85 II 170
27. Urteil der II. Zivilabteilung vom 30. Juni 1959 i. S. G. gegen G.
Regeste (de):
- Berufung. Unzulässiges neues Begehren? (Art. 55 lit. b
OG).
- Anfechtung der Ehelichkeit (Art. 254
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 254
- 1. "Moralische Unmöglichkeit" ehelichen Verkehrs um die Empfängniszeit?
- 2. Dass trotz bestehender Möglichkeit kein solcher Verkehr stattgefunden habe, darf weder auf Grund des Zugeständnisses der Mutter noch gestützt auf vom kantonalen Prozessrecht nicht als Beweismittel anerkannte Aussagen im Parteiverhör noch auf Grund eines der freien Beweiswürdigung entzogenen Parteieides oder -handgelübdes als erstellt betrachtet werden (analoge Anwendung von Art. 158 Ziff. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 254
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 254
Regeste (fr):
- Recours en réforme. Nouvelles conclusions irrecevables? (art. 55 litt. b OJ).
- Action en désaveu (art. 254 CC).
- 1. "Impossibilité morale" de la cohabitation à l'époque de la conception?
- 2. Pour admettre comme établi que les époux n'ont pas eu de relations intimes bien qu'ils en aient eu la possibilité, on ne peut se fonder ni sur les aveux de la mère, ni sur les dépositions des parties lorsque le droit cantonal ne les considère pas comme des moyens de preuve, ni, enfin, sur le serment ou l'affirmation solennelle d'une partie quand leur valeur probante est soustraite à la libre appréciation du juge (application analogique de l'art. 158 ch. 1 à 4 CC). De même, la législation fédérale ne donne pas au demandeur le droit de faire entendre comme témoin la mère qui n'est plus partie en deuxième instance.
Regesto (it):
- Ricorso per riforma. Nuove conclusioni inammissibili? (art. 55 lett. b
OG).
- Azione di contestazione della paternità (art. 254 CC).
- 1. "Impossibilità morale" del concubito all'epoca del concepimento?
- 2. Per ammettere come accertato che i coniugi non hanno avuto rapporti sessuali quantunque ne avessero la possibilità, non cisi può fondare nè sulla confessione della madre, nè sulle deposizioni delle parti quando il diritto cantonale non le considera come mezzi di prova, e neppure sul giuramento o sulla promessa solenne di una parte quando il loro valore probatorio è sottratto al libero apprezzamento del giudice (applicazione analogetica dell'art. 158 num. 1-4 CC). Parimente, la legislazione federale non dà all'attore il diritto di far sentire come teste la madre che non è più parte in seconda istanza.
Sachverhalt ab Seite 171
BGE 85 II 170 S. 171
A.- Frau G., geb. 1913, die seit dem Jahre 1935 mit dem um 13 Jahre ältern G. verheiratetet war und am 3. Oktober 1950 einen Knaben geboren hatte, gebar am 3. November 1957 das Mädchen D. Am 3. Dezember 1957 leitete der Ehemann gegen dieses Kind und die Ehefrau Klage auf Anfechtung der Ehelichkeit ein mit der Begründung, seit der Geburt des ersten Kindes sei es zwischen den Ehegatten nie mehr zum Geschlechtsverkehr gekommen. Vater des Kindes sei R., mit dem die Ehefrau seit mehr als anderthalb Jahren ehebrecherische Beziehungen unterhalte. Die Ehefrau beantragte Gutheissung, der Beistand des Kindes Abweisung der Klage. Am 27. September 1958 schied das Zivilgericht Basel-Stadt die Ehe G. wegen Ehebruchs der Frau. Gleichen Tags erkannte es: "Sofern der Kläger unter Handgelübde an Eidesstatt erklärt, dass er in der Zeit vom 8. Januar bis zum 8. Mai 1957 mit der Beklagten II keinen Geschlechtsverkehr gehabt hat, wird festgestellt, dass die Beklagte I nicht das eheliche Kind des Klägers, sondern das aussereheliche Kind der Beklagten II ist. .....
