Urteilskopf

81 II 427

65. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 17. November 1955 i S. Kläsi gegen Kläsi.
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Regesto (it):


Erwägungen ab Seite 427

BGE 81 II 427 S. 427

Aus den Erwägungen:
In materieller Hinsicht macht der Beklagte geltend, die Vorinstanz habe zwar in Übereinstimmung mit der bundesgerichtlichen Praxis (Urteil vom 25. November 1954 i.S. Ditscher) festgestellt, dass der Verwandtenunterstützungsanspruch auf den Notbedarf begrenzt bleibe, auch wenn der Pflichtige in der Lage sei, mehr zu leisten; dagegen habe sie Bundesrecht verletzt, indem sie zwischen dem armenrechtlichen und einem höhern zivilrechtlichen Existenzminimum unterschieden und auf dieses letzte abgestellt habe, obwohl nicht einzusehen sei, weshalb ein Berechtigter bei direkter Unterstützung durch Verwandte mehr erhalten sollte als bei Unterstützung durch die zuständige Behörde; auf diese Weise habe die Vorinstanz der Klägerin einen Beitrag zugesprochen, der sich nicht nach ihrem Notbedarf, sondern in Wirklichkeit nach der Leistungsfähigkeit des Beklagten richte. Diese Rüge ist unbegründet. Welche Leistung im Sinne von Art. 329
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 329 - 1 Der Anspruch auf Unterstützung ist gegen die Pflichtigen in der Reihenfolge ihrer Erbberechtigung geltend zu machen und geht auf die Leistung, die zum Lebensunterhalt des Bedürftigen erforderlich und den Verhältnissen des Pflichtigen angemessen ist.
1    Der Anspruch auf Unterstützung ist gegen die Pflichtigen in der Reihenfolge ihrer Erbberechtigung geltend zu machen und geht auf die Leistung, die zum Lebensunterhalt des Bedürftigen erforderlich und den Verhältnissen des Pflichtigen angemessen ist.
1bis    Kein Anspruch auf Unterstützung kann geltend gemacht werden, wenn die Notlage auf einer Einschränkung der Erwerbstätigkeit zur Betreuung eigener Kinder beruht.464
2    Erscheint die Heranziehung eines Pflichtigen wegen besonderer Umstände als unbillig, so kann das Gericht die Unterstützungspflicht ermässigen oder aufheben.465
3    Die Bestimmungen über die Unterhaltsklage des Kindes und über den Übergang seines Unterhaltsanspruches auf das Gemeinwesen finden entsprechende Anwendung.466
ZGB zum Lebensunterhalt des Bedürftigen erforderlich sei, bestimmt sich unabhängig vom sog. armenrechtlichen Existenzminimum, d.h. vom Betrage, den die Armenbehörden zum Richtsatz nehmen würden, um zu entscheiden, ob und in welchem Umfange dem Bedürftigen Armenunterstützung zu gewähren sei. Die Unterstützungspflicht im Sinne von Art. 328 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 328 - 1 Wer in günstigen Verhältnissen lebt, ist verpflichtet, Verwandte in auf- und absteigender Linie zu unterstützen, die ohne diesen Beistand in Not geraten würden.
1    Wer in günstigen Verhältnissen lebt, ist verpflichtet, Verwandte in auf- und absteigender Linie zu unterstützen, die ohne diesen Beistand in Not geraten würden.
2    Die Unterhaltspflicht der Eltern und des Ehegatten, der eingetragenen Partnerin oder des eingetragenen Partners bleibt vorbehalten.462
. ZGB, die auf naher Verwandtschaft beruht, und die Armenunterstützung durch das Gemeinwesen sind zwei ganz verschiedene Dinge. Den unterstützungspflichtigen Verwandten darf mehr zugemutet
BGE 81 II 427 S. 428

