84 II 628
84. Urteil der I. Zivilabteilung vom 15. Dezember 1958 i.S. Fässler gegen Möbel AG
Regeste (de):
- Kauf gegen ratenweise Vorauszahlung.
- 1. Art. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 1 - 1 Zum Abschlusse eines Vertrages ist die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich.
1 Zum Abschlusse eines Vertrages ist die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich. 2 Sie kann eine ausdrückliche oder stillschweigende sein. SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 2 - 1 Haben sich die Parteien über alle wesentlichen Punkte geeinigt, so wird vermutet, dass der Vorbehalt von Nebenpunkten die Verbindlichkeit des Vertrages nicht hindern solle.
1 Haben sich die Parteien über alle wesentlichen Punkte geeinigt, so wird vermutet, dass der Vorbehalt von Nebenpunkten die Verbindlichkeit des Vertrages nicht hindern solle. 2 Kommt über die vorbehaltenen Nebenpunkte eine Vereinbarung nicht zustande, so hat der Richter über diese nach der Natur des Geschäftes zu entscheiden. 3 Vorbehalten bleiben die Bestimmungen über die Form der Verträge. SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 184 - 1 Durch den Kaufvertrag verpflichten sich der Verkäufer, dem Käufer den Kaufgegenstand zu übergeben und ihm das Eigentum daran zu verschaffen, und der Käufer, dem Verkäufer den Kaufpreis zu bezahlen.
1 Durch den Kaufvertrag verpflichten sich der Verkäufer, dem Käufer den Kaufgegenstand zu übergeben und ihm das Eigentum daran zu verschaffen, und der Käufer, dem Verkäufer den Kaufpreis zu bezahlen. 2 Sofern nicht Vereinbarung oder Übung entgegenstehen, sind Verkäufer und Käufer verpflichtet, ihre Leistungen gleichzeitig - Zug um Zug - zu erfüllen. 3 Der Preis ist genügend bestimmt, wenn er nach den Umständen bestimmbar ist. - 2. Art. 20
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig. 2 Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre. SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten.
1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. 2 Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. - a) Sittenwidrige Einschränkung des Rechts des Käufers, die Kaufgegenstände zu Konkurrenzpreisen aus angemessenen Beständen auszuwählen? (Erw. 2).
- b) Macht die Möglichkeit, dass der Verkäufer seine Verpflichtungen nicht erfülle, den Kauf unsittlich? (Erw. 3).
Regeste (fr):
- Achat avec paiement anticipé par acomptes.
- 1. Art. 1, 2 et 184 CO. Le contrat est conclu alors même que, pour un solde éventuellement dû sur le prix d'achat, les parties renvoient aux conditions de paiement partiel du vendeur. Lorsque de telles conditions ne sont pas établies, le juge les fixe selon le droit et l'équité (consid. 1).
- 2. Art. 20 CO et 27 al. 2 CC.
- a) Restriction immorale au droit qu'a l'acheteur de disposer d'un choix suffisant à des prix aussi favorables que ceux de la concurrence? (consid. 2).
- b) La possibilité que le vendeur ne remplisse pas ses obligations rend-elle la vente immorale? (consid. 3).
Regesto (it):
- Compera con pagamento rateale anticipato.
- 1. Art. 1, 2, 184 CO. Il contratto è concluso quand'anche, per un saldo eventuale che è ancora dovuto sul prezzo di acquisto, le parti rinviassero alle condizioni di pagamento parziale del venditore. Allorquando siffatte condizioni non sono stabilite, il giudice le determina secondo il diritto e l'equità (consid. 1).
- 2. Art. 20 CO e 27 cp. 2 CC.
- a) Limitazione immorale del diritto che ha il compratore di disporre di una scelta sufficiente a prezzi favorevoli quanto quelli della concorrenza? (consid. 2).
- b) La possibilità che il venditore non adempia i suoi obblighi rende immorale la vendita? (consid. 3).
