89 III 72
16. Entscheid vom 8. November 1963 i.S. Garage Moderne SA
Regeste (de):
- 1. Ist das Retentionsrecht, das ein Vermieter oder Verpächter als Dritter in einer gegen den Schuldner von anderer Seite angehobenen Betreibung auf Pfändung geltend macht, durch die Rechtsprechung aus zureichenden Gründen vom Deckungsprinzip des Art. 126 SchKG ausgenommen worden? (Erw. 1).
- 2. Sind in einer Betreibung auf Pfändung Gegenstände verwertet worden, an denen Pfandrechte bestehen, so ist den Pfandgläubigern nur der aus diesen Gegenständen erzielte Reinerlös, nach Abzug der auf sie entfallenden Verwertungs- und Verteilungskosten, zuzuweisen. - Art. 144 Abs. 3 und 4 , sinngemässe Anwendung von Art. 262 Abs. 2 SchKG. (Erw. 2).
Regeste (fr):
- 1. La règle d'après laquelle les créances garanties par gage, préférables à celles du poursuivant, doivent être couvertes par le prix d'adjudication (art. 126 LP) souffre une exception lorsque le bailleur revendique un droit de rétention dans une poursuite par voie de saisie intentée par un tiers; cette jurisprudence est-elle suffisamment motivée? (consid. 1).
- 2. Lorsque des objets réalisés dans une poursuite par voie de saisie sont grevés de droits de gage, les créanciers gagistes ne recevront que le produit net de la réalisation, après déduction des frais de réalisation et de distribution afférents. Art. 144 al. 3 et 4 LP; application analogique de l'art. 262 al. 2 LP (consid. 2).
Regesto (it):
- 1. La regola secondo la quale i crediti garantiti con pegno, poziori a quello del creditore istante, devono essere coperti dal prezzo di aggiudicazione (art. 126 LEF) ammette un'eccezione quando il locatore rivendica un diritto di ritenzione in un'esecuzione in via di pignoramento, promossa da un terzo; questa giurisprudenza è sufficientemente motivata? (consid. 1).
- 2. Quando degli oggetti realizzati in un'esecuzione in via di pignoramento sono gravati da diritti di pegno, i creditori pignoratizi ricevono solo il provento netto di questa realizzazione, dopo dedotte le spese di realizzazione e di distribuzione inerenti. Art. 144 cpv. 3 e 4 LEF; applicazione analogica dell'art. 262 cpv. 2 LEF (consid. 2).
Sachverhalt ab Seite 72
BGE 89 III 72 S. 72
A.- In der Betreibung Nr. 26111 (Baumgartner gegen Widlake) für Fr. 200. - nebst Zins liess das Betreibungsamt
BGE 89 III 72 S. 73
St. Gallen ein in der Garage Moderne SA in Territet stehendes Automobil Vauxhall durch das Betreibungsamt Montreux pfänden. An diesem auf Fr. 1000. - geschätzten Fahrzeug machte die erwähnte Garageunternehmung ein "Pfandrecht" für Reparaturen und Bestandteile im Forderungsbetrage von Fr. 153.35 und ein Retentionsrecht für die Garagebenutzung von monatlich Fr. 45.- seit 9. Februar 1963 geltend. Am 20. Juni 1963 ersteigerte sie selbst den Wagen für Fr. 400.--; ihre vorzugsberechtigten Ansprüche waren in der Steigerungsankündigung auf Fr. 378.35 beziffert worden (die erwähnten Fr. 153.35 und eine Garagemiete für fünf Monate im Betrag von Fr. 225.--). Diese Ansprüche blieben im Widerspruchsverfahren unbestritten.
B.- In der Abrechnung vom 13. August 1963 brachte das Betreibungsamt St. Gallen vom Zuschlagspreis von Fr. 400. -
die Verwertungskosten in Abzug, betragend:
a) diejenigen des Betreibungsamtes
Montreux Fr. 77.95
b) die eigenen " 44.35 Fr. 122.30
und überwies der Garage Moderne SA den
Restbetrag von Fr. 277.70
C.- Mit rechtzeitig eingereichter Beschwerde verlangte die Garage Moderne SA die Zuweisung des ganzen Betrages ihrer durch Pfand- bzw. Retentionsrecht gesicherten Forderungen von Fr. 378.35. Sie hält dafür, die Verwertungskosten seien, soweit durch den Überschuss von Fr. 21.65 nicht gedeckt, vom betreibenden Gläubiger zu tragen.
D.- Beschwerde und Rekurs wurden in den kantonalen Instanzen abgewiesen. Der Entscheid der obern kantonalen Aufsichtsbehörde vom 26. September 1963 geht davon aus, dass die "durch Faustpfand" gesicherte Forderung der Rekurrentin für Reparaturen und Bestandteile von Fr. 153.35 auch nach Abzug der Verwertungskosten voll gedeckt sei, dass dagegen für die "Mietzinsforderung"
BGE 89 III 72 S. 74
von Fr. 225.-- nach ständiger Rechtsprechung das Deckungsprinzip des Art. 126 SchKG nicht gelte. Somit habe der Zuschlag zum Preise von Fr. 400.-- erfolgen dürfen ohne Rücksicht darauf, ob auch diese zweite Forderung durch den Reinerlös gedeckt sei. Nach Art. 144 Abs. 3 SchKG habe das Betreibungsamt dem Roherlös die sämtlichen Verwertungskosten vorweg entnehmen dürfen.
