83 II 53
9. Urteil der I. Zivilabteilung vom 28. Januar 1957 i.S. Casor G.m.b.H. gegen Heggendorn.
Regeste (de):
- 1. Art. 55 Abs. 1 lit. b OG. Wann genügt der Berufungsantrag auf Rückweisung der Sache? (Erw. 1).
- 2. Art. 753
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 753 - Gründer, Mitglieder des Verwaltungsrates und alle Personen, die bei der Gründung mitwirken, werden sowohl der Gesellschaft als den einzelnen Aktionären und Gesellschaftsgläubigern für den Schaden verantwortlich, wenn sie:
1 in den Statuten, einem Gründungsbericht oder einem Kapitalerhöhungsbericht absichtlich oder fahrlässig Sacheinlagen oder die Gewährung besonderer Vorteile zugunsten von Aktionären und anderen Personen unrichtig oder irreführend angeben, verschweigen oder verschleiern oder bei der Genehmigung einer solchen Massnahme in anderer Weise dem Gesetz zuwiderhandeln; 2 absichtlich oder fahrlässig die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister aufgrund einer Bescheinigung oder Urkunde veranlassen, die unrichtige Angaben enthält; 3 wissentlich dazu beitragen, dass Zeichnungen zahlungsunfähiger Personen angenommen werden. SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 827 - Für die Verantwortlichkeit der Personen, die bei der Gründung mitwirken oder mit der Geschäftsführung, der Revision oder der Liquidation befasst sind, sind die Vorschriften des Aktienrechts entsprechend anwendbar.
Regeste (fr):
- 1. Art. 55 al. 1 litt. b OJ. Quand suffit-il que le recourant conclue au renvoi de la cause à la juridiction cantonale? (consid. 1).
- 2. Art. 753 et 827 CO. La société à responsabilité limitée ne peut réclamer des dommages-intérêts aux fondateurs en raison de faits que tous les fondateurs connaissaient lors de la fondation (consid. 2).
Regesto (it):
- 1. Art. 55 cp. 1 lett. b O G. Quando basta che il ricorrente concluda per il rinvio della causa alla giurisdizione cantonale? (consid. 1).
- 2. Art. 753 e 827 CO. La società a garanzia limitata non può chiedere ai fondatori il risarcimento di danni a dipendenza di fatti che al momento della fondazione erano a conoscenza di tutti i fondatori.
Sachverhalt ab Seite 53
BGE 83 II 53 S. 53
A.- Walter Heggendorn und Jakob Weissberg gründeten am 4. Juni 1951 eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die in Fortführung des bisher von Heggendorn als Einzelinhaber geführten Geschäftes die Herstellung von Uhrenschalen, Armbändern und ähnlichen Waren bezweckte.
BGE 83 II 53 S. 54
Die Gründung erfolgte, weil Heggendorn durch sein Geschäft in finanzielle Schwierigkeiten geraten war und Weissberg als Teilhaber in ein Unternehmen mit Fabrikationsberechtigung einzutreten wünschte. An das Stammkapital von Fr. 20'000.-- leistete Weissberg durch Bareinzahlung Fr. 9000.--. Heggendorn verpflichtete sich zu einer Stammeinlage von Fr. 11'000.--, bestehend in den Aktiven und Passiven seines Geschäftes. Die Aktiven wurden im Übernahmevertrag und in den Statuten unter Verweisung auf Inventar und Bilanz vom 30. April 1951 auf Fr. 80'785.30, die Passiven auf Fr. 69'785.30 beziffert. Wie beide Gründer wussten, waren Inventar und Bilanz insofern inhaltlich unwahr, als sie das Warenlager zu hoch bewerteten und nicht alle von der Gesellschaft übernommenen Schulden aufführten. Laut Gründungsurrkunde stand die Geschäftsführung beiden Gesellschaftern zu. Die Gesellschaft, mit Sitz in Lengnau bei Biel, wurde am 8. Juni 1951 unter der Firma Walter Heggendorn G.m.b.H. in das Handelsregister eingetragen. Am 6. September 1952 trat Heggendorn seinen Gesellschaftsanteil gegen Entgelt an Weissberg ab. Dieser führte das Geschäft unter der neuen Firma Jakob Weissberg G.m.b.H. weiter und verlegte den Sitz am 6. Januar 1953 nach Arch. Am 11. Mai 1953 starrb Weissberg. Seine beiden Erben traten ihre Gesellschaftsanteile am 9. Oktober 1953 unentgeltlich an Eduard Hugi ab, unter Hinweis darauf, dass die Schulden der Gesellschaft die Aktiven um Fr. 42'464.06 überstiegen. Hugi änderte am gleichen Tage den Namen der Gesellschaft in Casor G.m.b.H. ab.
