86 IV 111
29. Urteil des Kassationshofes vom 20. Mai 1960 i. S. Chatton gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau.
Regeste (de):
- Art. 45 Abs. 2
MFV, Art. 3 Abs. 1 Sig V.
- Die Nichtbeachtung der Sicherheitslinie ist nur strafbar, wenn sie vom Motorfahrzeugführer bei gehöriger Aufmerksamkeit ohne weiteres als solche erkannt werden kann.
Regeste (fr):
- Art. 45 al. 2 RA, art. 3 al. 1 OSR.
- L'inobservation d'une ligne de démarcation n'est punissable que si, en faisant preuve de l'attention voulue, le conducteur pouvait distinguer cette ligne sans difficulté.
Regesto (it):
- Art. 45 cp. 2 RLA, art. 3 cp. 1 dell'O concernente la segnalazione stradale.
- L'inosservanza di una linea di sicurezza è punibile soltanto se, prestando la debita attenzione, il conducente può distinguere questa linea senza difficoltà.
Sachverhalt ab Seite 111
BGE 86 IV 111 S. 111
A.- Chatton fuhr am Vormittag des 17. Oktober 1958 am Steuer eines Personenautos auf der Hauptstrasse Nr. 1 von Bern Richtung Zürich. In Murgenthal/AG überholte er nach der Linkskurve, die der Bahnunterführung folgt, einen sehr langsam fahrenden, mit Langholz beladenen Lastwagen, wobei er die auf diesem Strassenstück durchgezogene Sicherheitslinie mit seinem Fahrzeug vollständig überfuhr.
B.- Das Obergericht des Kantons Aargau verurteilte deswegen Chatton am 26. Januar 1960 in Anwendung von Art. 45 Abs. 2
![](media/link.gif)
C.- Chatton führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, er sei wegen Verletzung von Art. 19 Abs. 1
![](media/link.gif)
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 19 - 1 War der Täter zur Zeit der Tat nicht fähig, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder gemäss dieser Einsicht zu handeln, so ist er nicht strafbar. |
|
1 | War der Täter zur Zeit der Tat nicht fähig, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder gemäss dieser Einsicht zu handeln, so ist er nicht strafbar. |
2 | War der Täter zur Zeit der Tat nur teilweise fähig, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder gemäss dieser Einsicht zu handeln, so mildert das Gericht die Strafe. |
3 | Es können indessen Massnahmen nach den Artikeln 59-61, 63, 64, 67, 67b und 67e getroffen werden.15 |
4 | Konnte der Täter die Schuldunfähigkeit oder die Verminderung der Schuldfähigkeit vermeiden und dabei die in diesem Zustand begangene Tat voraussehen, so sind die Absätze 1-3 nicht anwendbar. |
![](media/link.gif)
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 18 - 1 Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um sich oder eine andere Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leib, Leben, Freiheit, Ehre, Vermögen oder andere hochwertige Güter zu retten, wird milder bestraft, wenn ihm zuzumuten war, das gefährdete Gut preiszugeben. |
|
1 | Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um sich oder eine andere Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leib, Leben, Freiheit, Ehre, Vermögen oder andere hochwertige Güter zu retten, wird milder bestraft, wenn ihm zuzumuten war, das gefährdete Gut preiszugeben. |
2 | War dem Täter nicht zuzumuten, das gefährdete Gut preiszugeben, so handelt er nicht schuldhaft. |
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 3 Abs. 1 der Signalverordnung vom 17. Oktober 1932 müssen Strassensignale so aufgestellt
BGE 86 IV 111 S. 112
werden, dass sie vom Führer leicht erkannt werden können. Unter Signal werden in dieser Verordnung und in den sie ergänzenden oder abändernden Erlassen (vgl. insbesondere BRB vom 28. Juni 1949 und 3. März 1958) streng genommen nur Tafeln mit Bildern und Aufschriften verstanden, nicht auch Markierungen, die auf der Strasse selber aufgetragen werden. Die Bedeutung der Bodenmarkierungen, soweit sie im Interesse der Verkehrssicherheit den Strassenverkehr ordnen, steht indessen derjenigen der Signaltafeln nicht nach, weshalb die erwähnte Vorschrift des Art. 3 Abs. 1 SigV sinngemäss auch auf Bodensignale wie Sicherheitslinien, Einspurlinien usw. anwendbar ist. Die Nichtbeachtung solcher Signale ist daher ebenfalls nur strafbar, wenn sie vom Führer leicht erkannt werden können. Das trifft zu, wenn sie bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennbar sind, nicht aber, wenn sie infolge Abnützung oder aus anderen Gründen kaum mehr sichtbar sind.
