85 I 276
45. Urteil vom 25. März 1959 i.S. T. gegen Solothurn Kanton und Regierungsrat.
Regeste (de):
- Kantonale Handänderungsabgabe, Willkür.
- Kantonale Vorschrift, wonach beim "Übergang von Grundstücken auf einen neuen Eigentümer" eine Handänderungsgebühr zu entrichten ist. Anwendung auf die Begründung eines selbständigen und dauernden Baurechts.
Regeste (fr):
- Droit de mutation cantonal, arbitraire.
- Disposition de droit cantonal d'après laquelle un droit de mutation est dû en cas de transfert d'immeubles à un nouveau propriétaire. Application de cette disposition à la constitution d'un droit de superficie ayant le caractère d'un droit distinct et permanent.
Regesto (it):
- Contribuzione sulle transazioni immobiliari, arbitrio.
- Disposizione di diritto cantonale che sottopone alla contribuzione sulle transazioni immobiliari il "trapasso di immobili a un nuovo proprietario". Applicazione di questo disposto alla costituzione di un diritto di superficie avente il carattere di diritto distinto e permanente.
Sachverhalt ab Seite 276
BGE 85 I 276 S. 276
A.- Das solothurn. Gesetz betreffend den Bezug von Handänderungsgebühren beim Eigentumsübergang an Liegenschaften vom 23. Februar 1919 (HGG) bestimmt in § 1 Abs. 1: "Wenn Grundstücke auf einen neuen Eigentümer übergehen, so ist vom wahren Werte des veräusserten Grundstückes eine Handänderungsgebühr zu bezahlen..." Der Steuersatz ist progressiv und beträgt je nach dem Wert des Grundstücks 1 bis 2% (§ 1 Abs. 2). Die Abgabe ist, sofern nicht das Gegenteil verurkundet ist, vom Erwerber zu entrichten (§ 3). Einschätzungsbehörde ist der Amtsschreiber als Grundbuchverwalter. B. - Die Kirchgemeinde X. ist Eigentümerin eines 1790 m2 haltenden Grundstücks. Durch öffentlich beurkundeten
BGE 85 I 276 S. 277
Vertrag vom 17. Juli 1957 räumte sie dem Architekten T. an diesem Grundstück auf unbestimmte Zeit ein selbständiges und dauerndes, als Grundstück in das Grundbuch aufzunehmendes Baurecht ein. Es besteht im Recht, auf dem Grundstück einen 12-Familien-Wohnblock zu erstellen und das dafür nicht benötigte Land als Zugang, Garten, Spielplatz usw. zu benutzen gegen Bezahlung eines Baurechtzinses, dessen Satz sich nach dem Hypothekarzinsfuss der Solothurner Kantonalbank bestimmt und der berechnet wird auf dem Bodenwert, welcher für den Zeitpunkt des Vertragsschlusses auf Fr. 80'000.-- festgelegt und alle 40 Jahre sowie bei jeder Handänderung neu festzusetzen ist. Die Amtsschreiberei erblickte in der Begründung dieses Baurechts ein Rechtsgeschäft im Sinne von § 1 HGG, berechnete den Wert des Baurechts, von einer Dauer desselben von 99 Jahren ausgehend, durch Kapitalisierung des gegenwärtigen Baurechtszinses auf Fr. 89'127.-- und gelangte so zu einer Handänderungsgebühr von Fr. 1373.25. T. rekurrierte hiegegen an den Regierungsrat des Kantons Solothurn. Dieser wies den Rekurs am 6. Januar 1959 ab, erhöhte den gebührenpflichtigen Wert auf Fr. 91'428.55 und setzte die Handänderungsgebühr auf Fr. 1508.55 fest. Zur Begründung dieses Entscheids wird ausgeführt: Da als Grundstücke im Sinne von § 1 HGG auch die im Grundbuch aufgenommenen selbständigen und dauernden Baurechte zu gelten hätten, begründe deren Verkauf zweifellos die Steuerpflicht. Fraglich könne höchstens sein, wie es sich mit der Einräumung eines solchen Rechts verhalte. Diese stelle rein zivilrechtlich keine Handänderung eines Grundstücks dar, da das Baurechtsgrundstück erst nach der Begründung des Baurechts und dessen Eintragung im Grundbuch entstehe. Die solothurnische Handänderungsgebühr sei jedoch nicht als Fertigungssteuer in dem Sinne ausgebaut, dass die Steuerpflicht immer erst dann eintrete, wenn ein Eigentumsübergang im Grundbuch eingetragen werde. Wesentlich sei vielmehr der wirtschaftliche Vorgang.
