemäss Art. 329 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 329 - 1 Der Anspruch auf Unterstützung ist gegen die Pflichtigen in der Reihenfolge ihrer Erbberechtigung geltend zu machen und geht auf die Leistung, die zum Lebensunterhalt des Bedürftigen erforderlich und den Verhältnissen des Pflichtigen angemessen ist. |
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1 | Der Anspruch auf Unterstützung ist gegen die Pflichtigen in der Reihenfolge ihrer Erbberechtigung geltend zu machen und geht auf die Leistung, die zum Lebensunterhalt des Bedürftigen erforderlich und den Verhältnissen des Pflichtigen angemessen ist. |
1bis | Kein Anspruch auf Unterstützung kann geltend gemacht werden, wenn die Notlage auf einer Einschränkung der Erwerbstätigkeit zur Betreuung eigener Kinder beruht.464 |
2 | Erscheint die Heranziehung eines Pflichtigen wegen besonderer Umstände als unbillig, so kann das Gericht die Unterstützungspflicht ermässigen oder aufheben.465 |
3 | Die Bestimmungen über die Unterhaltsklage des Kindes und über den Übergang seines Unterhaltsanspruches auf das Gemeinwesen finden entsprechende Anwendung.466 |
B.- Die Direktion des Innern des Kantons Basel-Landschaft schützte das Begehren b) in vollem Umfange, das Begehren a) dagegen nur zur Hälfte, nämlich für das letzte Halbjahr vor der Klageanhebung. In gleicher Weise entschied der von beiden Parteien angerufene Regierungsrat.
C.- Die vom Beklagten eingelegte Berufung an das Bundesgericht geht auf gänzliche Abweisung der Klage. Mit seiner Anschlussberufung verlangt dagegen das Fürsorgeamt die volle Zusprechung auch des Begehrens a). Das Bundesgericht weist die Berufung des Beklagten ab, und es schützt die Anschlussberufung der Klägerschaft aus folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
Mit der Anschlussberufung hält das Fürsorgeamt daran fest, dass der Beklagte ihm die an Ch. B. erbrachten Fürsorgeleistungen für die ganze Zeitspanne vom 1. September 1962 bis Ende August 1963 und nicht nur vom 1. März 1963 an zu ersetzen
BGE 91 II 260 S. 262
habe. Der geforderte Betrag von Fr. 1174.50 (statt der in kantonaler Instanz zugesprochenen Fr. 587.--), also im Monatsdurchschnitt etwas weniger als Fr. 100.--, liegt im Rahmen dessen, was dem Beklagten bei seinen günstigen Erwerbsverhältnissen zuzumuten ist. Die Vorinstanzen haben jedoch den Erstattungsanspruch des Gemeinwesens auf das letzte Halbjahr vor der Klageanhebung begrenzt und sich dabei auf den vom Bundesgericht ausgesprochenen Grundsatz berufen, wonach das Gemeinwesen Erstattungsansprüche gegenüber unterstützungspflichtigen Verwandten des Armengenössigen tunlich rasch geltend machen soll, sobald es von der Person des Unterstützungspflichtigen und von seiner Vermögens- und Erwerbslage Kenntnis hat, und nicht beliebig lange mit der Geltendmachung solcher Ansprüche für vergangene Unterstützungsperioden zuwarten darf, ansonst eine völlige oder teilweise Verwirkung des Rückgriffsanspruches eintritt, dieser Anspruch also abzulehnen oder zu kürzen ist (BGE 74 II 19ff.,BGE 76 II 113ff.). Dabei schliessen sich die Vorinstanzen der baselstädtischen Praxis an, wonach die Ersatzansprüche des Gemeinwesens in der Regel auf das der Klage vorausgegangene Halbjahr zu begrenzen sind, sofern der Pflichtige nicht eine weitergehende Verzögerung selber verschuldet hat (vgl. E. JENNY, Die Verwandtenunterstützung im Spiegel der regierungsrätlichen Praxis des Kantons Basel-Stadt, in den Basler Juristischen Mitteilungen 1959 S. 163 ff., besonders S. 189/90). Indessen ist, wie schon in den angeführten Präjudizien, davon auszugehen, dass der auf Subrogation beruhende Ersatzanspruch des Gemeinwesens gemäss Art. 329 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 329 - 1 Der Anspruch auf Unterstützung ist gegen die Pflichtigen in der Reihenfolge ihrer Erbberechtigung geltend zu machen und geht auf die Leistung, die zum Lebensunterhalt des Bedürftigen erforderlich und den Verhältnissen des Pflichtigen angemessen ist. |