Leistet der Kläger das Handgelübde nicht, so wird die Klage abgewiesen." In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, für die "vom Gesetz verlangte Unmöglichkeit eines geschlechtlichen Umganges des Klägers mit der Beklagten II" um die Empfängniszeit spreche die übereinstimmende Erklärung der Ehegatten im Eheverhör, dass seit der Geburt des ersten Kindes kein ehelicher Verkehr mehr stattgefunden habe. Dazu komme, dass die Ehefrau in der kritischen Zeit intime Beziehungen mit R. unterhalten habe und glaubhaft erkläre, das Kind D. sei aus diesem Verhältnis hervorgegangen. Da sie aber bei getrennten
BGE 85 II 170 S. 172
Zimmern die gleiche Wohnung wie der Kläger bewohnt habe und das Ergebnis der durchgeführten Blutuntersuchung den Kläger als Vater nicht ausschliesse, sei die Unmöglichkeit der Vaterschaft des Klägers nicht hinlänglich dargetan. Die Beweiskraft der vorliegenden Indizien rechtfertige es jedoch, den gut beleumdeten Kläger zum Handgelübde gemäss § 139 der kantonalen ZPO zuzulassen.
B.- Der Beistand des Kindes zog dieses Urteil an das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt weiter mit dem Antrag auf Abweisung der Klage. Der Kläger beantragte die Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils. Am 24. März 1959 hat das Appellationsgericht die Klage abgewiesen mit der Begründung, die Unmöglichkeit der Vaterschaft des Klägers werde nur mit der Behauptung begründet, dass seit der Geburt des ersten Kindes kein ehelicher Verkehr mehr stattgefunden habe. Dass die Zeugung des Kindes durch den Kläger aus äussern Gründen unmöglich sei, werde nicht geltend gemacht; aber auch eine Unmöglichkeit der Beiwohnung aus psychischen Gründen sei nicht dargetan. Dass trotz bestehender Möglichkeit um die Zeit der Empfängnis tatsächlich kein Geschlechtsverkehr zwischen den Ehegatten stattgefunden habe, könne durch das dem Kläger auferlegte Handgelübde an Eidesstatt im Sinne von § 139 ZPO nicht bewiesen werden, weil im Anfechtungsprozess angesichts der hier auf dem Spiel stehenden öffentlichen Interessen die für das Scheidungsverfahren geltende Vorschrift von Art. 158 Ziff. 2
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 254 |
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BGE 85 II 170 S. 173
einfach auf Grund des Zugeständnisses der Ehefrau als erstellt betrachtet werden.
C.- Dieses Urteil hat der Kläger mit der vorliegenden Berufung angefochten.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Der Kläger beantragt mit seiner Berufung wie mit der Klage, es sei festzustellen, dass er nicht der Vater des Kindes D. sei; dieses sei als aussereheliches Kind seiner (geschiedenen) Ehefrau zu erklären. Eventuell verlangt er, es sei ihm im Sinne des erstinstanzlichen Urteils das Handgelübde an Eidesstatt abzunehmen. Da er im kantonalen Appellationsverfahren nur die Bestätigung dieses Urteils beantragt hatte, kann sich fragen, ob sein heutiger Hauptantrag nicht ein gemäss Art. 55 lit. b
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2. Dass um die Zeit der Empfängnis des Kindes ein ehelicher Verkehr aus äussern Gründen unmöglich oder der Kläger zeugungsunfähig gewesen sei, hat dieser, wie die Vorinstanz zutreffend feststellt, nie geltend gemacht. Von "moralischer" Unmöglichkeit einer Beiwohnung kann angesichts der strengen Anforderungen, von denen die Rechtsprechung die Annahme einer solchen Unmöglichkeit abhängig macht (BGE 82 II 502 lit. a), ebenfalls keine Rede sein, da nichts dafür vorliegt, dass die Eheleute G., die während der Empfängniszeit beisammen
BGE 85 II 170 S. 174
wohnten, die Mahlzeiten gemeinsam einnahmen und miteinander ausgingen, gegeneinander so eingestellt gewesen seien, dass eine Beiwohnung um jene Zeit als ausgeschlossen erschiene. Die Blutuntersuchung führte zum Ergebnis, dass der Kläger als Vater des Kindes D. nicht ausgeschlossen werden könne. Dass sich seine Vaterschaft auf Grund anderer Merkmale ausschliessen lasse, hat der Kläger selber nicht behauptet. Mit Recht hat daher die Vorinstanz angenommen, seine Vaterschaft könnte im Sinne von Art. 254
