Urteilskopf

80 IV 156

32. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 17. September 1954 i.S. Brügger gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern.
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Erwägungen ab Seite 157

BGE 80 IV 156 S. 157

Aus den Erwägungen:

6. Den Antrag auf Freisprechung von der Anklage des Betruges gegenüber Jäger begründet der Beschwerdeführer damit, dass ein Urteilsunfähiger nicht im Sinne des Art. 148
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 148 - 1 Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter gewerbsmässig, so wird er mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.207
StGB irregeführt und dadurch zu einem sein Vermögen schädigenden Verhalten bestimmt werden könne. Jemanden irreführen heisst, in ihm Vorstellungen wachrufen, die mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmen. Solche Vorstellungen können auch in einer Person erzeugt werden, die infolge ihres von der Norm abweichenden Geisteszustandes nicht fähig ist, vernünftig zu handeln. Solche Personen sind oft sogar in besonderem Masse der Gefahr ausgesetzt, sich zu irren. Gerade die Vergesslichkeit, Kritiklosigkeit und leichte Beeinflussbarkeit, unter denen Jäger wegen seines Altersschwachsinnes litt, haben die Irreführung erleichtert. Art. 148
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 148 - 1 Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter gewerbsmässig, so wird er mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.207
StGB setzt bloss den Irrtum voraus, nicht auch die Fähigkeit des Opfers, sich durch vernünftige Überlegungen vor Schaden zu schützen, insbesondere mit normaler Geisteskraft einem Irrtum vorzubeugen oder einen solchen zu überwinden. Es wäre eine sonderbare Rechtsordnung, wenn sie gerade den, der infolge verminderter Geistesgaben in vermehrtem Masse der Gefahr ausgesetzt ist, sich zu irren, nicht strafrechtlich gegen die betrügerische Hervorrufung und Ausnützung von Irrtümern schützen würde. Eine andere Frage ist, ob der Täter wisse, dass das Opfer unter dem Einfluss eines Irrtums handelt, oder ob er der Meinung sei, es sei der Lüge mit der Geisteskraft eines Normalen auf die Spur gekommen und fasse seinen Entschluss in Kenntnis des wahren Sachverhaltes. Davon aber hangen nur Vorsatz und Arglist ab, die der Beschwerdeführer mit Recht nicht bestreitet. Urteilsunfähigkeit des Opfers und daherige Unverbindlichkeit seiner Handlungen schliessen auch nicht die Vermögensschädigung aus, die Tatbestandsmerkmal des
BGE 80 IV 156 S. 158

Betruges ist. Der Schaden tritt unabhängig vom Recht des Geprellten, den früheren Zustand wiederherstellen zu lassen, dadurch ein, dass er tatsächlich über sein Vermögen verfügt, d.h. sich einer Sache entäussert, einen Wechsel unterschreibt und dgl. Die Beschwerde ist daher auch in diesem Punkte abzuweisen.

