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BGE-83-IV-187


Urteilskopf

83 IV 187

53. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 24. Oktober 1957 i.S. Killer gegen Staatsanwaltschaft des Mittellandes Bern.
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Erwägungen ab Seite 188

BGE 83 IV 187 S. 188

Schwere Bedrängnis im Sinne des Art. 64 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 64 - 1 Das Gericht ordnet die Verwahrung an, wenn der Täter einen Mord, eine vorsätzliche Tötung, eine schwere Körperverletzung, eine Vergewaltigung, einen Raub, eine Geiselnahme, eine Brandstiftung, eine Gefährdung des Lebens oder eine andere mit einer Höchststrafe von fünf oder mehr Jahren bedrohte Tat begangen hat, durch die er die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer andern Person schwer beeinträchtigt hat oder beeinträchtigen wollte, und wenn:59
StGB liegt nach der Rechtsprechung des Kassationshofes nicht schon vor, wenn der Täter in finanziell schlechten Verhältnissen lebt, sondern nur, wenn eine notstandsähnliche Lage ihn zur Begehung der strafbaren Handlung treibt, d.h. wenn die Bedrängnis einen besonders hohen Grad erreicht und den Täter so beeindruckt, dass er einen Ausweg nur in der strafbaren Handlung zu finden glaubt (Urteile vom 6. März 1953 i.S. Schär, 24. März 1954 i.S. Liembd und dort erwähnte frühere Entscheide). Das angefochtene Urteil geht davon aus, der Begriff der schweren Bedrängnis setze eine von aussen geschaffene, schicksalshafte Notlage voraus, die dann nicht gegeben sei, wenn der Täter wie im vorliegenden Fall die schlechte finanzielle Lage zur Hauptsache selber verursacht habe. Diese Auslegung hält vor dem Gesetz nicht stand. Erfahrungsgemäss kommt es sehr selten vor, dass eine Notlage ausschliesslich auf äussere Umstände zurückzuführen ist, ohne dass gleichzeitig der Bedrängte durch sein eigenes Tun oder Unterlassen dazu beigetragen hätte. Dem Strafmilderungsgrund der schweren Bedrängnis würde denn auch praktisch jede Bedeutung genommen, wenn seine Anwendbarkeit auf Fälle beschränkt bliebe, in denen das vom Willen des Betroffenen unabhängige Schicksal als einzige Ursache der Notlage erscheint. Art. 64
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 64 - 1 Das Gericht ordnet die Verwahrung an, wenn der Täter einen Mord, eine vorsätzliche Tötung, eine schwere Körperverletzung, eine Vergewaltigung, einen Raub, eine Geiselnahme, eine Brandstiftung, eine Gefährdung des Lebens oder eine andere mit einer Höchststrafe von fünf oder mehr Jahren bedrohte Tat begangen hat, durch die er die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer andern Person schwer beeinträchtigt hat oder beeinträchtigen wollte, und wenn:59
StGB schliesst die Annahme einer schweren Bedrängnis selbst dann nicht aus, wenn der Täter sie selber verschuldet hat. Ähnlich verhält es sich beim Notstand, der als solcher nicht davon abhängt, ob die Gefahr, in der der Täter handelt, von ihm verschuldet sei; das Selbstverschulden bewirkt nur, dass anstelle von Straflosigkeit Strafmilderung nach freiem Ermessen tritt (Art. 34 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 34 - 1 Bestimmt es das Gesetz nicht anders, so beträgt die Geldstrafe mindestens drei und höchstens 180 Tagessätze.24 Das Gericht bestimmt deren Zahl nach dem Verschulden des Täters.
StGB). Ebenso kann eine notstandsähnliche Lage objektiv vorliegen und der Täter unter ihrem Eindruck gehandelt haben, wenn er sie durch eigene vermeidbare Fehler (Müssiggang, Verschwendung, Spekulation usw.) herbeigeführt hat. Damit ist nicht gesagt, dass die Verschuldung der Bedrängnis keine Rolle
BGE 83 IV 187 S. 189

spiele. Der Richter, der die Voraussetzungen der schweren Bedrängnis als erfüllt betrachtet, ist nicht verpflichtet, Art. 64
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 64 - 1 Das Gericht ordnet die Verwahrung an, wenn der Täter einen Mord, eine vorsätzliche Tötung, eine schwere Körperverletzung, eine Vergewaltigung, einen Raub, eine Geiselnahme, eine Brandstiftung, eine Gefährdung des Lebens oder eine andere mit einer Höchststrafe von fünf oder mehr Jahren bedrohte Tat begangen hat, durch die er die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer andern Person schwer beeinträchtigt hat oder beeinträchtigen wollte, und wenn:59
StGB anzuwenden, sondern er kann nach freiem Ermessen darüber befinden, ob die Umstände eine Strafmilderung rechtfertigen (BGE 71 IV 80). Unter diesem Gesichtspunkt ist es dann erheblich, ob und inwieweit der Täter die Notlage selber verschuldet hat.
83 IV 187 24. Oktober 1957 31. Dezember 1958 Bundesgericht 83 IV 187 BGE - Strafrecht und Strafvollzug

Gegenstand Art. 64 Abs.2 StGB. Begriff der schweren Bedrängnis.

Gesetzesregister
StGB 34
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 34 - 1 Bestimmt es das Gesetz nicht anders, so beträgt die Geldstrafe mindestens drei und höchstens 180 Tagessätze.24 Das Gericht bestimmt deren Zahl nach dem Verschulden des Täters.
StGB 64
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 64 - 1 Das Gericht ordnet die Verwahrung an, wenn der Täter einen Mord, eine vorsätzliche Tötung, eine schwere Körperverletzung, eine Vergewaltigung, einen Raub, eine Geiselnahme, eine Brandstiftung, eine Gefährdung des Lebens oder eine andere mit einer Höchststrafe von fünf oder mehr Jahren bedrohte Tat begangen hat, durch die er die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer andern Person schwer beeinträchtigt hat oder beeinträchtigen wollte, und wenn:59
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