85 IV 17
6. Urteil des Kassationshofes vom 23. Januar 1959 i.S. Rigolet gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern.
Regeste (de):
- Art. 137
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 137 - 1. Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1 Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. 2 Hat der Täter die Sache gefunden oder ist sie ihm ohne seinen Willen zugekommen, - Diebstahl setzt voraus, dass der Täter die fremde Sache seinem eigenen Vermögen einverleibt.
- Verhältnis dieser Bestimmung zu Art. 143
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 143 - 1 Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, sich oder einem andern elektronisch oder in vergleichbarer Weise gespeicherte oder übermittelte Daten beschafft, die nicht für ihn bestimmt und gegen seinen unbefugten Zugriff besonders gesichert sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1 Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, sich oder einem andern elektronisch oder in vergleichbarer Weise gespeicherte oder übermittelte Daten beschafft, die nicht für ihn bestimmt und gegen seinen unbefugten Zugriff besonders gesichert sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. 2 Die unbefugte Datenbeschaffung zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt.
Regeste (fr):
- Art. 137 CP.
- Le vol suppose que l'auteur incorpore la chose d'autrui à son propre patrimoine.
- Rapports de cette disposition légale avec les art. 143 CP et 62 LA.
Regesto (it):
- Art. 137 CP.
- Il furto presuppone che l'autore incorpori la cosa altrui nel proprio patrimonio.
- Relazione di questo disposto con gli art. 143 CP e 62 LA.
Sachverhalt ab Seite 17
BGE 85 IV 17 S. 17
A.- Rigolet entwendete in der Zeit vom Februar 1955 bis August 1956 zwölf stationierte Motorfahrzeuge (Motorräder, Personenwagen, Roller), die er zu Fahrten von höchstens wenigen Stunden benützte und dann jeweilen
BGE 85 IV 17 S. 18
stehen liess, weil er entweder kein weiteres Interesse an den Fahrzeugen hatte oder weil das Benzin ausgegangen war. In einem weiteren Fall wurde er von Drittpersonen gestellt, als er zum gleichen Zwecke mit einem fremden Motorrad wegzufahren versuchte.
B.- Das Obergericht des Kantons Luzern erklärte am 25. November 1958 Rigolet wegen dieser Handlungen des wiederholten Diebstahls und des vollendeten Diebstahlsversuches gemäss Art. 137
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 137 - 1. Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Hat der Täter die Sache gefunden oder ist sie ihm ohne seinen Willen zugekommen, |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 137 - 1. Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Hat der Täter die Sache gefunden oder ist sie ihm ohne seinen Willen zugekommen, |
C.- Der Verurteilte beantragt mit der Nichtigkeitsbeschwerde, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit es in den erwähnten dreizehn Fällen Art. 62 MFG anwende und demzufolge auf eine mildere Strafe erkenne.
D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern stellt den Antrag auf Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Diebstahl begeht nach Art. 137
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 137 - 1. Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Hat der Täter die Sache gefunden oder ist sie ihm ohne seinen Willen zugekommen, |
BGE 85 IV 17 S. 19
Sache sich aneigne. Diebstahl wurde schon in den früheren kantonalen Rechten als Aneignungsdelikt aufgefasst, und daran hat der eidgenössische Gesetzgeber festgehalten. In den Erläuterungen zum Vorentwurf von 1908, dessen Art. 83 wie der heutige Art. 137 nur von Wegnahme spricht, zählt ZÜRCHER den Diebstahl ausdrücklich zur Gruppe der Aneignungsverbrechen (S. 143/144), und dementsprechend lehnte die II. Expertenkommission die von LANG eingebrachte Empfehlung, das Erfordernis der Aneignung im Gesetzestext besonders aufzuführen, stillschweigend ab, offenbar, weil sie einen solchen Hinweis für überflüssig hielt (Prot. II. Exp. Komm. 2, S. 289 ff.). Dass der Dieb die Sache nicht bloss durch Bruch fremden Gewahrsams in seine eigene Verfügungsgewalt bringen, sondern sie darüber hinaus sich aneignen muss, wird in Wissenschaft und Rechtsprechung anerkannt (HAFTER, Bes. Teil S. 229, 244; THORMANN/OVERBECK, Art. 137 N 9; LOGOZ, Vorbemerkungen zu Art. 137-147 N 4 a; SCHWANDER, Das schweiz. Strafgesetzbuch, N 535, 545; GERMANN, ZStR 1952 S. 5, 1953 S. 242; DUERST, Der Begriff der Aneignung, S. 94 ff.; MKGE 4, Nr. 23, 55). Die Einführung der Bereicherungsabsicht in den Diebstahlstatbestand hat in der Tat das Erfordernis der Aneignung nicht gegenstandslos gemacht. Wer sich z.B. den Gebrauch eines fremden Fahrzeuges anmasst, um sich die Bahnauslagen oder die Kosten der Wagenmiete zu ersparen, hat die Absicht, sich unrechtmässig zu bereichern, aber nicht den Willen, das Fahrzeug sich anzueignen. Umgekehrt führt nicht jede Aneignung einer fremden Sache zu einer unrechtmässigen Bereicherung, so z.B. nicht, wenn die Aneignung einen Akt unerlaubter Selbsthilfe darstellt oder wenn gleichzeitig der Wert des angeeigneten Gegenstandes vergütet wird.