werden und wird durch die Vorschrift, dass sie dem Bedürftigen das für den Lebensunterhalt Erforderliche zu gewähren haben, mehr zugemutet als nur die Beseitigung einer Notlage, die so krass ist, dass sie beim Ausbleiben genügender privater Hilfe aus Gründen der öffentlichen Ordnung mit öffentlichen Mitteln behoben werden muss. Der vom Beklagten angerufene Art. 329 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 329 - 1 Der Anspruch auf Unterstützung ist gegen die Pflichtigen in der Reihenfolge ihrer Erbberechtigung geltend zu machen und geht auf die Leistung, die zum Lebensunterhalt des Bedürftigen erforderlich und den Verhältnissen des Pflichtigen angemessen ist.
1    Der Anspruch auf Unterstützung ist gegen die Pflichtigen in der Reihenfolge ihrer Erbberechtigung geltend zu machen und geht auf die Leistung, die zum Lebensunterhalt des Bedürftigen erforderlich und den Verhältnissen des Pflichtigen angemessen ist.
1bis    Kein Anspruch auf Unterstützung kann geltend gemacht werden, wenn die Notlage auf einer Einschränkung der Erwerbstätigkeit zur Betreuung eigener Kinder beruht.464
2    Erscheint die Heranziehung eines Pflichtigen wegen besonderer Umstände als unbillig, so kann das Gericht die Unterstützungspflicht ermässigen oder aufheben.465
3    Die Bestimmungen über die Unterhaltsklage des Kindes und über den Übergang seines Unterhaltsanspruches auf das Gemeinwesen finden entsprechende Anwendung.466
ZGB kann nicht zu einer andern Auffassung führen. Der Armenbehörde, die den Bedürftigen unterstützt, steht freilich ein Ersatzanspruch gegenüber den unterstützungspflichtigen Verwandten (vgl.BGE 76 II 114E. 2) nur im Rahmen der von ihr vor der Klageeinleitung tatsächlich geleisteten Unterstützung zu. Dagegen kann sie unter dem Titel der laufenden Unterstützung zugunsten des Bedürftigen sehr wohl einen Betrag einklagen, der über die Leistungen hinausgeht, welche der Bedürftige von der öffentlichen Armenpflege zu erwarten hätte. Wollte man aber noch annehmen, es könne nicht Sache der Armenbehörde sein, einen solchen Mehrbetrag geltend zu machen, so müsste man dem Bedürftigen die Befugnis zugestehen, dies selber zu tun. Aus Art. 329 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 329 - 1 Der Anspruch auf Unterstützung ist gegen die Pflichtigen in der Reihenfolge ihrer Erbberechtigung geltend zu machen und geht auf die Leistung, die zum Lebensunterhalt des Bedürftigen erforderlich und den Verhältnissen des Pflichtigen angemessen ist.
1    Der Anspruch auf Unterstützung ist gegen die Pflichtigen in der Reihenfolge ihrer Erbberechtigung geltend zu machen und geht auf die Leistung, die zum Lebensunterhalt des Bedürftigen erforderlich und den Verhältnissen des Pflichtigen angemessen ist.
1bis    Kein Anspruch auf Unterstützung kann geltend gemacht werden, wenn die Notlage auf einer Einschränkung der Erwerbstätigkeit zur Betreuung eigener Kinder beruht.464
2    Erscheint die Heranziehung eines Pflichtigen wegen besonderer Umstände als unbillig, so kann das Gericht die Unterstützungspflicht ermässigen oder aufheben.465
3    Die Bestimmungen über die Unterhaltsklage des Kindes und über den Übergang seines Unterhaltsanspruches auf das Gemeinwesen finden entsprechende Anwendung.466
ZGB folgt also keineswegs, dass die Verwandtenunterstützung sich auf das sog. armenrechtliche Existenzminimum beschränke.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 81 II 427
Datum : 17. November 1955
Publiziert : 31. Dezember 1955
Quelle : Bundesgericht
Status : 81 II 427
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Verwandtenunterstützung. Umfang des Anspruchs (Art. 329 Abs. 1 ZGB).


Gesetzesregister
ZGB: 328 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 328 - 1 Wer in günstigen Verhältnissen lebt, ist verpflichtet, Verwandte in auf- und absteigender Linie zu unterstützen, die ohne diesen Beistand in Not geraten würden.
1    Wer in günstigen Verhältnissen lebt, ist verpflichtet, Verwandte in auf- und absteigender Linie zu unterstützen, die ohne diesen Beistand in Not geraten würden.
2    Die Unterhaltspflicht der Eltern und des Ehegatten, der eingetragenen Partnerin oder des eingetragenen Partners bleibt vorbehalten.462
329
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 329 - 1 Der Anspruch auf Unterstützung ist gegen die Pflichtigen in der Reihenfolge ihrer Erbberechtigung geltend zu machen und geht auf die Leistung, die zum Lebensunterhalt des Bedürftigen erforderlich und den Verhältnissen des Pflichtigen angemessen ist.
1    Der Anspruch auf Unterstützung ist gegen die Pflichtigen in der Reihenfolge ihrer Erbberechtigung geltend zu machen und geht auf die Leistung, die zum Lebensunterhalt des Bedürftigen erforderlich und den Verhältnissen des Pflichtigen angemessen ist.
1bis    Kein Anspruch auf Unterstützung kann geltend gemacht werden, wenn die Notlage auf einer Einschränkung der Erwerbstätigkeit zur Betreuung eigener Kinder beruht.464
2    Erscheint die Heranziehung eines Pflichtigen wegen besonderer Umstände als unbillig, so kann das Gericht die Unterstützungspflicht ermässigen oder aufheben.465
3    Die Bestimmungen über die Unterhaltsklage des Kindes und über den Übergang seines Unterhaltsanspruches auf das Gemeinwesen finden entsprechende Anwendung.466
BGE Register
81-II-427
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • bundesgericht • entscheid • existenzminimum • sozialhilfe • sozialhilfeleistung • unterstützungspflicht • verwandtschaft • vorinstanz