S. 49 / Nr. 12 Strafgesetzbuch (d)

BGE 79 IV 49

12. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 29. Mai 1953 i. S. N. N.
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau.


Seite: 49
Regeste:
Art. 6 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 6 - 1 Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
1    Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
a  die Tat auch am Begehungsort strafbar ist oder der Begehungsort keiner Strafgewalt unterliegt; und
b  der Täter sich in der Schweiz befindet und nicht an das Ausland ausgeliefert wird.
2    Das Gericht bestimmt die Sanktionen so, dass sie insgesamt für den Täter nicht schwerer wiegen als diejenigen nach dem Recht des Begehungsortes.
3    Der Täter wird, unter Vorbehalt eines krassen Verstosses gegen die Grundsätze der Bundesverfassung und der EMRK11, in der Schweiz wegen der Tat nicht mehr verfolgt, wenn:
a  ein ausländisches Gericht ihn endgültig freigesprochen hat;
b  die Sanktion, zu der er im Ausland verurteilt wurde, vollzogen, erlassen oder verjährt ist.
4    Ist der Täter wegen der Tat im Ausland verurteilt worden und wurde die Strafe im Ausland nur teilweise vollzogen, so rechnet ihm das Gericht den vollzogenen Teil auf die auszusprechende Strafe an. Das Gericht entscheidet, ob eine im Ausland angeordnete, dort aber nur teilweise vollzogene Massnahme fortzusetzen oder auf die in der Schweiz ausgesprochene Strafe anzurechnen ist.
StGB, Art. 1 Abs. 1, Art. 11 Auslieferungsgesetz vom 22. Januar
1892. Darf ein des Betruges Beschuldigter, dessen Handlung auch Fiskaldelikt
ist, an die Tschechoslowakische Republik ausgeliefert werden?
Art. 6 ch. 1 CP, art. 1er al. 1 et art. 11 de la loi sur l'extradition. Une
personne inculpée d'escroquerie et dont l'acte constitue en outre un délit
fiscal peut-elle être livrée à la Tchécoslovaquie?
Art. 6 cifra 1 CP, art. 1 CP 1 e art. 11 della legge 22 gennaio 1892 sulla
estradizione. Una persona richiesta per truffa e il cui atto costituisce
inoltre un reato fiscale può essere estradata alla Cecoslovacchia?

Der Schweizer N. N. hielt sich in den Jahren 1948 und 1949 in der
Tschechoslowakei auf. Die Mittel zur Bestreitung seines kostspieligen Lebens
verschaffte er sich dadurch, dass er sieben Personen zur Übergabe von
insgesamt rund 500000 Tschechenkronen bestimmte, indem er ihnen versprach, den
vereinbarten Gegenwert im Ausland zur Verfügung zu stellen. Dabei war er sich
bewusst, dass er seine Zahlungsversprechen nie werde halten können.
Tatsächlich hielt er sie nicht.
Nachdem er in die Schweiz zurückgekehrt war, wurde er im Kanton Aargau in
Anwendung des milderen tschechischen Rechts wegen Betruges verurteilt. Mit
Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichts machte er unter
anderem geltend, nach Art. 6
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 6 - 1 Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
1    Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
a  die Tat auch am Begehungsort strafbar ist oder der Begehungsort keiner Strafgewalt unterliegt; und
b  der Täter sich in der Schweiz befindet und nicht an das Ausland ausgeliefert wird.
2    Das Gericht bestimmt die Sanktionen so, dass sie insgesamt für den Täter nicht schwerer wiegen als diejenigen nach dem Recht des Begehungsortes.
3    Der Täter wird, unter Vorbehalt eines krassen Verstosses gegen die Grundsätze der Bundesverfassung und der EMRK11, in der Schweiz wegen der Tat nicht mehr verfolgt, wenn:
a  ein ausländisches Gericht ihn endgültig freigesprochen hat;
b  die Sanktion, zu der er im Ausland verurteilt wurde, vollzogen, erlassen oder verjährt ist.
4    Ist der Täter wegen der Tat im Ausland verurteilt worden und wurde die Strafe im Ausland nur teilweise vollzogen, so rechnet ihm das Gericht den vollzogenen Teil auf die auszusprechende Strafe an. Das Gericht entscheidet, ob eine im Ausland angeordnete, dort aber nur teilweise vollzogene Massnahme fortzusetzen oder auf die in der Schweiz ausgesprochene Strafe anzurechnen ist.
StGB sei die Verurteilung nur zulässig, wenn das
schweizerische Recht die Auslieferung zulasse. Die kantonale Instanz habe
nicht untersucht, ob diese Voraussetzung erfüllt sei.

