84 I 24
5. Urteil vom 12. Februar 1958 i.S. X. gegen Obergericht des Kantons Zürich.
Regeste (de):
- Freizügigkeit des Anwalts: Eine Bewilligung zur Ausübung des Anwaltsberufes, die ein Kanton erteilt, ohne gewisse minimale Anforderungen an die wissenschaftliche Ausbildung und an die praktischen Kenntnisse und Erfahrungen des Bewerbers zu stellen, braucht in anderen Kantonen nicht als Befähigungsausweis im Sinne des Art. 5
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. 2 Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein. 3 Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben. 4 Bund und Kantone beachten das Völkerrecht.
Regeste (fr):
- Liberté d'établissement de l'avocat: L'autorisation de pratiquer la profession d'avocat qu'un canton accorde sans poser certaines exigences minimum en ce qui concerne la formation scientifique, les connaissances et l'expérience pratiques du candidat, n'a pas besoin d'être considérée dans d'autres cantons comme un certificat de capacité au sens de l'art. 5 Disp. tr. Cst.
Regesto (it):
- Libertà di esercizio dell'avvocatura: L'autorizzazione di esercitare la professione di avvocato che un cantone accorda senza porre certe esigenze minime per quanto concerne la formazione scientifica, le conoscenze e l'esperienza pratiche del candidato, non ha bisogno di essere considerata in altri cantoni come certificato di capacità a norma dell'art. 5 disp. trans. CF.
BGE 84 I 24 S. 24
A.- § 42 der Zivilprozessordnung des Kantons Glarus bestimmt: "Den Anwaltsberuf dürfen nur solche Personen betreiben, welche im Besitz des Aktivbürgerrechts sind und die zur Ausübung
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des Berufes notwendigen Kenntnisse besitzen. Sie haben sich beim Obergericht anzumelden unter Vorweisung allfälliger Zeugnisse und Ausweise über Studiengang und praktische Betätigung, über deren Zulänglichkeit das Obergericht nach freiem Ermessen befindet. Das Obergericht führt ein Verzeichnis über die zur Ausübung des Anwaltsberufes zugelassenen Personen." Gestützt auf diese Vorschrift suchte der Beschwerdeführer am 17. Juli 1950 die Bewilligung zur Ausübung des Anwaltsberufes im Kanton Glarus nach. Er machte geltend, er habe acht Semester Rechtsstudium hinter sich und absolviere gegenwärtig an der Universität das Examen; er habe an einem aargauischen Bezirksgericht als Gerichtsschreiber gearbeitet und sei zur Zeit als Substitut in einem aargauischen Anwaltsbureau tätig. Dem Gesuch waren ein Leumundszeugnis, Ausweise über den Studiengang und ein Zeugnis der Kanzlei jenes Bezirksgerichtes beigelegt. Am 5. September 1950 erteilte das Obergericht des Kantons Glarus dem Beschwerdeführer "auf Grund seiner Bewerbung vom 17. Juli 1950, sowie seiner Ausweise über Studiengang und praktische Tätigkeit" die erbetene Bewilligung.
B.- Im August 1957 ersuchte der Beschwerdeführer, der inzwischen den Grad eines Doktors der Rechte erlangt hatte, das Obergericht des Kantons Zürich unter Berufung auf Art. 5
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
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1 | Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
2 | Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein. |
3 | Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben. |
4 | Bund und Kantone beachten das Völkerrecht. |
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
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1 | Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
2 | Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein. |
3 | Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben. |
4 | Bund und Kantone beachten das Völkerrecht. |
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dortige Behörde keine Gelegenheit gehabt habe, seine Leistungen aus eigener Anschauung zu beurteilen. Dazu komme, dass in Wirklichkeit die Bewilligung lediglich auf Grund der Studienausweise erteilt worden sei; jenes Zeugnis habe gar keine Rolle gespielt.
C.- Mit staatsrechtlicher Beschwerde beantragt X., den Entscheid des Obergerichtes des Kantons Zürich aufzuheben und dieses anzuweisen, die nachgesuchte Bewilligung zu erteilen. Er rügt Verstösse gegen Art. 31
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden. |
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1 | Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden. |
2 | Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen. |
3 | Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist. |
4 | Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs. |
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 33 Petitionsrecht - 1 Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen. |
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1 | Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen. |
2 | Die Behörden haben von Petitionen Kenntnis zu nehmen. |
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
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1 | Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
2 | Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein. |
3 | Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben. |
4 | Bund und Kantone beachten das Völkerrecht. |
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
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1 | Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
2 | Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein. |
3 | Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben. |
4 | Bund und Kantone beachten das Völkerrecht. |
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1951, über weitere vier Monate solcher Tätigkeit werde ausweisen können. Das genüge aber vor Art. 5
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
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1 | Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
2 | Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein. |
3 | Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben. |
4 | Bund und Kantone beachten das Völkerrecht. |
D.- Das Obergericht des Kantons Zürich hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Der Anwaltsberuf gehört zu den wissenschaftlichen Berufsarten, deren Ausübung die Kantone von einem Nachweis der Befähigung abhängig machen dürfen (Art. 33 Abs. 1
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 33 Petitionsrecht - 1 Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen. |
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1 | Jede Person hat das Recht, Petitionen an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen. |
2 | Die Behörden haben von Petitionen Kenntnis zu nehmen. |
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
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1 | Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
2 | Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein. |
3 | Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben. |
4 | Bund und Kantone beachten das Völkerrecht. |
BGE 84 I 24 S. 28
Examens, sei es in anderer Weise, vorausgegangen ist (BGE 69 I 2ff.). Sie ist angesichts der Bedeutung der Anwaltstätigkeit für die Rechtsuchenden und die Gerichte auch berechtigt, gewisse minimale Anforderungen an die wissenschaftliche Ausbildung und die praktischen Kenntnisse und Erfahrungen des Bewerbers zu stellen. Sie darf prüfen, ob diese Anforderungen vom Kanton, der den Ausweis ausgestellt hat, berücksichtigt worden sind. Dies drängt sich insbesondere dann auf, wenn dieser Kanton ein Anwaltsexamen nicht kennt.