B.- Mit Klage vom 23. Januar 1956 beantragte die Casor G.m.b.H. dem Appellationshof des Kantons Bern, Heggendorn sei zu verurteilen, ihr Fr. 23'942.35 nebst 5% Zins seit 17. August 1955, Fr. 8272.45 nebst Zins zu 6% seit 1. Januar 1952 und einen nach richterlichem Ermessen zu bestimmenden weiteren Betrag zu bezahlen. Sie machte geltend, sie habe Fr. 23'942.35 auslegen müssen, um Geschäftsschulden des Beklagten zu tilgen, die er in die Bilanz
BGE 83 II 53 S. 55
vom 30. April 1951 bewusst nicht aufgenommen habe, und eine weitere solche Schuld von Fr. 8272.45 sei von einem Gläubiger auf Rechnungsruf der Klägerin hin angemeldet worden. Den nach richterlichem Ermessen zu bestimmenden weitern Betrag verlange sie, weil der Beklagte den Wert des Warenlagers in der Eröffnungsbilanz statt auf Franken 24'810.-- auf Fr. 48'450.-- beziffert habe. Die Schadenersatzpflicht ergebe sich aus Art. 753

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 753 - Gründer, Mitglieder des Verwaltungsrates und alle Personen, die bei der Gründung mitwirken, werden sowohl der Gesellschaft als den einzelnen Aktionären und Gesellschaftsgläubigern für den Schaden verantwortlich, wenn sie: |
|
1 | in den Statuten, einem Gründungsbericht oder einem Kapitalerhöhungsbericht absichtlich oder fahrlässig Sacheinlagen oder die Gewährung besonderer Vorteile zugunsten von Aktionären und anderen Personen unrichtig oder irreführend angeben, verschweigen oder verschleiern oder bei der Genehmigung einer solchen Massnahme in anderer Weise dem Gesetz zuwiderhandeln; |
2 | absichtlich oder fahrlässig die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister aufgrund einer Bescheinigung oder Urkunde veranlassen, die unrichtige Angaben enthält; |
3 | wissentlich dazu beitragen, dass Zeichnungen zahlungsunfähiger Personen angenommen werden. |
C.- Die Klägerin hat die Berufung erklärt. Sie beantragt, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Ergänzung der Akten und zu neuer Beurteilung an den Appellationshof zurückzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Wenn die Schadenersatzpflicht des Beklagten gegenüber der Klägerin für sein Verhalten als Gründer zu bejahen wäre, müsste die Sache zur Feststellung des Schadens an den Appellationshof zurückgewiesen werden. Unter diesen Umständen genügt der Rückweisungsantrag
BGE 83 II 53 S. 56
der Klägerin den Anforderungen, die Art. 55 Abs. 1 lit. b

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 753 - Gründer, Mitglieder des Verwaltungsrates und alle Personen, die bei der Gründung mitwirken, werden sowohl der Gesellschaft als den einzelnen Aktionären und Gesellschaftsgläubigern für den Schaden verantwortlich, wenn sie: |
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1 | in den Statuten, einem Gründungsbericht oder einem Kapitalerhöhungsbericht absichtlich oder fahrlässig Sacheinlagen oder die Gewährung besonderer Vorteile zugunsten von Aktionären und anderen Personen unrichtig oder irreführend angeben, verschweigen oder verschleiern oder bei der Genehmigung einer solchen Massnahme in anderer Weise dem Gesetz zuwiderhandeln; |
2 | absichtlich oder fahrlässig die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister aufgrund einer Bescheinigung oder Urkunde veranlassen, die unrichtige Angaben enthält; |
3 | wissentlich dazu beitragen, dass Zeichnungen zahlungsunfähiger Personen angenommen werden. |
2. Die bei der Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung beteiligten Personen sind für ihre Handlungen und Unterlassungen nach den Bestimmungen des Aktienrechts verantwortlich (Art. 827

