80 IV 67
16. Auszug aus dem Urteil des Kassationsbofes vom 14. Mai 1954 i.S. Distel gegen Distel.
Regeste (de):
- Art. 220 StGB.
- Unter welchen Voraussetzungen ist eine unmündige Person dem Inhaber der elterlichen oder vormundschaftlichen Gewalt "entzogen" oder "vorenthalten"?
Regeste (fr):
- Art. 220 CP.
- A quelles conditions peut-on dire qu'une personne "soustrait" ou "refuse de remettre" un mineur à celui qui exerce la puissance paternelle ou la tutelle?
Regesto (it):
- Art. 220 CP.
- Quando si "sottrae" o si "rifiuta di restituire" un minorenne alla persona che esercita la potestà dei genitori o la tutela?
Sachverhalt ab Seite 68
BGE 80 IV 67 S. 68
A.- Marie Distel in Schüpfheim gab ihr am 5. Januar 1951 ausserehelich geborenes Kind Theresia Distel bei Oskar Hagmann in Walterswil in Pflege. In der Folge, am 22. März 1951, bestellte ihm der Gemeinderat von Schüpfheim in der Person des Dr. Albert Bitzi einen Beistand. Dieser reichte, vom Gemeinderat beauftragt, am 11. Mai 1951 im Namen des Kindes gegen Marie Distel beim Statthalteramt Entlebuch Strafklage ein mit den Vorwürfen, sie habe sich trotz Aufforderung und Androhung der Straffolgen des Art. 292
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 292 - Wer der von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet, wird mit Busse bestraft. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 220 - Wer eine minderjährige Person dem Inhaber des Rechts zur Bestimmung des Aufenthaltsortes entzieht oder sich weigert, sie ihm zurückzugeben, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
Dr. Bitzi, der vom Gemeinderat von Schüpfheim am 4. Dezember 1952 dem Kinde als Vormund bestellt worden war, erklärte im Verhör vom 29. Januar 1953 vor dem Amtsstatthalter von Entlebuch, er halte an der Strafklage fest. Aus der Verantwortung der Angeschuldigten und einem Brief vom 8. Januar 1953 an ihn ergebe sich, dass sie sich fortwährend der Widerhandlung gegen Art. 220
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 220 - Wer eine minderjährige Person dem Inhaber des Rechts zur Bestimmung des Aufenthaltsortes entzieht oder sich weigert, sie ihm zurückzugeben, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
BGE 80 IV 67 S. 69
B.- Der Amtsstatthalter von Entlebuch liess die Strafverfolgung wegen Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen (Art. 292
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 292 - Wer der von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet, wird mit Busse bestraft. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 220 - Wer eine minderjährige Person dem Inhaber des Rechts zur Bestimmung des Aufenthaltsortes entzieht oder sich weigert, sie ihm zurückzugeben, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 220 - Wer eine minderjährige Person dem Inhaber des Rechts zur Bestimmung des Aufenthaltsortes entzieht oder sich weigert, sie ihm zurückzugeben, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
C.- Marie Distel führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an das Amtsgericht zurückzuweisen.
D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern beantragt, die Beschwerde sei gutzuheissen. Der Vormund der Theresia Distel beantragt, sie sei abzuweisen.
BGE 80 IV 67 S. 70
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Nach Art. 220
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 220 - Wer eine minderjährige Person dem Inhaber des Rechts zur Bestimmung des Aufenthaltsortes entzieht oder sich weigert, sie ihm zurückzugeben, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
BGE 80 IV 67 S. 71
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Amtsgerichts Entlebuch vom 14. Juli 1953 aufgehoben und die Sache zur Freisprechung der Beschwerdeführerin an die Vorinstanz zurückgewiesen.