90 III 13
4. Entscheid vom 10. März 1964 i.S. Boog, Eheleute.
Regeste (de):
- Wird ein Dritter fälschlicherweise als gesetzlicher Vertreter des Schuldners betrachtet, so ist die an jenen erfolgte Zustellung des Zahlungsbefehls nichtig. Eine nachträgliche Ernennung jenes Dritten zum Beistand vermag den Mangel nicht zu beheben. Art. 392 Ziff. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 392 - Erscheint die Errichtung einer Beistandschaft wegen des Umfangs der Aufgaben als offensichtlich unverhältnismässig, so kann die Erwachsenenschutzbehörde:
1 von sich aus das Erforderliche vorkehren, namentlich die Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft erteilen; 2 einer Drittperson für einzelne Aufgaben einen Auftrag erteilen; oder 3 eine geeignete Person oder Stelle bezeichnen, der für bestimmte Bereiche Einblick und Auskunft zu geben sind. SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 418 - Ist ein Geschäft ohne die erforderliche Zustimmung der Erwachsenenschutzbehörde abgeschlossen worden, so hat es für die betroffene Person nur die Wirkung, die nach der Bestimmung des Personenrechts über das Fehlen der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters vorgesehen ist.
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 47
- Auslegung einer Ernennung zum Beistand des Schuldners "für eine neue Betreibung" nach Aufhebung der frühern Betreibung wegen formeller Mängel. Art. 392 Ziff. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 392 - Erscheint die Errichtung einer Beistandschaft wegen des Umfangs der Aufgaben als offensichtlich unverhältnismässig, so kann die Erwachsenenschutzbehörde:
1 von sich aus das Erforderliche vorkehren, namentlich die Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft erteilen; 2 einer Drittperson für einzelne Aufgaben einen Auftrag erteilen; oder 3 eine geeignete Person oder Stelle bezeichnen, der für bestimmte Bereiche Einblick und Auskunft zu geben sind.
Regeste (fr):
- La notification d'un commandement de payer est nulle lorsqu'elle est faite à un tiers considéré à tort comme le représentant légal du débiteur. Le vice n'est pas réparé par la désignation ultérieure du tiers en qualité de curateur. Art. 392 ch. 2 et 418 CC. Art. 47 LP (consid. 1).
- Comment interpréter la désignation d'un curateur du débiteur "en vue d'une nouvelle poursuite" après l'annulation d'une poursuite antérieure pour vices de forme? Art. 392 ch. 2 CC consid. 2).
Regesto (it):
- La notificazione di un precetto esecutivo è nulla se è fatta a un terzo erroneamente considerato come rappresentante legale del debitore. La successiva nomina del terzo a curatore non sana il vizio. Art. 392 num. 2 e art. 418 CC. Art. 47 LEF (consid. 1).
- Interpretazione di una nomina del curatore del debitore "in vista di una nuova esecuzione" dopo annullamento, per vizio formale, della precedente esecuzione. Art. 392 num. 2 CC (consid. 2).
Sachverhalt ab Seite 14
BGE 90 III 13 S. 14
A.- In einer Betreibung der Anstalt Solana, Vaduz, gegen Frau Marie Boog für eine Forderung von Fr. 4'499.20 nebst Zins (als Vollschuld) musste für den mitzubetreibenden Ehemann der Schuldnerin, Alois Boog, der bevormundet ist, ein Beistand gemäss Art. 392 Ziff. 2
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 392 - Erscheint die Errichtung einer Beistandschaft wegen des Umfangs der Aufgaben als offensichtlich unverhältnismässig, so kann die Erwachsenenschutzbehörde: |
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1 | von sich aus das Erforderliche vorkehren, namentlich die Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft erteilen; |
2 | einer Drittperson für einzelne Aufgaben einen Auftrag erteilen; oder |
3 | eine geeignete Person oder Stelle bezeichnen, der für bestimmte Bereiche Einblick und Auskunft zu geben sind. |
B.- Die Eheleute Boog fochten die Betreibung Nr. 13329 durch Beschwerde als nichtig an, weil Birrer nicht mehr Beistand des Alois Boog gewesen sei und der
BGE 90 III 13 S. 15
Zahlungsbefehl dieser Betreibung ihm daher nicht gültig habe zugestellt werden können.