2. Nach der Feststellung des Obergerichtes, die den Kassationshof gemäss Art. 273 lit. b
![](media/link.gif)
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 18 - 1 Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um sich oder eine andere Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leib, Leben, Freiheit, Ehre, Vermögen oder andere hochwertige Güter zu retten, wird milder bestraft, wenn ihm zuzumuten war, das gefährdete Gut preiszugeben. |
|
1 | Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um sich oder eine andere Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leib, Leben, Freiheit, Ehre, Vermögen oder andere hochwertige Güter zu retten, wird milder bestraft, wenn ihm zuzumuten war, das gefährdete Gut preiszugeben. |
2 | War dem Täter nicht zuzumuten, das gefährdete Gut preiszugeben, so handelt er nicht schuldhaft. |
![](media/link.gif)
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 18 - 1 Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um sich oder eine andere Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leib, Leben, Freiheit, Ehre, Vermögen oder andere hochwertige Güter zu retten, wird milder bestraft, wenn ihm zuzumuten war, das gefährdete Gut preiszugeben. |
|
1 | Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um sich oder eine andere Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leib, Leben, Freiheit, Ehre, Vermögen oder andere hochwertige Güter zu retten, wird milder bestraft, wenn ihm zuzumuten war, das gefährdete Gut preiszugeben. |
2 | War dem Täter nicht zuzumuten, das gefährdete Gut preiszugeben, so handelt er nicht schuldhaft. |
BGE 86 IV 111 S. 113
gehöriger Aufmerksamkeit erkannt werden konnte. Wenn er sie trotzdem nicht gesehen hat, war er pflichtwidrig unaufmerksam, so dass ihn der Vorwurf der Fahrlässigkeit im Sinne des Art. 18 Abs. 3
![](media/link.gif)
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 18 - 1 Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um sich oder eine andere Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leib, Leben, Freiheit, Ehre, Vermögen oder andere hochwertige Güter zu retten, wird milder bestraft, wenn ihm zuzumuten war, das gefährdete Gut preiszugeben. |
|
1 | Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um sich oder eine andere Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leib, Leben, Freiheit, Ehre, Vermögen oder andere hochwertige Güter zu retten, wird milder bestraft, wenn ihm zuzumuten war, das gefährdete Gut preiszugeben. |
2 | War dem Täter nicht zuzumuten, das gefährdete Gut preiszugeben, so handelt er nicht schuldhaft. |
![](media/link.gif)
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 19 - 1 War der Täter zur Zeit der Tat nicht fähig, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder gemäss dieser Einsicht zu handeln, so ist er nicht strafbar. |
|
1 | War der Täter zur Zeit der Tat nicht fähig, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder gemäss dieser Einsicht zu handeln, so ist er nicht strafbar. |
2 | War der Täter zur Zeit der Tat nur teilweise fähig, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder gemäss dieser Einsicht zu handeln, so mildert das Gericht die Strafe. |
3 | Es können indessen Massnahmen nach den Artikeln 59-61, 63, 64, 67, 67b und 67e getroffen werden.15 |
4 | Konnte der Täter die Schuldunfähigkeit oder die Verminderung der Schuldfähigkeit vermeiden und dabei die in diesem Zustand begangene Tat voraussehen, so sind die Absätze 1-3 nicht anwendbar. |
![](media/link.gif)
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.