83 II 211
32. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 4. Juni 1957 i.S. Confluentia A.-G. gegen Keller.
Regeste (de):
- Wechselbürgschaft; Aberkennungsklage.
- Begriff der Angabe, für wen die Bürgschaft geleistet werde, Art. 1021 Abs. 4
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 1021 - 1 Die Bürgschaftserklärung wird auf den Wechsel oder auf einen Anhang (Allonge) gesetzt.
1 Die Bürgschaftserklärung wird auf den Wechsel oder auf einen Anhang (Allonge) gesetzt. 2 Sie wird durch die Worte «als Bürge» oder einen gleichbedeutenden Vermerk ausgedrückt; sie ist von dem Wechselbürgen zu unterschreiben. 3 Die blosse Unterschrift auf der Vorderseite des Wechsels gilt als Bürgschaftserklärung, soweit es sich nicht um die Unterschrift des Bezogenen oder des Ausstellers handelt. 4 In der Erklärung ist anzugeben, für wen die Bürgschaft geleistet wird; mangels einer solchen Angabe gilt sie für den Aussteller. - Bedeutung des Umstandes, dass die Indossierung des Wechsels erst nach Erlass des Zahlungsbefehls erfolgte (Erw. 3 b).
Regeste (fr):
- Aval; action en libération de dette.
- Notion de l'indication de la personne pour laquelle l'aval est donné, art. 1021 al. 4 CO (consid. 3 a).
- Conséquences du fait que la lettre de change n'a été endossée qu'après la notification du commandement de payer (consid. 3 b).
Regesto (it):
- Avallo; azione d'inesistenza del debito.
- Nozione dell'indicazione, per chi l'avallo è dato; art. 1021 cp. 4 CO (consid. 3 a).
- Conseguenze del fatto che la cambiale è stata girata solo dopo la notificazione del precetto esecutivo (consid. 3 b).
Sachverhalt ab Seite 212
BGE 83 II 211 S. 212
Aus dem Tatbestand:
Der Autohändler Bosshard verkaufte an Ganter ein Auto auf Abzahlung. Für den Kaufpreis zog der Verkäufer Bosshard einen Wechsel an eigene Order auf Ganter, den dieser akzeptierte. Unter das Akzept des Ganter, quer über die Vorderseite des Wechsels, setzte auch Frau Keller ihre Unterschrift ohne jeglichen Zusatz. Bosshard trat alle Rechte aus dem Kaufvertrag an das Finanzierungsinstitut Confluentia A.-G. ab. Da Ganter seiner Abzahlungspflicht nicht nachkam, betrieb die Confluentia A.-G. die Frau Keller für die ausstehende Restforderung auf dem Wege der gewöhnlichen Betreibung. In dem von der Betriebenen angehobenen Aberkennungsprozess berief sich die Beklagte zur Begründung ihres Anspruches auf den Wechsel, den ihr Bosshard ohne Indossament übergeben hatte, und machte geltend, Frau Keller hafte ihr aus diesem Wechsel als Wechselbürgin. Auf den Einwand der Frau Keller hin, die Beklagte könne sich nicht auf den Wechsel berufen, weil ein Indossament des Bosshard fehle, indossierte ihn Bosshard nachträglich an die Confluentia A.-G. Das Obergericht Zürich schützte die Aberkennungsklage.