8. .....
Soweit der Beschwerdeführer sodann zur Stützung seiner Rüge, das Obergericht habe ihn zu streng bestraft, auf die vom Kriminalgericht ausgefällte Strafe verweist und daraus ableitet, das Obergericht hätte sie wegen Verneinung des leichtsinnigen Konkurses und wegen Annahme verminderter Zurechnungsfähigkeit stärker herabsetzen sollen, geht er schon deshalb fehl, weil keine bundesrechtliche Norm der oberen kantonalen Instanz vorschreibt, die von der ersten Instanz ausgefällte Strafe als Ausgangspunkt für die Zumessung der Strafe zu nehmen. Vielmehr hat die obere Instanz, soweit nicht kantonale Prozessvorschriften sie daran hindern, die Strafe unabhängig vom erstinstanzlichen Urteil nach den bundesrechtlichen Strafzumessungsnormen, insbesondere nach Art. 63
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 63 - 1 Ist der Täter psychisch schwer gestört, ist er von Suchtstoffen oder in anderer Weise abhängig, so kann das Gericht anordnen, dass er nicht stationär, sondern ambulant behandelt wird, wenn:
1    Ist der Täter psychisch schwer gestört, ist er von Suchtstoffen oder in anderer Weise abhängig, so kann das Gericht anordnen, dass er nicht stationär, sondern ambulant behandelt wird, wenn:
a  der Täter eine mit Strafe bedrohte Tat verübt, die mit seinem Zustand in Zusammenhang steht; und
b  zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer mit dem Zustand des Täters in Zusammenhang stehender Taten begegnen.
2    Das Gericht kann den Vollzug einer zugleich ausgesprochenen unbedingten Freiheitsstrafe, einer durch Widerruf vollziehbar erklärten Freiheitsstrafe sowie einer durch Rückversetzung vollziehbar gewordenen Reststrafe zu Gunsten einer ambulanten Behandlung aufschieben, um der Art der Behandlung Rechnung zu tragen. Es kann für die Dauer der Behandlung Bewährungshilfe anordnen und Weisungen erteilen.
3    Die zuständige Behörde kann verfügen, dass der Täter vorübergehend stationär behandelt wird, wenn dies zur Einleitung der ambulanten Behandlung geboten ist. Die stationäre Behandlung darf insgesamt nicht länger als zwei Monate dauern.
4    Die ambulante Behandlung darf in der Regel nicht länger als fünf Jahre dauern. Erscheint bei Erreichen der Höchstdauer eine Fortführung der ambulanten Behandlung notwendig, um der Gefahr weiterer mit einer psychischen Störung in Zusammenhang stehender Verbrechen und Vergehen zu begegnen, so kann das Gericht auf Antrag der Vollzugsbehörde die Behandlung um jeweils ein bis fünf Jahre verlängern.
StGB, zu bestimmen. Bundesrecht wäre daher selbst dann nicht verletzt, wenn das Obergericht eine strengere Strafe ausgefällt hätte als das Kriminalgericht. Die obere kantonale Instanz verletzt im Gegenteil eidgenössisches Recht, wenn sie ohne prozessuale Notwendigkeit das erstinstanzliche Urteil als verbindlichen Massstab oder Ausgangspunkt für die Bestimmung der Art und des Masses der Strafe nimmt, statt frei die bundesrechtlichen Strafzumessungsnormen anzuwenden.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 80 IV 156
Datum : 17. September 1954
Publiziert : 31. Dezember 1954
Quelle : Bundesgericht
Status : 80 IV 156
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : 1. Art. 148 StGB. Auch ein Urteilsunfähiger kann betrogen werden. 2. Art. 63 StGB. Bedeutung der erstinstanzlich verhängten


Gesetzesregister
StGB: 63 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 63 - 1 Ist der Täter psychisch schwer gestört, ist er von Suchtstoffen oder in anderer Weise abhängig, so kann das Gericht anordnen, dass er nicht stationär, sondern ambulant behandelt wird, wenn:
1    Ist der Täter psychisch schwer gestört, ist er von Suchtstoffen oder in anderer Weise abhängig, so kann das Gericht anordnen, dass er nicht stationär, sondern ambulant behandelt wird, wenn:
a  der Täter eine mit Strafe bedrohte Tat verübt, die mit seinem Zustand in Zusammenhang steht; und
b  zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer mit dem Zustand des Täters in Zusammenhang stehender Taten begegnen.
2    Das Gericht kann den Vollzug einer zugleich ausgesprochenen unbedingten Freiheitsstrafe, einer durch Widerruf vollziehbar erklärten Freiheitsstrafe sowie einer durch Rückversetzung vollziehbar gewordenen Reststrafe zu Gunsten einer ambulanten Behandlung aufschieben, um der Art der Behandlung Rechnung zu tragen. Es kann für die Dauer der Behandlung Bewährungshilfe anordnen und Weisungen erteilen.
3    Die zuständige Behörde kann verfügen, dass der Täter vorübergehend stationär behandelt wird, wenn dies zur Einleitung der ambulanten Behandlung geboten ist. Die stationäre Behandlung darf insgesamt nicht länger als zwei Monate dauern.
4    Die ambulante Behandlung darf in der Regel nicht länger als fünf Jahre dauern. Erscheint bei Erreichen der Höchstdauer eine Fortführung der ambulanten Behandlung notwendig, um der Gefahr weiterer mit einer psychischen Störung in Zusammenhang stehender Verbrechen und Vergehen zu begegnen, so kann das Gericht auf Antrag der Vollzugsbehörde die Behandlung um jeweils ein bis fünf Jahre verlängern.
148
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 148 - 1 Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter gewerbsmässig, so wird er mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.207
BGE Register
80-IV-156
Stichwortregister
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