89 III 47
11. Urteil der H. Zivilabteilung vom 4. Juli 1963 i.S. Metelli gegen Güdemann.
Regeste (de):
- 1. Berufung und staatsrechtliche Beschwerde. Art. 57 Abs. 5
OG.
- Ausnahme von der in dieser Bestimmung vorgesehenen Regel
- 2. Anfechtung. Art. 288
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 288 - 1 Anfechtbar sind endlich alle Rechtshandlungen, welche der Schuldner innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Pfändung oder Konkurseröffnung in der dem andern Teile erkennbaren Absicht vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen oder einzelne Gläubiger zum Nachteil anderer zu begünstigen.
1 Anfechtbar sind endlich alle Rechtshandlungen, welche der Schuldner innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Pfändung oder Konkurseröffnung in der dem andern Teile erkennbaren Absicht vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen oder einzelne Gläubiger zum Nachteil anderer zu begünstigen. 2 Bei der Anfechtung einer Handlung zugunsten einer nahestehenden Person des Schuldners trägt diese die Beweislast dafür, dass sie die Benachteiligungsabsicht nicht erkennen konnte. Als nahestehende Personen gelten auch Gesellschaften eines Konzerns.520 - Anfechtung eines nachträglich zur Sicherstellung von Darlehensforderungen abgeschlossenen Abtretungsvertrages. Erkennbarkeit der Benachteiligungsabsicht des Gemeinschuldners (Erw. 2).
Regeste (fr):
- 1. Recours en réforme et recours de droit public. Art. 57 al. 5 OJ.
- Exception à la règle prévue par cette disposition légale (consid. 1).
- 2. Action révocatoire. Art. 288 LP.
- Action en invalidation d'un contrat de cession conclu après coup afin de garantir la créance en remboursement d'un prêt. A quelles conditions l'intention du débiteur failli de porter préjudice à ses créanciers est-elle reconnaissable par l'autre partie au contrat (consid. 2)?
Regesto (it):
- 1. Ricorso per riforma e ricorso di diritto pubblico. Art. 57 cpv. 5
OG.
- Eccezione alla regola stabilita in questo disposto (consid. 1).
- 2. Azione rivocatoria. Art. 288 LEF.
- Contestazione di un contratto di cessione concluso ulteriormente al fine di garantire il pagamento di un mutuo. Quando è riconoscibile dalla controparte contrattuale l'intenzione del debitore escusso di recar pregiudizio ai suoi creditori (consid. 2)?
Sachverhalt ab Seite 48
BGE 89 III 47 S. 48
A.- 1. André Flisch und Valmore Metelli betrieben ab 1954 als Partner in einer einfachen Gesellschaft den Handel mit Spielautomaten. Im Jahre 1958 wurde die Gesellschaft liquidiert, wobei Metelli gegen Flisch eine Forderung von Fr. 92'000.-- nebst Zinsen zugesprochen erhielt. Flisch führte daraufhin das Geschäft allein weiter. Im März 1959 verkaufte er es an die Firma Max Hauser in Zürich. Am 20. Januar 1960 brach über ihn der Konkurs aus. 2. Flisch hatte ab 1954 von seiner Schwiegermutter, Witwe Helena Güdemann, die mit ihm im selben Hause wohnte, nach beidseitiger Behauptung für seinen Geschäftsbetrieb unter mehr als 30 Malen kleinere und grössere Darlehen im Gesamtbetrag von mindestens Fr. 112'340. - erhalten, jedoch hieran trotz wiederholten Mahnungen seitens der Darleiherin nichts zurückbezahlt. Frau Güdemann verlangte deshalb von ihm, als er das Automatengeschäft verkaufte, eine Sicherstellung, worauf Flisch ihr seine Forderung gegen die Firma Max Hauser bis zum Betrag von Fr. 112'340. - abtrat. Im Konkurse Flischs machte Frau Güdemann diesen Zessionsanspruch auf die Forderung gegen Hauser, die den Hauptaktivposten der Masse darstellte, geltend, wurde damit jedoch nur bis zum Betrage von Fr. 53'857.55 zugelassen. Die Masse verzichtete auf Anfechtung der Zession und trat den Anspruch an den mit einer Forderung von Fr. 100'591.10 in 5. Klasse kollozierten Gläubiger Metelli sowie an den Staat Zürich und die Gemeinde Kilchberg ab.
