90 I 65
12. Auszug aus dem Urteil vom 20. Mai 1964 i.S. L. gegen Obergericht des Kantons Zug.
Regeste (de):
- Art. 88 OG: Die Partei, deren Rekusationsbegehren gegenüber einem Mitglied des Gerichtes abgelehnt wird, ist zur Beschwerde auch befugt, wenn ihr die Legitimation zur Anfechtung des Sachurteils fehlt.
- Rekusation: Unzulässigkeit der Abweisung des Begehrens mangels Beweises, wenn es Sache des Richters ist, abzuklären, ob ein Rekusationsgrund vorliegt; der abgelehnte Richter darf nicht über das aus dem gleichen Grunde gegen ein anderes Mitglied gerichtete Ablehnungsbegehren mitentscheiden.
Regeste (fr):
- Art. 88 OJ: La partie, dont la demande de récusation à l'égard d'un des membres du tribunal a été rejetée, possède la qualité pour former un recours de droit public même si celle-ci lui fait défaut pour s'en prendre au jugement sur le fond.
- Récusation: Une demande de récusation ne saurait être rejetée faute de preuve, lorsqu'il appartient au juge d'établir s'il y a un motif de récusation; le juge récusé pour une certaine cause ne peut participer au jugement de la demande de récusation fondée sur la même raison et présentée contre un autre membre du tribunal.
Regesto (it):
- Art. 88
OG: La parte, la cui domanda di ricusazione nei confronti di un membro del tribunale è stata respinta, ha qualità per interporre ricorso di diritto pubblico anche se questa qualità gli fa difetto per impugnare la sentenza nel merito.
- Ricusazione: Non è ammissibile respingere la domanda per mancanza di prova, quando spetta al giudice di chiarire se vi sia un motivo di ricusazione; il giudice ricusato non può partecipare alla decisione di una domanda di ricusazione fondata sul motivo addotto anche a suo riguardo, ma diretta contro un altro membro del tribunale.
Sachverhalt ab Seite 66
BGE 90 I 65 S. 66
Der Beschwerdeführer L. hat bei der zuständigen Untersuchungsbehörde ein Strafverfahren eingeleitet. Gegen dessen Einstellung beschwerte er sich und verlangte, dass beim Entscheid über die Beschwerde die Richter A und B wegen feindseliger Gesinnung gegenüber dem Beschwerdeführer in Ausstand zu gehen hätten. Einen der abgelehnten Richter hat er schon in einem früheren Verfahren aus dem gleichen Grunde abgelehnt. Das Obergericht wies das Gesuch ab, weil eine feindselige Gesinnung der abgelehnten Richter nicht nachgewiesen sei, diese sich zudem keiner derartigen Einstellung gegenüber dem Beschwerdeführer bewusst seien. Oberrichter A wirkte beim Entscheid über das Ausstandsgesuch gegen Oberrichter B und dieser bei der Entscheidung über das gegen A gerichtete Gesuch mit. L. erhebt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
Erwägungen
Erwägungen:
1. Die staatsrechtliche Beschwerde richtet sich gegen einen Entscheid, mit welchem ein Ausstandsbegehren abgelehnt worden ist. Über den Gegenstand der kantonalen Beschwerde wurde damit noch nicht entschieden. Es kann schon aus diesem Grunde nur dieses Ablehnungsbegehren zum Gegenstand der staatsrechtlichen Beschwerde gemacht, nicht dagegen, wie der Beschwerdeführer es tut, verlangt werden, dass das Obergericht die Strafuntersuchungsbehörde zur Durchführung des Strafverfahrens anhalte. Zu einer Beschwerde dagegen würde übrigens dem Beschwerdeführer die nach Art. 88
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2. Art. 4
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BGE 90 I 65 S. 67
BURCKHARDT, Kommentar zu Art. 4
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3. Die Abweisung des Rekusationsbegehrens wird im angefochtenen Entscheid zunächst damit begründet, dass der Gesuchsteller die feindselige Gesinnung der abgelehnten Richter nicht dargetan habe. Der Beschwerdeführer hat feindselige Einstellung der beiden abgelehnten Richter ihm gegenüber und damit deren Befangenheit behauptet. Derartige Ablehnungsgründe sind vom Gesuchsteller oft schwer nachweisbar. Viele Gesetze sehen deshalb vor, dass, falls die urkundliche Bescheinigung der den Ausstand begründenden Tatsachen nicht möglich ist, die Gerichtsperson sich über die angebrachten Ausstandsgründe zu äussern hat (Art. 25 Abs. 2
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BGE 90 I 65 S. 68
vom 25. Januar 1950 i.S. Burch erklärt hat, in solchen Fällen nicht an, ein Ausstands- oder Ablehnungsgesuch aus dem Grunde abzuweisen, weil die Partei den Ablehnungsgrund nicht bewiesen habe. Es ist in erster Linie Sache des Richters, den behaupteten Ausstandsgrund festzustellen (BGE 32 I 37). Der Beschwerdeführer verweist auf das ihn betreffende Urteil der staatsrechtlichen Kammer vom 10. Dezember 1958 gegen die Justizkommission, wo bereits streitig war, ob er den Ausstand von A. wegen Feindseligkeit verlangen könne. Übrigens könnte die Frage auf sich beruhen, ob es eines Hinweises auf frühere Beschwerden bedurft hätte. Denn die Abweisung des Begehrens wird nicht in erster Linie mit fehlender Substanzierung, sondern damit begründet, dass die rekusierten Mitglieder sich keiner feindseligen Haltung gegenüber dem Beschwerdeführer bewusst seien.
4. Werden gegen verschiedene Mitglieder einer Behörde Rekusationsbegehren gestellt, so ist im allgemeinen im Ausstand der mehreren abgelehnten oder ausstandspflichtigen Richter zu entscheiden. Es entspricht einem allgemein geübten Grundsatz, dass zur Entscheidung eines Antrages nicht verschiedene Mitglieder einer Behörde nacheinander mitwirken, wobei eines nur über einen Teil eines Antrages urteilt. Das gilt bei Ablehnungsgesuchen auch dann, wenn die Ablehnung gegenüber den mehreren Mitgliedern mit verschiedenen Ausstands- oder Ablehnungstatbeständen begründet wird. Ob eine gegenteilige Entscheidung aus dem Gesichtspunkt des Art. 4
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BGE 90 I 65 S. 69
gerichtete Begehren. Das widerspricht dem allgemeinen, aus Art. 4
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