C.- Die kantonalen Aufsichtsbehörden haben Beschwerde und Rekurs der betriebenen Eheleute abgewiesen. Der Entscheid der obern Aufsichtsbehörde vom 11. Februar 1964 stützt sich auf folgende Erwägungen: Zu Unrecht halten die Rekurrenten dafür, die nach Aufhebung der ersten Betreibung laut Brief des Gemeinderates vom 1. Juni 1963 "für eine neue Betreibung" erneuerte Beistandsernennung habe nur für eine (einzige) Betreibung, nämlich die zweite, Nr. 12942, gegolten. "Vielmehr sollte der Beistand einfachhin in einer neuen Betreibung handeln können", also auch in der dritten, wie sie dann wegen formeller Mangelhaftigkeit jener zweiten notwendig wurde. Wollte man dies jedoch nicht gelten lassen, so wäre die Zustellung des für Alois Boog bestimmten Zahlungsbefehls Nr. 13329 an Adolf Birrer dennoch als gültig zu erachten, nachdem er ja dann am 24. September 1963 auch für diese Betreibung als Beistand ernannt worden ist. Denn in dieser Ernennung liegt eine nachträgliche Genehmigung der von Birrer als Beistand vorgenommenen Handlungen, insbesondere der Entgegennahme des Zahlungsbefehls Nr. 13329 und der Erhebung des Rechtsvorschlages.
D.- Mit vorliegendem Rekurs an das Bundesgericht halten die Eheleute Boog am Antrag fest, die Betreibung Nr. 13329 sei "als nichtig festzustellen und rechtsunwirksam zu erklären".
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1. Wenn, wie die Rekurrenten annehmen, Adolf Birrer bei der Entgegennahme des Zahlungsbefehls Nr. 13329 nicht als Beistand zu handeln befugt war, so erweist sich die Zustellung als ungültig und die Betreibung als nichtig. Denn wenn Birrer, gemäss dieser Auffassung, nicht mehr als gesetzlicher Vertreter des Ehemannes Boog zu amten hatte, so konnte diese Zustellung schlechthin keine Rechtswirkungen
BGE 90 III 13 S. 16
entfalten, auch dann nicht, wenn die Urkunde alsdann in die Hände des (handlungsunfähigen) Alois Boog selbst oder seiner (in dieser Angelegenheit nicht vertretungsberechtigten) Vormünderin gelangte. Ein derart unwirksamer Zustellungsakt konnte - entgegen den Eventualerwägungen der Vorinstanz - nicht durch eine spätere Ernennung des Adolf Birrer als Beistand nachträglich gültig werden. Der Hinweis auf EGGER, N. 2 zu Art. 418
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 418 - Ist ein Geschäft ohne die erforderliche Zustimmung der Erwachsenenschutzbehörde abgeschlossen worden, so hat es für die betroffene Person nur die Wirkung, die nach der Bestimmung des Personenrechts über das Fehlen der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters vorgesehen ist. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 418 - Ist ein Geschäft ohne die erforderliche Zustimmung der Erwachsenenschutzbehörde abgeschlossen worden, so hat es für die betroffene Person nur die Wirkung, die nach der Bestimmung des Personenrechts über das Fehlen der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters vorgesehen ist. |
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 38 - 1 Hat jemand, ohne dazu ermächtigt zu sein, als Stellvertreter einen Vertrag abgeschlossen, so wird der Vertretene nur dann Gläubiger oder Schuldner, wenn er den Vertrag genehmigt. |
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1 | Hat jemand, ohne dazu ermächtigt zu sein, als Stellvertreter einen Vertrag abgeschlossen, so wird der Vertretene nur dann Gläubiger oder Schuldner, wenn er den Vertrag genehmigt. |
2 | Der andere ist berechtigt, von dem Vertretenen innerhalb einer angemessenen Frist eine Erklärung über die Genehmigung zu verlangen und ist nicht mehr gebunden, wenn der Vertretene nicht binnen dieser Frist die Genehmigung erklärt. |
2. Somit hängt die Entscheidung davon ab, ob Birrer bei der Zustellung des Zahlungsbefehls Nr. 13329 als
BGE 90 III 13 S. 17