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 827 - Für die Verantwortlichkeit der Personen, die bei der Gründung mitwirken oder mit der Geschäftsführung, der Revision oder der Liquidation befasst sind, sind die Vorschriften des Aktienrechts entsprechend anwendbar. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 753 - Gründer, Mitglieder des Verwaltungsrates und alle Personen, die bei der Gründung mitwirken, werden sowohl der Gesellschaft als den einzelnen Aktionären und Gesellschaftsgläubigern für den Schaden verantwortlich, wenn sie: |
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1 | in den Statuten, einem Gründungsbericht oder einem Kapitalerhöhungsbericht absichtlich oder fahrlässig Sacheinlagen oder die Gewährung besonderer Vorteile zugunsten von Aktionären und anderen Personen unrichtig oder irreführend angeben, verschweigen oder verschleiern oder bei der Genehmigung einer solchen Massnahme in anderer Weise dem Gesetz zuwiderhandeln; |
2 | absichtlich oder fahrlässig die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister aufgrund einer Bescheinigung oder Urkunde veranlassen, die unrichtige Angaben enthält; |
3 | wissentlich dazu beitragen, dass Zeichnungen zahlungsunfähiger Personen angenommen werden. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 753 - Gründer, Mitglieder des Verwaltungsrates und alle Personen, die bei der Gründung mitwirken, werden sowohl der Gesellschaft als den einzelnen Aktionären und Gesellschaftsgläubigern für den Schaden verantwortlich, wenn sie: |
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1 | in den Statuten, einem Gründungsbericht oder einem Kapitalerhöhungsbericht absichtlich oder fahrlässig Sacheinlagen oder die Gewährung besonderer Vorteile zugunsten von Aktionären und anderen Personen unrichtig oder irreführend angeben, verschweigen oder verschleiern oder bei der Genehmigung einer solchen Massnahme in anderer Weise dem Gesetz zuwiderhandeln; |
2 | absichtlich oder fahrlässig die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister aufgrund einer Bescheinigung oder Urkunde veranlassen, die unrichtige Angaben enthält; |
3 | wissentlich dazu beitragen, dass Zeichnungen zahlungsunfähiger Personen angenommen werden. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 808 - Die Gesellschafterversammlung fasst ihre Beschlüsse und vollzieht ihre Wahlen mit der absoluten Mehrheit der vertretenen Stimmen, soweit das Gesetz oder die Statuten es nicht anders bestimmen. |
BGE 83 II 53 S. 57
Abs. 1 OR). Dass die Klägerin Persönlichkeit erst durch die Eintragung in das Handelsregister erlangt hat (Art. 783 Abs. 1

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 783 - 1 Die Gesellschaft darf eigene Stammanteile nur dann erwerben, wenn frei verwendbares Eigenkapital in der Höhe der dafür nötigen Mittel vorhanden ist und der gesamte Nennwert dieser Stammanteile zehn Prozent des Stammkapitals nicht übersteigt. |
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1 | Die Gesellschaft darf eigene Stammanteile nur dann erwerben, wenn frei verwendbares Eigenkapital in der Höhe der dafür nötigen Mittel vorhanden ist und der gesamte Nennwert dieser Stammanteile zehn Prozent des Stammkapitals nicht übersteigt. |
2 | Werden im Zusammenhang mit einer Übertragbarkeitsbeschränkung, einem Austritt oder einem Ausschluss Stammanteile erworben, so beträgt die Höchstgrenze 35 Prozent. Die über 10 Prozent des Stammkapitals hinaus erworbenen eigenen Stammanteile sind innerhalb von zwei Jahren zu veräussern oder durch Kapitalherabsetzung zu vernichten. |
3 | Ist mit den Stammanteilen, die erworben werden sollen, eine Nachschusspflicht oder eine Nebenleistungspflicht verbunden, so muss diese vor deren Erwerb aufgehoben werden. |
4 | Im Übrigen sind für den Erwerb eigener Stammanteile durch die Gesellschaft die Vorschriften über eigene Aktien entsprechend anwendbar. |
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationshofes des Kantons Bern vom 11. Juli 1956 bestätigt.