2. Ob ein Bewerber die für die Ausübung des Anwaltsberufes notwendigen Kenntnisse besitze, wird im Kanton Glarus nicht in einem Examen, sondern bloss auf Grund "allfälliger Zeugnisse und Ausweise über Studiengang und praktische Betätigung" geprüft (§ 42 ZPO). Gewiss ist es möglich, auf diesem Wege die berufliche Eignung des Anwärters einigermassen zuverlässig festzustellen, allein nur dann, wenn nicht nur die Studienausweise, sondern auch die Zeugnisse über die praktische Betätigung, die für den Anwaltsberuf grosse Bedeutung hat, einer ernsthaften und gründlichen Prüfung unterzogen werden. Diese Prüfung muss sich nicht bloss auf die Dauer und den Ort, sondern auch auf den Erfolg der bescheinigten praktischen Tätigkeit beziehen. Es steht fest, dass der Beschwerdeführer dem glarnerischen Obergericht neben Ausweisen über Leumund und Studien nur eine einzige Bescheinigung über seine praktische Betätigung, nämlich ein Zeugnis einer aargauischen Gerichtskanzlei, vorgelegt hat. Er bezeichnet die Annahme, dass das glarnerische Obergericht bei der Untersuchung der praktischen Fähigkeiten lediglich auf dieses Zeugnis abgestellt habe, als "nicht haltbar, ja aktenwidrig", doch bringt er zur Begründung dieser Rüge nichts Triftiges vor. Die im Ingress der Bewilligungsurkunde stehende Wendung "auf Grund seiner Bewerbung vom 17. Juli 1950" ist ein rein formaler Hinweis; sie hat nicht den Sinn, dass die Behauptungen im Bewerbungsschreiben des Beschwerdeführers
BGE 84 I 24 S. 29
auch insoweit, als keine Beweise dafür vorlagen, als Tatsachen gewürdigt wurden. Jene Bescheinigung einer aargauischen Gerichtsstelle bezieht sich auf einen Zeitraum von bloss rund zweieinhalb Monaten (Anfang März bis Mitte Mai 1950). Es liegt aber auf der Hand, dass aus einem Zeugnis über praktische Tätigkeit eines Juristen auf einer Gerichtskanzlei während so kurzer Zeit unmöglich ein zuverlässiger Schluss auf dessen Fähigkeit zur Ausübung des Anwaltsberufes gezogen werden kann, selbst wenn seine Studienausweise gut sind. Da der Beschwerdeführer in seinem Gesuch an das glarnerische Obergericht selber erklärt hat, er habe seine Hochschulstudien noch nicht mit einem Examen abgeschlossen, hätte er umsomehr Anlass gehabt, besser genügende Ausweise über seine praktische Betätigung beizubringen. Indessen hat das glarnerische Obergericht nicht einmal auf das Zeugnis der aargauischen Gerichtsbehörde Gewicht gelegt. In der Tat hat sein Präsident dem zürcherischen Obergerichte mitgeteilt, nach glarnerischer Praxis seien die Studienausweise ausschlaggebend, da Bewerber, die sich über genügende Hochschulstudien ausweisen können, selbst dann zugelassen würden, wenn sie überhaupt kein Praktikum absolviert haben; mit der Neufassung des § 42 ZPO im Jahre 1930 habe man lediglich den Übelstand beseitigen wollen, dass jedem Laien habe gestattet werden müssen, Parteien vor Gericht zu vertreten, wenn er nur im Besitze des Aktivbürgerrechtes gewesen sei. Unter diesen Umständen ist nicht zu beanstanden, dass das zürcherische Obergericht die glarnerische Bewilligung, auf welche der Beschwerdeführer sich beruft, nicht als genügenden Ausweis der Befähigung im Sinne des Art. 5
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
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1 | Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
2 | Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein. |
3 | Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben. |
4 | Bund und Kantone beachten das Völkerrecht. |
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.