81 III 119
32. Entscheid vom 12. Mai 1955 i.S. Gack.
Regeste (de):
- Art. 124 A bs. 2 SchKG.
- Vorzeitige Verwertung wegen schneller Wertverminderung: darunter fällt nicht das allmähliche Sinken des Verkaufswertes von Damenkonfektion infolge Wandlung der Mode.
Regeste (fr):
- Art. 124 al. 2 LP.
- Vente anticipée des objets soumis à une dépréciation rapide: le fait que des articles de confection pour dames diminuent graduellement de valeur par suite d'un changement de la mode ne suffit pas pour les considérer comme objets d'une dépréciation rapide.
Regesto (it):
- Art. 124 cp. 2 LEF.
- Vendita anticipata di oggetti soggetti a rapido deprezzamento: il fatto che articoli di confezione per signora diminuiscono gradatamente di valore in seguito a un cambiamento della moda non basta perchè siano considerati come oggetti soggetti a rapido deprezzamento.
Sachverhalt ab Seite 119
BGE 81 III 119 S. 119
Gegen die Schuldnerin erfolgte am 3. März 1954 eine - wegen erhobener Aberkennungsklage nur provisorische - Ergänzungspfändung auf Waren ihres Modeladens, worunter 29 Positionen Damenkleider im Schätzungswerte von Fr. 26'106.--, die gemäss Entscheid der Aufsichtsbehörden in amtliche Verwahrung genommen wurden. Das Begehren des Gläubigers um vorzeitige Verwertung dieser Waren (Kostüme, Ball-, Sommer-, Seidenkleider) gemäss Art. 124 Abs. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 124 - 1 Auf Begehren des Schuldners kann die Verwertung248 stattfinden, auch wenn der Gläubiger noch nicht berechtigt ist, dieselbe zu verlangen. |
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1 | Auf Begehren des Schuldners kann die Verwertung248 stattfinden, auch wenn der Gläubiger noch nicht berechtigt ist, dieselbe zu verlangen. |
2 | Der Betreibungsbeamte kann jederzeit Gegenstände verwerten, die schneller Wertverminderung ausgesetzt sind, einen kostspieligen Unterhalt erfordern oder unverhältnismässig hohe Aufbewahrungskosten verursachen.249 |
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 124 - 1 Auf Begehren des Schuldners kann die Verwertung248 stattfinden, auch wenn der Gläubiger noch nicht berechtigt ist, dieselbe zu verlangen. |
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1 | Auf Begehren des Schuldners kann die Verwertung248 stattfinden, auch wenn der Gläubiger noch nicht berechtigt ist, dieselbe zu verlangen. |
2 | Der Betreibungsbeamte kann jederzeit Gegenstände verwerten, die schneller Wertverminderung ausgesetzt sind, einen kostspieligen Unterhalt erfordern oder unverhältnismässig hohe Aufbewahrungskosten verursachen.249 |
BGE 81 III 119 S. 120
solcher genüge nicht. Für die Frage, ob die vorzeitige Verwertung in casu anzuordnen sei, sei entgegen der Auffassung der Schuldnerin ohne Belang, dass der Gläubiger sein Einverständnis zu einer sukzessiven Auslösung der Waren gegeben habe; denn es sei ungewiss, in welchem Umfange und Zeitpunkt die Schuldnerin von dieser Befugnis Gebrauch machen werde. Über die Frage der Entwertung der Damenkleider zufolge der Wandlung der Mode holte die Aufsichtsbehörde das Gutachten eines Textil- und Konfektionsfachmannes ein. Dieser führte aus, dass der weitaus grösste Teil der gepfändeten Kleidungsstücke im Zeitpunkt der Pfändung (3. März 1954) "saisonmässig" bereits überholt gewesen sei. Nachdem die erste Saison-Entwertung einmal eingetreten sei, sei die nachfolgende wesentlich kleiner und werde langsamer fortschreiten, sofern nicht plötzlich ein revolutionärer Modewechsel eintrete. Nun habe sich aber die im Herbst 1954 von Paris lancierte sog. H-Linie nicht durchgesetzt, weshalb auch "vorjährige" Ware nicht ausgesprochen unmodern geworden sei. Unter Zugrundelegung des vom Betreibungsamt beim Pfändungsvollzug angenommenen Schätzungswertes von 30% unter dem Einstandspreis sei der Wert der Ware heute nach einer weiteren Saison-Entwertung noch mit durchschnittlich 40-50% unter dem Einstandspreis anzunehmen; jedes Jahr werde der Wert weitere 10% zurückgehen, vorbehältlich eines revolutionären Modeumschwungs. Die AB erachtete diese Feststellungen und Schlussfolgerungen des Experten als richtig und sprach demgemäss diesen Waren die Eigenschaft der schnellen Wertverminderung ab. B.Mit dem vorliegenden Rekurs hält der Gläubiger an seinem Begehren um Anordnung vorzeitiger Verwertung fest. Er wirft der Vorinstanz vor, sie habe in unrichtiger, willkürlicher Würdigung des Gutachtens diese fortschreitende, additive Wertverminderung als nicht unter Art. 124 Abs. 2 fallend beurteilt. Die Schuldnerin werde den Aberkennungsprozess
BGE 81 III 119 S. 121
noch so lange hinausziehen, bis noch 2 - 3 weitere Saison-Entwertungen von zusammen 20-30% eingetreten sein werden, so dass die Ware dann noch rund 30% des Einstandspreises wert, wenn überhaupt noch verkäuflich wäre.