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1 | Der Anspruch auf Unterstützung ist gegen die Pflichtigen in der Reihenfolge ihrer Erbberechtigung geltend zu machen und geht auf die Leistung, die zum Lebensunterhalt des Bedürftigen erforderlich und den Verhältnissen des Pflichtigen angemessen ist. |
1bis | Kein Anspruch auf Unterstützung kann geltend gemacht werden, wenn die Notlage auf einer Einschränkung der Erwerbstätigkeit zur Betreuung eigener Kinder beruht.464 |
2 | Erscheint die Heranziehung eines Pflichtigen wegen besonderer Umstände als unbillig, so kann das Gericht die Unterstützungspflicht ermässigen oder aufheben.465 |
3 | Die Bestimmungen über die Unterhaltsklage des Kindes und über den Übergang seines Unterhaltsanspruches auf das Gemeinwesen finden entsprechende Anwendung.466 |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 128 - Mit Ablauf von fünf Jahren verjähren die Forderungen: |
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1 | für Miet-, Pacht- und Kapitalzinse sowie für andere periodische Leistungen; |
2 | aus Lieferung von Lebensmitteln, für Beköstigung und für Wirtsschulden; |
3 | aus Handwerksarbeit, Kleinverkauf von Waren, ärztlicher Besorgung, Berufsarbeiten von Anwälten, Rechtsagenten, Prokuratoren und Notaren sowie aus dem Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern. |
BGE 91 II 260 S. 263
wonach der Ersatzanspruch "nur bei unverzüglicher Anhebung der Klage" zu schützen wäre, ist zu eng; die zugehörigen Erwägungen verlangen bloss, dass die Armenbe.hörde nicht zuwarte "mit der Ausübung ihrer Rückgriffsrechte" ("les organes d'assistance ne sauraient ... tarder à exercer leurs droits de recours"). Es steht keine Klagebefristung in Frage, sondern es kann sich für die Armenbehörde nur darum handeln, die Möglichkeit eines Rückgriffs auf Verwandte des Bedürftigen, für den sie sorgt, tunlich bald und gründlich zu prüfen und, wenn sie zur Bejahung einer Unterstützungspflicht gelangt, sie dem Pflichtigen gegenüber ebenfalls ohne übermässiges Zuwarten zur Geltung zu bringen. Das kann auf verschiedene Weise geschehen; etwa vorerst durch Darlegung ihres Standpunktes, worauf es, wenn der Angesuchte sich nicht ohne weiteres zu Erzatzleistungen bereit findet, allenfalls noch zu Aussprachen, zu einem Briefwechsel und zu aussergerichtlichen Verhandlungen über eine gütliche Einigung kommen kann, nach deren Scheitern dann freilich nur die gerichtliche Klage übrig bleibt. Hier hat das Gemeinwesen seinen Anspruch ungesäumt beim Pflichtigen angemeldet. Diese Art der Geltendmachung war geeignet, einer Anspruchsverwirkung wegen Rechtsmissbrauches einstweilen vorzubeugen. Denn der Pflichtige erhielt dadurch Kenntnis von dem beabsichtigten Rückgriff und hatte daher Veranlassung, sich auf eine ihm obliegende Nachzahlung einzurichten. Seit dem 1. Juni 1962 wusste er, dass das Fürsorgeamt ihn als unterstützungspflichtig ansah; er bezahlte hierauf denn auch die geforderten Beträge für die Zeit vom 1. März bis 31. August 1962. Bis zur Klageeinreichung versuchte das Fürsorgeamt immer wieder, ihn zur Wiederaufnahme seiner Leistungen zu bewegen. Es beantwortete auch bereitwillig die ihm vom Vertreter des Beklagten gestellten Fragen, soweit es dazu in der Lage war. Nicht Saumseligkeit des Fürsorgeamtes, sondern die vom Beklagten und seinem Vertreter eingeschlagene Verzögerungstaktik hat dazu geführt, dass die Klage dann erst im August 1963 angehoben wurde. Der Beklagte war schon vom Anfang der in Frage stehenden, mit dem 1. September 1962 beginnenden Zahlungsperiode an bestens unterrichtet über den ihm drohenden Rückgriff. Unter diesen Umständen kann dem Fürsorgeamt nichts vorgehalten werden, was es rechtfertigen würde, die sachlich wohlbegründeten Ersatzansprüche auch nur zum Teil als verwirkt zu erklären.