E.- Diesen Entscheid hat die Beschwerdeführerin an das Bundesgericht weitergezogen. Sie hält am Beschwerdebegehren fest. Zur Begründung führt sie aus, ihren beiden Forderungen komme in gleicher Weise der Vorrang vor den Forderungen des betreibenden Gläubigers zu. Es gehe nicht an, sie für die zweite Forderung als mitbetreibend zu betrachten und infolgedessen an den Verwertungskosten teilnehmen zu lassen. Das führe zum unhaltbaren Ergebnis, dass beide Forderungen mit diesen Kosten belastet würden. Im übrigen seien die "frais de garde" gar nicht Mietzinse, wie denn kein Mietvertrag abgeschlossen worden sei. Die Aufbewahrung des Wagens in der Garage der Rekurrentin sei einfach eine Nebenwirkung ("accessoire") des Retentionsrechtes für den Werklohn. Von der Pfändung an habe die Rekurrentin den Gewahrsam übrigens kraft dieser amtlichen Verfügung ausgeübt. Handle es sich somit nicht um Mietzins, so müsse die Regel des Art. 126 SchKG voll und ganz zur Geltung kommen. Infolgedessen sei ihr der ganze Betrag ihrer Forderungen aus dem Verwertungsergebnis zuzuweisen.
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 37 Abs. 2 SchKG begreift der Ausdruck "Faustpfand" auch das Retentionsrecht. Das gilt wie für das Retentionsrecht des Art. 895 ZGB so auch für das Retentionsrecht des Vermieters und des Verpächters nach Art. 272 und Art. 286 Abs. 3 OR. Art. 898 Abs. 1 ZGB gibt dem in jenem ersten Sinne Retentionsberechtigten ausdrücklich das Recht, die Sache wie ein Faustpfand zu verwerten, und nach Art. 283 Abs. 3 SchKG wird auch
BGE 89 III 72 S. 75
das Retentionsrecht der zweiten Art durch Betreibung auf Pfandverwertung geltend gemacht. Indessen hat die Praxis hinsichtlich des Retentionsrechts des Vermieters oder Verpächters eine gewisse Ausnahme Platz greifen lassen bei Geltendmachung als Drittanspruch in einer von anderer Seite gegen den Mieter oder Pächter angehobenen Betreibung: In diesem Falle soll nämlich das Deckungsprinzip des Art. 126 SchKG nicht angewendet werden, sondern die Verwertung ohne Rücksicht darauf geschehen können, ob die durch das Retentionsrecht gesicherten Forderungen des Vermieters oder Verpächters gedeckt sind oder nicht. So hat bereits der Bundesrat am 13. März 1894 entschieden mit der Begründung, da der Vermieter oder Verpächter sein Retentionsrecht auf dem Betreibungswege zu realisieren habe, sei er in jenem Falle jedenfalls für verfallenen Miet- oder Pachtzins als mitbetreibend anzusehen; daher entfalle das Deckungsprinzip, während das pfandähnliche Vorzugsrecht als solches zu berücksichtigen sei. Bei Verteilung des Erlöses sei daher in folgender Reihenfolge vorzugehen: In erster Linie seien die Kosten der Verwertung und Verteilung zu decken (Art. 144 Abs. 3 SchKG), dann die retentionsgesicherten Forderungen (soweit möglich) und zuletzt die Forderungen der pfändenden Gläubiger (soweit auf sie noch etwas entfalle). Das Bundesgericht ist dieser Betrachtungsweise beigetreten (BGE 42 III 221). Es hat ferner entschieden, der Streit über ein solches Retentionsrecht sei erst nach Verwertung der angesprochenen Gegenstände auszutragen, weil sich der Zeitraum des Retentionsschutzes vorher noch gar nicht umgrenzen lasse (BGE 54 III 5ff.). Und hieran anknüpfend hat das Bundesgericht jene Ausnahme vom Deckungsprinzip auf das Retentionsrecht für laufenden Miet- oder Pachtzins ausgedehnt und sie in neuer Weise begründet: Weil das Widerspruchsverfahren über ein Retentionsrecht solcher Art erst nach geschehener Verwertung eingeleitet werden darf, ist bei der Verwertung noch gänzlich ungewiss, ob und in welchem Umfang ein solches Retentionsrecht besteht; somit kann dieses Recht für die Bestimmung
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des Mindest-Zuschlagspreises schlechterdings keine Rolle spielen (BGE 65 III 6ff.). Die Rekurrentin zieht die Begründetheit dieser im Gesetze nicht vorgesehenen, von der Praxis jedoch aus den erwähnten Gründen anerkannten Ausnahme vom Deckungsprinzip in Zweifel, ohne sich damit des nähern auseinanderzusetzen. Dieses Problem kann hier auf sich beruhen bleiben, weil der Zuschlag zu Fr. 400.-- auch bei Anwendung des Deckungsprinzips hätte erfolgen können; denn dieser Preis überstieg beide retentionsgesicherten Forderungen. Übrigens hat die Rekurrentin - als Erwerberin des Wagens an der Steigerung - die Verwertung als solche nicht angefochten. Unter diesen Umständen ist es auch ohne Belang, ob das für die zweite Forderung geltend gemachte Retentionsrecht überhaupt auf einem Mietverhältnis oder vielmehr wie dasjenige für die Werklohnforderung auf Art. 895 ZGB beruhe. Laut der Pfändungsurkunde hatte die Rekurrentin eine "location" von Fr. 45.- monatlich geltend gemacht, während sie sich später (im Schreiben vom 20. Juli 1963) auf ein einheitliches (auf Art. 895 ZGB gestütztes) Retentionsrecht für beide Forderungen berief. Wie es sich auch mit der Rechtsgrundlage dieses Anspruchs verhalten mag, ist bei der Verteilung des Erlöses das im vollen Umfang anerkannte Retentionsrecht für beide Forderungen zu berücksichtigen.