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Der Kassationshof zieht in Erwägung
Nach der vom Bundesgericht nicht zu überprüfenden und vom Beschwerdeführer
übrigens nicht angefochtenen Auslegung des tschechoslowakischen Rechts durch
die Vorinstanz sind die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Handlungen nach
dem Rechte des Begehungsortes als Betrug strafbar. Gemäss Art. 6 Ziff. 1 des
schweizerischen Strafgesetzbuches kann der Beschwerdeführer, der Schweizer ist
und sich in der Schweiz befindet, in seiner Heimat dafür aber nur verfolgt
werden, wenn das schweizerische Recht für ein solches Verbrechen die
Auslieferung zulässt denn die Bestrafung in der Schweiz ist Ersatz für die
Nichtauslieferung des Schweizers und darf deshalb, damit dieser nicht
schlechter gestellt sei als der Ausländer, nicht stattfinden, wenn das
schweizerische Recht die Auslieferung des Ausländers verbietet (vgl. BGE 76 IV
214
).
Einen Auslieferungsvertrag mit der Tschechoslowakei hat die Schweiz nicht
abgeschlossen, und der Auslieferungsvertrag, der am 10. März 1896 zwischen der
Schweiz und Österreich-Ungarn zustande gekommen ist, kann, wie der Bundesrat
im Jahre 1920 anlässlich eines Auslieferungsbegehrens erklärt hat, auf die
Tschechoslowakei als Nachfolge Staat nicht ohne weiteres angewendet werden
(BBl 1921 II 350). Darauf kommt indessen nichts an, wie auch unerheblich ist,
ob die Gegenrechtserklärung, welche die tschechoslowakische Regierung dem
Bundesrat im erwähnten Falle abgegeben hat, heute noch bindet. Denn gemäss Mt.
I Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 22. Januar 1892 betreffend die Auslieferung
gegenüber dem Auslande kann der Bundesrat, wenn die im Gesetz aufgestellten
Voraussetzungen erfüllt sind, den Ausländer auch an einen Staat ausliefern,
mit dem kein Auslieferungsvertrag besteht, und das ausnahmsweise auch ohne
Vorbehalt des Gegenrechts. Ob er es tun will, ist seinem Ermessen
anheimgegeben, wobei er auch das Interesse der Schweiz,

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sich verbrecherischer oder des Verbrechens verdächtiger Ausländer zu
entledigen, berücksichtigen soll (Botschaft zum Entwurf des
Auslieferungsgesetzes, BBl 1890 III 329). Wie er von diesem Ermessen in einem
Falle wie dem vorliegenden Gebrauch machen würde, ist unerheblich. Unter dem
Gesichtspunkt von Art. 6 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 6 - 1 Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
1    Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
a  die Tat auch am Begehungsort strafbar ist oder der Begehungsort keiner Strafgewalt unterliegt; und
b  der Täter sich in der Schweiz befindet und nicht an das Ausland ausgeliefert wird.
2    Das Gericht bestimmt die Sanktionen so, dass sie insgesamt für den Täter nicht schwerer wiegen als diejenigen nach dem Recht des Begehungsortes.
3    Der Täter wird, unter Vorbehalt eines krassen Verstosses gegen die Grundsätze der Bundesverfassung und der EMRK11, in der Schweiz wegen der Tat nicht mehr verfolgt, wenn:
a  ein ausländisches Gericht ihn endgültig freigesprochen hat;
b  die Sanktion, zu der er im Ausland verurteilt wurde, vollzogen, erlassen oder verjährt ist.
4    Ist der Täter wegen der Tat im Ausland verurteilt worden und wurde die Strafe im Ausland nur teilweise vollzogen, so rechnet ihm das Gericht den vollzogenen Teil auf die auszusprechende Strafe an. Das Gericht entscheidet, ob eine im Ausland angeordnete, dort aber nur teilweise vollzogene Massnahme fortzusetzen oder auf die in der Schweiz ausgesprochene Strafe anzurechnen ist.
StGB ist bloss entscheidend, ob das
schweizerische Recht die Auslieferung an sich zulässt. Das aber trifft gemäss
Art. 3 Ziff. 22 des Auslieferungsgesetzes in Fällen von Betrug zu. Selbst wenn
Handlungen wie die des Beschwerdeführers nach tschechoslowakischem Recht auch
den Tatbestand eines Devisenvergehens erfüllen, ist die Auslieferung zulässig.
Zwar darf gemäss Art. 11 Abs. 1 des Auslieferungsgesetzes wegen Übertretung
fiskalischer Gesetze nicht ausgeliefert werden. Wie in BGE 78 I 245 Erw. 4
entschieden worden ist, schliesst jedoch Idealkonkurrenz des
Auslieferungsdeliktes mit einem Fiskaldelikt die Auslieferung für ersteres
nicht aus; die Auslieferung wird in einem solchen Falle an die Bedingung
geknüpft, dass die Übertretung des fiskalischen Gesetzes weder bestraft noch
strafschärfend berücksichtigt werde (Art. 11 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 11 - 1 Ein Verbrechen oder Vergehen kann auch durch pflichtwidriges Untätigbleiben begangen werden.
1    Ein Verbrechen oder Vergehen kann auch durch pflichtwidriges Untätigbleiben begangen werden.
2    Pflichtwidrig untätig bleibt, wer die Gefährdung oder Verletzung eines strafrechtlich geschützten Rechtsgutes nicht verhindert, obwohl er aufgrund seiner Rechtstellung dazu verpflichtet ist, namentlich auf Grund:
a  des Gesetzes;
b  eines Vertrages;
c  einer freiwillig eingegangenen Gefahrengemeinschaft; oder
d  der Schaffung einer Gefahr.
3    Wer pflichtwidrig untätig bleibt, ist gestützt auf den entsprechenden Tatbestand nur dann strafbar, wenn ihm nach den Umständen der Tat derselbe Vorwurf gemacht werden kann, wie wenn er die Tat durch ein aktives Tun begangen hätte.
4    Das Gericht kann die Strafe mildern.
Auslieferungsgesetz).
Art. 6 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 6 - 1 Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
1    Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
a  die Tat auch am Begehungsort strafbar ist oder der Begehungsort keiner Strafgewalt unterliegt; und
b  der Täter sich in der Schweiz befindet und nicht an das Ausland ausgeliefert wird.
2    Das Gericht bestimmt die Sanktionen so, dass sie insgesamt für den Täter nicht schwerer wiegen als diejenigen nach dem Recht des Begehungsortes.
3    Der Täter wird, unter Vorbehalt eines krassen Verstosses gegen die Grundsätze der Bundesverfassung und der EMRK11, in der Schweiz wegen der Tat nicht mehr verfolgt, wenn:
a  ein ausländisches Gericht ihn endgültig freigesprochen hat;
b  die Sanktion, zu der er im Ausland verurteilt wurde, vollzogen, erlassen oder verjährt ist.
4    Ist der Täter wegen der Tat im Ausland verurteilt worden und wurde die Strafe im Ausland nur teilweise vollzogen, so rechnet ihm das Gericht den vollzogenen Teil auf die auszusprechende Strafe an. Das Gericht entscheidet, ob eine im Ausland angeordnete, dort aber nur teilweise vollzogene Massnahme fortzusetzen oder auf die in der Schweiz ausgesprochene Strafe anzurechnen ist.
StGB steht daher der Bestrafung des Beschwerdeführers nicht im
Wege.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 79 IV 49
Datum : 01. Januar 1953
Publiziert : 29. Mai 1953
Quelle : Bundesgericht
Status : 79 IV 49
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 6 Ziff. 1 StGB, Art. 1 Abs. 1, Art. 11 Auslieferungsgesetz vom 22. Januar 1892. Darf ein des...