Sachverhalt ab Seite 629
BGE 84 II 628 S. 629
A.- Die ledige Arztgehilfin Klara Fässler, geb. 1935, schloss am 26. Juli 1957 mit der Möbel AG folgenden "Aussteuer-Kaufvertrag auf Vorzahlung" ab: "1. Der unterzeichnete Käufer bestellt bei der Möbel AG Aussteuergegenstände (Möbel, Bettinhalt, Wäsche, Teppiche nach eigener Wahl) im Betrage von Fr. 5000.-- (Kaufsumme). 2. Der Käufer leistet eine erste Zahlung von Fr. 50.- am 31. Juli 1957 und monatliche Ratenzahlungen von mindestens Fr. 50.- jeweils am letzten jeden Monats, erstmals am 31. August 1957. Sobald 2/5 der vereinbarten Kaufsumme einbezahlt sind, können restliche Zahlungen bis zum Zeitpunkt der Lieferung beliebig erbracht werden. Der Käufer hat jedoch innert 10 Jahren seit Vertragsabschluss soviel einzuzahlen, dass zusammen mit Zins und Zinseszins die oben erwähnte Kaufsumme erreicht wird. 3. Die Zahlungen haben auf das Vorzahlungskonto bei der Schweizerischen Volksbank, St. Gallen, Postcheckkonto IX 12564 zu erfolgen. Die ersten Raten bis zum Betrage von 12% der Kaufsumme gelten als Anzahlung an die Möbel AG und werden von dieser verzinst. Alle 12% der Kaufsumme übersteigenden Beträge werden einem Sparheft der Schweizerischen Volksbank St. Gallen gutgeschrieben. Das Sparheft. bleibt bei der Schweizerischen Volksbank deponiert. Über das Sparguthaben kann nur mit gegenseitiger Zustimmung der beiden Vertragsparteien verfügt werden. Sämtliche Zahlungen des Käufers werden von der Möbel AG in den ersten 5 Jahren ab Vertragsabschluss zum doppelten Sparkassa-Zinsfuss im Maximum zu 5% und nachher noch zum Normal-Sparkassa-Zinsfuss verzinst. 4. Der Käufer kann seine Wahl jederzeit treffen, hat aber spätestens 10 Jahre nach Vertragsabschluss von seinem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Die Wahl hat mindestens 6 Wochen vor dem gewünschten Liefertermin zu erfolgen. Bei der Auswahl werden 2 Bahnbillete vom Wohnort nach St. Gallen retour, jedoch im Maximum 2% der Kaufsumme vergütet. Die Lieferung erfolgt in der ganzen Schweiz mit Camion franko Haus. 5 Jahre Garantie gegen Reissen und Springen der Möbel. 5. Die Wahl erfolgt auf Grund der im Zeitpunkt der Wahl in den Ausstellungsräumen der Möbel AG sich befindenden sowie in deren Katalogen und Prospekten aufgeführten Modelle. Massgebend sind dabei die im Zeitpunkt der Wahl in den Ausstellungsräumen angeschriebenen bzw. in den gedruckten Detailpreislisten der Möbel AG und des Schweiz. Engros-Möbelfabrikanten (SEM)-Verbandes aufgeführten Barzahlungspreise. 6. Sofern das Guthaben des Käufers 2/5 der Kaufsumme erreicht, kann dieser Lieferung verlangen und den Restbetrag zu den Teilzahlungsbedingungen der Möbel AG tilgen. Mit Zustimmung der Verkäuferin kann eine derartige Regelung bereits früher getroffen werden. Sind bei der Möbellieferung mindestens 40 % der Kaufsumme bezahlt,
BGE 84 II 628 S. 630
so werden dem Käufer 2% des vorausbezahlten Betrages gutgeschrieben. 7. Sollte sich der Käufer nach 10 Jahren seit Vertragsabschluss noch nicht verheiratet haben, so ist er berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten, hat aber hiefür die Möbel AG mit 12% der Kaufsumme zu entschädigen. Der Käufer erhält in diesem Falle die von ihm geleisteten Beträge einschliesslich des üblichen Bankzinses, unter Abzug der oben erwähnten Entschädigung, innert 30 Tagen zurück. Hat jedoch der Käufer zu diesem Zeitpunkt das 40. Altersjahr vollendet, so verzichtet die Möbel AG auf Entschädigung. 8. Bei Todesfall des Käufers werden die von ihm einbezahlten Beträge sowie der übliche Bankzins, ohne jeden Abzug, an seine Erben zurückerstattet. Ebenso erfolgt eine derartige Zurückerstattung an den Käufer im Falle unheilbarer Krankheit, dauernder schwerer Invalidität oder anderer wichtiger Gründe. (Auflösung des Verlöbnisses gilt nicht als wichtiger Grund.) 9. Mit Zustimmung der Möbel AG kann dieser Vertrag auch auf einen andern Käufer überschrieben werden." Am 16. August und 7. September 1957 zahlte Klara Fässler der Möbel AG in Erfüllung des Vertrages zweimal je Fr. 50.-. Am 26. September liess sie ihr mitteilen, dass sie den Vertrag wegen Täuschung, Irrtums und Übervorteilung unverbindlich erkläre. Im gleichen Briefe machte sie geltend, solche Verträge seien allgemein sittenwidrig.
