86 I 101
18. Urteil vom 25. Mai 1960 i.S. Baugenossenschaft Talberg gegen Regierungsrat des Kantons Schaffhausen.
Regeste (de):
- Art. 88 OG.
- Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen die Verweigerung einer Baubewilligung.
Regeste (fr):
- Art. 88 OJ.
- Qualité pour interjeter un recours de droit public contre le refus d'un permis de construire.
Regesto (it):
- Art. 88 OG.
- Qualità per interporre un ricorso di diritto pubblico contro il rifiuto di un permesso di costruzione.
Erwägungen ab Seite 101
BGE 86 I 101 S. 101
1. Die Baugenossenschaft Talberg beabsichtigt, auf dem im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland stehenden, zum Bundeseisenbahnvermögen gehörenden Grundstück GB Nr. 408 in Neuhausen ein Mehrfamilienhaus mit Garagegebäude zu erstellen. Die Deutsche Bundesbahn hat der Baugenossenschaft für den Fall der Erteilung der von dieser nachgesuchten Baubewilligung mündlich den Verkauf des Grundstücks zugesagt; die Baugenossenschaft hat ihrerseits der Bundesbahn mündlich versprochen, einen Teil der Wohnungen des Neubaus an Beamte, Angestellte und Arbeiter der Bahn zu vermieten. Der Gemeinderat von Neuhausen erteilte die Baubewilligung unter dem Vorbehalt, dass die kantonale Feuerpolizei den Garagetrakt genehmige. Die genannte Amtsstelle beanstandete das Bauvorhaben nicht, wohl aber die kantonale Strasseninspektion, die mit Rücksicht auf den
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künftigen Ausbau des Strassennetzes Vorstellungen gegen das Projekt erhob. Der Regierungsrat des Kantons Schaffhausen hielt die Einwendungen der Strasseninspektion für begründet; er wies das Baugesuch am 7. März 1960 ab.
2. Die Baugenossenschaft Talberg führt dagegen staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
3. Mit der staatsrechtlichen Beschwerde wird nicht ein vorausgegangenes kantonales Verfahren mit beschränkter Kognition fortgesetzt, sondern ein neues Verfahren eröffnet, worin über die Verfassungsmässigkeit der angefochtenen Verfügungen und Erlasse zu befinden ist (BGE 83 I 272 Erw. 2). Die Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde richtet sich demzufolge nicht danach, ob der Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren Parteistellung hatte, sondern ausschliesslich nach Art. 88 OG (BGE 74 I 379,BGE 79 I 158Erw. 1). Diese Bestimmung gewährt das Recht zur Beschwerdeführung Bürgern (Privaten) und Korporationen bezüglich solcher Rechtsverletzungen, die sie durch allgemein verbindliche oder sie persönlich treffende Erlasse oder Verfügungen erlitten haben. Dem Bürger und der Korporation steht die staatsrechtliche Beschwerde somit nur zur Wahrung ihrer eigenen Belange zu und nur, wenn ein rechtlich erhebliches Interesse verletzt worden ist, das ihnen auf dem Gebiet zukommt, welches die von ihnen angerufene Verfassungsbestimmung beschlägt (BONNARD, Essai sur l'objet de la lésion au sens de l'art. 88 OJ, ZSR 78 S. 319). Der Regierungsrat hat im angefochtenen Entscheid das Baugesuch der Beschwerdeführerin abgewiesen. Die Abweisung eines Baugesuchs greift in die Baufreiheit und damit in die Befugnisse dessen ein, dem grundsätzlich ein Recht auf Überbauung des betreffenden Grundstücks zukommt: des Eigentümers, des Inhabers eines Baurechts (Art. 799
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 799 - 1 Das Grundpfand entsteht unter Vorbehalt der gesetzlichen Ausnahmen mit der Eintragung in das Grundbuch. |
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1 | Das Grundpfand entsteht unter Vorbehalt der gesetzlichen Ausnahmen mit der Eintragung in das Grundbuch. |
2 | Das Rechtsgeschäft auf Errichtung eines Grundpfandes bedarf zu seiner Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung.654 |
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des Eigentums oder auf Einräumung eines Baurechts hat, oder der ein Kaufsrecht besitzt und sich durch dessen Ausübung das Eigentum am Grundstück verschaffen kann (vgl. nicht veröffentlichtes Urteil vom 21. Januar 1953 i.S. Baugenossenschaft Landheim, Erw. 2). Die Beschwerdeführerin ist weder Eigentümerin des Baulands, worauf sich das abgewiesene Baugesuch bezieht, noch steht ihr daran ein Baurecht oder ein Kaufsrecht zu. Ebenso wenig hat sie einen obligatorischen Anspruch auf Übertragung des Eigentums oder auf Einräumung eines Baurechts am Grundstück: Sie hat mit dessen Eigentümerin keinen Kauf- oder Baurechtsvertrag abgeschlossen; die mündliche Zusage des Verkaufs der Liegenschaft im Falle der Erteilung der Baubewilligung ist mangels öffentlicher Beurrkundung ungültig (Art. 216
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 216 - 1 Kaufverträge, die ein Grundstück zum Gegenstande haben, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung. |
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1 | Kaufverträge, die ein Grundstück zum Gegenstande haben, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung. |
2 | Vorverträge sowie Verträge, die ein Vorkaufs-, Kaufs- oder Rückkaufsrecht an einem Grundstück begründen, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung.76 |
3 | Vorkaufsverträge, die den Kaufpreis nicht zum voraus bestimmen, sind in schriftlicher Form gültig.77 |
Nach dem Gesagten fehlt der Beschwerdeführerin die Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde. Es ist deshalb nicht darauf einzutreten. Zu welchem Leerlauf es führen könnte, wenn in Abweichung von den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen auf derartige Beschwerden eingetreten würde, zeigt der vorliegende Fall eindrücklich. Da die Deutsche Bundesbahn als Eigentümerin der in Frage stehenden Liegenschaft mangels
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eines gültigen Kauf-, Kaufsrechts- oder Baurechtsvertrags gegenüber der Beschwerdeführerin nicht gebunden ist, kann sie das Grundstück jederzeit einem Dritten verkaufen. Sie hat sich denn auch bereit erklärt, mit dem Kanton Schaffhausen in Verkaufsunterhandlungen zu treten. Würde die Liegenschaft dem Kanton oder einem sonstigen Dritten veräussert, so hätte der Entscheid über die vorliegende staatsrechtliche Beschwerde für die Beschwerdeführerin keinerlei Bedeutung.