Beistand zu wirken befugt war. Dies hat die Vorinstanz in ihren Haupterwägungen in zutreffender Weise bejaht. Wenn nach Aufhebung der vorausgegangenen Betreibungen der Gemeinderat am 1. Juni 1963 erklärte, dass "für eine neue Betreibung ebenfalls ... Birrer ... mitzuwirken" habe, so muss dies bei mangelhafter Einleitung einer zweiten Doppelbetreibung gegen die Eheleute Boog vernünftigerweise auch für die nachfolgende dritte Betreibung gelten, welche dieselbe Forderung betraf und wobei die Vormünderin wiederum gehindert war, den mitbetriebenen Ehemann zu vertreten. Es war daher unnötig, dass der Gemeinderat am 24. September 1963 auch für die Betreibung Nr. 13329 Birrer zum Beistand ernannte. Er war es bei Anhebung dieser Betreibung schon gewesen. Bei dieser Sachlage kann dahingestellt bleiben, ob die Vertretungsbeistandschaft nicht selbst dann, wenn sie lediglich für die damals bevorstehende zweite Betreibung erneuert worden wäre, über deren Dauer hinaus auch für die dieselbe Schuld betreffende dritte Betreibung hätte gelten müssen, weil es im Grunde genommen um die Vollstreckung der in Frage stehenden Vollschuld der Frau Boog ging und die Betreibung Nr. 13329 nichts anderes als eine durch das formelle Scheitern der zweiten Betreibung bedingte Weiterung der Angelegenheit war (vgl. H. PFANDER, Die Beistandschaft nach Art. 392
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 392 - Erscheint die Errichtung einer Beistandschaft wegen des Umfangs der Aufgaben als offensichtlich unverhältnismässig, so kann die Erwachsenenschutzbehörde: |
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1 | von sich aus das Erforderliche vorkehren, namentlich die Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft erteilen; |
2 | einer Drittperson für einzelne Aufgaben einen Auftrag erteilen; oder |
3 | eine geeignete Person oder Stelle bezeichnen, der für bestimmte Bereiche Einblick und Auskunft zu geben sind. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 393 - 1 Eine Begleitbeistandschaft wird mit Zustimmung der hilfsbedürftigen Person errichtet, wenn diese für die Erledigung bestimmter Angelegenheiten begleitende Unterstützung braucht. |
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1 | Eine Begleitbeistandschaft wird mit Zustimmung der hilfsbedürftigen Person errichtet, wenn diese für die Erledigung bestimmter Angelegenheiten begleitende Unterstützung braucht. |
2 | Die Begleitbeistandschaft schränkt die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person nicht ein. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 439 - 1 Die betroffene oder eine ihr nahestehende Person kann in folgenden Fällen schriftlich das zuständige Gericht anrufen: |
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1 | Die betroffene oder eine ihr nahestehende Person kann in folgenden Fällen schriftlich das zuständige Gericht anrufen: |
1 | bei ärztlich angeordneter Unterbringung; |
2 | bei Zurückbehaltung durch die Einrichtung; |
3 | bei Abweisung eines Entlassungsgesuchs durch die Einrichtung; |
4 | bei Behandlung einer psychischen Störung ohne Zustimmung; |
5 | bei Massnahmen zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit. |
2 | Die Frist zur Anrufung des Gerichts beträgt zehn Tage seit Mitteilung des Entscheids. Bei Massnahmen zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit kann das Gericht jederzeit angerufen werden. |
3 | Das Verfahren richtet sich sinngemäss nach den Bestimmungen über das Verfahren vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz. |
4 | Jedes Begehren um gerichtliche Beurteilung ist unverzüglich an das zuständige Gericht weiterzuleiten. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 40 - 1 Der Bundesrat bestimmt die Personen und Behörden, die verpflichtet sind, die zur Beurkundung des Personenstandes nötigen Angaben zu melden. |
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1 | Der Bundesrat bestimmt die Personen und Behörden, die verpflichtet sind, die zur Beurkundung des Personenstandes nötigen Angaben zu melden. |
2 | Er kann vorsehen, dass Verstösse gegen die Meldepflicht mit Busse geahndet werden. |
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Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetr. u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.