B.- Am 21. November 1957 reichte Klara Fässler gegen die Möbel AG beim Kantonsgericht St. Gallen Klage ein mit dem Begehren auf gerichtliche Feststellung, dass der Vertrag nichtig, eventuell für die Klägerin unverbindlich sei, und auf Verurteilung der Beklagten auf Rückzahlung der geleisteten Fr. 100.--. Das Kantonsgericht wies die Klage am 2. Mai 1958
entsprechend dem Antrage der Beklagten ab.
C.- Die Klägerin hat rechtzeitig die Berufung erklärt mit dem Antrag auf Gutheissung der Klage. Sie macht geltend, das angefochtene Urteil verletze Art. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 1 - 1 Zum Abschlusse eines Vertrages ist die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich. |
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1 | Zum Abschlusse eines Vertrages ist die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich. |
2 | Sie kann eine ausdrückliche oder stillschweigende sein. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 2 - 1 Haben sich die Parteien über alle wesentlichen Punkte geeinigt, so wird vermutet, dass der Vorbehalt von Nebenpunkten die Verbindlichkeit des Vertrages nicht hindern solle. |
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1 | Haben sich die Parteien über alle wesentlichen Punkte geeinigt, so wird vermutet, dass der Vorbehalt von Nebenpunkten die Verbindlichkeit des Vertrages nicht hindern solle. |
2 | Kommt über die vorbehaltenen Nebenpunkte eine Vereinbarung nicht zustande, so hat der Richter über diese nach der Natur des Geschäftes zu entscheiden. |
3 | Vorbehalten bleiben die Bestimmungen über die Form der Verträge. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig. |
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1 | Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig. |
2 | Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 23 - Der Vertrag ist für denjenigen unverbindlich, der sich beim Abschluss in einem wesentlichen Irrtum befunden hat. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
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1 | Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
2 | Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. |
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die Klägerin macht geltend, der Vertrag sei nicht gültig zustande gekommen, weil die Parteien sich über die Teilzahlungsbedingungen nicht geeinigt hätten, zu denen
BGE 84 II 628 S. 631
sie den Rest des Kaufpreises zu tilgen habe, wenn sie gemäss Ziffer 6 die Lieferung der Kaufsache verlange. Das trifft nicht zu. Eine Einigung liegt vor, denn die Parteien haben die "Teilzahlungsbedingungen der Möbel AG" als massgebend erklärt, also jene, welche die Beklagte in Abzahlungsgeschäften anzuwenden pflege. Fragen kann sich nur, ob es im Geschäfte der Beklagten solche Bedingungen wirklich gibt. Sollte das nicht zutreffen, so wären die gegenüber der Klägerin anzuwendenden Teilzahlungsbedingungen anhand des erwähnten Hinweises im Vertrage nicht bestimmbar. Dieser würde also insoweit eine Lücke aufweisen. Sie beträfe jedoch einen Nebenpunkt im Sinne des Art. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 2 - 1 Haben sich die Parteien über alle wesentlichen Punkte geeinigt, so wird vermutet, dass der Vorbehalt von Nebenpunkten die Verbindlichkeit des Vertrages nicht hindern solle. |
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1 | Haben sich die Parteien über alle wesentlichen Punkte geeinigt, so wird vermutet, dass der Vorbehalt von Nebenpunkten die Verbindlichkeit des Vertrages nicht hindern solle. |
2 | Kommt über die vorbehaltenen Nebenpunkte eine Vereinbarung nicht zustande, so hat der Richter über diese nach der Natur des Geschäftes zu entscheiden. |
3 | Vorbehalten bleiben die Bestimmungen über die Form der Verträge. |
