88 IV 145
36. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 9. November 1962 i.S. Burkhalter und Kaufmann gegen Lorenzi und Reischmann.
Regeste (de):
- Art. 179 Abs. 2
SR 311.0 Codice penale svizzero del 21 dicembre 1937
CP Art. 179 - Chiunque, senza averne il diritto, apre uno scritto o un involto chiuso per prendere cognizione del suo contenuto,
- 1. Unter den Begriff der Ausnützung fällt jede auf Erlangung irgendeines, auch nicht notwendigerweise pekuniären Vorteils gerichtete Benutzung der durch Offnen der Schrift erlangten Kenntnis. (Erw. 3 a).
- 2. Das Öffnen der Schrift, das aus generellem Auftrag oder mit Duldung der Geschäftsleitung durch einen Untergebenen erfolgt, ist dem verantwortlichen Vorgesetzten, der die ihm aus der geöffneten Schrift bekanntgewordenen Tatsachen verbreitet oder ausnützt, anzurechnen, wie wenn er es selber vorgenommen hätte (Erw. 3 b).
Regeste (fr):
- Art. 179 al 2 CP.
- 1. Tire profit des faits dont il a pris connaissance en ouvrant le pli celui qui les utilise pour en tirer un avantage, quel qu'il soit, même non pécuniaire (consid. 3 a).
- 2. Lorsqu'un subordonné ouvre un pli en vertu d'un mandat général à lui conféré ou avec la tolérance de la direction de l'entreprise, l'acte doit être imputé au supérieur responsable qui aura divulgué les faits à lui connus grâce au pli ouvert ou qui en aura tiré profit, comme si ce supérieur avait agi lui-même (consid. 3 b).
Regesto (it):
- Art. 179 cpv. 2 CP.
- 1. Trae profitto dei fatti di cui ha preso cognizione aprendo il plico chiunque se ne avvalga per ricavarne un vantaggio qualsiasi, anche se non pecuniario (consid. 3 a).
- 2. Quando un subordinato apre un plico in virtù di un mandato generale conferitogli o della tolleranza della direzione dell'azienda, l'atto dev'essere imputato al superiore responsabile che ha divulgato i fatti a lui noti grazie all'apertura del plico o che ne ha tratto profitto, come se avesse agito personalmente (consid. 3 b).
Sachverhalt ab Seite 145
BGE 88 IV 145 S. 145
A.- Lorenzi und Reischmann traten 1960 aus der Firma Supramar AG in Luzern, die sich mit der Entwicklung und Konstruktion von Tragflügelbooten beschäftigt und bei der sie bis dahin als Angestellte tätig gewesen
BGE 88 IV 145 S. 146
waren, aus. Sie gründeten unter der Bezeichnung "Lorenzi und Reischmann, Ingenieurbüro für Tragflügelboote" ein Konkurrenzunternehmen, wovon die Supramar AG spätestens im Verlaufe des Monats Mai 1960 Kenntnis erhielt. Als in der Folge die Post vier vom 1. Juni und 21. Juli 1960 datierte und für Lorenzi und Reischmann bestimmte Geschäftsbriefe versehentlich der Supramar AG zustellte, wurden diese vom damaligen kaufmännischen Geschäftsführer der Supramar AG, Burkhalter, geöffnet und nach Rücksprache mit dem Delegierten des Verwaltungsrates, Kaufmann, auf dessen Weisung hin fotokopiert, um sie in einer gegen Lorenzi und Reischmann in Aussicht genommenen Strafanzeige verwenden zu können. Die Originale der betreffenden Briefe wurden teils an die Absender zurückgeschickt, teils zurückbehalten. Das Amtsgericht Luzern-Stadt verurteilte am 9. Februar 1962 Burkhalter und Kaufmann wegen wiederholter Verletzung des Schriftgeheimnisses (Art. 179 Abs. 1
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C.- Burkhalter und Kaufmann führen Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Amtsgerichtes sei aufzuheben und die Sache zu ihrer Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Lorenzi und Reischmann beantragen Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3. Die Anwendung von Art. 179 Abs. 2