Gesetzesregister
StGB: 6 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 6 - 1 Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
1    Wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen begeht, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, ist diesem Gesetz unterworfen, wenn:
a  die Tat auch am Begehungsort strafbar ist oder der Begehungsort keiner Strafgewalt unterliegt; und
b  der Täter sich in der Schweiz befindet und nicht an das Ausland ausgeliefert wird.
2    Das Gericht bestimmt die Sanktionen so, dass sie insgesamt für den Täter nicht schwerer wiegen als diejenigen nach dem Recht des Begehungsortes.
3    Der Täter wird, unter Vorbehalt eines krassen Verstosses gegen die Grundsätze der Bundesverfassung und der EMRK11, in der Schweiz wegen der Tat nicht mehr verfolgt, wenn:
a  ein ausländisches Gericht ihn endgültig freigesprochen hat;
b  die Sanktion, zu der er im Ausland verurteilt wurde, vollzogen, erlassen oder verjährt ist.
4    Ist der Täter wegen der Tat im Ausland verurteilt worden und wurde die Strafe im Ausland nur teilweise vollzogen, so rechnet ihm das Gericht den vollzogenen Teil auf die auszusprechende Strafe an. Das Gericht entscheidet, ob eine im Ausland angeordnete, dort aber nur teilweise vollzogene Massnahme fortzusetzen oder auf die in der Schweiz ausgesprochene Strafe anzurechnen ist.
11
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 11 - 1 Ein Verbrechen oder Vergehen kann auch durch pflichtwidriges Untätigbleiben begangen werden.
1    Ein Verbrechen oder Vergehen kann auch durch pflichtwidriges Untätigbleiben begangen werden.
2    Pflichtwidrig untätig bleibt, wer die Gefährdung oder Verletzung eines strafrechtlich geschützten Rechtsgutes nicht verhindert, obwohl er aufgrund seiner Rechtstellung dazu verpflichtet ist, namentlich auf Grund:
a  des Gesetzes;
b  eines Vertrages;
c  einer freiwillig eingegangenen Gefahrengemeinschaft; oder
d  der Schaffung einer Gefahr.
3    Wer pflichtwidrig untätig bleibt, ist gestützt auf den entsprechenden Tatbestand nur dann strafbar, wenn ihm nach den Umständen der Tat derselbe Vorwurf gemacht werden kann, wie wenn er die Tat durch ein aktives Tun begangen hätte.
4    Das Gericht kann die Strafe mildern.
BGE Register
76-IV-209 • 78-I-235 • 79-IV-49
Stichwortregister
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schweizerisches recht • betrug • bundesrat • tschechoslowakei • kassationshof • strafgesetzbuch • aargau • bundesgericht • ermessen • entscheid • gegenrecht • beschuldigter • schweizer bürgerrecht • verurteilung • stelle • verurteilter • bedingung • ungarn • wille • vorinstanz
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BBl
1890/III/329 • 1921/II/350