BGE 85 I 276 S. 278
Die Steuer wolle den Rechtsverkehr mit Grundeigentum, die "rechtsgeschäftliche Verschiebung von Grundeigentumswerten" (BGE 53 I 191) treffen. Bei dieser wirtschaftlichen Betrachtungsweise stelle die Abtretung eines dauernden und selbständigen Baurechts an einen Dritten mit der Möglichkeit der Begründung eines selbständigen Baurechtsgrundstücks bereits einen handänderungsgebührenpflichtigen Vorgang dar. Bei der Berechnung des Wertes des Baurechts sei der gegenwärtige Baurechtszins im Sinne einer ewigen Rente zu kapitalisieren (wird näher ausgeführt).
C.- T. führt gegen diesen Rekursentscheid des Regierungsrates staatsrechtliche Beschwerde. Er beruft sich auf Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
D.- Der Regierungsrat des Kantons Solothurn beantragt die Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die solothurnische Handänderungsgebühr ist eine Verkehrssteuer (BGE 53 I 191). Eine solche Abgabe darf, wie allgemein anerkannt ist und vom Regierungsrat nicht bestritten wird, nur erhoben werden, wenn und soweit eine gesetzliche Grundlage dafür besteht. Das entspricht dem Wesen des Rechtsstaats und folgt auch aus dem in der solothurnischen Kantonsverfassung (Art. 62 Abs. 1) aufgestellten Grundsatz, dass die Bestimmungen über direkte
BGE 85 I 276 S. 279
Steuern und indirekte Abgaben "Sache der Gesetzgebung" sind, was bedeutet, dass Steuern und Abgaben nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen und nur in dem vom Gesetz festgestellten Umfange erhoben werden dürfen (BGE 80 I 327 Erw. 1 mit Zitaten; vgl. ferner BGE 82 I 27 /28, BGE 84 I 93 Erw. 2).
2. Nach § 1 HGG wird die Handänderungsgebühr bezogen, wenn "Grundstücke auf einen neuen Eigentümer übergehen". Darunter fällt vor allem der zivilrechtliche Eigentumsübergang an Liegenschaften. Als Handänderung im Sinne von § 1 HGG ist sodann die Übertragung der in das Grundbuch aufgenommenen selbständigen und dauernden Rechte, also auch der Baurechte, zu betrachten, da solche Rechte gemäss Art. 655
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 655 - 1 Gegenstand des Grundeigentums sind die Grundstücke. |
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1 | Gegenstand des Grundeigentums sind die Grundstücke. |
2 | Grundstücke im Sinne dieses Gesetzes sind: |
1 | die Liegenschaften; |
2 | die in das Grundbuch aufgenommenen selbständigen und dauernden Rechte; |
3 | die Bergwerke; |
4 | die Miteigentumsanteile an Grundstücken. |
3 | Als selbstständiges und dauerndes Recht kann eine Dienstbarkeit an einem Grundstück in das Grundbuch aufgenommen werden, wenn sie: |
1 | weder zugunsten eines berechtigten Grundstücks noch ausschliesslich zugunsten einer bestimmten Person errichtet ist; und |
2 | auf wenigstens 30 Jahre oder auf unbestimmte Zeit begründet ist.570 |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 667 - 1 Das Eigentum an Grund und Boden erstreckt sich nach oben und unten auf den Luftraum und das Erdreich, soweit für die Ausübung des Eigentums ein Interesse besteht. |
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1 | Das Eigentum an Grund und Boden erstreckt sich nach oben und unten auf den Luftraum und das Erdreich, soweit für die Ausübung des Eigentums ein Interesse besteht. |
2 | Es umfasst unter Vorbehalt der gesetzlichen Schranken alle Bauten und Pflanzen sowie die Quellen. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 675 - 1 Bauwerke und andere Vorrichtungen, die auf fremdem Boden eingegraben, aufgemauert oder sonstwie dauernd auf oder unter der Bodenfläche mit dem Grundstücke verbunden sind, können einen besonderen Eigentümer haben, wenn ihr Bestand als Dienstbarkeit in das Grundbuch eingetragen ist. |
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1 | Bauwerke und andere Vorrichtungen, die auf fremdem Boden eingegraben, aufgemauert oder sonstwie dauernd auf oder unter der Bodenfläche mit dem Grundstücke verbunden sind, können einen besonderen Eigentümer haben, wenn ihr Bestand als Dienstbarkeit in das Grundbuch eingetragen ist. |