B.- Das Bezirksgericht Horgen hiess die von Metelli und den erwähnten Mitbeteiligten nach Art. 288
![](media/link.gif)
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 288 - 1 Anfechtbar sind endlich alle Rechtshandlungen, welche der Schuldner innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Pfändung oder Konkurseröffnung in der dem andern Teile erkennbaren Absicht vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen oder einzelne Gläubiger zum Nachteil anderer zu begünstigen. |
|
1 | Anfechtbar sind endlich alle Rechtshandlungen, welche der Schuldner innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Pfändung oder Konkurseröffnung in der dem andern Teile erkennbaren Absicht vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen oder einzelne Gläubiger zum Nachteil anderer zu begünstigen. |
2 | Bei der Anfechtung einer Handlung zugunsten einer nahestehenden Person des Schuldners trägt diese die Beweislast dafür, dass sie die Benachteiligungsabsicht nicht erkennen konnte. Als nahestehende Personen gelten auch Gesellschaften eines Konzerns.520 |
![](media/link.gif)
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 288 - 1 Anfechtbar sind endlich alle Rechtshandlungen, welche der Schuldner innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Pfändung oder Konkurseröffnung in der dem andern Teile erkennbaren Absicht vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen oder einzelne Gläubiger zum Nachteil anderer zu begünstigen. |
|
1 | Anfechtbar sind endlich alle Rechtshandlungen, welche der Schuldner innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Pfändung oder Konkurseröffnung in der dem andern Teile erkennbaren Absicht vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen oder einzelne Gläubiger zum Nachteil anderer zu begünstigen. |
2 | Bei der Anfechtung einer Handlung zugunsten einer nahestehenden Person des Schuldners trägt diese die Beweislast dafür, dass sie die Benachteiligungsabsicht nicht erkennen konnte. Als nahestehende Personen gelten auch Gesellschaften eines Konzerns.520 |
BGE 89 III 47 S. 49
gegeben seien, hielt jedoch für nicht genügend erstellt, dass die Beklagte diese Absicht erkannt habe oder bei einer den Umständen angemessenen Aufmerksamkeit hätte erkennen können.
C.- Metelli hat gegen diesen Entscheid eine staatsrechtliche Beschwerde wegen willkürlicher Beweiswürdigung und die vorliegende Berufung eingereicht. Mit dem letzteren Rechtsmittel beantragt er, es sei das obergerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage gutzuheissen. Die Beklagte lässt auf Abweisung der Berufung antragen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Beim Zusammentreffen einer staatsrechtlichen Beschwerde mit einer zivilrechtlichen Berufung ist in der Regel die Entscheidung über das letztere Rechtsmittel bis zur Erledigung des ersteren auszusetzen (Art. 57 Abs. 5
![](media/link.gif)
2. Die Beklagte hat in Übereinstimmung mit dem Gemeinschuldner Flisch stets behauptet, sie habe diesem für sein Geschäft in den Jahren 1954 bis 1959 Darlehen im Gesamtbetrag von rund Fr. 112'500.-- gewährt, und zwar unter 34 Malen in Einzelbeträgen zwischen Fr. 50.- und Fr. 30'000.--. Dem entsprach auch die in der Abtretungsurkunde genannte und zur Kollokation angemeldete Forderung von Fr. 112'340.--. Im Kollokationsprozess drang die Beklagte allerdings nur mit einer Forderung von Fr. 53'851.55 durch, weil das Gericht die ins Recht gelegten Quittungen als fragwürdig erachtete und nur auf die glaubhaften Einträge in der Buchhaltung des Gemeinschuldners abstellte. Das ist aber für die im vorliegenden
BGE 89 III 47 S. 50