BGE 84 II 628 S. 632
auch nicht einigen können, so wird der Richter sie "nach der Natur des Geschäftes" festlegen (Art. 2 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 2 - 1 Haben sich die Parteien über alle wesentlichen Punkte geeinigt, so wird vermutet, dass der Vorbehalt von Nebenpunkten die Verbindlichkeit des Vertrages nicht hindern solle. |
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1 | Haben sich die Parteien über alle wesentlichen Punkte geeinigt, so wird vermutet, dass der Vorbehalt von Nebenpunkten die Verbindlichkeit des Vertrages nicht hindern solle. |
2 | Kommt über die vorbehaltenen Nebenpunkte eine Vereinbarung nicht zustande, so hat der Richter über diese nach der Natur des Geschäftes zu entscheiden. |
3 | Vorbehalten bleiben die Bestimmungen über die Form der Verträge. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 4 - Wo das Gesetz das Gericht auf sein Ermessen oder auf die Würdigung der Umstände oder auf wichtige Gründe verweist, hat es seine Entscheidung nach Recht und Billigkeit zu treffen. |
2. Die Klägerin macht geltend, ihr Recht, die Kaufgegenstände zu Konkurrenzpreisen auszuwählen, sei in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise eingeschränkt und der Vertrag sei daher nichtig (Art. 20 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig. |
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1 | Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig. |
2 | Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
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1 | Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
2 | Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. |
BGE 84 II 628 S. 633
bis er 1957 58% erreichte. Nichts spricht also dafür, dass die Beklagte das Barzahlungsgeschäft mehr und mehr aufgebe. Ob und inwieweit dadurch die Wahlmöglichkeiten zu Ungunsten der Klägerin eingeschränkt und die Preise erhöht würden, kann deshalb dahingestellt bleiben, und es braucht auch nicht entschieden zu werden, ob die Möglichkeit des Eintritts dieser Tatbestände genügen würde, den Vertrag heute als unsittlich zu erklären. Der Klägerin ist auch nicht beizupflichten, wenn sie glaubt, sie dürfe Aussteuergegenstände nur aus den in den Räumen der Beklagten ausgestellten oder in deren Katalogen und Prospekten aufgeführten Modellen auswählen. Gewiss erwähnt der erste Satz der Ziffer 5 des Vertrages nur diese Möglichkeiten. Unter der gleichen Ziffer haben die Parteien jedoch festgehalten, dass auch die in den gedruckten Listen des Schweizerischen Engros-Möbelfabrikantenverbandes angegebenen Barzahlungspreise massgebend sein sollen. Der Hinweis auf diese Preise wäre sinnlos, wenn das Wahlrecht der Klägerin so eingeschränkt wäre, wie sie meint. Die Preise der in den Ausstellungsräumen der Beklagten stehenden Möbel sind laut Ziffer 5 des Vertrages dort angeschrieben, und die Preise der im Katalog der Klägerin aufgeführten Sachen sind in einem Anhang dazu genannt. Also gelten die den Listen des Schweizerischen Engros-Möbelfabrikantenverbandes zu entnehmenden Preise für Ware, die bei den Mitgliedern dieses Verbandes erhältlich ist und die Beklagte auf Wunsch der Klägerin daselbst zu beziehen und an die Klägerin abzugeben haben wird. Die Beklagte hat im kantonalen Verfahren denn auch anerkannt, es sei ihr jederzeit möglich, bei allen dem Schweizerischen Engros-Möbelfabrikantenverband angeschlossenen Fabriken Ware zu erhalten, und die Klägerin könne solche Ware aus den Katalogen dieser Fabriken auch auswählen. Bei dieser Erklärung ist sie zu behaften. Es trifft somit nicht zu, dass der Vertrag die Freiheit der Klägerin, die Kaufgegenstände zu Konkurrenzpreisen
BGE 84 II 628 S. 634
aus angemessenen Beständen auszuwählen, in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise einschränke.