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 254 |
3. Der Kläger anerkennt, dass die Vorinstanz das Ausbleiben ehelichen Verkehrs um die Empfängniszeit nicht schon auf Grund des Zugeständnisses der Mutter als erstellt betrachten durfte. Wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, wäre dies mit Art. 158 Ziff. 1
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BGE 85 II 170 S. 175
auch vor Appellationsgericht nicht mehr am Verfahren teilnahm, blieb sie doch am Prozess insofern beteiligt, als das diesen Prozess abschliessende Urteil, wie immer es ausfallen mag, notwendigerweise auch für sie gelten wird (BGE 82 II 3 /4). Darin konnte die Vorinstanz ohne Bundesrechtsverletzung einen genügenden Grund dafür finden, dem vom Kläger in der Appellationsantwort gestellten Antrag auf Vernehmung der Mutter als Zeugin nicht zu entsprechen. Es bleibt somit einzig noch zu prüfen, ob der in Frage stehende Beweis durch das dem Kläger auferlegte Handgelübde erbracht werden könne.
4. Art. 158 Ziff. 1
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 254 |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 254 |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 254 |
BGE 85 II 170 S. 176
von § 139 ff. der ZPO von Basel-Stadt handelt es sich also nicht bloss um eine in bestimmter Form gemachte Parteiaussage, die der Richter frei würdigen könnte (wie dies in Abweichung von dem in Basel und anderwärts herrschenden System für die durch Eid bekräftigte Parteiaussage im Sinne von Art. 210
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SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 210 Entscheidvorschlag - 1 Die Schlichtungsbehörde kann den Parteien einen Entscheidvorschlag unterbreiten in:140 |
|
1 | Die Schlichtungsbehörde kann den Parteien einen Entscheidvorschlag unterbreiten in:140 |
a | Streitigkeiten nach dem Gleichstellungsgesetz vom 24. März 1995141; |
b | Streitigkeiten aus Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen sowie aus landwirtschaftlicher Pacht, sofern die Hinterlegung von Miet- und Pachtzinsen, der Schutz vor missbräuchlichen Miet- und Pachtzinsen, der Kündigungsschutz oder die Erstreckung des Miet- und Pachtverhältnisses betroffen ist; |
c | den übrigen vermögensrechtlichen Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von 10 000 Franken. |
2 | Der Entscheidvorschlag kann eine kurze Begründung enthalten; im Übrigen gilt Artikel 238 sinngemäss. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 254 |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 254 |
BGE 85 II 170 S. 177
Tatsachen zu verwenden. Art. 158 Ziff. 2
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 254 |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 254 |
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SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 210 Entscheidvorschlag - 1 Die Schlichtungsbehörde kann den Parteien einen Entscheidvorschlag unterbreiten in:140 |
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1 | Die Schlichtungsbehörde kann den Parteien einen Entscheidvorschlag unterbreiten in:140 |
a | Streitigkeiten nach dem Gleichstellungsgesetz vom 24. März 1995141; |
b | Streitigkeiten aus Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen sowie aus landwirtschaftlicher Pacht, sofern die Hinterlegung von Miet- und Pachtzinsen, der Schutz vor missbräuchlichen Miet- und Pachtzinsen, der Kündigungsschutz oder die Erstreckung des Miet- und Pachtverhältnisses betroffen ist; |
c | den übrigen vermögensrechtlichen Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von 10 000 Franken. |
2 | Der Entscheidvorschlag kann eine kurze Begründung enthalten; im Übrigen gilt Artikel 238 sinngemäss. |
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationsgerichtes des Kantons Basel-Stadt vom 24. März 1959 bestätigt.