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BGE 88 IV 145 S. 147
dass jede auf Erlangung irgendeines, auch nicht notwendigerweise pekuniären Vorteils gerichtete Benutzung der durch Öffnen der Schrift erlangten Kenntnis unter den Begriff der Ausnützung fällt (HAFTER, Lehrbuch, Bes. Teil, I S. 213, III 2; LOGOZ, Kommentar, S. 262, B lit. a). Wer deshalb, wie der Beschwerdeführer, eine solche Kenntnis zur Verbesserung seiner Beweislage im Prozess ausnützt, erstrebt damit einen Vorteil (vgl. BGE 83 IV 82 Nr. 21). b) Mit Bezug auf Kaufmann stellt das Amtsgericht fest, dieser habe spätestens Ende Mai 1960 gewusst, dass für das Ingenieurbüro Lorenzi und Reischmann bestimmte Postsendungen bei der Supramar AG abgegeben wurden, und Burkhalter habe die Sache mit Kaufmann besprochen, worauf dieser die Weisung erteilt habe, die Briefe zu fotokopieren, um sie in einem Strafverfahren gegen die Beschwerdegegner zu verwenden. Kaufmann hat danach die fraglichen Briefe nicht eigenhändig geöffnet, wohl aber deren Öffnung veranlasst oder mindestens geduldet. Denn als Delegierter des Verwaltungsrates der Supramar AG kannte er die Organisation seines Betriebes und wusste er insbesondere, dass die Post auf der Kanzlei geöffnet wurde. Obwohl er spätestens Ende Mai 1960 und damit vor Eingang der fraglichen vier Briefe (diese sind vom 1. Juni bzw. 21. Juli 1960 datiert) Kenntnis davon hatte, dass für Lorenzi und Reischmann bestimmte Postsendungen aus Versehen der Supramar AG zugestellt wurden, hat er es nicht nur unterlassen, der Kanzlei das Öffnen solcher Briefe zu verbieten, sondern vielmehr Burkhalter als Vorsteher der Kanzlei noch die Weisung erteilt, die Sendungen zu fotokopieren, um Beweismaterial gegen die Beschwerdegegner zu sammeln. Damit hat Kaufmann den Tatbestand des Art. 179 Abs. 2
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BGE 88 IV 145 S. 148
selber geöffnet hat (s. auch Prot. II. ExpKo Bd. III S. 101 und Bd. VII S. 12 und 64/65). Darauf kann indessen nicht entscheidend abgestellt werden. Denn bei rein grammatikalischer Auslegung der genannten Bestimmung würde Missbräuchen Tür und Tor geöffnet, indem diesfalls das Gesetz in der Weise leicht umgangen werden könnte, dass das Öffnen der Schrift bewusst einem Dritten überlassen würde. Wo dieser Dritte auf vorsätzliche Veranlassung des andern handelte, wäre der Hintermann wohl als Anstifter und bei Gutgläubigkeit des Dritten sogar als mittelbarer Täter erfassbar. Dort jedoch, wo es an diesen Voraussetzungen fehlte, und das dürfte in der Mehrzahl der Fälle zutreffen, bliebe das Verbreiten oder Ausnützen der in der Schrift enthaltenen Tatsachen straflos. So müsste in grösseren Unternehmen mit starker Arbeitsteilung, wo häufig untergeordneten Angestellten die Öffnung der eingehenden Post obliegt, die Ausnützung fremder Schriftgeheimnisse durch die leitenden Stellen ungestraft bleiben, weil diese die Schrift nicht eigenhändig geöffnet hatten. Ein wirksamer Schutz des Schriftgeheimnisses ist daher in solchen Fällen nur gewährleistet, wenn das Öffnen der Schrift, das aus generellem Auftrag oder mit Duldung der Geschäftsleitung durch einen Untergebenen erfolgte, dem verantwortlichen Vorgesetzten, der die ihm aus der geöffneten Schrift bekanntgewordenen Tatsachen im Sinne von Art. 179 Abs. 2
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