Das Bundesgericht weist auf Berufung der Beklagten hin die Sache an die Vorinstanz zurück auf Grund der folgenden
Erwägungen
Erwägung:
3. ... a) Die Vorinstanz hat eine Haftung der Klägerin verneint, weil sich ihre Wechselbürgschaft nicht auf die Schuld des Bezogenen Ganter, für welche die Beklagte nach ihrer ganzen Prozessführung die Klägerin in Anspruch
BGE 83 II 211 S. 213
nehme, sondern auf die Wechselverpflichtung des Ausstellers Bosshard beziehe. Das ergebe sich aus Art. 1021 Abs. 4
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 1021 - 1 Die Bürgschaftserklärung wird auf den Wechsel oder auf einen Anhang (Allonge) gesetzt. |
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1 | Die Bürgschaftserklärung wird auf den Wechsel oder auf einen Anhang (Allonge) gesetzt. |
2 | Sie wird durch die Worte «als Bürge» oder einen gleichbedeutenden Vermerk ausgedrückt; sie ist von dem Wechselbürgen zu unterschreiben. |
3 | Die blosse Unterschrift auf der Vorderseite des Wechsels gilt als Bürgschaftserklärung, soweit es sich nicht um die Unterschrift des Bezogenen oder des Ausstellers handelt. |
4 | In der Erklärung ist anzugeben, für wen die Bürgschaft geleistet wird; mangels einer solchen Angabe gilt sie für den Aussteller. |
BGE 83 II 211 S. 214
b) Damit bleibt lediglich noch zu prüfen, ob der Umstand, dass die Indossierung des Wechsels durch Bosshard erst im Laufe des Prozesses, also nach Erlass des Zahlungsbefehls erfolgt ist, der Belangung der Klägerin aus der Wechselbürgschaft entgegenstehe und welche Folgen sich daraus in Bezug auf die Einreden der Klägerin gegenüber der Beklagten ergeben. Bei der Entscheidung dieser Frage ist davon auszugehen, dass grundsätzlich auch eine in Betreibung gesetzte Forderung abgetreten werden kann, mit der Folge, dass der Erwerber in die betreibungsrechtliche Stellung des Gläubigers eintritt, mithin auch in dessen Beklagtenrolle im Aberkennungsprozess. Hiegegen bestehen keine Bedenken, weil bei der gewöhnlichen zivilrechtlichen Abtretung dem Schuldner der abgetretenen Forderung sämtliche Einreden aus dem Verhältnis zum ursprünglichen Gläubiger gewahrt bleiben (Art. 169
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 169 - 1 Einreden, die der Forderung des Abtretenden entgegenstanden, kann der Schuldner auch gegen den Erwerber geltend machen, wenn sie schon zu der Zeit vorhanden waren, als er von der Abtretung Kenntnis erhielt. |
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1 | Einreden, die der Forderung des Abtretenden entgegenstanden, kann der Schuldner auch gegen den Erwerber geltend machen, wenn sie schon zu der Zeit vorhanden waren, als er von der Abtretung Kenntnis erhielt. |
2 | Ist eine Gegenforderung des Schuldners in diesem Zeitpunkt noch nicht fällig gewesen, so kann er sie dennoch zur Verrechnung bringen, wenn sie nicht später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist. |
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Wechsel gesetzte Indossament insofern nur beschränkte Rechtswirkungen zu entfalten, als die Rechtsstellung des Betriebenen dadurch nicht verschlechtert werden darf. Es können gegen ihn nicht weiterreichende Rechte geltend gemacht werden, als dies vor der Indossierung möglich gewesen wäre. Denn bezüglich solcher Mehrberechtigungen fehlt es am Bestand, bezw. an der Fälligkeit im massgebenden Zeitpunkt des Erlasses des Zahlungsbefehls. Das führt aber nicht dazu, dass eine erst während laufender Betreibung vorgenommene Indossierung überhaupt nicht zu berücksichtigen wäre. Die Folge ist vielmehr lediglich, dass der Indossatar nur diejenigen Rechte geltend machen darf, die schon seinem Vormann, d.h. dem Indossanten, zustanden. Er kann daher für sich nicht die Vorzugsstellung aus dem Art. 1007
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 1007 - Wer aus dem Wechsel in Anspruch genommen wird, kann dem Inhaber keine Einwendungen entgegensetzen, die sich auf seine unmittelbaren Beziehungen zu dem Aussteller oder zu einem früheren Inhaber gründen, es sei denn, dass der Inhaber bei dem Erwerb des Wechsels bewusst zum Nachteil des Schuldners gehandelt hat. |
Ist danach im vorliegenden Falle der Wechselinhaberin die Berufung auf Art. 1007
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 1007 - Wer aus dem Wechsel in Anspruch genommen wird, kann dem Inhaber keine Einwendungen entgegensetzen, die sich auf seine unmittelbaren Beziehungen zu dem Aussteller oder zu einem früheren Inhaber gründen, es sei denn, dass der Inhaber bei dem Erwerb des Wechsels bewusst zum Nachteil des Schuldners gehandelt hat. |