81 II 395
61. Urteil der II. Zivilabteilung vom 1. Oktober 1955 i. S. Luder gegen Luder.
Regeste (de):
- Ehescheidungsverfahren.
- Gegen ein Urteil, das die Sache im Hauptpunkt und bezüglich der Nebenfolgen an die erste Instanz zurückweist, ist Berufung an das Bundesgericht weder nach Art. 48
noch nach Art. 50
OG zulässig; dies auch dann nicht, wenn wegen der Nebenfolgen ein weitläufiges Beweisverfahren nötig ist (Erw. 1 und 2).
- Wann darf die güterrechtliche Auseinandersetzung in ein getrenntes Verfahren verwiesen werden? (Erw. 3).
Regeste (fr):
- Procédure de divorce.
- L'arrêt qui, sur la question principale et en ce qui concerne les effets accessoires, renvoie la cause au tribunal de premièreinstance ne peut faire l'objet d'un recours en réforme ni en vertu de l'art. 48 ni en vertu de l'art. 50 OJ, même si la question des effets accessoires devait nécessiter une longue instruction (consid. 1 et 2).
- A quelles conditions la liquidation du régime matrimonial peut-elle être renvoyée à une procédure séparée? (consid. 3).
Regesto (it):
- Procedura di divorzio.
- La sentenza di divorzio che sulla questione principale e per quanto riguarda le conseguenze accessorie rinvia la causa al giudice di prime cure non può essere impugnata mediante un ricorso per riforma nè in virtù dell'art. 48
, nè in applicazione dell'art. 50
OG, quand'anche la questione delle conseguenze accessorie dovesse esigere una lunga istruttoria (consid. 1 e 2).
- A quali condizioni la liquidazione del regime matrimoniale può essere rinviata ad una procedura speciale (consid. 3).
Sachverhalt ab Seite 396
BGE 81 II 395 S. 396
A.- Die vorliegende Scheidungsklage des Ehemannes wurde vom Bezirksgericht Zürich abgewiesen, vom Obergericht des Kantons Zürich, an das er appellierte, dagegen für begründet befunden. Doch fällte das Obergericht kein Sachurteil, da über das Scheidungsbegehren und die Nebenfolgen der Scheidung ein einheitliches Urteil ergehen müsse, gewisse Nebenfolgen aber noch nicht spruchreif seien. Es werde darüber ein Beweisverfahren durchzuführen sein, und zwar vom Bezirksgericht. Demgemäss lautet das Urteil des Obergerichtes vom 14. Juni 1955 auf Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und auf Rückweisung des Prozesses an das Bezirksgericht zur Ergänzung der Akten im Sinne der Erwägungen und zur Ausfällung eines neuen Urteils über den Hauptpunkt und alle Nebenfolgen. Den Erwägungen ist zu entnehmen: Die Ehe ist im Sinne von Art. 142 Abs. 1
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BGE 81 II 395 S. 397
durch die Scheidung in grosse Bedürftigkeit gerät, hängt von der güterrechtlichen Auseinandersetzung ab. Zu deren Vornahme muss die Sache an das Bezirksgericht zurückgewiesen werden. Sie lässt sich nicht in einen gesonderten Nachprozess weisen, weil sie eben von Einfluss auf die Frage ist, ob der Beklagten eine Bedürftigkeitsrente gebühre. Über diese Auseinandersetzung ist im Prozesse noch gar nicht verhandelt worden, und es wird ein umfangreiches Beweisverfahren nötig sein. Ist deshalb die Rückweisung an das Bezirksgericht unvermeidlich, so lassen sich auch die übrigen Punkte nicht vorweg erledigen, insbesondere die an sich spruchreife Kinderzuteilung. Darüber ist dem Bezirksgericht auch keine Weisung zu erteilen, denn die Verhältnisse können sich in diesem Punkte noch wesentlich ändern. Die Unterhaltspflicht des Klägers gegenüber dem Sohn Alexander wird sich ebenfalls erst nach Abklärung der finanziellen Verhältnisse des Klägers endgültig regeln lassen.
B.- Gegen diesen Rückweisungsentscheid hat die Beklagte Berufung an das Bundesgericht eingelegt. Sie stützt sich auf die Art. 43 ff
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Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Das Obergericht hält das Scheidungsbegehren des Ehemannes für begründet, doch hat es darüber kein Urteil gefällt, weil es die Nebenfolgen, über die gleichzeitig geurteilt werden muss, als zum Teil noch nicht spruchreif erachtete. Bei dieser Betrachtungsweise standen ihm zwei Wege offen: das noch notwendige Beweisverfahren selber durchzuführen und dann ein einziges Urteil über die Scheidungsfrage wie auch (bei Ausspruch der Scheidung) über die Nebenfolgen auszufällen oder aber die Streitsache zur
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Ergänzung der Akten und zur Ausfällung eines solchen einheitlichen Urteils an das Bezirksgericht zurückzuweisen. Der im letztern Sinn ergangene Entscheid ist keineswegs ein nach Art. 48
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2. Das Fehlen eines Sachurteils steht, wie im soeben erwähnten Präjudiz dargetan, auch einer Weiterziehung nach Art. 50
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BGE 81 II 395 S. 399
revidiert werden? in ZSR NF 54 S. 309 a ff., namentlich 314 a; BIRCHMEIER, N. 3 zu Art. 50
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3. Die Rückweisung, wie sie das Obergericht beschlossen hat, verstösst übrigens (wenn man von den Erwägungen des Obergerichts zur Scheidungsfrage ausgeht, die hier nicht zu überprüfen sind) nicht gegen Bundesrecht. Sie beruht auf dem Gedanken, es müsse (bei voraussichtlicher Begründetheit des Scheidungsanspruches) der ganze Rechtsstreit gleichzeitig beurteilt werden, und zwar mit Einschluss der güterrechtlichen Auseinandersetzung, falls deren Ergebnis für Ansprüche aus Entschädigung oder Unterhalt präjudiziell ist. Diese Betrachtungsweise entspricht den in BGE 77 II 18 ff., ergänzt durch BGE 80 II 5 ff., anerkannten Grundsätzen. Danach könnte nur eine das Gebot der Einheit des Scheidungsurteils missachtende, keinesfalls aber eine diese Einheit wahrende kantonale Entscheidung aus bundesrechtlichen Gründen beanstandet werden. Freilich ist jenes Gebot gerade hinsichtlich
BGE 81 II 395 S. 400
der güterrechtlichen Auseinandersetzung kein absolutes. Man kann sich auch fragen, ob das Obergericht im vorliegenden Falle diese Auseinandersetzung nicht hätte in ein Nachverfahren verweisen und den nun schon seit 1951 hängigen Scheidungsprozess im übrigen sogleich durch Endurteil erledigen dürfen, in der Meinung, der Kläger werde später die Änderung des Urteils gemäss Art. 153 Abs. 2
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Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Auf die Berufung wird nicht eingetreten.