83 IV 1
1. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 1. März 1957 i.S. Wüst gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern.
Regeste (de):
- Art.21 Abs.2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 21 - Wer bei Begehung der Tat nicht weiss und nicht wissen kann, dass er sich rechtswidrig verhält, handelt nicht schuldhaft. War der Irrtum vermeidbar, so mildert das Gericht die Strafe.
- Wann tritt der Täter "aus eigenem Antrieb" vom Versuch zurück?
Regeste (fr):
- Art.21al.2CP.
- Quand l'auteur renonce-t-il "de son propre mouvement" à son activité coupable?
Regesto (it):
- Art.21cp.2CP.
- Quando desiste l'agente "spontaneamente" dal consumare un reato iniziato?
Sachverhalt ab Seite 1
BGE 83 IV 1 S. 1
Die Beschwerdeführerin, welche am 5. Januar der Suva einen Unfall anmelden liess und am 19. Januar das Begehren um Ausrichtung des Krankengeldes bis 14. Januar stellte, verheimlichte arglistig, dass sie zwei Tage nach dem Unfall die Arbeit an einer neuen Stelle aufgenommen hatte. Nachdem am Morgen des 20. Januar der Suvavertreter beim neuen Arbeitgeber vorgesprochen hatte, gab die Beschwerdeführerin am Mittag des gleichen Tages, ohne dazu aufgefordert worden zu sein, der Suva schriftlich bekannt, dass sie auf jede Versicherungsleistung verzichte. Die Unfallkarte, ohne deren Vorweisung kein Krankengeld ausbezahlt worden wäre, hatte sie noch nicht eingeschickt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
Nach Art. 21 Abs. 2
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 21 - Wer bei Begehung der Tat nicht weiss und nicht wissen kann, dass er sich rechtswidrig verhält, handelt nicht schuldhaft. War der Irrtum vermeidbar, so mildert das Gericht die Strafe. |
BGE 83 IV 1 S. 2
entgegenstellen, bestimmend sind. Ob die Beweggründe, die dem Rücktritt zugrunde liegen, sittlich wertvoll sind oder nicht, ist für die Frage, ob er aus eigenem Antrieb erfolgte, unerheblich. Der sittliche Wert des Beweggrundes kann aber eine Rolle spielen, wenn darüber zu entscheiden ist, ob von einer Bestrafung abzusehen sei. Die Beschwerdeführerin ist nicht aus eigenem Antrieb zurückgetreten, da der Beendigung der strafbaren Tätigkeit der begründete Verdacht im Wege stand, die Suva traue ihren Angaben nicht. Denn wenn auf Seiten der Suva Misstrauen bestand, so lag die Möglichkeit der Entdeckung derart nahe, dass die Beschwerdeführerin ernsthaft damit rechnete und sich sagte, sie werde zum beabsichtigten Ziel nicht mehr kommen, selbst wenn sie es wollte. Die Möglichkeit, von einer Bestrafung Umgang zu nehmen, scheidet damit aus.