84 IV 39
14. Urteil des Kassationshofes vom 24. Januar 1958 i.S. Suter gegen Statthalteramt Horgen.
Regeste (de):
- Art. 22 UWG.
- Die §§ 1 und 2 des zürcherischen Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb im Handels- und Gewerbebetrieb vom 29. Januar 1911 sind insoweit nicht mehr anwendbar, als eine unter dieses Gesetz fallende Handlung gleichzeitig nach Art. 13 UWG strafbar ist.
Regeste (fr):
- Art. 22 LCD.
- Les §§ 1 et 2 de la loi zurichoise du 29 janvier 1911 sur la concurrence déloyale dans le commerce et les arts etmétiers ne sont plus applicables dans la mesure où un acte qu'ils sanctionnent est en même temps punissable de par l'art. 13 LCD.
Regesto (it):
- Art. 22 LCS.
- I §§ 1 e 2 della legge zurighese sulla concorrenza sleale nel commercio e nelle arti e mestieri, del 29 gennaio 1911, non sono più applicabili nella misura in cui un atto, che essi sanzionano, è nel contempo punibile in virtù dell'art. 13 LCS.
Sachverhalt ab Seite 40
BGE 84 IV 39 S. 40
A.- Louise Suter liess im "Anzeiger des Wahlkreises Thalwil" vom 3. Mai 1957 folgendes Inserat erscheinen: "Wo Sie auch wohnen, der Weg wird sich lohnen!
An alle Brautleute!
Sie haben die Möglichkeit, für wenig Geld eine liebenswerte, wunderschöne Zweizimmer-Aussteuer in bester Schweizer-Qualität anzuschaffen. (Folgt Aufzählung der Möbel). Alles neu und von bester Qualität. Nur Fr. 2985.-- Garantie 10 Jahre. Gratislagerung 18 Monate. Teilzahlung möglich mit Fr. 350.-- Anzahlung. Anfragen an Frl. L. Suter (folgt genaue Adresse und Telephonnummer)". Da Verkäuferin der Aussteuer in Wirklichkeit nicht die Inserentin, sondern deren Arbeitgeber X. war, wurde Louise Suter polizeilich verzeigt.
B.- Die Strafverfügung des Statthalteramtes Horgen bestätigend, verurteilte der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichts Horgen am 14. September 1957 Louise Suter wegen Übertretung der §§ 1 und 2 des zürcherischen Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb im Handelsund Gewerbebetrieb vom 29. Januar 1911 zu einer Busse von Fr. 40.-. Er nahm an, das Inserat sei irreführend, indem es wahrheitswidrig den Anschein erwecke, die Aussteuer werde von einer Privatperson verkauft und es handle sich deshalb um ein äusserst günstiges Angebot, was tatsächlich nicht der Fall gewesen sei. Darin liege eine Gefährdung des kaufenden Publikums, dessen Schutz vor unsauberen öffentlichen Geschäftsempfehlungen dem kantonalen Recht vorbehalten sei.
BGE 84 IV 39 S. 41
Die angewendeten Gesetzesstellen lauten wie folgt:
"§ 1. In öffentlichen Geschäftsempfehlungen (durch Inserate, Zirkulare, Anschläge und dergleichen) dürfen keine wissentlich unwahren Angaben gemacht werden, durch welche der auf Treu und Glauben beruhende reelle Geschäftsverkehr geschädigt oder gefährdet wird. § 2. Es ist insbesondere verboten, beim öffentlichen Angebot von Waren oder gewerblichen Leistungen wider besseres Wissen über geschäftliche Verhältnisse, wie z.B. über Beschaffenheit und Preis von Waren, Grösse oder Vorräte, Bezugsquellen oder Art des Bezuges, unrichtige oder sonst irreführende Angaben zu machen, welche den Anschein eines aussergewöhnlich günstigen Angebotes erwecken."