Verfahren zu entscheidende Frage, ob die Benachteiligungsabsicht Flischs bei Abschluss des Abtretungsvertrages für die Beklagte erkennbar war oder nicht, ohne Belang. Massgebend ist einzig, von was für einem Sachverhalt diese im betreffenden Zeitpunkt selber ausgegangen ist. Sie muss daher ihre noch in der Verhandlung vor Bundesgericht aufrechterhaltene obgenannte Behauptung über die Häufigkeit und die Höhe der Darlehen gegen sich gelten lassen. Im weiteren steht fest und ist auch unbestritten, dass Frau Güdemann öfters und dringend Rückzahlung verlangte, aber nie den geringsten Betrag erhielt, vielmehr von ihrem Schwiegersohn immer wieder mit der Hoffnung auf eine Besserung seiner Lage usw. vertröstet wurde. Von der Menge der Betreibungen, mit denen Flisch von seinen Gläubigern bedrängt wurde, hatte zwar die Beklagte nach den vorinstanzlichen Feststellungen keine Kenntnis. Sie hat jedoch ein- oder zweimal das Erscheinen des Betreibungsbeamten festgestellt und auch einmal Fr. 20.- oder Fr. 30.- gegeben, um eine Betreibung oder eine Konkursandrohung abzustellen. Bei dieser Sachlage verbietet sich der von der Vorinstanz gezogene Schluss, die Beklagte habe die Absicht Flischs, sie mittels der Sicherungszession zum Nachteil der übrigen Gläubiger zu begünstigen, auch bei einer nach den Umständen angemessenen Aufmerksamkeit nicht erkennen können. Wenn ein Geschäftsmann während fünf Jahren - und dies in einer Zeit der Hochkonjunktur - immer und immer wieder Darlehen benötigt, um seine laufenden Schulden zu bezahlen und Betreibungen oder Konkursandrohungen zu begegnen, wenn er auf dringende Mahnungen nie eine Rückzahlung leistet, sondern stets auf eine erhoffte Besserung seiner Lage verweist, so kann der Darlehensgeber bei gebotener Aufmerksamkeit nicht annehmen, er sei der einzige Gläubiger und im übrigen stehe das Geschäft gut und sei nicht gefährdet. Daran ändert im vorliegenden Fall auch der Umstand nichts, dass der Kläger als ehemaliger Geschäftspartner Flischs selber in Abrede stellte,
BGE 89 III 47 S. 51
dass das Geschäft unrentabel war, und erklärte, Flisch habe aus dem Ertrag der Spielautomaten sehr gut gelebt. Diese Aussage Metellis ist deswegen unbehelflich, weil in keiner Weise feststeht, dass er über die Herkunft erheblicher Geldmittel Flischs aus Darlehen der Beklagten im Bilde war. Frau Güdemann dagegen war das bekannt, und sie musste sich deshalb auch bei nur einiger Überlegung sagen, dass sie mit ihren Darlehen den Anschein des guten oder doch befriedigenden Geschäftsganges geschaffen und damit andere Gläubiger zur weiteren Kreditierung veranlasst haben könnte (s. auch BGE 89 III 18). Dagegen kann nicht eingewendet werden, die Beklagte sei in geschäftlichen Angelegenheiten unerfahren und naiv. Der Umstand allein schon, dass sie bei Verkauf des Geschäftes durch Flisch von diesem mangels einer Rückzahlung eine Sicherheit verlangte, erweist, dass sie mehr als bloss laienhafte Kenntnisse des Geschäftsverkehrs hat. War sie aber zu einer durchschnittlichen Aufmerksamkeit durchaus fähig (s. hiezu JÄGGI, Berner Kommentar, N. 122 ff. zu Art. 3
![](media/link.gif)
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 3 - 1 Wo das Gesetz eine Rechtswirkung an den guten Glauben einer Person geknüpft hat, ist dessen Dasein zu vermuten. |
|
1 | Wo das Gesetz eine Rechtswirkung an den guten Glauben einer Person geknüpft hat, ist dessen Dasein zu vermuten. |
2 | Wer bei der Aufmerksamkeit, wie sie nach den Umständen von ihm verlangt werden darf, nicht gutgläubig sein konnte, ist nicht berechtigt, sich auf den guten Glauben zu berufen. |
BGE 89 III 47 S. 52
weder den Gemeinschuldner selber nach andern Schulden und deren Höhe befragt, noch Einsicht in die Geschäftsbücher verlangt, noch sich beim zuständigen Betreibungsamt über jenen erkundigt (Art. 8 Abs. 2
![](media/link.gif)
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 8 - 1 Die Betreibungs- und die Konkursämter führen über ihre Amtstätigkeiten sowie die bei ihnen eingehenden Begehren und Erklärungen Protokoll; sie führen die Register. |
|