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
Seinen - im Tatbestand wiedergegebenen - Ausführungen über die rein saison- und modebedingte progressive Entwertung der gepfändeten Damenkleider fügte der Sachverständige bezüglich der Frage einer allfälligen physischen Schädigung der Ware noch bei: "Die Aufbewahrung der Ware erfolgt sachgemäss in einem verschlossenen Raum, der sozusagen staubfrei ist. Mit direkten schädigenden Einflüssen auf die Gewebe, aus denen die Kleidungsstücke verfertigt sind, wie Mottenfrass, Sonnenbestrahlung usw., muss nicht gerechnet werden. Wie alle längere Zeit gelagerten Konfektionswaren sehen die verschiedenen Warenposten etwas "defraichiert" aus, was aber durch ein Aufbügeln der Kleidungsstücke in Ordnung gebracht werden kann. Die darin liegende Entwertung ist bei obgenannter Schätzung bereits berücksichtigt. Da die Gewebe der gepfändeten Kleidungsstücke durch die Lagerung praktisch keinen grösseren Schaden nehmen, kann mit Bezug auf diese Sonderfrage von einer "fortschreitenden schnellen Wertverminderung" nicht gesprochen werden." Auf Grund der von der Vorinstanz als schlüssig und zutreffend übernommenen Feststellungen und Schlussfolgerungen des Gutachtens kann die Gesetzesauslegung der erstern keinesfalls als bundesrechtswidrig bezeichnet werden. Nur wegen Gesetzesverletzung kann der Rekurs an das Bundesgericht gemäss Art. 19
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 19 - Die Beschwerde an das Bundesgericht richtet sich nach dem Bundesgerichtsgesetz vom 17. Juni 200529. |
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 124 - 1 Auf Begehren des Schuldners kann die Verwertung248 stattfinden, auch wenn der Gläubiger noch nicht berechtigt ist, dieselbe zu verlangen. |
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1 | Auf Begehren des Schuldners kann die Verwertung248 stattfinden, auch wenn der Gläubiger noch nicht berechtigt ist, dieselbe zu verlangen. |
2 | Der Betreibungsbeamte kann jederzeit Gegenstände verwerten, die schneller Wertverminderung ausgesetzt sind, einen kostspieligen Unterhalt erfordern oder unverhältnismässig hohe Aufbewahrungskosten verursachen.249 |
BGE 81 III 119 S. 122
"schneller Wertverminderung" versteht das Gesetz etwas anderes als ein allmähliches Sinken des Verkaufswertes infolge der Änderung des Geschmackes des Käuferpublikums, und wäre es auch auf dem Gebiete der besonders wandelbaren Damenmode. Nach der von der Vorinstanz übernommenen Annahme des Experten würde es von der Schätzung beim Pfändungsvollzug (minus 30% auf dem Einstandspreis) bis zur gänzlichen Entwertung immerhin 7 Jahre dauern. Das ist eine ausgesprochen langsame Wertverminderung, verglichen etwa mit derjenigen anderer Handelswaren wie Schnittblumen, Gemüse, Fisch usw., für welche Art Pfändungsgut das Gesetz die Möglichkeit vorzeitiger Verwertung vorgesehen hat.
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.