80 II 1
1. Urteil der II. Zivilabteilung vom 27. April 1954 i. S. Bopp gegen Bopp.
Regeste (de):
- Ehescheidung, tiefe Zerrüttung; Art. 142 Abs. 2
ZGB.
- Obwohl sich beim Kläger die Abwendung von der Ehefrau heute bis zur tatsächlichen Unüberwindlichkeit krankhaft fixiert hat, steht Art. 142 Abs. 2 seiner Klage entgegen, wenn dieser Zustand auf sein schuldhaftes Verhalten zurückzuführen ist.
Regeste (fr):
- Divorce. Lien conjugal profondément atteint. Art. 142 al. 2 CC.
- Un époux n'est pas fondé à conclure au divorce pour le motif qu'il éprouve une aversion insurmontable et maladive pour son conjoint s'il est lui-même responsable de cette situation.
Regesto (it):
- Divorzio. Profonda turbazione delle relazioni coniugali. Art. 142 cp. 2 CC.
- Un coniuge non ha il diritto di chiedere il divorzio pel motivo che prova un'avversione insormontabile e morbosa verso l'altro coniuge, s'egli stesso è responsabile di questa situazione.
Sachverhalt ab Seite 1
BGE 80 II 1 S. 1
A.- Ein erstes Urteil des Bezirksgerichts Horgen auf Trennung der 1933 geschlossenen Ehe der Parteien wurde vom Obergericht Zürich 1948 aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen. Anstelle der wiederum ausgesprochenen Trennung wies das Obergericht die Klage wegen vorwiegenden Verschuldens des Klägers an der Zerrüttung ab, und das Bundesgericht bestätigte am 14. September 1949 in Abweisung der Berufung des Klägers dieses Urteil.
BGE 80 II 1 S. 2
Eine am 3. Dezember 1952 vom Ehemanne eingeleitete neue Scheidungsklage wurde wiederum vom Bezirksgericht gutgeheissen, jedoch auf Appellation der Beklagten vom Obergericht abgewiesen. Es geht von den Urteilen im früheren Prozesse aus, nach denen damals das Verschulden deutlich auf Seite des Klägers gelegen habe. Seither sei die Beklagte immer zur Versöhnung und Wiedervereinigung bereit gewesen und dem Manne zugetan geblieben. Angesichts der Behauptung des Klägers, eine Rückkehr zur Frau sei ihm psychisch schlechterdings unmöglich, liess die Vorinstanz beide Eheleute hinsichtlich ihres psychischen Zustandes und namentlich ihrer gegenseitigen Einstellung psychiatrisch begutachten. Auf Grund dieser Expertise bezeichnet die Vorinstanz die psychologische Situation der Ehegatten als hinlänglich abgeklärt. Die Beklagte leide unter der tatsächlich vorhandenen Zerrüttung schwer und befinde sich deswegen in einem ans Krankhafte grenzenden Zustande. Sie hänge am Manne und an der Ehe und sei gewillt, durch Wiederaufnahme der Gemeinschaft zur Lösung des Zerwürfnisses beizutragen. Allerdings seien die Parteien verschieden veranlagt. Verschiedenheit, ja Unvereinbarkeit der Charaktere könne jedoch nicht ohne weiteres als objektive Zerrüttungsursache anerkannt werden (BGE 72 II 402, BGE 74 II 66, BGE 77 II 204 ff.). In casu handle es sich um Charaktereigenschaften, die willensmässig im Sinne der Anpassung beeinflusst und korrigiert werden können. Dass diese charakterlichen, objektiven Faktoren nicht unüberwindbar und ausschlaggebend gewesen seien, zeige der jahrelange gute Verlauf der Ehe. Der Kläger hätte die Schwierigkeiten aus der bei ihm vorhandenen, auf Erziehungsstörungen zurückgehenden seelischen Unausgeglichenheit mit gutem Willen meistern können. Für den Eintritt der Krise erst nach Jahren sei sein bezügliches Versagen allein verantwortlich. Während die Beklagte sich als Hausfrau und Mutter untadelig gehalten, habe der Mann sich von ihr wegentwickelt, sich über sie zu erheben angefangen, sie und die
BGE 80 II 1 S. 3
Kinder vernachlässigt, die persönlichen Beziehungen zur Familie verkümmern lassen, sie viel allein gelassen, ja tyrannisiert. Eine daherige Verbitterung und gelegentliche scharfe Reaktion seitens der Frau sei begreiflich und könne ihr nicht zu erheblichem Verschulden angerechnet werden. Bei diesem Sachverhalt dränge sich dem Gericht wiederum die Feststellung auf, dass die unheilvolle Entwicklung der Ehe in der Hauptsache in der späteren verfehlten Einstellung des Klägers gegenüber Frau und Kindern liege, die ihm zum Verschulden gereiche. Dieses übertreffe an ursächlicher Bedeutung die übrigen Zerrüttungsfaktoren, weshalb seiner Klage Art. 142 Abs. 2

BGE 80 II 1 S. 4
B.- Gegen dieses Urteil richtet sich die vorliegende Berufung des Klägers mit dem Antrag auf Scheidung der Ehe mit den Nebenfolgen gemäss dem bezirksgerichtlichen Entscheid. Zur Begründung wird ausgeführt, dass das Urteil Art. 142

Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Hinsichtlich der Erforschung der Entwicklung des ehelichen Verhältnisses, des heutigen seelischen Zustandes der Parteien mit Bezug auf dasselbe und der ursächlichen Rolle der einzelnen Faktoren für die Entstehung der vorliegenden Zerrüttung hat die Vorinstanz alles getan, was ein einsichtiger und gewissenhafter Richter tun kann, namentlich auch sich bemüht, bei der Erfassung des krisenhaften Verlaufs der Ehe nicht an Äusserlichkeiten haften zu bleiben, sondern die Vorgänge als im wesentlichen psychologischer Natur zu begreifen und darzustellen. Soweit es sich bei den gewonnenen Ergebnissen um Feststellungen und Annahmen tatsächlicher Art handelt - wozu auch solche über innere, seelische Vorgänge sowie über das Verhältnis von Ursache und Wirkung (Kausalität) auf diesem Gebiete gehören (BGE 69 II 355 u.a.) -,
BGE 80 II 1 S. 5
ist das Bundesgericht an die Beurteilung der kantonalen Instanz gebunden. Soweit aber seiner Überprüfung unterliegende Rechtsfragen in Betracht kommen, namentlich mit Bezug auf die Anrechenbarkeit des kausalen fehlerhaften Verhaltens des Klägers als Verschulden im Sinne von Art. 142 Abs. 2

Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 12. Januar 1954 bestätigt.