2. Aneignung bedeutet, dass der Dieb die fremde Sache oder den Sachwert wirtschaftlich seinem eigenen Vermögen einverleibt, sei es, um sie zu behalten oder zu verbrauchen, sei es, um sie an einen anderen zu veräussern
BGE 85 IV 17 S. 20
(ZÜRCHER, Prot. II. Exp. Komm. 2, S. 298; HAFTER, Bes. Teil S. 229; LOGOZ a.a.O; SCHWANDER, a.a.O; FRANK, Kommentar zu § 242 DStGB Anm.VII 2a; SCHÖNKE, Kommentar zu § 242 DStGB Anm. VII 2 a). Wer unrechtmässig eine fremde Sache wegnimmt, um sie bloss vorübergehend zu gebrauchen oder um lediglich den Eigentümer an der Ausübung der Verfügungsgewalt zu hindern, indem er z.B. den Gegenstand versteckt, handelt nicht mit Aneignungsvorsatz. Ebenso eignet sich der Täter die fremde Sache nicht an, wenn er mit der Wegnahme den Zweck verfolgt, den Gegenstand zu zerstören oder unbrauchbar zu machen. Solche Handlungen können nach den Bestimmungen über die Sachbeschädigung (Art. 145
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 145 - Der Schuldner, der in der Absicht, seinen Gläubiger zu schädigen, diesem eine als Pfand oder Retentionsgegenstand dienende Sache entzieht, eigenmächtig darüber verfügt, sie beschädigt, zerstört, entwertet oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 143 - 1 Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, sich oder einem andern elektronisch oder in vergleichbarer Weise gespeicherte oder übermittelte Daten beschafft, die nicht für ihn bestimmt und gegen seinen unbefugten Zugriff besonders gesichert sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, sich oder einem andern elektronisch oder in vergleichbarer Weise gespeicherte oder übermittelte Daten beschafft, die nicht für ihn bestimmt und gegen seinen unbefugten Zugriff besonders gesichert sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Die unbefugte Datenbeschaffung zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt. |
3. Nach der Feststellung des Obergerichts hat Rigolet die Fahrzeuge nicht mit deren Entwendung sich angeeignet, sondern er hat sie von Anfang an nur vorübergehend gebrauchen und dann stehen lassen wollen. Nach Auffassung der Vorinstanz liegt jedoch die Aneignung in
BGE 85 IV 17 S. 21
der Dereliktion der Fahrzeuge, weil sie beweise, dass der Beschwerdeführer nicht den Willen gehabt habe, sie ihren rechtmässigen Eigentümern zurückzugeben. Damit verkennt sie den Begriff der Aneignung. Es genügt nicht, dass der Täter die Sache, die er unrechtmässig weggenommen hat, dem Eigentümer nicht zurückerstatten oder nicht wenigstens an den Ort zurückbringen will, wo er sie entwendet hat. Diesen Willen hat auch nicht, wer eine fremde Sache bloss beiseite schafft, um sie zu zerstören oder dem Eigentümer aus Rache oder Bosheit dauernd vorzuenthalten. Der Dieb, der die weggenommene Sache sich aneignet, will sie nicht nur dem Eigentümer dauernd entziehen, sondern sie überdies seinem eigenen Vermögen zuführen. Die Quasidereliktion des Beschwerdeführers hatte nicht diesen Zweck; sie diente ihm im Gegenteil dazu, sich der vorübergehend angemassten Verfügungsgewalt über die Fahrzeuge zu entledigen. Eine Aneignung könnte darin höchstens gesehen werden, wenn die Preisgabe der Fahrzeuge als Entäusserungsakt zugunsten eines Dritten aufzufassen wäre, dem Rigolet die ausschliessliche Herrschaft hätte verschaffen wollen. Dafür liegt indessen nichts vor. Übrigens weiss jedermann, dass ein entwendetes Fahrzeug, das nach kurzem Gebrauch auf öffentlicher Strasse stehen gelassen wird, regelmässig wieder in die Verfügungsgewalt des Berechtigten gelangt, und damit rechnet der Strolchenfahrer auch.
4. Fehlt es am Tatbestandsmerkmal der Aneignung, so ist Art. 137
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 137 - 1. Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Hat der Täter die Sache gefunden oder ist sie ihm ohne seinen Willen zugekommen, |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 143 - 1 Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, sich oder einem andern elektronisch oder in vergleichbarer Weise gespeicherte oder übermittelte Daten beschafft, die nicht für ihn bestimmt und gegen seinen unbefugten Zugriff besonders gesichert sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, sich oder einem andern elektronisch oder in vergleichbarer Weise gespeicherte oder übermittelte Daten beschafft, die nicht für ihn bestimmt und gegen seinen unbefugten Zugriff besonders gesichert sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Die unbefugte Datenbeschaffung zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt. |
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern vom 25. November
BGE 85 IV 17 S. 22
1958 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.