2 | Die Bestellung eines Baurechtes an einzelnen Stockwerken eines Gebäudes ist ausgeschlossen. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 779 - 1 Ein Grundstück kann mit der Dienstbarkeit belastet werden, dass jemand das Recht erhält, auf oder unter der Bodenfläche ein Bauwerk zu errichten oder beizubehalten. |
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1 | Ein Grundstück kann mit der Dienstbarkeit belastet werden, dass jemand das Recht erhält, auf oder unter der Bodenfläche ein Bauwerk zu errichten oder beizubehalten. |
2 | Dieses Recht ist, wenn es nicht anders vereinbart wird, übertragbar und vererblich. |
3 | Ist das Baurecht selbständig und dauernd, so kann es als Grundstück in das Grundbuch aufgenommen werden. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
BGE 85 I 276 S. 280
27. Juni 1956 i.S. Bühlmann, ASA Bd. 26 S. 155). So ist wiederholt entschieden worden, es sei aus dem Gesichtswinkel von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 779 - 1 Ein Grundstück kann mit der Dienstbarkeit belastet werden, dass jemand das Recht erhält, auf oder unter der Bodenfläche ein Bauwerk zu errichten oder beizubehalten. |
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1 | Ein Grundstück kann mit der Dienstbarkeit belastet werden, dass jemand das Recht erhält, auf oder unter der Bodenfläche ein Bauwerk zu errichten oder beizubehalten. |
2 | Dieses Recht ist, wenn es nicht anders vereinbart wird, übertragbar und vererblich. |
3 | Ist das Baurecht selbständig und dauernd, so kann es als Grundstück in das Grundbuch aufgenommen werden. |
SR 211.432.1 Grundbuchverordnung vom 23. September 2011 (GBV) GBV Art. 7 Eröffnung von Beschwerdeentscheiden - Alle kantonalen Instanzen eröffnen dem EGBA ihre Beschwerdeentscheide in Grundbuchsachen sofort und unentgeltlich. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 655 - 1 Gegenstand des Grundeigentums sind die Grundstücke. |
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1 | Gegenstand des Grundeigentums sind die Grundstücke. |
2 | Grundstücke im Sinne dieses Gesetzes sind: |
1 | die Liegenschaften; |
2 | die in das Grundbuch aufgenommenen selbständigen und dauernden Rechte; |
3 | die Bergwerke; |
4 | die Miteigentumsanteile an Grundstücken. |
3 | Als selbstständiges und dauerndes Recht kann eine Dienstbarkeit an einem Grundstück in das Grundbuch aufgenommen werden, wenn sie: |
1 | weder zugunsten eines berechtigten Grundstücks noch ausschliesslich zugunsten einer bestimmten Person errichtet ist; und |
2 | auf wenigstens 30 Jahre oder auf unbestimmte Zeit begründet ist.570 |
BGE 85 I 276 S. 281
Teilung des Eigentums wie bei der körperlichen Teilung einer Liegenschaft oder bei der Begründung von Mit- oder Gesamteigentum (Zum schweiz. Sachenrecht, 1914, S. 6 ff. insb. 20 ff.). Mag diese Auffassung auch rechtlich nicht haltbar sein, da die Aufnahme eines beschränkten dinglichen Rechts als "Grundstück" in das Grundbuch an seiner rechtlichen Natur im Verhältnis zum belasteten Grundstück nichts ändert (BGE 49 III 182/3), so lässt sich die Begründung eines solchen Rechts und dessen Aufnahme als Grundstück in das Grundbuch doch als wirtschaftliche Teilveräusserung des Grundstücks betrachten (vgl. IRENE BLUMENSTEIN N. 6 zu Art. 80
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 655 - 1 Gegenstand des Grundeigentums sind die Grundstücke. |
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1 | Gegenstand des Grundeigentums sind die Grundstücke. |
2 | Grundstücke im Sinne dieses Gesetzes sind: |
1 | die Liegenschaften; |
2 | die in das Grundbuch aufgenommenen selbständigen und dauernden Rechte; |
3 | die Bergwerke; |
4 | die Miteigentumsanteile an Grundstücken. |
3 | Als selbstständiges und dauerndes Recht kann eine Dienstbarkeit an einem Grundstück in das Grundbuch aufgenommen werden, wenn sie: |
1 | weder zugunsten eines berechtigten Grundstücks noch ausschliesslich zugunsten einer bestimmten Person errichtet ist; und |
2 | auf wenigstens 30 Jahre oder auf unbestimmte Zeit begründet ist.570 |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.