C.- Louise Suter beantragt mit der Nichtigkeitsbeschwerde, sie sei freizusprechen. Zur Begründung wird geltend gemacht, die §§ 1 und 2 des zürcherischen Wettbewerbsgesetzes hätten die gleichen Tatbestände zum Gegenstand wie Art. 13 lit. b UWG, mit dem einzigen Unterschied, dass das UWG sie generell unter Strafe stelle, das kantonale Recht dagegen nur, wenn sie in einer öffentlichen Geschäftsempfehlung gegeben seien. Beide Gesetze verfolgten auch den gleichen Zweck. Der Vorbehalt des Art. 22
SR 241 Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) UWG Art. 22 Datenbekanntgabe - 1 Die für den Vollzug dieses Gesetzes zuständigen Bundesbehörden können im Rahmen der Zusammenarbeit gemäss Artikel 21 ausländischen Behörden und internationalen Organisationen oder Gremien Daten über Personen und Handlungen bekannt geben, namentlich über: |
|
1 | Die für den Vollzug dieses Gesetzes zuständigen Bundesbehörden können im Rahmen der Zusammenarbeit gemäss Artikel 21 ausländischen Behörden und internationalen Organisationen oder Gremien Daten über Personen und Handlungen bekannt geben, namentlich über: |
a | Personen, die an einem unlauteren Geschäftsgebaren beteiligt sind; |
b | den Versand von Werbeschreiben sowie sonstige Unterlagen, die ein unlauteres Geschäftsgebaren dokumentieren; |
c | die finanzielle Abwicklung des Geschäfts; |
d | die Sperrung von Postfächern. |
2 | Sie können die Daten bekannt geben, wenn die Datenempfänger zusichern, dass sie Gegenrecht halten und die Daten nur zur Bekämpfung unlauteren Geschäftsgebarens bearbeiten. Im Übrigen sind die Artikel 16 und 17 des Datenschutzgesetzes vom 25. September 202046 anwendbar.47 |
3 | Handelt es sich beim Datenempfänger um eine internationale Organisation oder ein internationales Gremium, so können sie die Daten auch ohne Gegenrecht bekannt geben. |
D.- Das Statthalteramt Horgen hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Der Kassationshof hat die früher geltende Strafbestimmung des Art. 161
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 161 |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 335 - 1 Den Kantonen bleibt die Gesetzgebung über das Übertretungsstrafrecht insoweit vorbehalten, als es nicht Gegenstand der Bundesgesetzgebung ist. |
|
1 | Den Kantonen bleibt die Gesetzgebung über das Übertretungsstrafrecht insoweit vorbehalten, als es nicht Gegenstand der Bundesgesetzgebung ist. |
2 | Die Kantone sind befugt, die Widerhandlungen gegen das kantonale Verwaltungs- und Prozessrecht mit Sanktionen zu bedrohen. |
BGE 84 IV 39 S. 42
§ 1 des luzernischen Handelspolizeigesetzes, die nicht den Schutz der Mitbewerber, sondern den der Kunden bezweckt, neben Art. 161
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 161 |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 161 |
2. Das Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb bezweckt grundsätzlich nur die Bekämpfung der Missbräuche im wirtschaftlichen Wettbewerb und damit unmittelbar den Schutz der Personen, die am Wettbewerb teilnehmen. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des Art. 1 Abs. 1
SR 241 Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) UWG Art. 1 - Dieses Gesetz bezweckt, den lauteren und unverfälschten Wettbewerb im Interesse aller Beteiligten zu gewährleisten. |
SR 241 Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) UWG Art. 2 Grundsatz - Unlauter und widerrechtlich ist jedes täuschende oder in anderer Weise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossende Verhalten oder Geschäftsgebaren, welches das Verhältnis zwischen Mitbewerbern oder zwischen Anbietern und Abnehmern beeinflusst. |
SR 241 Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) UWG Art. 2 Grundsatz - Unlauter und widerrechtlich ist jedes täuschende oder in anderer Weise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossende Verhalten oder Geschäftsgebaren, welches das Verhältnis zwischen Mitbewerbern oder zwischen Anbietern und Abnehmern beeinflusst. |
