Urteilskopf

86 IV 81

22. Urteil des Kassationshofes vom 8. April 1960 i.S. B. gegen X.
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Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 81

BGE 86 IV 81 S. 81

A.- A. hatte vernommen, dass sein Kind von Frau B. unsanft behandelt worden sei. Am 9. Mai 1959 stellte er deshalb deren Ehemann zur Rede. Als A. den Namen der Person nicht nennen wollte, die ihm vom Vorfall Kenntnis gegeben hatte, erklärte B., er wisse es schon, das sei Frau X., das Luder, gewesen. Am 10. Juni 1959 reichte X., der Ehemann der Verletzten, gegen B. Strafklage wegen Ehrverletzung ein.
B.- Das Bezirksgericht Baden, das den Kläger neben seiner Ehefrau als Verletzten und daher als selbständig antragsberechtigt betrachtete, verurteilte am 24. September 1959 B. wegen Beschimpfung zu einer Busse von Fr. 10.-.
BGE 86 IV 81 S. 82

Das Obergericht des Kantons Aargau wies am 29. Januar 1960 die Beschwerde des Verurteilten ab. Zur Begründung führte es aus: Der Ehemann sei gemäss § 46 der aargauischen ZPO berechtigt, ohne Vorlage einer Vollmacht seine Ehefrau im Prozesse zu vertreten. Ein Verzicht der Verletzten auf das Antragsrecht sei nicht ausdrücklich erfolgt. An der Legitimation des Klägers, in Vertretung seiner Frau klagend aufzutreten, könne somit nicht gezweifelt werden. Hievon abgesehen müsse dem Kläger auch ein eigenes selbständiges Klagerecht zuerkannt werden, da der Ausdruck Luder auch den Ehemann in Mitleidenschaft ziehe und dessen persönliche Achtung bei den Mitmenschen zu schmälern geeignet sei.
C.- Der Verurteilte führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, er sei mangels Aktivlegitimation des Klägers freizusprechen.
D.- Der Kläger schliesst auf Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen

Der Kassationshof zieht in Erwägung:

1. Ist eine Tat nur auf Antrag strafbar, so kann nach Art. 28 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 28 - 1 Wird eine strafbare Handlung durch Veröffentlichung in einem Medium begangen und erschöpft sie sich in dieser Veröffentlichung, so ist, unter Vorbehalt der nachfolgenden Bestimmungen, der Autor allein strafbar.
1    Wird eine strafbare Handlung durch Veröffentlichung in einem Medium begangen und erschöpft sie sich in dieser Veröffentlichung, so ist, unter Vorbehalt der nachfolgenden Bestimmungen, der Autor allein strafbar.
2    Kann der Autor nicht ermittelt oder in der Schweiz nicht vor Gericht gestellt werden, so ist der verantwortliche Redaktor nach Artikel 322bis strafbar. Fehlt ein verantwortlicher Redaktor, so ist jene Person nach Artikel 322bis strafbar, die für die Veröffentlichung verantwortlich ist.
3    Hat die Veröffentlichung ohne Wissen oder gegen den Willen des Autors stattgefunden, so ist der Redaktor oder, wenn ein solcher fehlt, die für die Veröffentlichung verantwortliche Person als Täter strafbar.
4    Die wahrheitsgetreue Berichterstattung über öffentliche Verhandlungen und amtliche Mitteilungen einer Behörde ist straflos.
StGB jeder, der durch sie verletzt worden ist, die Bestrafung des Täters beantragen. Verletzt im Sinne dieser Bestimmung ist nach ständiger Rechtsprechung nicht jeder, dessen Interessen durch die strafbare Handlung irgendwie beeinträchtigt werden, sondern nur derjenige, der materiellrechtlich Träger des unmittelbar angegriffenen Rechtsgutes ist (BGE 74 IV 7,BGE 78 IV 215, BGE 84 IV 14).
Es ist unbestritten, dass das Wort Luder einen Angriff auf die Ehre darstellt und dass der Beschwerdeführer ausdrücklich einzig Frau X. damit bezeichnet hat. Direkt betroffen wurde somit nur die Ehefrau des Klägers, nicht dieser selber. Der Vorwurf, Frau X. sei ein Luder, kann deren Ehemann in seinem Selbstbewusstsein verletzen, berührt aber nicht seinen persönlichen Ruf und sein Gefühl, ein charakterlich anständiger Mann zu sein. Es kann
BGE 86 IV 81 S. 83