3. Die Klägerin sieht einen Verstoss gegen die guten Sitten ferner darin, dass der Vertrag sie zur Verschiebung der Heirat nötigen oder wirtschaftlich zugrunde richten würde, wenn die Beklagte nicht liefern könnte oder wollte. Ob ein Vertrag den guten Sitten widerspricht, beurteilt sich nach seinem Inhalt (BGE 84 II 27, 277). Daher ist fraglich, ob die Lage, in die eine Patrei kommen könnte, wenn die andere leistungsunfähig werden, die Erfüllung verweigern oder in Verzug geraten sollte, jemals einen Vertrag unsittlich machen kann. Verträge werden abgeschlossen, um erfüllt zu werden, und die Rechte, die dem Gläubiger zustehen, wenn das nicht geschieht, sind in Art. 82
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 82 - Wer bei einem zweiseitigen Vertrage den andern zur Erfüllung anhalten will, muss entweder bereits erfüllt haben oder die Erfüllung anbieten, es sei denn, dass er nach dem Inhalte oder der Natur des Vertrages erst später zu erfüllen hat. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 83 - 1 Ist bei einem zweiseitigen Vertrag der eine Teil zahlungsunfähig geworden, wie namentlich, wenn er in Konkurs geraten oder fruchtlos gepfändet ist, und wird durch diese Verschlechterung der Vermögenslage der Anspruch des andern gefährdet, so kann dieser seine Leistung so lange zurückhalten, bis ihm die Gegenleistung sichergestellt wird. |
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1 | Ist bei einem zweiseitigen Vertrag der eine Teil zahlungsunfähig geworden, wie namentlich, wenn er in Konkurs geraten oder fruchtlos gepfändet ist, und wird durch diese Verschlechterung der Vermögenslage der Anspruch des andern gefährdet, so kann dieser seine Leistung so lange zurückhalten, bis ihm die Gegenleistung sichergestellt wird. |
2 | Wird er innerhalb einer angemessenen Frist auf sein Begehren nicht sichergestellt, so kann er vom Vertrage zurücktreten. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 97 - 1 Kann die Erfüllung der Verbindlichkeit überhaupt nicht oder nicht gehörig bewirkt werden, so hat der Schuldner für den daraus entstehenden Schaden Ersatz zu leisten, sofern er nicht beweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle. |
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1 | Kann die Erfüllung der Verbindlichkeit überhaupt nicht oder nicht gehörig bewirkt werden, so hat der Schuldner für den daraus entstehenden Schaden Ersatz zu leisten, sofern er nicht beweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle. |
2 | Für die Vollstreckung gelten die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 11. April 188943 über Schuldbetreibung und Konkurs sowie der Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 200844 (ZPO).45 |
BGE 84 II 628 S. 635
Volksbank auf einem gesperrten Sparheft gutzuschreiben sind, so dass die Klägerin für den grössten Teil ihrer Leistungen gesichert sein wird. Dass sie durch den Verlust von Fr. 600.-- wirtschaftlich zugrunde gerichtet wäre, tut sie nicht dar und ist angesichts ihres Alters und Berufes, der ihr zugegebenermassen ohne weiteres erlaubt, monatlich Fr. 50.- für den Erwerb von Möbeln aufzuwenden, nicht nachgewiesen. Wer finanzielle Verpflichtungen eingeht, verstösst nur dann gegen die guten Sitten, wenn er dadurch seine wirtschaftliche Existenz gefährdet (BGE 51 II 167f., BGE 84 II 23, 277).
4. Die Klägerin macht geltend, der Vertrag sei für sie jedenfalls wegen Irrtums (Art. 23 f
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 23 - Der Vertrag ist für denjenigen unverbindlich, der sich beim Abschluss in einem wesentlichen Irrtum befunden hat. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 28 - 1 Ist ein Vertragschliessender durch absichtliche Täuschung seitens des andern zu dem Vertragsabschlusse verleitet worden, so ist der Vertrag für ihn auch dann nicht verbindlich, wenn der erregte Irrtum kein wesentlicher war. |
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1 | Ist ein Vertragschliessender durch absichtliche Täuschung seitens des andern zu dem Vertragsabschlusse verleitet worden, so ist der Vertrag für ihn auch dann nicht verbindlich, wenn der erregte Irrtum kein wesentlicher war. |
2 | Die von einem Dritten verübte absichtliche Täuschung hindert die Verbindlichkeit für den Getäuschten nur, wenn der andere zur Zeit des Vertragsabschlusses die Täuschung gekannt hat oder hätte kennen sollen. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 25 - 1 Die Berufung auf Irrtum ist unstatthaft, wenn sie Treu und Glauben widerspricht. |
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1 | Die Berufung auf Irrtum ist unstatthaft, wenn sie Treu und Glauben widerspricht. |
2 | Insbesondere muss der Irrende den Vertrag gelten lassen, wie er ihn verstanden hat, sobald der andere sich hierzu bereit erklärt. |
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen, und das Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen, II. Zivilkammer, vom 2. Mai 1958 wird bestätigt.