SR 241 Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) UWG Art. 22 Datenbekanntgabe - 1 Die für den Vollzug dieses Gesetzes zuständigen Bundesbehörden können im Rahmen der Zusammenarbeit gemäss Artikel 21 ausländischen Behörden und internationalen Organisationen oder Gremien Daten über Personen und Handlungen bekannt geben, namentlich über: |
|
1 | Die für den Vollzug dieses Gesetzes zuständigen Bundesbehörden können im Rahmen der Zusammenarbeit gemäss Artikel 21 ausländischen Behörden und internationalen Organisationen oder Gremien Daten über Personen und Handlungen bekannt geben, namentlich über: |
a | Personen, die an einem unlauteren Geschäftsgebaren beteiligt sind; |
b | den Versand von Werbeschreiben sowie sonstige Unterlagen, die ein unlauteres Geschäftsgebaren dokumentieren; |
c | die finanzielle Abwicklung des Geschäfts; |
d | die Sperrung von Postfächern. |
2 | Sie können die Daten bekannt geben, wenn die Datenempfänger zusichern, dass sie Gegenrecht halten und die Daten nur zur Bekämpfung unlauteren Geschäftsgebarens bearbeiten. Im Übrigen sind die Artikel 16 und 17 des Datenschutzgesetzes vom 25. September 202046 anwendbar.47 |
3 | Handelt es sich beim Datenempfänger um eine internationale Organisation oder ein internationales Gremium, so können sie die Daten auch ohne Gegenrecht bekannt geben. |
BGE 84 IV 39 S. 43
Dieser Vorbehalt ergänzenden kantonalen Rechts berechtigt die Kantone nicht, Tatbestände als Übertretung zu ahnden, soweit sie bundesrechtlich als unlauterer Wettbewerb unter Strafe gestellt sind (BGE 74 IV 110; BGE 82 IV 50). Die §§ 1 und 2 des zürcherischen Wettbewerbsgesetzes sind infolgedessen insoweit nicht mehr anwendbar, als durch unrichtige oder irreführende Angaben in öffentlichen Geschäftsempfehlungen oder Angeboten unlauterer Wettbewerb im Sinne des Art. 13 lit. b UWG begangen wird, auch dann nicht, wenn der Täter mangels Strafantrages nicht verfolgt werden kann. Dass das zürcherische Gesetz nach der Auslegung der kantonalen Instanzen vor allem den Schutz des Publikums bezweckt, ändert nichts, da auch das UWG den Schutz der Kunden verfolgt. Dagegen sind Fälle von Täuschungen des Publikums durch unrichtige oder irreführende Angaben in öffentlichen Geschäftsempfehlungen denkbar, welche die Merkmale der zürcherischen Bestimmung erfüllen, ohne dass gleichzeitig unlauterer Wettbewerb im Sinne des UWG gegeben ist. Insofern bleibt für die Anwendung der §§ 1 und 2 des kantonalen Gesetzes neben dem UWG Raum.
3. Eidgenössisches Recht ist demnach im vorliegenden Fall nur verletzt, wenn die der Beschwerdeführerin zur Last gelegte Handlung nach UWG strafbar ist, d.h. kantonales statt Bundesrecht angewendet wurde. Indem die zum Verkauf angebotene Aussteuer als aus Privathand stammend bezeichnet und damit der Anschein erweckt wurde, es handle sich um ein besonders günstiges Angebot von Occasionsmöbeln, machte das Inserat über die Waren des X. irreführende Angaben, deren Zweck offensichtlich darin lag, das eigene Angebot im Wettbewerb zu begünstigen. Der objektive Tatbestand des unlauteren Wettbewerbes nach Art. 13 lit. b UWG ist somit gegeben. Als Angestellte fällt die Beschwerdeführerin wegen Gehilfenschaft unter diese Strafbestimmung, wenn der Geschäftsinhaber als Haupttäter an der Tat
BGE 84 IV 39 S. 44
mitgewirkt hat (BGE 80 IV 32). Das trifft zu, wenn er vom Inserat Kenntnis hatte und dessen Inhalt gebilligt hat. Ob X. diese Voraussetzung erfüllt, ist nicht festgestellt und aus den Akten nicht eindeutig zu ersehen. Die Vorinstanz hat die Abklärung dieser Frage nachzuholen. Wird sie bejaht, so ist nicht das zürcherische Recht, sondern ausschliesslich das UWG anwendbar, die Beschwerdeführerin infolgedessen mangels Strafantrages freizusprechen bzw. das Verfahren gegen sie einzustellen. Entfällt dagegen die Anwendbarkeit des UWG, so steht von Bundesrechts wegen der Anwendung kantonalen Rechts nichts entgegen.
Dispositiv
Demgemäss erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird dahin gutgeheissen, dass das Urteil des Einzelrichters in Strafsachen des Bezirksgerichts Horgen vom 14. September 1957 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.