jemand eine Frau, die von anderen als Luder hingestellt wird, aus achtenswerten Beweggründen heiraten, und derjenige, der mit einer solchen Frau die eheliche Gemeinschaft fortsetzt, handelt deswegen nicht notwendig unehrenhaft. Ist der Beschwerdegegner durch den Angriff gegen seine Ehefrau in seiner persönlichen Ehre nicht herabgesetzt worden, so ist er nicht Verletzter im Sinne von Art. 28 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 28 - 1 Wird eine strafbare Handlung durch Veröffentlichung in einem Medium begangen und erschöpft sie sich in dieser Veröffentlichung, so ist, unter Vorbehalt der nachfolgenden Bestimmungen, der Autor allein strafbar.
1    Wird eine strafbare Handlung durch Veröffentlichung in einem Medium begangen und erschöpft sie sich in dieser Veröffentlichung, so ist, unter Vorbehalt der nachfolgenden Bestimmungen, der Autor allein strafbar.
2    Kann der Autor nicht ermittelt oder in der Schweiz nicht vor Gericht gestellt werden, so ist der verantwortliche Redaktor nach Artikel 322bis strafbar. Fehlt ein verantwortlicher Redaktor, so ist jene Person nach Artikel 322bis strafbar, die für die Veröffentlichung verantwortlich ist.
3    Hat die Veröffentlichung ohne Wissen oder gegen den Willen des Autors stattgefunden, so ist der Redaktor oder, wenn ein solcher fehlt, die für die Veröffentlichung verantwortliche Person als Täter strafbar.
4    Die wahrheitsgetreue Berichterstattung über öffentliche Verhandlungen und amtliche Mitteilungen einer Behörde ist straflos.
StGB und daher nicht selbständig zum Strafantrag berechtigt.
2. Legitimiert zum Strafantrag war demnach einzig Frau X. Sie war nicht verpflichtet, den Antrag persönlich zu stellen, sondern konnte ihren Ehemann ermächtigen, dass er an ihrer Stelle die Bestrafung des Beschwerdeführers verlange. Die Vorinstanz stellt jedoch nirgends fest, dass eine solche Ermächtigung stattgefunden und der Beschwerdegegner tatsächlich in Vertretung seiner Ehefrau Strafantrag gestellt habe. Dass dies der Fall gewesen sei, ergibt sich nicht daraus, dass der Ehemann nach kantonalem Prozessrecht berechtigt ist, ohne Ausweis einer Vollmacht für seine Ehefrau im Prozess aufzutreten. Dieses Prozessführungsrecht schliesst keineswegs aus, dass X. ohne Ermächtigung seiner Ehefrau Strafantrag gestellt hat, wie anderseits aus dem Fehlen eines ausdrücklichen Verzichtes der Verletzten auf das Antragsrecht auch nicht geschlossen werden kann, sie habe von ihrem Antragsrecht Gebrauch machen wollen. Für einen solchen Willen bieten denn auch die Akten keinerlei Anhaltspunkte. Der Beschwerdegegner hat vor Friedensrichter und Bezirksgericht ausschliesslich im eigenen Namen geklagt und zudem in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung erklärt, seine Frau habe nicht geklagt, weil sie nervös sei und den Frieden wolle. Ebensowenig enthalten der Weisungsschein und das erstinstanzliche Verhandlungsprotokoll und Urteil einen Hinweis, dass X. in Vertretung seiner Frau gehandelt habe. Das Bezirksgericht stellt in seinem Urteil vom 24. September 1959 im Gegenteil ausdrücklich fest, dass nicht Frau X., sondern
BGE 86 IV 81 S. 84

deren Ehemann als Klagepartei aufgetreten sei, und es prüfte bloss, ob dieser in seiner Ehre verletzt worden sei, offenbar davon ausgehend, dass er den Strafantrag im eigenen Namen und nicht als Vertreter seiner Ehefrau gestellt habe. Bei dieser Sachlage muss angenommen werden, Frau X. habe ihr Antragsrecht innert der Frist des Art. 29
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 29 - Eine besondere Pflicht, deren Verletzung die Strafbarkeit begründet oder erhöht, und die nur der juristischen Person, der Gesellschaft oder der Einzelfirma19 obliegt, wird einer natürlichen Person zugerechnet, wenn diese handelt:
a  als Organ oder als Mitglied eines Organs einer juristischen Person;
b  als Gesellschafter;
c  als Mitarbeiter mit selbständigen Entscheidungsbefugnissen in seinem Tätigkeitsbereich einer juristischen Person, einer Gesellschaft oder einer Einzelfirma20; oder
d  ohne Organ, Mitglied eines Organs, Gesellschafter oder Mitarbeiter zu sein, als tatsächlicher Leiter.
StGB nicht ausgeübt, auch nicht durch ihren Ehemann. Der Beschwerdeführer ist daher nicht strafbar und muss freigesprochen werden.
Dispositiv

Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 29. Januar 1960 aufgehoben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers an die Vorinstanz zurückgewiesen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 86 IV 81
Date : 08. April 1960
Published : 31. Dezember 1960
Source : Bundesgericht
Status : 86 IV 81
Subject area : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Subject : Art. 28 Abs. 1 StGB. Der Ehemann, dessen Frau von einem andern als Luder bezeichnet wird, ist nicht Verletzter und bedarf


Legislation register
StGB: 28  29
BGE-register
74-IV-6 • 78-IV-213 • 84-IV-12 • 86-IV-81
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