2. Bei der Verteilung des Reinerlöses nach Art. 144 Abs. 3 SchKG bleiben die retentionsgesicherten Forderungen teilweise ungedeckt. Die Rekurrentin glaubt dies angesichts ihres Vorzugsrechtes nicht hinnehmen zu müssen. Sie hält dafür, die Regel des Art. 144 Abs. 3 SchKG, wonach die Kosten der Verwertung und der Verteilung vorab aus dem Erlöse zu decken sind, dürfe nicht zu ihrem Nachteil angewendet werden. Mit Recht haben jedoch die Vorinstanzen die auf dieser Norm beruhende Abrechnung des Betreibungsamtes bestätigt. Auch wenn man die Rekurrentin nicht als mitbetreibende Gläuberin (im Sinne der erwähnten Rechtsprechung) betrachtet, gehört sie zu den gemäss Art. 144 Abs. 4 SchKG an der Verteilung des
BGE 89 III 72 S. 77
Erlöses "beteiligten" Gläubigern, da ihr Retentionsrecht eben bei der Zwangsverwertung zu einem in bar zu erlegenden Preis realisiert worden ist (vgl. JAEGER, N. 5 zu Art. 144 SchKG; BLUMENSTEIN, Handbuch, S. 482; FRITZSCHE, SchKRecht I S. 270). Nach dieser Vorschrift kommt zur Verteilung unter die beteiligten Gläubiger nur der Reinerlös (ebenso in der Betreibung auf Pfandverwertung nach Art. 157 SchKG und Art. 113
SR 281.42 Regolamento del Tribunale federale del 23 aprile 1920 concernente la realizzazione forzata dei fondi (RFF) RFF Art. 113 - 1 Se il fondo venduto in un'esecuzione in via di realizzazione di pegno era in pari tempo oggetto di pignoramento (art. 157 cpv. 3 LEF), nello stato di riparto l'ufficio terrà conto soltanto dei creditori pignoratizi escludendone i creditori partecipanti al pignoramento. Se dopo il pagamento delle spese di amministrazione, di realizzazione, di riparto (art. 157 cpv. 1 LEF) nonché dei creditori pignoratizi istanti e, se del caso, dei creditori pignoratizi posteriori, resta un'eccedenza, l'ufficio la riterrà per includerla nello stato di riparto dell'esecuzione in via di pignoramento.164 |
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1 | Se il fondo venduto in un'esecuzione in via di realizzazione di pegno era in pari tempo oggetto di pignoramento (art. 157 cpv. 3 LEF), nello stato di riparto l'ufficio terrà conto soltanto dei creditori pignoratizi escludendone i creditori partecipanti al pignoramento. Se dopo il pagamento delle spese di amministrazione, di realizzazione, di riparto (art. 157 cpv. 1 LEF) nonché dei creditori pignoratizi istanti e, se del caso, dei creditori pignoratizi posteriori, resta un'eccedenza, l'ufficio la riterrà per includerla nello stato di riparto dell'esecuzione in via di pignoramento.164 |
2 | Prima che i creditori pignoratizi non siano soddisfatti completamente e nella misura in cui i creditori partecipanti non li precedono in grado, il ricavo della vendita del fondo costituito in pegno non può essere impiegato né per coprire le spese d'esecuzione in via di pignoramento né per tacitare i creditori partecipanti a quest'esecuzione.165 |
3 | Nello stato di riparto sulla esecuzione in via di pignoramento non sono da iscriversi i creditori pignoratizi (art. 144 e segg. LEF). |
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.