1 | Die Betreibungs- und die Konkursämter führen über ihre Amtstätigkeiten sowie die bei ihnen eingehenden Begehren und Erklärungen Protokoll; sie führen die Register. |
2 | Die Protokolle und Register sind bis zum Beweis des Gegenteils für ihren Inhalt beweiskräftig. |
3 | Das Betreibungsamt berichtigt einen fehlerhaften Eintrag von Amtes wegen oder auf Antrag einer betroffenen Person. |
![](media/link.gif)
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 288 - 1 Anfechtbar sind endlich alle Rechtshandlungen, welche der Schuldner innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Pfändung oder Konkurseröffnung in der dem andern Teile erkennbaren Absicht vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen oder einzelne Gläubiger zum Nachteil anderer zu begünstigen. |
|
1 | Anfechtbar sind endlich alle Rechtshandlungen, welche der Schuldner innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Pfändung oder Konkurseröffnung in der dem andern Teile erkennbaren Absicht vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen oder einzelne Gläubiger zum Nachteil anderer zu begünstigen. |
2 | Bei der Anfechtung einer Handlung zugunsten einer nahestehenden Person des Schuldners trägt diese die Beweislast dafür, dass sie die Benachteiligungsabsicht nicht erkennen konnte. Als nahestehende Personen gelten auch Gesellschaften eines Konzerns.520 |
BGE 89 III 47 S. 53
wollte die Sicherheit haben, dass die von Hauser zu bezahlende Kaufsumme zur Deckung ihrer Darlehensforderung an sie gelange, und somit verhüten, dass Flisch das Geld zur Befriedigung anderer Gläubiger verwenden müsse. Bei dieser Sachlage erscheint es wenig glaubhaft, dass sie an weitere Gläubiger kaum gedacht oder jedenfalls die Guthaben derselben für unbedeutend gehalten habe. Doch wie dem auch sei, hülfe jedenfalls der von der Vorinstanz angenommene gute Glaube der Beklagten nichts, weil sie es, wie bereits ausgeführt, an der nach den Umständen gebotenen Aufmerksamkeit hat fehlen lassen. Der Gutgläubige, der nicht aufmerksam genug war, ist nach Art. 3 Abs. 2
![](media/link.gif)
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 3 - 1 Wo das Gesetz eine Rechtswirkung an den guten Glauben einer Person geknüpft hat, ist dessen Dasein zu vermuten. |
|
1 | Wo das Gesetz eine Rechtswirkung an den guten Glauben einer Person geknüpft hat, ist dessen Dasein zu vermuten. |
2 | Wer bei der Aufmerksamkeit, wie sie nach den Umständen von ihm verlangt werden darf, nicht gutgläubig sein konnte, ist nicht berechtigt, sich auf den guten Glauben zu berufen. |
![](media/link.gif)
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 3 - 1 Wo das Gesetz eine Rechtswirkung an den guten Glauben einer Person geknüpft hat, ist dessen Dasein zu vermuten. |
|
1 | Wo das Gesetz eine Rechtswirkung an den guten Glauben einer Person geknüpft hat, ist dessen Dasein zu vermuten. |
2 | Wer bei der Aufmerksamkeit, wie sie nach den Umständen von ihm verlangt werden darf, nicht gutgläubig sein konnte, ist nicht berechtigt, sich auf den guten Glauben zu berufen. |
3. Ist demnach die Rechtsgrundlage für die Anfechtung des Abtretungsvertrages, nämlich die Erkennbarkeit der Benachteiligungsabsicht des Gemeinschuldners, schon nach den im angefochtenen Urteil enthaltenen tatsächlichen Feststellungen gegeben, so ist die Berufung gutzuheissen, ohne dass die Gegenstand der staatsrechtlichen Beschwerde bildenden Fragen, ob die Beklagte in eigentlicher Haushaltgemeinschaft mit Flisch gelebt, dessen Überschuldung tatsächlich gekannt und oft von Betreibungen oder Konkursandrohungen Kenntnis erhalten habe, zuvor noch beantwortet werden müssten.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 9. November 1962 wird aufgehoben, und die von André Flisch am 25. März 1959 an die Berufungsbeklagte vorgenommene Abtretung einer Forderung gegen Max Hauser bis zur Höhe von Fr. 112'340. - nebst 5% Zins wird ungültig erklärt.